Lost & Dark Places Deutschland - Benedikt Grimmler - E-Book

Lost & Dark Places Deutschland E-Book

Benedikt Grimmler

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Beschreibung

In Ihrer Region kennen Sie schon alle vergessenen und dunklen Orte und Sie sind auf der Suche nach mehr? Dann kommt hier mit diesem "Best of Deutschland"-Band genau der richtige Guide für Sie: die 66 besten Lost & Dark Places zwischen der Küste und den Alpen. Lassen Sie sich fesseln von genauso düsteren wie spannenden Erzählungen und erleben Sie die Atmosphäre der oftmals im Verborgenen liegenden Schauplätze und Orte. Mit Anfahrtstipps und GPS-Koordinaten.

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Seitenzahl: 305

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Allein inmitten der Natur: die Argenbrücke bei Isny (

Kapitel 8

)

Lost & Dark PlacesDEUTSCHLAND

66 vergessene, verlassene und unheimliche Orte

Die imposante Osterberg-Villa in Niederkleveez (

Kapitel 5

)

Symbol des Kalten Krieges: die US-Abhörstation auf dem Teufelsberg in Berlin (

Kapitel 9

)

Die einst prunkvolle Stuckdecke im Hotel Vier Jahreszeiten in Görlitz bröckelt (

Kapitel 22

).

INHALT

Vorwort

Verhaltensregeln für Lost Places

33 LOST & DARK PLACES

1 Kämme als Meisterkunst

Die Gummiwarenfabrik

2 Kaiserjagd beendet

Das verlassene Jagdschloss Göhrde

3 Das Kilometerhaus im Wald

Die Flugzeugführerschule Hagenow-Sudenhof

4 Dreisternebunker unter Buchen

Die Kaserne Stern Buchholz im Süden von Schwerin

5 Das Geisterhaus am Dieksee

Die imposante Osterberg-Villa

6 Mit Wendeltreppe und Teich

Die Schlossruine Pansevitz mit Landschaftspark

7 5000 Rohre aus Spezialbeton

Das Lager der Gaspipeline Nordstream 2 in Mukran

8 Besondere Berliner Zugangskontrolle

Checkpoint Bravo in Dreilinden-Drewitz

9 Der Feind hört mit!

Die US-Abhörstation auf dem Teufelsberg

10 Frische Luft

Die Beelitz-Heilstätten

11 Das verfallende Waisenhaus

Das Waisenhaus Salzdahlumer Straße

12 Totes Gleis

Der alte Rangierbahnhof

13 Verlassenes Erbe des Adels

Das Spiegel’sche Haus in Werna

14 Das gebeutelte Gotteshaus

Die Kirchenruine Wachau

15 Hinter dicken Mauern

Die zentrale Hinrichtungsstätte der DDR

16 Marode Pracht

Das alte Stadtbad

17 Paranoia

Der geheime Stasi-Bunker

18 Der liegende Riese

Die Abraumförderbrücke F60

19 Energiegeladener Gigant

Das Kraftwerk Plessa

20 Ausgedient

Zu Besuch in der Anzeigetafel des alten Harbig-Stadions

21 Im Gruselkabinett

Die Folterkammer der Burg Stolpen

22 Zeitreise in die Goldenen Zwanziger

Das Hotel Vier Jahreszeiten

23 Ausgeflogen

Die Erzgebirgsschanze in Johanngeorgenstadt

24 Der letzte Abspann ist vorbei

Die Kinos von Zwickau und Ehrenfriedersdorf

25 In der Gruselklinik

Die Sophienheilstätte Bad Berka

26 Ausgeträumt

Traumauto Wartburg und die Automobilwerke Eisenach

27 Fürstlich verfallen

Das Hotel Fürstenhof Eisenach

28 Schlachten mit Stil

Der Schlachthof von Bad Kissingen

29 Ein Gotteshaus als Abstellkammer

Die Synagoge Mühlhausen

30 Der ermordete Totengräber

Der St. Johannisfriedhof in Nürnberg

31 Eine Fabrik im Dornröschenschlaf

Die Ventilkegelfabrik Dietz & Pfriem in Lauf

32 Kammer des Schreckens

Finstere Begebenheiten im Kollberger Schlupf

33 Graffiti und Kopfkino

Die Ruine des Hotels Abrahamhof bei Passau

34 Der Untergrund

Münchens Kanalisation

35 Errichtet zum Gedenken an …?

Das rätselhafte Denkmal an der B2

36 Tod im See

Der bayerische Märchenkönig Ludwig II.

37 Der gelöste Knoten

Die Bahnstrecken nach Isny

38 Fest im Griff

Die Bundesfestung Ulm

39 Maria im Felsenversteck

Die Felsenkapelle Maria im Stein

40 Tödlicher Wahn

Das Projekt »Wüste«

41 Ruhe sanft in kühler Erde

Der Alte Friedhof in Freiburg

42 Die Ur-»Lost Places«

Die Klöster Hirsau und Allerheiligen

43 Baden gegangen

Der Leopoldshafen

44 Der eingemauerte Ritter

Die Handschuhsheimer Tiefburg

45 Erinnerung an eine unerfüllte Liebe

Die sagenumwobene Minneburg

46 Badefreuden der alten Römer

Das Römerbad Kastell Würzberg

47 Ein magischer Ort im tiefsten Spessart

Das Kloster Grünau

48 Verlassene Kreuze im Wald

Der versteckte Friedhof am einstigen Höllenturm

49 Den Lebenden zur Mahnung

Die Ruine der Stadtkapelle Darmstadt

50 Let’s make a Gruselfilm

Die Burg Frankenstein

51 Unter dem Bärenloch

Kindsbach Underground Facility

52 Lost Place mit Prädikat

Die Röchlingwerke Völklingen

53 Badekyll

Das Freibad Niederstadtfeld

54 Hausen am Abgrund

Die Buchenlochhöhle und das Kreuz der Wünsche

55 Welches Gespenst suchen Sie denn?

Die Geistervilla »Haus Fühlingen«

56 Wo lange Kultautos vom Band liefen …

Das Opel-Werk II in Bochum-Langendreer

57 Todesfalle in den Tiefen des Schachts

Das traurige Erbe der Zeche Radbod

58 Wasser über Wasser

Die alte Kanalbrücke über die Ems

59 Träume auf Rädern

Das »Motor Technica«-Museum in Bad Oeynhausen

60 Glück auf!

Die Grube Wohlverwahrt in Kleinenbremen

61 Die Kultstätte

Das Eilenrieder Rad im Stadtwald

62 Das Protokoll des Grauens

Der Fall des Serienmörders Fritz Haarmann

63 Das leere Gefängnis

Die JVA Salinenmoor zieht Einbrecher an

64 Wo früher scharf kontrolliert wurde

Das alte Zollamt Bremen-Überseehafen

65 Ein ruhmreiches Schiffbauunternehmen

Die Überbleibsel der Schichau Seebeckwerft

66 Ein Retter in Seenot

Das Schiffswrack von Norderney erzählt seine Geschichte

Register

Impressum

Einst ein Stahlwerk, heute in Teilen ein Gartenparadies: die Röchlingwerke Völklingen (

Kapitel 52

)

Der Blick von Burg Frankenstein ins Tal (

Kapitel 50

)

Das Sperrtor der Alten Fahrt des Dortmund-Ems-Kanals bei Münster (

Kapitel 58

)

Der Helfer, der selbst zum Opfer wurde: das Wrack des Schillsaugers bei Norderney (

Kapitel 66

)

Detail eines der schönsten Friedhöfe Deutschlands, den Zartbesaitete vielleicht trotzdem lieber nicht alleine besuchen sollten: der St. Johannisfriedhof in Nürnberg (

Kapitel 30

)

VORWORT

Deutschland ist ein attraktives Reiseland – vielseitig und einzigartig, geschichtsträchtig und modern, ursprünglich und spektakulär. Das gilt nicht nur für seine strahlenden, hellen, bezaubernden Seiten. Mindestens ebenso reizvoll sind auch die dunklen Orte dieses Landes – morbide Schönheiten mit großer Anziehungskraft.

In diesem Buch stellen wir Ihnen 66 solcher Lost & Dark Places vor und erzählen ihre geheimnisvollen oder unheimlichen, schicksalhaften, traurigen, manchmal auch skurrilen und oft bereits vergessenen Geschichten. Die Reise startet in Deutschlands Norden mit der sichtbar dem Verfall preisgegebenen »New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie« und führt im Uhrzeigersinn gen Süden und wieder zurück bis zum Schiffswrack auf Norderney. Dazwischen liegt eine Zeitreise zu historisch bedeutsamen Orten wie den beiden »Ur-Lost-Places« Kloster Hirsau und Allerheiligen, dem Checkpoint Bravo in Dreilinden-Drewitz, den Röchlingwerken Völklingen oder dem ehemaligen Schiffbauunternehmen Schichau Seebeckwerft, zu mystischen wie dem Kloster Grünau im Spessart oder dem Eilenrieder Rad im Stadtwald von Hannover, zu schaurigschrecklichen wie den Burgen Frankenstein und Stolpen, dem Geisterhaus am Dieksee oder dem Ort, an dem einer der berühmtesten Serienmörder Deutschlands, Fritz Haarmann, seine Taten begangen hat.

Wir verweilen vor der maroden Pracht des Spiegel’schen Hauses in Werna, der Schlossruine Pansevitz auf Rügen oder des Hotels Vier Jahreszeiten in Görlitz, erkunden einst geheime Orte wie die DDR-Hinrichtungsstätte in Leipzig, die US-Abhörstation auf dem Teufelsberg oder die Kindsbacher Bunkeranlage, suchen versteckte wie das Leichengässchen in Monschau oder den kleinen Waldfriedhof am Höllenturm und besuchen rätselhafte wie die Felsenkapelle Maria im Stein oder den Fundort der Leichen des bayerischen Märchenkönigs Ludwig II. und seines Arztes in Berg am Starnberger See.

Leider mussten wir bei der Auswahl der Orte für dieses Buch auf unzählige verzichten, die es genauso verdient hätten, hier vorgestellt zu werden. Jede Region Deutschlands hat »ihre« ganz eigenen Lost Places – diese Vielfalt und Einzigartigkeit abzubilden, hat vor allem unsere Auswahl gelenkt. Sie hingegen müssen nicht verzichten, sondern können den unwiderstehlichen Charme des Vergänglichen weiter genießen – mit inzwischen mehr als 40 »Lost & Dark Places«-Bänden, die zu verschiedenen Städten und Regionen Deutschlands und vereinzelt sogar über dessen Grenzen hinaus erschienen sind. Viel Spaß beim Eintauchen in Deutschlands düsterste Seiten!

Deprimierend und einsam: der verlassene Rangierbahnhof in Braunschweig (

Kapitel 12

)

VERHALTENSREGELN FÜR LOST PLACES

1. Behandeln Sie die Orte mit Respekt

Jedes Bauwerk und jedes Gebäude erzählt eine Geschichte aus vergangenen Tagen. Dies gilt es zu schützen. Und auch wenn es nicht immer so aussieht, hat jeder Lost Place einen Eigentümer. Dies ist zu respektieren und Zuwiderhandlungen können ernsthafte rechtliche Konsequenzen haben. Betreten Sie keine Gebäude oder Grundstücke unbefugt, zerstören oder beschädigen Sie nichts, öffnen Sie nichts gewaltsam. Sind Fenster oder Türen verschlossen, soll das auch so bleiben. Dieses Buch ist so konzipiert, dass Sie viele der Orte frei oder auf Nachfrage betreten dürfen (Burgruinen etc.) oder, falls dies nicht offiziell erlaubt ist, die Orte auch »mit Abstand« erfahren und genießen können.

2. Nehmen Sie nichts mit, lassen Sie nichts da

Wenn Sie etwas von einem Lost Place mitnehmen, und sei es noch so klein, ist es Diebstahl. Wie bereits in Punkt 1 gesagt, alle diese Orte haben einen Eigentümer. Daher gilt die Regel: Alles bleibt, wie es ist. Belassen Sie es bei den schönen Einblicken und Fotos, die Sie an dem Ort machen. Das bedeutet auch: Lassen Sie nichts zurück, keine Essensreste, keine Kaugummis, keine Zigarettenkippen.

3. Rauchen verboten

Das bringt uns zum nächsten Punkt: Rauchen verboten. Zollen Sie dem ehrwürdigen Ort Respekt und verzichten Sie für die Zeit, die Sie da sind, aufs Rauchen. Zigarettenkippen brauchen nicht nur 15 Jahre zum Verrotten (sie sollten ohnehin nirgends achtlos weggeworfen werden), sondern können schnell ein verheerendes Feuer verursachen.

4. Keine Graffitis

Dass Sie nichts hinterlassen sollen, gilt auch für »Kunstwerke« an den Wänden. Lassen Sie Wände und Mauern, wie sie sind. Auch die Menschen nach Ihnen sollen den Ort so erleben können, wie er früher einmal war.

5. Seien Sie vorsichtig und gehen Sie nicht allein

Besonders wichtig: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Das gilt vor allem bei Lost Places. Brüchige Mauern, frühere Keller, herumliegende Überreste oder auch Müll, aber auch natürliche Gegebenheiten (Bodenlöcher, Höhlen) bergen einige Gefahren. Zudem liegen manche der Objekte recht einsam. Deshalb ist es ratsam, immer mindestens zu zweit, besser noch zu dritt einen Lost Place zu besuchen. Da gilt die alte Regel: Ist eine Person verletzt, bleibt die zweite vor Ort und die dritte holt Hilfe. Zudem weiß man nie, wen man vor Ort trifft. Plünderer, Spinner oder Betrunkene sind auch oft rund um Lost Places anzutreffen. Da ist es beruhigender, nicht allein unterwegs zu sein.

Trotz der zahlreichen Graffitis lassen sich die einzelnen Räume des Hotels Abrahamhof in Passau noch erahnen (

Kapitel 33

).

Schmiedeeiserne Elemente schmücken das Geländer des spiralförmigen Turmaufgangs im Hotel Fürstenhof Eisenach (

Kapitel 27

).

Überall sind die Zerstörungen am alten Backsteingemäuer sichtbar.

1

KÄMME ALS MEISTERKUNST

Die Gummiwarenfabrik

Ein monumentaler Industriebetrieb hat die Stadtlandschaft am Harburger Binnenhafen verändert und könnte dies noch einmal tun.

Adresse Neuländer Straße/Ecke Nartenstraße, 21079 Harburg, Hamburg GPS 53.46585645993587, 9.990884693858833 Anfahrt Mit den Buslinien 142 von Bahnhof Harburg (S3 und S31) bis Nartenstraße oder 154 von Bahnhof Wilhelmsburg (S3 und S31) bis Neuländer Straße; Parkplätze für Privatwagen gibt es entlang der Straße

AUS NATURKAUTSCHUK ERWÄCHST EINE GESCHÄFTSIDEE Sein Name liest sich wie aus einem schlechten Horrorfilm: »Hercules Sägemann« setzt schnell Assoziationen mit einer Hauptfigur in einem billigen Blockbuster frei, oder einer drittklassigen Trash-Produktion im Filmbusiness. Tatsächlich steht er für ein Qualitätsmerkmal: Der »Sägemann« ist ein Kamm und gilt als Meisterstück für die Friseurkunst. Sein Hersteller, die »New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie«, bezeichnet ihn gern als einen der meistgebrauchten Gegenstände in Friseursalons. Seit 1871 nennt das Unternehmen den Kamm und einige Haarbürsten als herausragende Erzeugnisse ihrer Produktion – handgemacht aus 100 Prozent vulkanisiertem Naturkautschuk, gesägt, geschliffen und poliert, mit goldenem Schriftzug als Markenzeichen. Und tatsächlich hat sich das Meisterstück gegen alle Billigerzeugnisse zum Beispiel aus asiatischer Produktion bislang offenbar erfolgreich behauptet. Als die Gründer des Unternehmens vor über 150 Jahren die Erfindung von hochwertigem Hartgummi zur Grundlage ihrer Geschäftsidee machten und sich in Harburg südlich der Elbe niederließen, war so ein Erfolg kaum absehbar. Aber das Unternehmen expandierte schnell und seine Warenpalette auch. Hochwertige Mundstücke für Musikinstrumente kamen bald dazu und später auch Zulieferungen für die Automobil- und Luftfahrtindustrie.

STADTPLANUNG AM WASSER Einen Steinwurf entfernt vom Harburger Binnenhafen zeugt ein riesenhafter roter Backsteinkomplex von der Bedeutung des traditionsreichen Unternehmens. Bis 2009 produzierte die Gummiwaren-Fabrik hier, dann verlagerte sie die Fertigung ins nicht weit entfernte Lüneburg. Und ein weiteres Mal könnte das Areal nun einer der Ausgangspunkte für eine nachhaltige Veränderung des Stadtbilds werden. Seit etlichen Jahren ist die Nachbarschaft der Fabrik Keimzelle für eine neue Stadtplanung am Wasser mit attraktiven Wohnquartieren und hochwertiger Gewerbeansiedlung auch der Kreativwirtschaft.

Die alten Produktionsräume sind entkernt.

Ob aus dem Fabriksgelände in absehbarer Zeit ein modernes Zukunftsquartier wird, bleibt ungewiss.

VON DER KLEINSTADT ZUR ARBEITERMETROPOLE Schon Ende des 19. Jahrhunderts war die Entdeckung des damals revolutionären Werkstoffs Gummi und dessen industrielle Vermarktung in zwei großen Fabriken in Harburg Ursprung für einen nachhaltigen Strukturwandel. Aus der ländlichen Kleinstadt mit rund 6000 Einwohnern wurde eine Industrie-, Hafen- und Arbeitermetropole südlich der Elbe mit 60.000 Einwohnern Anfang des 20. Jahrhunderts. Unter anderem entstand zwischen 1866 und 1912 auf über 11.000 Quadratmetern die Backsteinfabrik mit mehreren Gebäuden, die inzwischen als wichtiges und stadtbildprägendes Industriedenkmal von »herausragender Bedeutung« eingestuft ist. Außer der Fassade entlang des Straßenzugs ist davon wenig übrig geblieben. Wenn Neugierige auf das Gelände gelangen, werden sie schnell mit den üblichen Zeugnissen konfrontiert, die auch von anderen vergessenen Plätzen bekannt sind, wenn sie den rohen Kräften der Moderne überlassen wurden. Zerstörungen und Brandstellen, Verwüstungen und Schmierereien, eine vorsätzliche »Lust« am Verfall haben sich seit Schließung des Werks in den brach liegenden Fabrikgebäuden bahngebrochen.

Die Fabrikhallen widerstehen Wind und Wetter.

In Zukunft nachhaltig?

Die Bausubstanz hat gelitten und macht die Immobilie nicht attraktiver. Investoren und Fonds geben sich seit Jahren als Besitzer die Klinke in die Hand. Von einem »Zukunftsquartier« ist die Rede und modernem wie nachhaltigem Leben, Wohnen und Arbeiten – ganz so, wie es der amtlichen Stadtplanung am Hamburger Binnenhafen gefallen würde. Wohnräume für Studierende, ein Parkhaus, Freizeiteinrichtungen – alles ist denkbar, nichts geht erkennbar voran. Nur die Absender der Visionen wechseln stetig. In der Praxis ist eine hohe Belastung mit krebserregendem Nitrosamin aus der Gummiproduktion für die »Umnutzung« der Fabrikgebäude, wie sie der Hamburger Kultur- und Denkmalbehörde vorschwebt, mit hohen Herausforderungen verbunden. Einfach nur Abreißen kommt nicht infrage und setzt jeder üblichen Immobilienspekulation schnell Grenzen. Kultursenator Carsten Brosda glaubt an das Areal: »Die Verbindung von Alt und Neu kann auch für andere Orte in Hamburg beispielgebend sein«, sagte er im Frühjahr 2017. Das Beispiel lässt auf sich warten, nur der Verfall schreitet seitdem ungebremst voran.

Die Straßenfront der Gummifabrik

2

KAISERJAGD BEENDET

Das verlassene Jagdschloss Göhrde

Das Jagdschloss Göhrde war einst der stilvollste und größte Barockbau der gesamten Region. Der Adel traf sich hier zur Jagd. Vom Glanz und Trubel vergangener Zeiten ist nicht mehr viel übrig geblieben. Seit Jahren steht das Kulturdenkmal leer und verfällt.

Adresse Kaiser-Wilhelm-Allee 6–7, 29473 Göhrde, Landkreis Lüchow-Dannenberg GPS 53.1402868, 10.8770667 Anfahrt Mit dem Auto von Lüneburg über die L216 in Richtung Göhrde, das Jagdschloss liegt direkt an der Landstraße außerhalb der Ortschaft Göhrde; alternativ mit dem Bus ab Lüneburg bis Haltestelle Schloss Göhrde

Das alte Jagdschloss befindet sich heute in Privatbesitz und wirkt renovierungsbedürftig.

Es ist schon lange her, seit die letzte Jagdgesellschaft diese Stufen nahm.

Früher gaben sich hier Politik und Adel die Klinke in die Hand.

VERFALL SETZT EIN Hier besteht Sanierungsbedarf – das erkennt auch ein Laie. Von einem Ort, der einst eines Kaisers würdig war, ist andernfalls bald nicht mehr viel übrig. Farbe und Putz blättern an der gelben Fassade ab, erste Risse zeigen sich an den Wänden, der Garten verwittert zunehmend. Von einem transnationalen Bildungszentrum, das in das ehemalige Jagdschloss in der Göhrde angeblich einziehen sollte, ist nichts zu sehen. In dem einstöckigen, lang gestreckten Schlösschen mit den auffälligen Pavillons zu jeder Seite und dem Uhrenturm in der Mitte herrscht gähnende Leere. Die Zeiten, in denen sich hier der Adel die Klinke in die Hand gegeben hat (wenn er sich die Türen nicht von der Dienerschaft öffnen ließ), sind schon längst vorbei. Ein Zaun ist verbogen. Möglicherweise hat jemand versucht, sich gewaltsam Einlass in das umzäunte Anwesen zu verschaffen. Ein Schild warnt vor einem Hund, der hier angeblich wacht, jedoch weder zu sehen noch zu hören ist. Die vielen Parkplätze, die es in der Umgebung gibt, sind nahezu unbelegt. Offenbar wurde zwischenzeitlich ein bauamtliches Verfahren eingeleitet, um herauszufinden, in welchem Zustand sich das Jagdschloss tatsächlich befindet. Alle Kontaktaufnahmen mit der heutigen Eigentümerin scheinen bislang aber erfolglos geblieben zu sein. Heute erinnert nur noch das große St.-Hubertus-Denkmal im Garten, das den Schutzpatron der Jäger zusammen mit einem Hirsch zeigt, an die einstige Nutzung des Schlosses, die vor allem durch adlige Jagdgesellschaften geprägt war.

Das Schloss, das heute verfällt, war eigentlich einmal ein Pferdestall.

BAROCKE BLÜTEZEIT Die Geschichte des heutigen Jagdschlosses begann als Pferdestall. Wer heute auf das verlassene Gebäude hinter dem Zaun schaut, blickt auf ehemalige Stallungen. Genau hier ist schon einmal ein Schloss verfallen, weil es nicht genutzt wurde. Es wurde schlussendlich abgerissen und ist für immer verschwunden. Bleibt zu hoffen, dass dieses Schicksal nicht auch das jetzige Schloss ereilt. Die Geschichte des ursprünglichen Jagschlosses beginnt mit Herzog Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg, dem späteren König Georg I. von Großbritannien. Im Jahr 1706 gibt Herzog Georg Ludwig den Bau eines Jagdschlosses in Auftrag, das ihm und seinem Hof dazu dienen soll, gemeinsam auf die Jagd zu gehen und ausgelassene Feste zu feiern. Nach Plänen des Hofarchitekten entsteht ein dreigeschossiges Gebäude mit über 100 Zimmern. Es soll der stilvollste und größte Barockbau im Lüneburger Raum gewesen sein. Zum Schloss gehörten 26 Gebäude, darunter ein höfisches Theater, eine Konditorei, ein eigener Eiskeller sowie eine Parkanlage. Es gab Stallungen für über 400 Pferde. Überdimensioniert war dies aber nicht: Nahezu der gesamte Hofstaat zog zeitweise über mehrere Monate in dieses »Jagdlager«, und die damaligen Jagdfeste wurden mit einem unvorstellbaren Aufwand betrieben. Allerdings war das barocke Jagdvergnügen in der Göhrde nicht von langer Dauer. Nur acht Jahre, nachdem er das Schloss in Auftrag gegeben hatte, wurde Georg Ludwig als George I. zum König von Großbritannien gekrönt und zog nach London. Zwar besuchte er auch weiterhin, häufig gemeinsam mit seinem Sohn George II., die Göhrde, doch die großen Jagdgesellschaften wurden weniger. Da sich niemand fand, der das Schloss erhalten oder nutzen wollte, verfiel es zusehends. Im Jahr 1827 ließ Georg IV., König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland und König von Hannover, es schließlich abreißen. Übrig geblieben ist nur wenig, unter anderem der sogenannte Marstall, der Hauptpferdestall, der 1869 zu dem kleinen Jagdschloss von heute umgebaut wurde.

ES GEHT WIEDER LOS Neues Leben zieht nur kurze Zeit später mit Kaiser Wilhelm I. wieder ein, der das Jagschloss im Jahr 1871 gemeinsam mit seinem Sohn und Thronfolger, dem späteren Kaiser Wilhelm II., besuchte und anschließend ebenfalls für Jagdgesellschaften nutzte. Die Nutzung änderte sich jedoch beträchtlich: Während zu barocken Zeiten noch nahezu der gesamte Hofstaat zwei bis drei Monate in der Göhrde geblieben ist, kam Wilhelm II. gewöhnlich gegen Mittag und fuhr bereits am nächsten Tag wieder. Für diese kurzen Aufenthalte war der umgebaute Pferdestall als Jagdresidenz absolut ausreichend. Das Jagdschloss wurde ein wichtiger Bestandteil seines Lebens. Regelmäßig veranstaltete er aufsehenerregende Jagden, zu denen bedeutende Staatsmänner eingeladen wurden. Die letzte Hofjagd, bei der unter anderem Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich teilnahm, fand schließlich am 30./31. Oktober 1913 statt. Dass es sich dabei um das letzte Zusammentreffen dieser Art in seinem geliebten Jagdschloss handeln würde, ahnte Wilhelm II. vermutlich nicht. Nur wenige Monate später löste die Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich den Ersten Weltkrieg aus. Nach Abdankung des letzten deutschen Kaisers im Jahr 1918 sollte nie wieder eine höfische Jagdgesellschaft im Jagdschloss Göhrde stattfinden.

Das sogenannte St.-Hubertus-Denkmal im Garten des Schlosses zeigt einen Jäger mit erlegtem Hirsch.

NACHNUTZUNG Auch nach dem Ende des höfischen Treibens blieb das Jagdschloss noch viele Jahre belebt. Zunächst als Beamtenerholungsheim genutzt, diente das Schloss im Laufe der Zeit unter anderem als Predigerseminar der evangelisch-lutherischen Landeskirche und als Lazarett im Zweiten Weltkrieg. Nach dem Krieg wurde es kurzeitig zum Sitz von britischen Besatzungstruppen und danach von einer Heimvolksschule für Kurse und Seminare für Erwachsene genutzt. Der Anfang vom Ende wurde schließlich im Jahr 1997 eingeläutet, als die Bezirksregierung Lüneburg die Liegenschaft für entbehrlich erklärte. In der Folge wurde das Jagdschloss im Jahr 2006 für 30.000 Euro an eine Investorin aus Bremen verkauft. Was mit den leer stehenden Gebäuden geschehen wird, weiß wohl nur die neue Besitzerin.

Die alte Turmuhr ist mittlerweile stehen geblieben.

Das gesamte Schloss ist eingezäunt und darf nicht betreten werden.

Die Potsdamer Jeanne d’Arc

Zwischen Oldendorf und Göhrde, circa drei Kilometer von dem Schloss entfernt, befindet sich das Denkmal der sogenannten Göhrdeschlacht, einer Schlacht der Befreiungskriege, bei der sich am 16. September 1813 Truppen verschiedener Länder und eine Abteilung der napoleonischen Armee gegenüberstanden. Die Schlacht endete mit der Niederlage der napoleonischen Seite. Unter den Kämpfenden auf Seiten der Koalitionskräfte befand sich auch eine Frau namens Eleonore Prochaska. Die damals 28-Jährige hatte sich unerkannt dem Lützowschen Freikorps angeschlossen und wurde bei der Göhrdeschlacht schwer verwundet, als sie einen verletzten Kameraden aus der Kampflinie zu bringen versuchte. Erst nach ihrer Verwundung wurde ihr wahres Geschlecht erkannt. Nach ihrem Tod nur drei Wochen später begann die Idealisierung von Eleonore Prochaska als »jungfräuliche Heldin« und »Potsdamer Jeanne d’Arc«. Alle zwei Jahre stellen auf dem Schlachtfeld Darsteller die historischen Ereignisse nach (www.goehrdeschlacht.de).

Ein Haus im Wald? Nur ein Teil vom »Kilometerhaus«, Blick von der Sudenhofer Straße

3

DAS KILOMETERHAUS IM WALD

Die Flugzeugführerschule Hagenow-Sudenhof

Das Gebäude hat eine Länge von 530 Metern, hier wurden Piloten für den Zweiten Weltkrieg ausgebildet. Auch Fallschirmjäger, die auf Kreta zum Einsatz kamen, trainierten auf dem benachbarten Übungsgelände für den bis dahin mit 10.000 Soldaten größten Luftlandeeinsatz.

Adresse Sudenhofer Straße, 19230 Hagenow, Landkreis Ludwigslust-Parchim GPS 53.4431, 11.2197 Anfahrt Mit dem Auto über die A24 bis Ausfahrt Hagenow und weiter über die B321

Einblick an der nördlichen Seite des Gebäudes, Flugzeugführerschule und Kaserne

FLIEGERSTAFFELN IM WALD Am Rande eines Gewerbegebiets sind bei der Vorbeifahrt im Wald einige alte Häuserblocks zu erkennen. Lkw parken am Straßenrand, zur Bundesstraße hin steht eine große Gewürzfabrik, viele kleine Gewerbe sind hier angesiedelt. Doch einst muss es hier lauter zugegangen sein: Das sonore Brummen von Propellermaschinen war über Jahre die tägliche Geräuschkulisse. Denn die Häuser im Wald gehören zu den Kasernen der Flugzeugführerschule Sudenhof, auf dem benachbarten Gebiet der Viezer Heide befand sich der Flugplatz. Dort starteten und landeten Flugzeuge auf ihren Übungsrunden. Bald sollten sie vom größenwahnsinnigen Dritten Reich in den Luftkrieg über Europa geschickt werden. Das große sichelförmige Gebäude mit einer Fassadenlänge von etwa 530 Metern und acht Querflügeln, in dem die Flugzeugführerschule beheimatet war, stammt aus dem Jahr 1937. Im sogenannten »Kilometerhaus« waren 1100 Soldaten stationiert. Einst gab es sieben Flugzeughallen, Kommandantur, Telefonzentrale, Offizierscasino und Wachgebäude. Doch nicht nur Piloten wurden in Sudenhof ausgebildet. Die Orterschulung bildete Soldaten aus, die feindliche Luftgeschwader erspähen und an die Jagdgeschwader der Wehrmacht melden sollten. Bis kurz vor Kriegsende fand hier ausschließlich die Ausbildung statt, erst in den letzten Kriegsmonaten wurden in Sudenhof auch Jagdflieger stationiert, die von ausgebombten Standorten hierher verlegt wurden. Noch 1944 wurde mit dem Bau einer Flugzeugwerft begonnen. Die Gebäude wurden wahrscheinlich zuletzt im Jahr 1953 durch die Rote Armee genutzt. Eine weitere Nutzung ist nicht belegt. Ein Investor hat bereits begonnen, einige Gebäude abzureißen. Doch ist es in den letzten Jahren hier auffällig still geworden. Weitere Abriss- oder Bauarbeiten sind derzeit nicht geplant.

UNTERNEHMEN »MERKUR« Unter diesem Namen planten die Nationalsozialisten die Eroberung der Insel Kreta, die ein strategisch wichtiger Stützpunkt für weitere Landnahmen in Nordafrika sein sollte. In Sudenhof trainierten Fallschirmjäger für die bis dahin größte Luftlandeoperation der Militärgeschichte. Im Mai und Juni 1941 landeten 10.000 Fallschirmjäger auf der Insel, die nur unter hohen Verlusten eingenommen werden konnte. Mehr als 6000 Soldaten und Zivilisten fanden bei der Operation auf griechischer, britischer und deutscher Seite den Tod.

Heim für 1100 Soldaten, erbaut 1937 und zuletzt 1953 von der Roten Armee genutzt

DIE GRIESE GEGEND Hagenow nennt sich auch das Tor zur »Griesen Gegend«, die Graue Gegend also. Ein trüber Name für die Landschaft, die südlich bis zur Elbe und östlich bis nach Ludwigslust reicht. Ist also die ganze Region hier trist und verlassen? Zumindest hatte sie es über viele Jahrhunderte schwer, zu blühen und wie andere Gegenden zu gedeihen. Der Name stammt wahrscheinlich vom Erscheinungsbild der Landschaft. Der sandige Boden ist für Ackerbau ungünstig. Tatsächlich verschwanden in der Griesen Gegend schon ganze Dörfer unter Flugsand.

Schöne Heidelandschaft

Auf dem ehemaligen Flugfeld, das lange Zeit noch militärisches Sperrgebiet war, konnte die Natur sich über Jahre entfalten. Das Naturgebiet Viezer Heide, das sich über mehrere Kilometer nördlich von Sudenhof erstreckt, ist heute eine weitläufige Heidelandschaft mit teilweise wunderschönem Ausblick über die weiten Flächen.

4

DREISTERNEBUNKER UNTER BUCHEN

Die Kaserne Stern Buchholz im Süden von Schwerin

Sechs Hügel im Wald, zugeschüttete Eingänge, Lüftungsschächte. Das sind die Reste der einst großen Militäranlage vor den Toren von Schwerin. Einst Munitionslager mit eigenem Verladebahnhof, später Standort der Roten Armee und für kurze Zeit der Schauplatz einer ganz besonderen Schatzsuche.

Adresse Stern Buchholz, Ludwigsluster Chaussee, 19061 Schwerin GPS 53.5752, 11.4453 Anfahrt Mit dem Auto über die A14 bis Ausfahrt Schwerin-Ost oder die A24 bis Ausfahrt Wöbelin und die Ludwigsluster Chaussee

Hügel mit Belüftung: einer von sechs Bunkern der Kaserne Stern Buchholz

Spuren im Wald: einst ein Wartungsstand für Militärfahrzeuge

AUF DEN SPUREN DER ROTEN ARMEE War das ein Abenteuer! Vor einigen Jahren war ich unterwegs, um »Tradis«, »Multis« und »Mysteries« nachzujagen. Den Begriff Lost Place kannte ich damals kaum. Das Gelände war eher der Schauplatz, das Bühnenbild für eine Geschichte, die andere inszeniert hatten. An diesem Ort spielten wir sie durch, zunächst zu dritt, später auch mit weiteren Akteuren. Eine alte Kasernenanlage, Hallen, Plätze, Bunker voller Schutt und Schrott, mitten im Wald, südlich von Schwerin. Wir waren bewaffnet mit dem stärksten, was unser Taschenlampenarsenal hergab, dazu UV-Lampen, Winkel- und Teleskopspiegel, allerlei magnetisch verstärkte Greifwerkzeuge und das wichtigste Instrument: unsere GPS-Empfänger. Smartphones gab es noch keine. Wir waren Geocacher und machten an einem späten Oktobertag im Jahr 2008 vor den Toren von Schwerin einen Nacht-Cache. Die Suche ging über mehrere Stationen, ein sogenannter Multi-Cache. Dieser hier war besonders ausgetüftelt und überregional bekannt, der »Ostoroschno«. Was ich damals nicht wusste: Das ist russisch für Achtsamkeit.

LEUCHTE, KLEINER REFLEKTOR Wir peilten einen Ort an und leuchteten in der Dunkelheit die Umgebung aus. Kleine reflektierende Nadeln, die meist an Bäumen angebracht waren, zeigten uns den Weg. Es ging durch Panzerhallen, Werkstände und den Aussichtsturm am Verladebahnhof. Und natürlich Bunker. In die meisten der sechs Bunkeranlagen mussten wir hinabsteigen und sie nach den nächsten Hinweisen durchsuchen. Diese lauerten in den kleinsten, oft unscheinbarsten Ecken. Wie groß war der Schreck, wenn man im Bunker in den nächsten Raum leuchtete und 25 Gasmasken einen ansahen? Denn eines waren wir: aufmerksam! Und immer auf eine Überraschung eingestellt. Nach mehreren Stunden und etwa 15 Stationen hielten wir den Schatz in Händen. Erschöpft, doch stolz trugen wir uns ins Logbuch ein.

Ausguck oder Belüftungsschacht? Gut versteckt im Wald

VERSORGUNGSSTÜTZPUNKT DER WEHRMACHT Das Gelände liegt südlich der Landeshauptstadt Schwerin, die verlassene Kaserne Stern Buchholz. 1935 richtete die Wehrmacht einen Versorgungsstützpunkt in der Nähe der Eisenbahnlinie Schwerin–Parchim ein. Auf dem angeschlossenen Güterbahnhof wurden Granaten auf Waggons verladen und im Zweiten Weltkrieg auch an die Front geliefert. Nach dem Krieg nutzte die Rote Armee den Standort bis 1993 als Kaserne. Vom späteren Hausherrn, der Bundeswehr, wurde er im Jahr 2007 geschlossen. Für uns war es damals eine beeindruckende Kulisse. Die Nachtaktion, begleitet von Adrenalinstößen, hat jedoch einiges an Überwindung gekostet. Doch gerade dadurch bleibt sie in lebhafter Erinnerung. Gut 15 Jahre später besuche ich den Ort erneut. Ich parke meinen Wagen am Rand des benachbarten Industriegebiets und gehe ein Stück die Straße entlang. Ein unscheinbarer Seitenweg, fast zugewachsen, führt mich tiefer ins Gelände. Dann entdecke ich sie: sechs Hügel mit Ausguck. Die Bunker der Anlage, die wir seinerzeit noch betreten konnten. Die Eingangstüren sind mit frischem Sand verschüttet. Einige weitere Ruinen sind noch zu erkennen, der Graben eines Untersuchungsstands für die Fahrzeuge, mehrere Mauerreste und Zäune. Weitere Flächen entlang der Wege, wo ich die Hallen und den Güterbahnhof erinnere, wurden geräumt. Hier wachsen Kiefern nach, alle etwa fünf bis zehn Jahre alt, was auf den Zeitpunkt des Abrisses schließen lässt. Auch die Gleise, die einst zu dem Gelände führten, sind abgerissen worden. Ihr Verlauf ist aber anhand der Bodenstruktur noch deutlich zu erkennen. Hier standen hohe Laternen und ein Aussichtsturm, den wir zur Lösung einer Aufgabe besteigen mussten.

SECHS HÜGEL IM WALD Die bestehenden Bunker sind nach wie vor beeindruckend, Hügel von 10 Metern Breite, die man besteigen kann. In den Lüftungsschächten stapelt sich Schutt. Fast jeder Einblick in die Bunkerräume ist zugeschüttet. In einen konnte ich durch einen schmalen Spalt Einblick bekommen. Einige Spuren der militärischen Nutzung bleiben sichtbar: im Boden eingelassene Betonteile, vielleicht einst Fundamente der Gebäude, unter Büschen ahnt man Fahrzeugteile. Erinnerungsstücke, die nun der Zeit überlassen sind. Die Natur wächst und macht das Gehen auf einst breiten Betonpisten mühsam. Wo früher Panzer gefahren sind, kämpft man sich nun durch die Zweige der Buchen in einer engen und niedrigen Allee.

KASERNE DREIER ARMEEN Es gibt zahlreiche Bunker- und Kasernenanlagen, abgesperrte Übungsgelände, Fliegerhorste und Schießgelände in Mecklenburg, auch im Schweriner Umland. Ein typisches Schicksal dieser Anlagen ist der mehrfache Wechsel des Hausherrn über die Jahre. Gebaut wurden die meisten Anlagen in Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht. Mecklenburg wurde erst Ende April/Anfang Mai 1945 von der Roten Armee im Osten, den US-Streitkräften im Westen an der Elbe und britischen und kanadischen Einheiten an der Ostsee bei Wismar erreicht. Die Linie, an der die Westalliierten auf die Sowjetarmee trafen, verläuft etwa von Dömitz, östlich von Ludwigslust und dem Schweriner See entlang bis Wismar. Schon im Juni 1945 wurden die Besatzungszonen eingeteilt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern wurde gegründet, in etwa auf der heutigen Fläche, und der Sowjetischen Besatzungszone zugeschlagen. 1952 wurde es in die Bezirke Schwerin, Rostock und Neubrandenburg aufgeteilt. Alle Anlagen der Wehrmacht fielen damit der Roten Armee zu. Im Januar 1956, ein halbes Jahr nach Gründung der Bundeswehr, wurde die Nationale Volksarmee gegründet. Diese bekam einen Teil der Standorte übertragen. Mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde die NVA aufgelöst, die Standorte wurden an die Bundeswehr übertragen und einige über die Jahre geschlossen. Der Abzug der Roten Armee erstreckte sich über mehrere Jahre bis 1994.

Im Dokumentationszentrum

Einen guten Eindruck von der teils willkürlichen Justiz unter der sowjetischen Besatzung vermittelt das Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland. Im ehemaligen Sowjetischen Untersuchungsgefängnis (1945–1953) am Demmlerplatz werden Beispiele der Vorgehensweise auch der Stasi und zuvor der NS-Justiz anschaulich dargestellt (Obotritenring 106, 19053 Schwerin; geöffnet ist unregelmäßig, bitte vorab informieren).

Heim für Fledermäuse? Der Eingang zu den Bunkern ist verschüttet.

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DAS GEISTERHAUS AM DIEKSEE

Die imposante Osterberg-Villa

Niemand wäre überrascht, wenn Norman Bates hinter der Tür warten würde – die einsame Villa, umgeben von dunklen Bäumen, lädt zum Gruseln ein.

Adresse Holmweg, 24306 Bösdorf, Niederkleveez, Kreis Plön GPS 54.11581324, 10.4959204 Anfahrt Von Bad Malente auf der Plöner Straße bis Abzweigung nach Oberkleveez, dort einbiegen in die Kleveezer Straße, Am Hang, am Ende rechts zu Fuß in den Holmweg; rechter Hand liegt das Haus

Die besondere Schönheit der alten Villa ist noch zu erahnen.

VERLORENE PRACHT Die Osterberg-Villa, ursprünglich von 1945 bis 1985 eine Augenklinik, dann vorübergehend als Asylunterkunft genutzt, und das benachbarte Schwesternwohnheim befinden sich in fantastischer Lage direkt am Dieksee. Beide Häuser am Holmweg stehen seit über 20 Jahren leer. Die Osterberg-Villa ist ein imposanter Bau, selbst in dem jetzigen Zustand. Der Zaun, der ungebetene Gäste abhalten soll, ist heruntergetreten. Einige Fenster sind eingeschlagen. Braunes Laub liegt auf den Treppen, die von zwei Seiten zum verrammelten Eingang führen. Löwenzahn und Gras kriechen ebenfalls auf die Tür zu. Der Efeu rankt an den Gemäuern bis auf das Dach. Die Dachrinnen scheinen noch ihrer Funktion mächtig zu sein. Das Fenster zum Keller ist eingeschlagen. Vor dem hängt müde ein gräulicher, schmutziger, zerrissener Vorhang. Man sieht, dass hier einige ungebetene Gäste tätig waren. Kinder sollen Feuer gelegt und dabei den Dachstuhl zum Einsturz gebracht haben. Der Impuls, ebenfalls das Haus zu betreten, ist groß. Dem sollte man aber nicht nachgeben. Zum einen befindet sich die Villa in privatem Besitz, zum anderen hat der Regen durch das teilweise offene Dach ganze Arbeit geleistet, sodass die Villa einsturzgefährdet ist. Im verwilderten Vorgarten steht eine riesige Buche und zeigt durch ihre Vitalität, wer im Kampf von Natur und Mensch den Sieg davontragen wird. Und aus der Schulzeit fallen einem Gedichtsfetzen von Theodor Fontane wieder ein. Dort lässt er drei Hexen auftreten: »Hei! Wie Splitter brach das Gebälk entzwei!« und »Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand«.

PSYCHO Nicht ohne Grund wird dieses Haus »Geisterhaus« genannt. Es erinnert an ein Edward-Hopper-Bild, das durch seine malerische Inszenierung unheimlich und bedrohlich wirkt. Hitchcock nahm sich dieses Bild als Vorbild für seinen Film »Psycho«. Er ließ das Haus nachbauen und rankte nach einer Romanvorlage eine Geschichte drumherum. In der ließ er Norman Bates, gespielt von Anthony Perkins, sein Unwesen treiben. Der hatte im wahrsten Sinn des Wortes eine Leiche im Keller, seine Mutter. Wenn Frauen ihm zu nahe kamen, ermordete er sie. Diese Atmosphäre legt sich auch über das Areal am Dieksee. Man macht sich so seine Gedanken. Wer weiß denn schon, ob nicht vielleicht hinter einer der morschen Mauern ein Norman Bates mit seinem riesengroßen Messer wartet? Das will man sich doch ersparen.

WAS NUN? Der heutige Eigentümer hatte ursprünglich die Idee, die Villa zu restaurieren, um ihr den alten Glanz wiederzugeben. Durch den Brand ist diese Überlegung hinfällig geworden. Das Haus ist nicht mehr zu retten. Nach neuesten Plänen soll es abgerissen und das Gelände neu bebaut werden. Wie schade. Es wird ein weiterer magischmystischer Ort in Schleswig-Holstein verschwinden. Norman Bates muss sich eine neue Unterkunft suchen.

Original oder Attrappe?

Wem das zu wenig Horror ist, sollte zu den Universal Studios nach Los Angeles fahren. Dort kann man die Attrappe des Psychohauses mit einem davorstehenden, messerschwingenden Norman Bates besichtigen. Aber wer gibt sich schon mit Attrappen zufrieden. Originale sind doch viel spannender und schauriger, siehe die Osterberg-Villa in Niederkleveez. Die ist nun wahrlich weniger aufwendig mit einem Spaziergang entlang des Dieksees von Malente nach Niederkleveez aufzufinden.

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MIT WENDELTREPPE UND TEICH

Die Schlossruine Pansevitz mit Landschaftspark

Eine der schönsten Parkanlagen auf Rügen ist der Schlosspark Pansevitz. Vom alten Schloss sind noch einige Mauern und zwei Türme erhalten, und einer davon bietet eine gute Aussicht über das Anwesen.

Adresse Pansevitz 1a, 18569 Kluis, Amt West-Rügen, Kreis Vorpommern-Rügen GPS 54.4556, 13.3106 Anfahrt A20 bis Ausfahrt Stralsund, B96 bis Samtens, weiter über Landstraße; Busverbindungen ab Sassnitz und Binz

Die Fassade steht noch: Ruine des Schlosses Pansevitz bei Bergen auf Rügen

SCHLOSSGESCHICHTE Weder der Dreißigjährige Krieg noch zwei Weltkriege konnten dem stolzen Anwesen etwas anhaben. Erst in der Zeit des Sozialismus, der mit Argwohn auf feudale Herrenhäuser blickte, kam sein Ende. Inzwischen ist das alte Schloss Pansevitz eine Ruine, denn von der einst stattlichen Anlage hat der Zahn der Zeit nicht mehr viel übrig gelassen. Einige Grundmauern, eine Giebelfassade und zwei Türme, die seit einige Jahren gesichert sind, stehen noch. Einer der beiden, 17 Meter hoch, kann über eine neu errichtete Wendeltreppe sogar bestiegen werden. Schloss Pansevitz blickt auf eine lange Tradition zurück. Das Schloss und der Park stammen aus dem 14. Jahrhundert. Im Jahr 1314 wurde das Land, die »Pansevitze«, erstmals erwähnt und befand sich im Besitz der rügenschen Adelsfamilie von Krassow, die mehrere Güter auf Rügen und im Barther Land besaß. Das Herrenhaus wurde Ende des 16. Jahrhunderts fertiggestellt und später um ein Kavaliershaus ergänzt, das heute noch erhalten und bewohnt ist. Durch Heirat gelangte das Anwesen schließlich in den Besitz der Familie zu Innhausen und Knyphausen.

Der Turm bekam eine Wendeltreppe mit Aussichtsplattform.

ALS STEINBRUCH MISSBRAUCHT 1945 wurden die Besitzer im Zuge der Bodenreform durch die sowjetische Besatzungsmacht enteignet. Im Schloss wohnten zunächst Flüchtlinge, bis zum Jahr 1963 auch noch mehrere Familien. Doch das Gebäude verfiel jedoch zusehends. Anstelle einer Renovierung wurde das Baumaterial leider freigegeben, und das Schloss mutierte zum Steinbruch. Auch der zwölf Hektar große Schlosspark, im Stil eines englischen Landschaftsparks angelegt, war über die Jahre verwildert. Mithilfe der Grafenfamilie von Knyphausen und mehrerer Stiftungen wurden aber ab dem Jahr 1999 die Schlossruine gesichert und der Park wiederhergestellt. Ein an die Anlage angrenzendes Waldstück wird als Friedwald genutzt. Heute gehören sowohl der Park als auch die Ruine der Stiftung Schlosspark Pansevitz.

VON OBEN BETRACHTET Die beste Aussicht auf die Schlossruine und einen Teil des bezaubernden Landschaftsparks bietet die Aussichtsplattform auf dem 17 Meter hohen Schlossturm. Der Park wurde nach historischem Vorbild wiederhergestellt. Zahlreiche Alleen laden zu romantischen Spaziergängen am Schwanenteich, am Wundersee mit Liebesinsel und am sogenannten Herz- und Nierenteich ein.

Events im Schlosspark

In den Sommermonaten wird im Park rund um die alte Schlossruine ein reichhaltiges Kulturprogramm angeboten. Es gibt Theateraufführungen, Lesungen und Konzerte auf der Freilichtbühne; darüber hinaus wird regelmäßig auch Kunsthandwerk präsentiert. Gerne wird die zwölf Hektar große Anlage dabei auch selbst als Bühne für Skulpturenausstellungen genutzt. Einige dieser Objekte verbleiben dauerhaft vor Ort und können das ganze Jahr betrachtet werden. Informationen zu Ausstellungen und Veranstaltungen bietet die Stiftung Schlosspark Pansevitz auf ihrer Internetseite (www.stiftung-schlosspark-pansevitz.de).

Das Schloss wurde Ende des 16. Jahrhunderts erbaut, nach 1945 wurden die Steine aber andernorts gebraucht.

Blick auf die Grundmauern vom Aussichtsturm in 17 Meter Höhe

Der Landschaftspark lädt zum Flanieren ein, etwa am Wundersee mit Liebesinsel.

Sie sollten Bornholm umrunden: Rohre für 50 Kilometer Gaspipeline

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5000 ROHRE AUS SPEZIALBETON

Das Lager der Gaspipeline Nordstream 2 in Mukran

Wohin mit 5000 Rohren, die für die Gaspipeline Nordstream 2 geplant waren, aber nicht mehr benötigt werden? Zurzeit lagern sie auf einem Hafengelände auf Rügen.

Adresse Südstraße, 18546 Sassnitz, Landkreis Vorpommern-Rügen GPS 54.4901, 13.5720 Anfahrt