Lost & Dark Places Schwarzwald - Benedikt Grimmler - E-Book
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Benedikt Grimmler

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Beschreibung

Schwarzwald – allein der Name klingt schon dunkel. Kein Wunder also, dass der Schwarzwald auch reich an dunklen Plätzen, sogenannten Dark Places, ist. Wandeln Sie auf den Spuren von Spukgestalten und Sagenhelden durch raues Mittelgebirge, einsame Hochmoore und endlose Wälder, zu verlassenen Klosterruinen und abgewirtschafteten Fabriken, zu unterirdischen Bunkeranlagen und Bahnhöfen inmitten des Nichts ... Dunkler und verlorener geht es kaum!

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Seitenzahl: 170

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Gräber an der Severinskapelle Denzlingen

Benedikt Grimmler

Lost & Dark PlacesSCHWARZWALD

33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte

INHALT

Einleitung

Verhaltensregeln für Lost Places

33 LOST & DARK PLACES

1Letzte Pflege unter Bäumen

Der alte Friedhof Illenau

2Von Eisen zu Papier zu Staub

Die Papierfabrik Albbruck

3Auf gefährdetem Posten

Hotel Alexanderschanze

4Heilen statt Heilrufe

Sanatorium Dr. Saller in Badenweiler

5Kaspar im Kerker

Schloss Beuggen

6Vom Sehnsuchtsort zum Störfaktor

Bad Boll in der Wutachschlucht

7Auf den Hund gekommen

Ruine Neuenfels

8Kinder, Kinder

Das Schafott bei Calw

9Geheimnisse unter der Ruine

Die Severinskapelle Denzlingen

10Der Untergang der Demokratischen Legion

Das Gefecht von Dossenbach

11Verschwundene Dörfer und Täter

Ebringen

12In der Wiese ertrunken

Der Eichener See

13Altbauten und Aberglaube

Endingen am Kaiserstuhl

14Der fromme Fluch

Kloster Frauenalb

15Übernachten im Spukhaus

Das Hotel Waldlust in Freudenstadt

16Ungünstige Standorte

Rubin-Mühle Gengenbach und Pfarrhaus Steinach

17Was bin ich?

Die Ruine Hauenfels

18Angst vor der Schweiz

Der Fahrnauer Tunnel bei Hasel

19Die Ur-»Lost Places«

Die Klöster Hirsau und Allerheiligen

20Wo das Himmelreich endet

Im Höllental

21Im Inneren hohl

Der Isteiner Klotz

22Die Stadt der falschen Geister

Kenzingen

23Eine Stadt löst sich auf

Münster im Münstertal

24Den Bach hinuntergegangen

Das alte Kraftwerk Rheinfelden

25Professor Brinkmann war nie hier …

Die Schwarzwaldklinik Bad Rippoldsau

26Es fährt kein Zug nach Irgendwo

Der Bahnhof Sankt Blasien

27»Hier ist Turennius vertoetet worden«

Das Turenne-Denkmal in Sasbach

28Lazarus, komm nicht heraus!

Das Lazaritenkloster Schlatt und seine Quelle

29Obelix oder Attila?

Die seltsamen Steine von Schwörstadt

30Fausts Höllenfahrt

Hotel zum Löwen in Staufen

31Das wandernde Unglückskloster

Kloster Tennenbach

32Über Pfarreien- und Gewerbeschwund

Waldkirch

33Ein Name ist Programm

Zuflucht

Register

Impressum

KAPITEL 14: Der fromme Fluch

KAPITEL 7: Auf den Hund gekommen

KAPITEL 8: Kinder, Kinder

KAPITEL 24: Den Bach hinuntergegangen

KAPITEL 28: Lazarus, komm nicht heraus!

KAPITELÜBERBLICK

1 Der alte Friedhof Illenau

2 Die Papierfabrik Albbruck

3 Hotel Alexanderschanze

4 Sanatorium Dr. Saller in Badenweiler

5 Schloss Beuggen

6 Bad Boll in der Wutachschlucht

7 Ruine Neuenfels

8 Das Schafott bei Calw

9 Die Severinskapelle Denzlingen

10 Das Gefecht von Dossenbach

11 Ebringen

12 Der Eichener See

13 Endingen am Kaiserstuhl

14 Kloster Frauenalb

15 Das Hotel Waldlust in Freudenstadt

16 Rubin-Mühle Gengenbach und Pfarrhaus Steinach

17 Die Ruine Hauenfels

18 Der Fahrnauer Tunnel bei Hasel

19 Die Klöster Hirsau und Allerheiligen

20 Im Höllental

21 Der Isteiner Klotz

22 Kenzingen

23 Münster im Münstertal

24 Das alte Kraftwerk Rheinfelden

25 Die Schwarzwaldklinik Bad Rippoldsau

26 Der Bahnhof Sankt Blasien

27 Das Turenne-Denkmal in Sasbach

28 Das Lazaritenkloster Schlatt und seine Quelle

29 Die seltsamen Steine von Schwörstadt

30 Hotel zum Löwen in Staufen

31 Kloster Tennenbach

32 Waldkirch

33 Zuflucht

EINLEITUNG

Inzwischen selbst Patient: Schwarzwaldklinik Bad Rippoldsau (KAPITEL 25)

Der Kandel ist ein ebenso berühmter wie berüchtigter Berg des Schwarzwalds, zwischen Waldkirch und Freiburg gelegen, ganze 1241 Meter aufragend und damit eine der höchsten Erhebungen der Region. Die Fantasie der Menschen hat er schon immer angeregt, allerlei Sagen widmen sich den faszinierenden Felsgebilden auf der Höhe, im Inneren wurde ein See vermutet, den der Teufel mit vielerlei Listen ausbrechen und um der zerstörerischen Wirkung willen ins Tal herausströmen lassen wollte – bislang vergebens. Dass dort oben der zentrale Hexentanzplatz für alle Magier, Zauberinnen und Teufelsbündler des gesamten Schwarzwalds war, verwunderte niemand, noch dazu gab es zahlreiche geständige Hexen, die dies während der Verfolgungen bestätigten. Dass sie dies erst unter der Folter taten, sprach nach damaliger Sicht nur für ihre Verstocktheit.

Die Geschichten um den Kandel entsprechen einem beliebten Klischeebild des Schwarzwalds als unheimlicher, mystischer Region, wie es selbst international verbreitet ist; auch im englischsprachigen Raum oder bei unseren französischen Nachbarn löst der Black Forest beziehungsweise Fôret-Noire wohliges Gruseln aus und drängt Bilder von Kirschtorten, Bauernhäusern und Bollenhüten in den Hintergrund. Und ist da nicht auch viel Wahres dran? Gibt es nicht kaum einen besseren Beweis als eben den gefürchteten und eben alles andere als harmlosen Kandel? Am 30. April 1981 mitten in der Nacht brach der obere Teil des bizarr geformten Kandelfelsens ab und fiel unter lautem Tosen in die Tiefe. Was bestens zu dem Datum – es war die Walpurgisnacht – passte: In den herabgestürzten Gesteinsmassen fand sich zur allgemeinen Überraschung – oder eben auch nicht! – ein Reisigbesen. All das konnte kaum ein Zufall sein. War nun der Ausbruch des Sees aus dem Inneren zu befürchten? Er blieb den Bewohnern des Tales erspart, der Hexenbesen stellte sich, ausgerechnet, als Arbeitswerkzeug eines Experten heraus, der sich um die Sicherung des Felsens kümmern sollte. Der Kandel blieb gleichwohl seinem Ruf treu: Als es 2005 im Breisgau zu einem spürbaren Erdbeben kam, das nicht wenige Schäden an Häusern im Umland verursachte, lag das Epizentrum genau unter dem verrufenen Berg.

Schon die natürlichen Voraussetzungen tragen also einiges dazu bei, den Schwarzwald zu einem Ort zu machen, der einem manch fröstelnden Schauer über den Rücken jagt, was nicht unbedingt mit dem rauen Klima der hohen Lagen zu tun haben muss, denn auch in den Niederungen des bekanntlich äußerst sonnenverwöhnten Rheintals finden sich Plätze, die wir mit einer Mischung aus Beklemmung und Faszination aufsuchen. Ein Kloster, in dem nur Aussätzige lebten; ein Kerker, in dem womöglich Kaspar Hauser gefangen gehalten; eine Burgruine, in der eine komplette Familie auf brutale Weise ausgelöscht wurde; eine Wiese, auf der ein französischer General starb.

Jede Region hat ihre typischen, spezifischen Lost Places, jene Orte, die uns durch ihren Verfall beunruhigen und doch geradezu magisch anziehen. Natürlich gibt es auch verfallene Bauernhäuser der charakteristischen Schwarzwaldbauart, doch in ihrer Häufigkeit ein Unikum sind die vielen leer stehenden ehemaligen Luxushotels auf den Höhen, einst Herberge gut betuchten internationalen Publikums, heute gruselige Halbruinen, vom Wetter gegerbt, einsam und gut sichtbar in der Landschaft stehend. Auch Stadthotels wie in Freudenstadt, Sanatorien in Badenweiler oder einst elegante Bäder wie Boll in der Wutachschlucht oder Rippoldsau am Kniebis zählen dazu.

Gitter ins Nichts: altes Kraftwerk Rheinfelden (KAPITEL 24)

Obdachlos: Kloster Frauenalb im Nordschwarzwald (KAPITEL 14)

Eine weitere oft anzutreffende Hinterlassenschaft stammt aus einer weit weniger angenehmen Vergangenheit, den kriegerischen Auseinandersetzungen um die Pässe über das »Annäherungshindernis« Schwarzwald. Überwachsen und oft versteckt liegen Schanzen der Barockzeit nicht selten in unmittelbarer Nachbarschaft von Betonresten des ebenso nutzlosen Westwalls aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Schwarzwald und Rheintal waren als Grenzgebiete viel zu oft Schauplatz blutiger Streitigkeiten.

Aber auch die mehr oder weniger »üblichen Verdächtigen« sind natürlich in der Region zu finden: Aufgegebene Bahnstrecken, heruntergekommene Fabrikanlagen, Kirchen- und Klosterruinen, ganze verschwundene Städte, alles andere als verschwundene Hinrichtungsstätten und längst verlassene Bergwerke. Alle aber haben ihre Eigenheiten, die sie unverwechselbar machen, schließlich ist kein Lost oder Dark Place wie der andere, ob der morbide Charme nun eher seiner Geschichte oder seinem Aussehen – oder beidem – entspringt.

Bitte beachten Sie unsere Hinweise zum Aufsuchen der Orte (Verhaltensregeln für Lost Places auf S. 12), die letztlich dazu dienen, dass Sie den Ausflug zum jeweiligen Objekt buchstäblich mit Sicherheit genießen können. Und wenn Ihnen trotz (seltener) Windstille auf den Schwarzwaldhöhen oder drückender Hitze im Rheintal ein kühler Schauer über den Rücken läuft und Sie beim Gedanken an den Schwarzwald nicht mehr an Trachten und Mühlräder, sondern vielmehr an kaputte Kurhäuser und tanzende Teufel auf dem Kandel denken, dann hat dieses Buch seinen Zweck erfüllt.

VERHALTENSREGELN FÜR LOST PLACES

Gräber an der Kapellenruine: Denzlingen (KAPITEL 9)

1. Behandeln Sie die Orte mit Respekt

Jedes Bauwerk und jedes Gebäude erzählt eine Geschichte aus vergangenen Tagen. Dies gilt es zu schützen. Und auch wenn es nicht immer so aussieht, hat jeder Lost Place einen Eigentümer. Dies ist zu respektieren und Zuwiderhandlungen können ernsthafte rechtliche Konsequenzen haben. Betreten Sie keine Gebäude oder Grundstücke unbefugt, zerstören oder beschädigen Sie nichts, öffnen Sie nichts gewaltsam. Sind Fenster oder Türen verschlossen, soll das auch so bleiben. Dieses Buch ist so konzipiert, dass Sie viele der Orte frei oder auf Nachfrage betreten dürfen (Burgruinen etc.) oder, falls dies nicht offiziell erlaubt ist, die Orte auch »mit Abstand« erfahren und genießen können.

2. Nehmen Sie nichts mit, lassen Sie nichts da

Wenn Sie etwas von einem Lost Place mitnehmen, und sei es noch so klein, gilt dies als Diebstahl, denn diese Orte haben, wie bereits erwähnt, einen Eigentümer. Daher gilt die Regel: Alles bleibt, wie es ist. Belassen Sie es bei den schönen Einblicken und Fotos, die Sie an solchen Orten machen. Das bedeutet auch: Lassen Sie nichts zurück. Keine Essensreste, keine Kaugummis, keine Zigarettenkippen.

3. Rauchen verboten

Das bringt uns zum nächsten Punkt: Rauchen ist hier generell verboten. Zollen Sie dem ehrwürdigen Ort Respekt und verzichten Sie für die Zeit, die Sie da sind, auf das Rauchen. Zigarettenkippen brauchen nicht nur 15 Jahre zum Verrotten (sie sollten übrigens ohnehin nirgends achtlos weggeworfen werden), sondern sie können schnell ein verheerendes Feuer verursachen.

4. Keine Graffiti

Dass Sie nichts hinterlassen sollen, gilt auch für »Kunstwerke« an den Wänden. Lassen Sie Wände und Mauern, wie sie sind. Auch die Menschen nach Ihnen sollen den Ort so erleben können, wie er früher einmal war.

5. Seien Sie vorsichtig und gehen Sie nicht allein

Besonders wichtig: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Das gilt vor allem bei Lost Places. Brüchige Mauern, frühere Keller, herumliegende Überreste oder auch Müll, aber auch natürliche Gegebenheiten (Bodenlöcher, Höhlen) bergen einige Gefahren. Zudem liegen manche der Objekte recht einsam. Deshalb ist es ratsam, immer mindestens zu zweit, besser noch zu dritt einen Lost Place zu besuchen. Da gilt die alte Regel: Ist eine Person verletzt, bleibt die zweite vor Ort und die dritte holt Hilfe. Zudem weiß man nie, wen man vor Ort trifft. Plünderer, Spinner oder Betrunkene sind auch oft rund um Lost Places anzutreffen. Da ist es beruhigender, nicht allein unterwegs zu sein.

In der Wutachschlucht, auf der Suche nach Bad Boll (KAPITEL 6)

Barocke Vergänglichkeit: Kloster Frauenalb (KAPITEL 14)

1

LETZTE PFLEGE UNTER BÄUMEN

Der alte Friedhof Illenau

Die Illenau bei Achern war einst eine der modernsten Heil- und Pflegeanstalten weltweit. Selbst ihre Toten genossen noch eine besondere Fürsorge in einem anstaltseigenen Friedhof.

Achern, Ortenaukreis (OG) Ort Hornisgrindestraße, 77855 Achern GPS 48.626379, 8.091276 Anfahrt Bahnhof Achern (RE Konstanz–Karlsruhe); A5, Ausfahrt Achern

Die Illenau: wie ein Schloss für Kranke

REVOLUTION IM PFLEGEWESEN – Großherzog Leopold von Baden (1830–1852) hatte selbst einen sogenannten geisteskranken Sohn, den Kronprinzen Ludwig, und war deshalb gegenüber Neuerungen in der Pflege dieser ansonsten in abgeschotteten Siechenhäusern und »Narrenanstalten« oft ohne Aussicht auf Heilung dahinvegetierenden Menschen offensichtlich besonders aufgeschlossen. So entstand die Idee zur 1842 nahe Achern gelegenen Heil- und Pflegeanstalt Illenau, deren Name schon ein völlig neues Konzept verriet: Hier wurde gepflegt und geheilt, leichte Fälle und Unheilbare nicht mehr getrennt. Überhaupt setzte der neue Anstaltsleiter Christian Roller gleich mehrere Reformschritte durch: Die riesige, schlossartige, sich durch ihre Symmetrie auszeichnende Anlage war zwar unterteilt nach Männern und Frauen, stand aber beiden Konfessionen offen – die im Mittelpunkt des Baues eingerichtete Kirche war ökumenisch. Auch die Lage der Illenau war bewusst gewählt: Nahe der Stadt, um nicht isoliert zu sein, aber auch etwas abseits, um in Ruhe und ohne Trubel die Heilung ermöglichen zu können. Große, helle Räume und Zimmer, eine autarke Versorgung, Werkstätten und Küche, in der die Insassen mitarbeiten konnten – der Patient stand stets im Mittelpunkt. Direktor Roller sah in seinen Mitarbeitern und den ihm Anvertrauten eine große familiäre Gemeinschaft, geführt unter humanitären Gesichtspunkten (nach den damaligen Maßstäben). Das war schlicht neu – und wurde vorbildlich für viele. Zahlreiche Leiter anderer Anstalten kamen, um sich das Konzept, sowohl den Bau als auch Rollers Idee von der Führung einer solchen Institution, anzusehen, namhafte Ärzte bewarben sich für Stellen in der Illenau, etwa Bernhard von Gudden, der später mit dem bayerischen König Ludwig II. im Starnberger See ertrinken sollte, oder Richard von Krafft-Ebing, der bedeutende Sexualwissenschaftler. Und dann waren da noch die Patienten: Die Illenau genoss einen so guten Ruf, dass sie immer mehr Prominente und Gutbetuchte mit Nervenschwächen anzog.

Eingangstor zum alten Friedhof Illenau

ENDE NACH 100 JAHREN – Die Tradition der Illenau als humanitär geführte, vorbildliche und auch immer wieder sich erneuernde innovative Heilanstalt lebte auch bei den Nachfolgern Rollers fort, erst mit den 1930ern änderte sich das Klima. Im letzten Anstaltsdirektor Hans Roemer (1929–1940) zeigten sich schon die Ambivalenzen der Zeit: Auch er folgte progressiven Ideen, wozu jedoch unter anderem die Sterilisation von unheilbar Kranken gehörte. Der Euthanasiebewegung allerdings verweigerte er sich; als die Nationalsozialisten auch Zugriff auf seine Patienten haben wollten, leistete er im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten passiven Widerstand, was jedoch den Abtransport oder die Verlegung von Insassen zum letztendlichen Zweck der Tötung nicht verhindern konnte. 671 Menschen lebten damals in der Illenau, gut 260 von ihnen wurden ermordet. 1940 schlossen die braunen Machthaber die Heil- und Pflegeanstalt, Humanität war ihre Sache nicht. Stattdessen zogen erst Mädchen aus Südtirol ein, in einer Heimschule sollten sie auf das Leben im (nationalsozialistischen) Deutschland vorbereitet werden. Ihnen gesellte sich eine Napola, eine Eliteschule für NS-Kader hinzu, auch sie für Mädchen, doch war der Staat an der Ausbildung von Frauen weniger interessiert, sodass diese den Status einer Napola verlor. Den wiederum bekam die Illenau wieder, als dort 1943 zusätzlich Jungen einzogen, doch diese vorletzte Napola-Gründung war wenig erfolgreich und ziemlich kurzlebig. Nach dem Krieg übernahmen die Franzosen die Illenau als Kaserne, nach deren Abzug 1994 engagierten sich viele Bürger für eine Neunutzung des Areals. Mit Erfolg – heute sind dort Behörden, Wohnungen und kulturelle Begegnungsstätten untergebracht, die Illenau ist ein Schmuckstück für Achern.

Stilvoll gestorben wurde auch noch nach 1900

IN ALLER STILLE – Direktor Roller kämpfte ziemlich lange um einen eigenen Friedhof für seine Anstalt. Anfangs wurden die verstorbenen Patienten – da es sich um eine medizinische Einrichtung handelte, war die Sterblichkeit natürlich durchschnittlich höher – auf dem Acherner Friedhof beerdigt. Der galt jedoch, abgesehen von der Entfernung, trotz Neuanlage 1844 als schlecht gepflegt und unansehnlich, Roller fürchtete deshalb Beschwerden der Verwandtschaft seiner bessergestellten Patienten. Doch erst 1856 drang Roller endgültig durch, schließlich wurde nach mehrmaligen Versuchen mit einem Grundstück am Rand des Langenforder Wäldchens ein geeignetes Plätzchen gefunden. Selbst hier verfuhr Roller nach seinem ursprünglichen Konzept: Der Friedhof sollte nahe der Illenau sein, aber nicht zu nah, um Ängste auszulösen, er sollte Ruhe und Behaglichkeit ausstrahlen, ein auch für die Lebenden angenehmer Ort sein. Im Mai 1858 wurde das Friedhofskreuz aufgestellt, schon Ende des Monats erfolgte die erste Beerdigung: Das Grab der Arztgattin Mathilde Kast, gemeinsam mit ihrem Sohn Hermann bei der Geburt verstorben, existiert noch. In kurzen Abständen mussten Erweiterungen erfolgen, was nicht unbedingt an einer hohen Sterblichkeit lag, sondern an dem Willen, den Charakter des Friedhofs als Parkanlage zu erhalten, das heißt, dass zwischen den einzelnen Grabmälern ausreichend Raum verbleiben sollte. Zu der Idee gehörte auch das Anlegen von Spazierwegen in der Umgebung und das Pflanzen von zum Teil exotischen Pflanzen, das Botaniker noch heute erfreut. Mit der Auflösung der Heilanstalt drohte der Friedhof zu verwildern, zudem wurde er teils geplündert, der Zahn der Zeit nagte an vielen Grabstätten. Durch das Erreichen des Denkmalschutzes 1971 trat Besserung ein, gleichwohl wirkt der alte Illenauer Friedhof heute gewissermaßen liebevoll vernachlässigt, die zahlreichen Grabstätten aus der Zeit des Biedermeier bis in den Jugendstil und die frühe Moderne, leicht krumm, vermoost oder angerostet, zeugen vom individuellen Gestaltungswillen ihrer oft vermögenden Besitzer und fügen sich perfekt ein in die Anlage irgendwo zwischen Wild- und Schauerromantik.

Die Patienten erhielten mehr Pflege als manches Grab heute.

Das besondere Erlebnis

Innovativ und damit ihrem Ruf treu ist die Illenau auch in ihrer Nachnutzung geblieben. In den Illenau-Arkaden im Haupthof der früheren Heilanstalt findet man das kombinierte Bistro und Museum, die Geschichte des Ortes kann dort somit »genussvoll« nachvollzogen werden. Ein Förderkreis sorgt zudem immer wieder für zusätzliche Veranstaltungen, vor allem für die weitere Erforschung der Illenauer Historie unter vielen Aspekten, woraus bereits ein umfangreiches Schrifttum hervorging. Ein Besuch des Friedhofs und des Bistros lassen sich also perfekt verbinden: www.illenau-arkaden.de.

2

VON EISEN ZU PAPIER ZU STAUB

Die Papierfabrik Albbruck

Über Jahrhunderte lieferte die große Albbrucker Fabrikanlageam Rheinufer Qualität, erst in Eisen, später in Papier.Ziemlich plötzlich war es damit im Jahr 2012 vorbei.

Albbruck, Landkreis Waldshut-Tiengen (WT) Ort Alte Landstraße/Albuferstraße, 79774 Albbruck GPS 47.589523, 8.130805 Anfahrt Bahnhof Albbruck (RB Basel Bad Bf.–Waldshut); A98/B34, Ausfahrt Albbruck

Rund um die Albmündung finden sich nun riesige Brachflächen.

ANFÄNGE IM NICHTS – Der »Stern«, die »Bunte«, »Freundin« und »Brigitte«, »Hör zu«, »Quick«, aber auch das »Time Magazine«, die Kursbücher der Bundesbahn, Telefonbücher und Rowohlts legendäre Rotationsromane, sie alle waren auf dem hochwertigen Albbrucker Papier gedruckt, stolz verkündete eine Firmenbroschüre, »heute ist es eine Ausnahme, wenn eine deutsche Illustrierte (speziell bei den heiklen Farbseiten) nicht Albbrucker Tiefdruckpapier enthält« – und natürlich war auch diese selbstbewusste Aussage auf einer Albbrucker Spezialanfertigung – »Alpasol« – zu lesen. Doch es sollte nicht mehr allzu lange dauern, bis keine einzige deutsche Illustrierte mehr auf Albbrucker Papier gedruckt werden würde. Damit ging eine jahrhundertelange Tradition zu Ende, die allerdings mit einem ganz anderen Produkt begonnen hatte: Eisen. Bereits 1681 hatte der Schweizer Abraham Chemilleret, Landvogt der österreichischen Regierung im Aargau, die Genehmigung zum Bau eines Eisen- und Hammerwerks an der Alb erhalten, ein Standort, der zwar einsam in der Landschaft lag, außer der namengebenden Alb-Brücke gab es dort nichts, der jedoch für das Vorhaben gleich mehrere Vorteile hatte: Das Gebiet unterstand ebenfalls der österreichischen Regierung, die Wasserkraft der Alb konnte zur Energiegewinnung genutzt werden, vor allem aber gab es durch die Nähe des Schwarzwalds Holz in Hülle und Fülle, dazu waren die Wege zu Erzen in der Umgebung, insbesondere der Schweiz, recht kurz. Der zur Verhüttung nötige Kalk lag günstigerweise genau gegenüber: in Schwaderloch, wohin ein Fährbetrieb eingerichtet wurde. Die ersten hundert Jahre waren geprägt von vielen Pächterwechseln, auch kam es hin und wieder zu Problemen bei der Rohstofflieferung, doch insgesamt hielt sich das Eisenwerk Albbruck gut, eine kleine Siedlung gehörte inzwischen dazu, schließlich sogar ein Kirchlein, denn das Schwarzwaldkloster Sankt Blasien, seit 1755 Pächter, hatte das Werk schließlich 1778 von Österreich gekauft.

EIN NEUES PRODUKT – In der Säkularisation wurde das Kloster aufgehoben, Nachfolger und damit auch Werksbesitzer in Albbruck wurde der badische Staat, der sich nicht nur entschloss, den Betrieb zu erhalten, sondern auch auszubauen. Albbruck wurde das wichtigste Eisenwerk des Großherzogtums, das Geschäft florierte. Problematischer waren die sozialen Verhältnisse, Albbruck war noch immer keine eigenständige Gemeinde, aber auch keinem der umliegenden Orte angeschlossen. Wer direkt vor Ort bei der Fabrik lebte, hatte kein »Heimatrecht«, war folglich kein vollgültiger Bürger und durfte zum Beispiel nicht heiraten. Witwen, verunglückte oder zu alte Arbeiter lebten in bitterer Not, nicht selten wanderten sie aus. Erst spät griff der Staat ordnend ein, als er Albbruck zur Stabhalterei erklärte, sozusagen der Beginn der heutigen Gemeinde. Mit dem Eisenwerk ging es dann allerdings bald bergab, die Schweiz verhängte Einfuhrzölle, die Eisenbahn brachte nicht Aufschwung wie sonst so oft, sondern billigere Konkurrenz. 1866 war das Eisenwerk Albbruck am Ende. Über Jahre stand es nun leer. Und wieder war es ein Schweizer, der für Veränderung sorgte. Nikolaus Kaiser von Grellingen, eidgenössischer Nationalrat, kaufte die Gebäude und baute sie völlig um. Denn ein Rohstoff war ja weiterhin billig zu haben: Holz. Von Grellingen richtete erst eine Holzschleiferei ein, die anfangs nur den Grundstoff für Papier lieferte, bald ging man aber dazu über, dieses selbst vor Ort herzustellen. Aus dem Eisenwerk war eine Papierfabrik geworden.

Sichtbares Überbleibsel der Papierfabrik: das Wärmekraftwerk

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