Lost & Dark Places Allgäu & Oberschwaben - Benedikt Grimmler - E-Book

Lost & Dark Places Allgäu & Oberschwaben E-Book

Benedikt Grimmler

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Beschreibung

Die Region lockt mit Beschaulichkeit vom Bodensee bis zu den Alpen. Doch was, wenn ganze Feriendörfer verlassen daliegen, Bauernhöfe verfallen in der Landschaft stehen, Bäder geschlossen, Klöster abgebrochen, Burgen der Verwahrlosung überlassen, Alphütten aufgeben werden? Da wird die Ferienidylle schnell zur Dark-Place-Kulisse. Kommen dann noch Hexenverfolgung, Pestepidemien und Scharlatane mit zweifelhaften Methoden hinzu, wird die schöne Umgebung oft ganz schön schaurig.

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Burg Fluhenstein – ruinierte Ruine (Kapitel 29)

Benedikt Grimmler

Lost & Dark PlacesALLGÄU UND OBERSCHWABEN

33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte

Hallberger Haus – erholungsbedürftig (Kapitel 3)

Kloster Löwental – Räumungsverkauf (Kapitel 6)

Beginenhaus Kempten – zähe Rettungsversuche (Kapitel 10)

INHALT

Vorwort

Verhaltensregeln für Lost Places

33 LOST & DARK PLACES

1Unter Waldbrüdern

Das Mini-Kloster Argenhardt

2Goldene Zwanziger im Achtal

Das Waldbad bei Baienfurt

3Erholungsbedürftig

Das Hallberger Haus bei Kressbronn

4Kopflose Reaktion

Die Plankentalkapelle Bad Buchau

5Ein Schlag ins Wasser

Das Bad Dankelsried

6Räumungsverkauf

Kloster Löwental

7Mord mit Sühne

Das Steinkreuz bei Hochdorf

8Der gelöste Knoten

Bahnstrecken nach Isny

9Abgebrannt

Die Rosenbrauerei in Kaufbeuren

10Zähe Rettungsversuche

Das Beginenhaus in Kempten

11Renommieren und Renovieren

Der Chapuis-Park in Kempten

12Der Richter

Hexenprozesse in Kempten und Unterthingau

13Hinter Gittern

Das alte Gefängnis in Laupheim

14Unschöne Aussichten

Das Hoyerbergschlössle in Lindau

15Ende einer Pioniertat

Die Bahnstrecke Meckenbeuren-Tettnang

16Stilvoll sterben

Der Alte Friedhof Memmingen

17Vereinsamt

Die Katharinenkapelle und ihr Mesnerhaus in Mindelheim

18Hübsch hässlich

Das Feierabendheim der Diakonissen in Mindelheim

19Draußen vor der Tür

Pestfriedhöfe

20Papier ist vergänglich

Mochenwangen

21Bauernsterben

Der Hof Lohren bei Aulendorf

22Schweizer Stadt im Allgäu

Neuravensburg

23Le massacre de Cammlace

Das Schlachtfeld von Oberkammlach

24Inferno im Allgäu

Konrad Stöcklin, Hexenfinder aus Oberstdorf

25Lagerprobleme

Das württembergische Lagerhaus in Ravensburg

26Eine Kindsmörderin?

Schlimme Zeiten in Scheffau

27Ferienende

Das Feriendorf am Kinberg bei Scheidegg

28Trockengelegt

Das Torfwerk Bad Schussenried

29Ruinierte Ruine

Burg Fluhenstein

30Fussball spielende Kelten

Der Goldberg bei Türkheim

31Zusperrstunde

Verlassene Gasthöfe

32Abrüstung

Die Ausrüstungsanstalt Wangen

33Klappern gehört zum Handwerk

Das Leprosenhaus in Bad Wurzach

Register

Impressum

Lohren bei Aulendorf – Bauernsterben (Kapitel 21)

Neuravensburg – Schweizer Stadt im Allgäu (Kapitel 22)

Gutbürgerlich begraben: der Alte Friedhof in Memmingen (Kapitel 16)

VORWORT

Das Allgäu gehört zu den beliebtesten Urlaubsregionen Deutschlands und gemeinsam mit der Nachbarregion Oberschwaben und mit dem Bodensee im Süden erhöht sich die Attraktivität nur umso mehr. Während als Oberschwaben nur der baden-württembergische Teil südlich von Ulm bis Friedrichshafen gilt, überschreitet das Allgäu Grenzen. Leutkirch liegt definitiv genauso im Allgäu wie Kempten, ansonsten fransen die Grenzen vor allem zum Norden hin etwas aus, aber darüber mögen andere streiten. In jedem Fall hat der anreisende Besucher – und wohl auch der Bewohner – eine genaue Vorstellung des Allgäus und von Oberschwaben: eine hügelige Landschaft vor Bergkulisse, darin Kühe und Seen, Klöster und Gasthäuser, freundliche Menschen mit teils schwer verständlichen Dialekten und viele Genussmöglichkeiten, von Käse über Milch bis hin zu Bier.

Im Normalfall reist man also nicht unbedingt an, um sich kaputte Fabriken, stillgelegte Bahnstrecken, verlassene Hotels oder Hinrichtungsorte anzusehen. Verständlich, aber ein Fehler. Und auch gerade die Prägung als Urlaubsregion hat in der Landschaft zahlreiche Lost Places hinterlassen. Schon in frühesten Zeiten lockten Bäder die Menschen hierher, sprudelnde Quellen versprachen Gesundung durch Kur. Doch auch eine bis in die Jahrhunderte gehende Tradition schützt leider nicht vor dem Verfall, vor allem, wenn die Quellen versiegen oder zumindest an Bekanntheit verlieren, siehe Baienfurt (2) oder Dankelsried (6). Ähnlich erging es so manchem Gasthof mit langer Geschichte, weder schöne Namen noch eine gute Lage verhinderten die Pleite oder das Ausbleiben neuer Pächter (31). In der Nachkriegszeit, als wieder Geld vorhanden war, aber noch nicht so üppig, um gleich bis in den weit entfernten Süden zu reisen, begnügte man sich mit dem heimischen Süden und damit wurden Feriendörfer (27) attraktiv. Ein dunkles Nebenkapitel sind die ebenfalls aus jener Zeit stammenden Kinderverschickungen (3), beide Konzepte sind größtenteils passé, ihre baulichen Hinterlassenschaften finden sich dagegen noch immer.

Wer nicht gerade ins Feriendorf wollte, der gönnte sich stattdessen den immer noch beliebten Urlaub auf dem Bauernhof. Das war ein willkommener Nebenverdienst für die Einheimischen, deren Leben als Landwirte besonders in früheren Tagen wenig mit der Kitschromantik von Landlustzeitschriften zu tun hatte. Dass es bis heute noch immer alles andere als einfach ist, zeigen verfallene Höfe (21, 26), die sich zwischen schmucken Bauernhäusern und modernisierten Viehbetrieben finden.

Die Sommerfrischler der Jahrhundertwende um 1900 waren auch ein Grund, warum es nach den ersten Erschließungen durch Hauptlinien wie der Südbahn (»Schwäb’sche Eisenbahn«) und der Ludwig-Nord-Süd-Bahn vom Bodensee nach Stuttgart bzw. Hof zu einem regelrechten Boom an kleinen Nebenbähnchen kam, die selbst hoch gelegene Voralpendörfer wie Weiler im Allgäu oder Lindenberg an die große weite Welt anschlossen. Überlebt hat von diesen zahlreichen Verbindungen, die oft Stichstrecken waren, so gut wie keine, egal ob im Ober- oder Unterland. Den Sparmaßnahmen der Bahn fielen selbst Pioniertaten wie in Tettnang (15) oder Knotenpunkte wie Isny (8) zum Opfer. Von ihnen blieben oft nur vereinsamte Brücken mit viel Rost, heruntergekommene Bahnhöfe ohne Gleise oder Bahndämme, die – immerhin – noch als Radwege dienen.

Die zweite Hoffnung, die auf der Erschließung durch die Bahn ruhte, galt der besseren wirtschaftlichen Anbindung. Denn das Allgäu und Oberschwaben lagen nach der Neuordnung durch Napoleon plötzlich in Großstaaten, den Königreichen Württemberg und Bayern – allerdings in beiden Fällen eher am Rande. Mit der Ansiedlung von Industrie bot sich zudem vielen Tagelöhnern, Mägden und Knechten ein Ausweg aus der bäuerlichen Abhängigkeit, dazu ein vielleicht nicht üppiger, aber dauerhafter Lohn. Wer ein attraktiver Unternehmer der Gründerzeit sein wollte, der bot seinen Arbeitern zusätzliche Lockmittel, etwa Wohnsiedlungen oder Kinderbetreuung. Für viele Jahrzehnte ging diese Rechnung auf, doch die einst blühenden Gewerbe der Region, zum Beispiel Papier (20) oder Textil (32), gerieten Ende des 20. Jahrhunderts in die Krise. Von ihren besten Zeiten zeugen einige Fabrikruinen.

Einst ein stattliches Gehöft: Lohren bei Aulendorf (21)

Und dann sind da noch die Bewohner. Gastfreundlich, dem Genuss nicht abgeneigt, barock, es herrscht eine katholische Prägung vor, so das vorherrschende Bild. Aber darunter lauern auch noch manche archaische Züge, manchmal gerade noch so im kirchlichen Rahmen, manchmal selbst diesen verlassend. Die Hexenverfolgungen sind glücklicherweise vorbei, doch sie wüteten jahrhundertelang recht grausam im Allgäu, oft verbunden mit überholten Vorstellungen aus uralten Zeiten (12, 24). Heimgesucht wurde die Region allerdings auch von nicht menschengemachten Übeln, wovon die zahlreichen noch vorhandenen, meist geisterhaft leeren abgelegenen Pestfriedhöfe zeugen (19). Statt Almabtrieb und Rutenfest, Nebelhornbahn und Kneippkur begegnen uns in diesem Buch neben all den genannten Lost Places noch verschwundene Klöster, kopflose Ritter, ausgelagerte Aussätzige, untergegangene Städte, reuige Totschläger, hübsche Gefängnisse und hässliche Hochhäuser … und und und. Alles vielleicht auf den ersten Blick nicht unbedingt klassische Urlaubsziele – aber dafür alle garantiert verbunden mit spannenden Geschichten.

Ausgesiedelt: Bauernhaus in Scheffau (26)

VERHALTENSREGELN FÜR LOST PLACES

1. Behandeln Sie die Orte mit Respekt

Jedes Bauwerk und jedes Gebäude erzählt eine Geschichte aus vergangenen Tagen. Dies gilt es zu schützen. Und auch wenn es nicht immer so aussieht, hat jeder Lost Place einen Eigentümer. Dies ist zu respektieren und Zuwiderhandlungen können ernsthafte rechtliche Konsequenzen haben. Betreten Sie keine Gebäude oder Grundstücke unbefugt, zerstören oder beschädigen Sie nichts, öffnen Sie nichts gewaltsam. Sind Fenster oder Türen verschlossen, soll das auch so bleiben. Dieses Buch ist so konzipiert, dass Sie viele der Orte frei oder auf Nachfrage betreten dürfen (Burgruinen etc.) oder, falls dies nicht offiziell erlaubt ist, die Orte auch »mit Abstand« erfahren und genießen können.

2. Nehmen Sie nichts mit, lassen Sie nichts da

Wenn Sie etwas von einem Lost Place mitnehmen, und sei es noch so klein, ist es Diebstahl. Wie bereits in Punkt 1 gesagt, alle diese Orte haben einen Eigentümer. Daher gilt die Regel: Alles bleibt, wie es ist. Belassen Sie es bei den schönen Einblicken und Fotos, die Sie an dem Ort machen. Das bedeutet auch: Lassen Sie nichts zurück, keine Essensreste, keine Kaugummis, keine Zigarettenkippen.

Nächster Halt Nirgendwo: Bahngleise in Meckenbeuren (Kapitel 15)

3. Rauchen verboten

Das bringt uns zum nächsten Punkt: Rauchen verboten. Zollen Sie dem ehrwürdigen Ort Respekt und verzichten Sie für die Zeit, die Sie da sind, aufs Rauchen. Zigarettenkippen brauchen nicht nur 15 Jahre zum Verrotten (sie sollten übrigens nirgends achtlos weggeworfen werden), sondern können schnell ein verheerendes Feuer verursachen.

4. Keine Graffiti

Dass Sie nichts hinterlassen sollen, gilt auch für »Kunstwerke« an den Wänden. Lassen Sie Wände und Mauern, wie sie sind. Auch die Menschen nach Ihnen sollen den Ort so erleben können, wie er früher einmal war.

5. Seien Sie vorsichtig und gehen Sie nicht allein

Besonders wichtig: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Das gilt vor allem bei Lost Places. Brüchige Mauern, frühere Keller, herumliegende Überreste oder auch Müll, aber auch natürliche Gegebenheiten (Bodenlöcher, Höhlen) bergen einige Gefahren. Zudem liegen manche der Objekte recht einsam. Deshalb ist es ratsam, immer mindestens zu zweit, besser noch zu dritt einen Lost Place zu besuchen. Da gilt die alte Regel: Ist eine Person verletzt, bleibt die zweite vor Ort und die dritte holt Hilfe. Zudem weiß man nie, wen man vor Ort trifft. Plünderer, Spinner oder Betrunkene sind auch oft rund um Lost Places anzutreffen. Da ist es beruhigender, nicht allein unterwegs zu sein.

Unschöne Scheune: Verlassener Hof in Scheffau (Kapitel 26)

Schwäbische Gardinen: der Lohrenhof (Kapitel 21)

 1 

UNTER WALDBRÜDERN

Das Mini-Kloster Argenhardt

Im Wald bei Tettnang bildeten sich früh kleine Zellen frei zusammenlebender Mönche. Irgendwann gerieten sie in gegenseitige Abhängigkeit, was ihnen nicht unbedingt guttat. Heute sind sie fast komplett verschwunden.

Argenhardt (Stadt Tettnang), Bodenseekreis (FN), BW Ort Argenhardt 1, 88069 Tettnang GPS 47.647881, 9.605722 Anfahrt Zug: Bahnhof Meckenbeuren (RE Lindau-Stuttgart, RB Friedrichshafen-Aulendorf) Auto: A96, Ausfahrt Sigmarszell

Argenhardt: Nur Experten erkennen im einsamen Gehöft noch Reste des Klosters.

RÜCKZUG IN DEN WALD Über die Gründe, die den Pfarrer Marquard, genannt der Schulmeister, 1355 bewogen, mitten im bei Tettnang gelegenen Wald Argenhardt (die Argen ist der nahe Fluss, »Hardt« bezeichnet für gewöhnlich einen auch als Weideplatz genutzten Wald) eine Kapelle zu stiften, kann nur spekuliert werden. Zur Versorgung des Gotteshauses erwarb der Priester ein paar Höfe und die Zustimmung sowie den Schutz des örtlichen Landesherrn, des Grafen von Montfort, Heinrich III. Dieser überließ dem Stifter weitere Güter, die allerdings mit dessen Tod wieder an die Montforts zurückfallen sollten. Es ist gut möglich, dass sich Marquard als Einsiedler in seine neue, sicher nur kleine Kapelle zurückzog. Vermutlich war er schon betagt, die Sorge um sein Seelenheil könnte einer der – damals üblichen – Anlässe für die fromme Stiftung gewesen sein. In jedem Fall starb er wohl recht bald, denn schon 1359 fielen die verliehenen Besitzungen wieder zurück an den Grafen, der nun mit der sogenannten Zelle Argenhardt etwas Neues vorhatte. Die Montforts, eine vor allem in Vorarlberg beheimatete weit verzweigte Adelssippe, hatten sich einmal mehr gespalten. Die oberschwäbischen Ableger, zu denen Heinrich III. gehörte, benötigten deshalb eine neue Grablege, ihrer Bedeutung und ihrem Prestige gemäß hatte dies ein Kloster zu sein. Warum nicht das verwaiste Argenhardt, günstig inmitten der eigenen Herrschaft gelegen, zum Kloster ausbauen? 1359 siedelte der Graf Angehörige des Paulinerordens an, der sich, bestens zur reichlich abgelegenen Lage Argenhardts passend, einem gemeinschaftlichen Eremitenleben verschrieben hatte. Er stattete den Konvent mit einigen weiteren Gütern aus, erwirkte die Abtrennung von der Pfarrei Langenargen, zu der die Kapelle seltsamerweise gehört hatte (und nicht zum wesentlich näheren Tettnang) und verschaffte seiner Neugründung so eine gewisse Unabhängigkeit – die natürlich nicht für die Bindung an die Familie Montfort galt.

ZWEI ZELLEN Bei allem Wohlwollen des Gründers und mancher seiner Nachfolger, Argenhardt blieb ein Mini-Kloster. Das galt sowohl für die Belegschaft, die wohl kaum aus mehr als drei Mönchen bestand, als auch für die ökonomische Versorgung. Das Leben war sicherlich eher karg und die Ausstattung reichte trotz einiger freundlicher Stiftungen nur für das Nötigste. Erst 1415 konnte die Kapelle endlich offiziell geweiht werden, wofür immerhin ein hoher Geistlicher des gerade in Konstanz stattfindenden Konzils anreiste. Die weiteren Nachrichten aus Argenhardt sind spärlich, bis es um 1500 zu einer erbitterten Auseinandersetzung mit dem Schutzherrn kam, inzwischen Ulrich VI. von Montfort zu Tettnang. Der Anlass waren Streitigkeiten um Holzeinschlag im Wald. Dieser war dem Kloster rechtlich garantiert, doch ging es nun um die Menge und um den Ort, wo dies erlaubt sein sollte. Man schenkte sich in dem mit heftigen Worten geführten Schriftwechsel buchstäblich nichts. Die Gründe für den Zoff lagen womöglich tiefer, ließ der Prior doch unter anderem anklingen, dass die Montforter sich widerrechtlich auch die Untere Zelle angeeignet hätten. Diese »nieder zell im etter«, auch genannt das »Bruderhaus«, gilt als noch älter als Argenhardt, doch ihre Ursprünge sind unklar. Berichte über die Gemeinschaft von zurückgezogen lebenden Eremiten, die keinerlei Orden angehörten, existierten schon seit 1291, doch ist über diese Waldbrüder nur wenig mehr bekannt. Um 1330 flüchteten Mönche aus Weißenau zu der kleinen Zelle, 1425 wurde sie dem Argenhardter Konvent angeschlossen, der sich aber wohl nicht ausreichend um sie kümmern konnte, sodass die Montforts ihren Zugriff auf die Niederlassung erhöhten. Diesen Umstand versuchte der Vorsteher nun während des Holzstreits wieder ins Feld zu führen – allerdings erfolglos. Aus einem Schiedsverfahren ging hauptsächlich der Graf als Sieger hervor, die Untere Zelle durfte er behalten, die Rechte der Pauliner auf Rodung wurden eingegrenzt. Das zweite Mini-Kloster, gelegen beim heutigen Weiler Hagenbuchen, verschwand damit spurlos aus der Geschichte.

Das krumme Schild verweist auf ein gut im Wald verstecktes Denkmal.

NUMMER DREI Argenhardt selbst sollte es im Folgenden nur bedingt besser gehen. 1441 war ein Angehöriger des Konvents auffällig geworden, da er mystische Visionen hatte – die kirchliche Obrigkeit zwang ihn, diese zu widerrufen. Es folgte der erwähnte Streit mit dem Grafen, der einen zunehmenden Niedergang eingeleitet oder verstärkt haben dürfte. Denn gar nicht weit entfernt, in Langnau, fand sich ein drittes Kloster der Pauliner. Einst eine um 1250 gegründete Filiale des Benediktinerklosters Allerheiligen in Schaffhausen, hatte niemand anderes als Heinrich III., der einstige Gründer von Argenhardt, diese 1389 in ein Kloster umgewandelt, das er mit den von ihm offenbar sehr geschätzten Paulinern besetzte. Hierher – und eben nicht nach Argenhardt – verlegte er nun seine Familiengrabstätte, denn generell florierte Langnau weitaus besser als die beiden Zellen im Wald. So verwundert es kaum, dass schließlich die verbliebene winzige Gemeinschaft bei Tettnang zusehends in Abhängigkeit des größeren Konvents geriet. 1598 wurde der Argenhardter Prior krank und er zog sich zur Genesung nach Langnau zurück – ob er je zurückkehrte und überhaupt noch ein Nachfolger bestimmt wurde, ist fraglich. Ein schlechtes Zeichen war auch, dass ein Inventar des Argenhardter Besitzes angelegt wurde, meist der Vorbote für eine baldige Auflösung. Offiziell aber erfolgte der Anschluss an Langnau erst 1672, womit Argenhardt seine Selbstständigkeit endgültig verlor. 1786 wurde das Paulinerkloster Langnau durch die frühe österreichische Säkularisation unter Joseph II. aufgelöst. Argenhardt wurde in ein landwirtschaftliches Gehöft verwandelt, die Kapelle unterteilt in Wohnhaus und Stall. Nur mit sehr viel Mühe ist das Gotteshaus nach vielen Um- und Anbauten heute noch zu erkennen, aber es ist sozusagen in neuem Gewand immerhin noch da. Die größere Kapelle in Langnau wurde vollständig abgerissen – siehe unten –, von ihr blieben nur spärlichste Fragmente an den wenigen verbliebenen Klosterbauten, die das Dorf noch immer beherrschen.

Das Hauptgebäude birgt im Kern noch die Klosterkapelle.

Das besondere Erlebnis

Das Augenmerk der österreichischen Regierung fiel Ende des 18. Jahrhunderts nicht nur auf »unnütze« Klöster, sondern ebenfalls auf »überflüssige« Gotteshäuser. Betroffen hiervon waren hauptsächlich Kapellen und Wallfahrtskirchen, aber auch Gemeinden mit mehr als einer Pfarrkirche. Da die Langnauer Klosterkirche nun die Pfarreiaufgaben übernehmen sollte, galt das uralte Gotteshaus in Hiltensweiler als entbehrlich. Proteste der umliegenden Dörfer, für die dieser Ort zentraler lag, wurden ignoriert, nach einem letzten Gottesdienst das Inventar ausgeräumt und auf Wägen verladen. Doch die Bauern der Umgebung versammelten sich zu einem handgreiflichen Widerstand mit Stöcken, Mistgabeln und Dreschflegeln. Dies überzeugte dann doch – zulasten der Langnauer Kirche. Nun wurde diese ausgeräumt und anschließend, wie erwähnt, abgerissen. Einige Kunstwerke kamen in die gerettete Hiltensweiler Pfarrkirche wie zum Beispiel die Knochen der Montforter Grafen, ihre Grabmäler dagegen wurden zertrümmert und zu Baumaterial umfunktioniert.

 2 

GOLDENE ZWANZIGER IM ACHTAL

Das Waldbad bei Baienfurt

Bereits im Mittelalter errichtet, hatte das Waldbad bei Baienfurt seine große Zeit erst in den 1920er-Jahren. Vom Glanz jener Tage ist nicht mehr geblieben als die überwucherten Reste und verfallenden Gebäude eines einstigen Sehnsuchtsortes.

Baienfurt, Landkreis Ravensburg (RV), BW Ort Waldbad 1, 88255 Baienfurt GPS 47.836070, 9.697931 Anfahrt Zug: Bahnhof Niederbiegen (RB Friedrichshafen-Aulendorf) Auto: B32/B30, weiter auf L314

Das Waldbad Baienfurt besitzt eine lange Vergangenheit – und eine traurige Gegenwart.

BESCHEIDENE ANFÄNGE Die hohen geistlichen Herren hätten sich wahrscheinlich niemals träumen lassen, was einmal aus dem Ort würde, den sie so gerne aufsuchten. Mönche und Prälaten der in Oberschwaben ja reichlich vorhandenen Klöster gehörten zu den wiederkehrenden Gästen des Waldbades im Achtal, einem damals noch unauffälligen, bescheidenen Kurörtchen nahe Baienfurt. Es war im Besitz der Truchsessen von Waldburg und wurde jeweils von diesen verpachtet. Erstmals schriftlich erwähnt wurde es im Jahre 1438. Unter dem »Bad im Altdorfer Wald«, wie es offiziell hieß, darf man sich nichts Großartiges vorstellen, schon gar keine Schwimmbecken und Liegewiesen. Es handelte sich um ein kleines landwirtschaftlich geprägtes Anwesen, das seinen Gästen Unterkunft und Anwendungen mit Wasser aus drei gefassten Quellen bot, denen heilende Wirkung zugesprochen wurde. Im Prinzip änderte sich an diesen überschaubaren Ausmaßen und Angeboten gut fünfhundert Jahre lang nichts. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts äußerte sich ein medizinisches Gutachten über die Verhältnisse im Waldbad eher geringschätzig: Es gebe nur 17 Zimmer, kaum geheizt, überaus dürftig ausgestattet, durch die Dämpfe des Bades dauerfeucht, die Wannen zu eng und zusätzliche Einrichtungen zur Behandlung würden fehlen. Gleichzeitig räumt das Schreiben allerdings ein, dass die Nachfrage ungebrochen, ja höher als die zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten sei, bis zu zweihundert Gäste kämen jährlich, doch noch viel mehr könnten es sein, gäbe es mehr Zimmer. Positiv äußerte sich der Gutachter ebenfalls zur Heilwirkung des Wassers und zur Betreuung der Gäste durch die Wirtsfamilie. Auch nachdem das Haus Waldburg das Bad 1819 an die Familie Walser verkauft hatte, änderte sich an der Überschaubarkeit des Unternehmens nur wenig. Zwar gab es ein paar An- und Umbauten, die bedeutendste Veränderung war jedoch das Anlegen einer Fischzuchtanstalt nebenan, sprich von einigen Weihern. Das Waldbad blieb weiterhin so beschaulich wie beliebt. 1918 verkaufte es Familie Walser an die örtliche Papierfabrik, die es sogleich weiterverpachtete.

ERFOLGE UND ÄRGERNISSE Ob zu dieser Zeit überhaupt noch Badbetrieb herrschte, ist unklar, allerdings existierte in jedem Fall noch eine Gastwirtschaft. Diese übernahm 1926 der größte Brauereibesitzer Baienfurts Karl Rittler durch einen Tausch mit Grundstücken bei der Papierfabrik. Kurz vor der Übergabe des Anwesens jedoch brannte es unter mysteriösen Umständen ab. Rittler grämte dies nicht, vielmehr passte es ganz gut zu seinen Plänen, hier ein modernes Bad mit allerlei Zusatzattraktionen aufzubauen, wofür die alten Bauten ohnehin hätten weichen müssen. Die Fischweiher ließ er zusammenlegen und vertiefen, ein Badesee entstand, dazu kamen ein neues Gästehaus, Garagen und Ökonomiegebäude. Unter der Woche stand das Waldbad verschiedenen Gruppen offen, am Wochenende jedermann. Nach der Eröffnung in Rekordzeit schon im Sommer 1926 folgte ein Highlight auf das andere, heute würde man von einem Event-Bad sprechen. Schwimmwettkämpfe, Motto-Feste, Feuerwerke, Schönheitswettbewerbe und regelmäßige Tanzvergnügen, Karl Rittler hielt sein Publikum auf Trab, das aus der ganzen Region nach Baienfurt zum Waldbad zog. Das stieß allerdings auch auf Widerstand. Während hinsichtlich behördlicher Regeln – etwa wegen der Feuerwerke im Waldgebiet – schnell Einigung erzielt werden konnte, waren die kirchlichen Proteste weitaus hartnäckiger. Dem Ortspfarrer, den Weingartner Mönchen – also Nachfahren der einstigen Besucher – und sogar dem Rottenburger Bischof höchstpersönlich war das Treiben im Waldbad, wo sich doch halbnackt tatsächlich die Geschlechter vermischten, ein Greuel. Der jeweilige Baienfurter Ortsvorsteher lavierte recht geschickt, wenn wieder einmal Beschwerden von Geistlichen oder Nachfragen höherer Amtsstellen über die Zustände im Waldbad bei ihm eintrafen: Im Ort habe man alles Mögliche getan, um das Schlimmste zu verhindern, tue dies auch weiterhin, doch sei das Ganze ein privates Unternehmen und ihm wären so gesehen die Hände gebunden. Nun, es war ein extrem gut florierendes privates Unternehmen, das den Ruf Baienfurts vielleicht nicht unbedingt bei der Geistlichkeit, aber bei der vergnügungswilligen Bevölkerung enorm beförderte. Auch, weil sich Karl Rittler weder lumpen noch in seinen Aktivitäten einschränken ließ. Eine riesige moderne Halle wurde gebaut, in der bis zu 900 Gäste Platz fanden und die Attraktionen rissen nicht ab: Eine Wasserrutschbahn, Tanz mit »Girls«, Lampion-Feste und bengalische Feuer, Besuche des Zeppelins über dem Bad, Modellschifffahrten auf dem Seebecken und natürlich regelmäßig riesige Feuerwerke, jährlich stand das »Waldbad in Flammen«. Bis zu 8000 Gäste waren an solchen Festtagen keine Seltenheit.

Trockengelegt: kein Wasser in der Zuleitung

Die Lampe kaputt, das Becken leer

KALTE DUSCHE Die »Roaring Twenties« endeten in Oberschwaben mit dem Krieg und das Waldbad wurde kurzerhand zum Lazarett umfunktioniert. Nach Kriegsende konnten die Söhne Karl Rittlers, der 1945 starb, relativ schnell wieder an den Ruf und Erfolg des Waldbades anknüpfen. Es schien in der Wirtschaftswunderzeit der passende Ort zum Feiern zu sein, nachdem wieder Geld in den Taschen war. Nun gab es sogar einen kleinen Zoo, dazu Frühformen des »Public Viewing« durch Fußballübertragungen auf einem großen Fernseher, außerdem die üblichen Feste, Tanzvergnügen, Feuerwerke und Wettbewerbe – das Waldbad blieb ein Sehnsuchtsort der Nachkriegsgesellschaft. Aber es blieb irgendwann auch in der Zeit stehen. Das machte sich spätestens bemerkbar, als sich die junge Generation anderen Freizeitvergnügen zuwandte und man für Erlebnisse weiter wegfuhr, als nur in die Nachbarschaft. Das Waldbad konnte nicht mehr Schritt halten, ab den 1970er-Jahren tröpfelten die Besucherzahlen dahin und blieben schließlich ganz aus. Ausgerechnet 1992, als konkretere Pläne einer Wiederbelebung öffentlich wurden, brannte die große Gasthalle komplett ab. Es tat sich nichts mehr, das Waldbad versank zurück in seine Waldeinsamkeit. 2016 jedoch wurde es verkauft, neue, große Pläne wurden geäußert, ein Hotel solle errichtet, das alte Gebäude saniert und erhalten werden. Wer den an Wanderwegen gelegenen Ort aufsucht, kann sich vom Fortschritt dieser Vorhaben überzeugen: Geschehen ist bislang so gut wie nichts.

Das besondere Erlebnis

Die Papierfabrik war zwar nur Kurzzeitbesitzer des Waldbades, prägte Baienfurt aber ansonsten enorm. 1871 gegründet, führte das Unternehmen nicht nur zu landschaftlichen Veränderungen, etwa dem Bau des fast sechs Kilometer langen Kanals oder später einer werkseigenen Güterbahn, sondern auch zu einer regelrechten Bevölkerungsexplosion des vormaligen Dorfes. In der krisengeschüttelten Zwischenkriegszeit stellte man hauptsächlich auf Kartonagen um, mit dem Wirtschaftswunder begann ein langer Wiederaufschwung, der bis zur Jahrtausendwende anhielt. Fusionen, aber auch hohe Neuinvestitionen retteten die Papierfabrik allerdings nicht, 2008 wurde sie bis auf eine Miniproduktion geschlossen, der markante Schornstein 2014 gesprengt und der Großteil der Gebäude abgerissen.