Love Studies: Never Date Your Enemy - Andreas Dutter - E-Book

Love Studies: Never Date Your Enemy E-Book

Andreas Dutter

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Beschreibung

Wenn sich das Herz nicht an die Abmachungen hält In »Never Date Your Enemy«, dem zweiten New-Adult-Liebesroman in Andreas Dutters queerem Duett»Love Studies«, möchte sich der Doktorand Cormac mit Yiannis eigentlich nur an seinem Ex-Freund rächen … Sich zu verlieben ist nicht Teil des Plans Nachdem sein Ex-Freund ihm nicht nur das Herz gebrochen, sondern auch das gemeinsame Konto geplündert hat, ist Cormac Glenn mit dem Thema Liebe durch. Stattdessen will er sich voll auf seinen Doktortitel als Meteorologe an der Uni von Glasgow konzentrieren. Denn nur so kann er die Bedingungen für das großzügige Erbe erfüllen, für das er gemeinsam mit seinem Mitbewohner Quentin ausgewählt wurde. Doch dann lernt Cormac bei seinem Nebenjob für einen kleinen TV-Sender den ehemaligen Kinderstar Yiannis kennen, der dort als Moderator arbeitet. Zwar kann er ihn erst mal nicht besonders leiden, aber sie verbindet ein ähnliches Schicksal: Auch Yiannis hat einen fiesen Ex-Freund. Und so zögern sie nicht, sich zusammenzutun, als sich ihnen die Chance auf Rache an ihren hinterhältigen Ex-Freunden bietet. Ihr Plan lenkt sie allerdings nicht nur von ihren Karrierezielen ab, er birgt auch noch ganz andere Gefahren … Ein bezaubernder queerer Revenge-Fake-Dating-Liebesroman von Own-Voice-Autor Andreas Dutter! Entdecke auch den ersten New-Adult-Roman des Love-Studies-Duetts von Andreas Dutter: In »Love Studies: Never Kiss a Villain« bekommt es Cormacs Mitbewohner Quentin mit Massimo zu tun, der Quentin aus bestimmten Gründen unbedingt für sich gewinnen will …

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Andreas Dutter

Never Date Your Enemy

Love Studies

Roman

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Wenn sich das Herz nicht an die Abmachungen hält

Nachdem sein Ex-Freund ihm nicht nur das Herz gebrochen, sondern auch das gemeinsame Konto geplündert hat, ist Cormac Glenn mit dem Thema Liebe durch. Stattdessen will er sich voll auf seinen Doktortitel als Meteorologe an der Uni von Glasgow konzentrieren. Denn nur so kann er die Bedingungen für das großzügige Erbe erfüllen, für das er gemeinsam mit seinem Mitbewohner Quentin ausgewählt wurde.

Doch dann lernt Cormac bei seinem Nebenjob für einen kleinen TV-Sender den ehemaligen Kinderstar Yiannis kennen, der dort als Moderator arbeitet. Zwar kann er ihn erst mal nicht besonders leiden, aber sie verbindet ein ähnliches Schicksal: Auch Yiannis hat einen fiesen Ex-Freund. Und so zögern sie nicht, sich zusammenzutun, als sich ihnen die Chance auf Rache an ihren hinterhältigen Ex-Freunden bietet. Ihr Plan lenkt sie allerdings nicht nur von ihren Karrierezielen ab, er birgt auch noch ganz andere Gefahren …

Sich zu verlieben ist nicht Teil des Plans: Die queere Revenge-Fake-Dating-Romance von Own-Voice-Autor Andreas Dutter!

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Illustrationen

Widmung

Content Notes - Hinweis

The Glasgow Gazette

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Danksagung

Liste sensibler Inhalte / Content Notes

 

Für alle Menschen, die auch mal einen Traum aufgeben mussten.

Bei manchen Menschen lösen bestimmte Themen ungewollte Reaktionen aus. Deshalb findet ihr am Ende des Buches eine Liste mit sensiblen Inhalten.

The Glasgow Gazette

Kinderstar Yiannis Vasilopoulos’ erste Senderparty bei G-TV

Kinderstar Yiannis ist seit einigen Monaten bei uns in Glasgow bei G-TV und moderiert, moderiert und moderiert. Meist das Wetter, manchmal auch Straßenumfragen. Viele kennen ihn vielleicht aus der 2000er-Family-Sitcom The Rise of the Blaxhalls, in der Yiannis den (Achtung: Spoiler) Adoptivsohn der Familie Blaxhall gespielt hat. Nach dem Aus der Serie hat sich der Grieche noch in einigen Filmen oder Nebenrollen aka Leichen in Kriminalserien blicken lassen, doch der Sprung zum ernst zu nehmenden Schauspieler blieb aus.

Heute haben wir Yiannis bei uns zum Interview.

 

Yiannis, wie gefällt es dir in Glasgow? Die Zeit davor hast du ja bei deiner Familie in Thessaloniki verbracht. Fehlt dir Griechenland?

Glasgow und ich sind zu einer Einheit geworden. Das Wetter und ich nicht, aber die Stadt und ich definitiv. Griechenland habe ich immer bei mir [Er klopft sich sanft auf die Stelle über seinem Herzen].

 

Deine erste legendäre G-TV-Senderparty steht an: nervös? Immerhin sollst du Mitinitiator sein.

Die Freude überwiegt, aber klar hoffe ich, meiner Kollegenschaft einen unvergesslichen Abend zaubern zu können, wofür ich …

Kapitel 1

Cormac

Ich hasse diesen beschissenen, aufgeblasenen Wichtigtuer.« Beim letzten Wort riss ich meinen Mund weit auf und brüllte jede Silbe noch lauter als die zuvor. Na toll, jetzt brannten meine Mundwinkel. Alles seine Schuld! »… also, für die ich hart gearbeitet habe, daher hoffe ich, meiner Kollegenschaft einen unvergesslichen Ab–«, ich unterbrach mich beim Vorlesen. »Ich kann das alles nicht mehr!« Ich lief durch den Raum und bückte mich unter einer Kletterpflanze weg, die sich an den quer verlaufenden Holzbalken entlangschlängelte.

»Maaaaac.« Quentin stand von der Couch auf, und die bunte Flickendecke, die über seinen Beinen gelegen hatte, fiel auf den Holzboden. Er richtete sich die Brille und näherte sich mir. »Beruhig dich etwas, ja?«

»Du hast leicht reden!« Ich feuerte mein Handy mit dem Glasgow-Gazette-Artikel auf die Couch. Dort hüpfte es vom Rücken- auf das Sitzkissen und fiel von da aus auf den Boden.

Yay. Daran war natürlich auch er schuld.

»Dieser … Dieser …« Mit großen Schritten lief ich im Wohnbereich des Obsidian Hill Cottages auf und ab, immer wieder an der Truhe vorbei, die als Couchtisch diente.

»Maaaaaaaaac.« Jasna ignorierte ich ebenfalls. Sie stand vor dem mit Efeublättern verdeckten Fenster und zupfte ein paar davon ab. Wenn sie sich nicht um das Cottage hier im Auftrag der Uni kümmern würde, würde ich es jetzt am liebsten vor Wut anzünden. Das urige pflanzenbewachsene Haus sorgte normalerweise für eine Wohlfühlstimmung, aber nicht heute. Heute brachte mich nichts runter. »Die Blätter werden schon welk wegen dir«, sagte sie schmunzelnd.

»Jasna, bitte, als ob das möglich wäre, und wenn, dann verwelken sie wegen Yiannis, nicht wegen mir«, sagte ich trotzig. »Als ob dieser faule Nichtsnutz irgendetwas mitinititiert, äh, mitmini…« Ich schnaubte wütend. »Mit-initi-iert! Als ob der irgendetwas macht! Die haben den nur zum Mitin…-Dings ernannt für die Presse. Wer hat seine Arbeit übernommen? I–«

»Du«, sagten Jasna und Quentin gleichzeitig.

Ich stolperte über meine nächsten Worte. Mit ihrem Zwischenruf hatten mich die beiden aus dem Konzept gebracht. Warum wohnte ich noch mal mit denen zusammen? Ach ja, weil Quentin und ich von der Uni das Cottage zur Verfügung gestellt bekommen hatten, um unseren Doktor hier zu machen, und wir Jasna, da sie ohnehin die meiste Zeit hier verbrachte, angeboten hatten, ebenfalls einzuziehen.

»Tut nicht so, als wäre ich dieser lästige Freund, der ständig über seine Arbeit jammert, dasselbe erzählt und nichts anderes mehr zu reden hat.« Ich wich den bunten Topfpflanzen aus, die unser Wohnzimmer säumten. An der Wendeltreppe hoch zur Galerie hielt ich mich am Geländer fest und zog mich theatralisch zur ersten Stufe hinauf. »Sonst gehe ich.« Eigentlich wollte ich nicht in mein Zimmer, dort stapelten sich nämlich meine ganzen Mahnungen und Rechnungen, die ich noch bezahlen musste und die sich leider nicht in Luft auflösten. Außerdem war ich da gerade erst nach einer Stunde Video-Therapie rausgekommen. Vielleicht reagierte ich auch deshalb so emotional auf diesen Artikel. Nach meinen Therapiestunden war ich immer ein bisschen dünnhäutiger als sonst, obwohl sie mir eigentlich sehr halfen. Denn ohne hätte ich mich wahrscheinlich die meiste Zeit zu Hause eingesperrt und wäre nicht mehr vor die Tür gegangen.

Quentin und Jasna warfen sich einen Blick zu.

»Aber du bist genau dieser Freund.« Staub tanzte im Lichtkegel, der durch das alte, pflanzenbewachsene Holzfenster fiel und Jasnas feine blonde Haare leuchten ließ.

»Dennoch lieben wir dich.« Quentin sah mich an und presste seine Lippen zusammen. »Außerdem … Hast du nicht vorher noch über das Video gelacht, das er geteilt hat?«

Allein der Gedanke daran schien Quent und Jasna abermals fast in Gelächter ausbrechen zu lassen. Ich funkelte die beiden böse an. »Da wusste ich noch nicht, dass er es war, der es geteilt hat und –« Kurz musste ich mich stoppen, da ich selbst beinahe gelacht hätte, als ich in ihre Gesichter blickte. »Yiannis ist einfach unausstehlich …« Okay, jetzt schnaubte ich selbst belustigt auf und sprang wieder von der Treppe runter. »Ich hasse euch.«

»Die Hass-Liste wird länger. Yiannis, Jasna, ich.« Quentin kam zu mir und nahm meine Hände. »Komm schon, wir wollen dich nur ablenken. Du regst dich jeden Tag mehr und mehr über Yiannis auf.« Er zog mich mit sich hinter die Couch mitten im Raum, wo wir vorhin noch seine dunkelbraunen Haare gekürzt hatten, bevor er für ein paar Tage mit seinem Freund Massimo in eine Lodge am Loch Ness fuhr.

»Wir verstehen dich ja und hören dir gerne zu, das ist auch alles berechtigt, und wir nehmen dich ernst, aber das nimmt echt so viel von deinem Tag ein – das ist nicht mehr gesund. Vor der Arbeit, währenddessen, danach, es dreht sich nur noch darum. Was verständlich ist, aber das ist nicht gut für dich.«

Aus der Richtung, in der unsere Sitzhängematte von der Decke hing und in der es sich Jasna soeben mit ihrer Gitarre bequem gemacht hatte, erklangen sanfte Töne. »Du musst dich auf die Doktorarbeit konzentrieren. Vielleicht wäre ein anderer Job besser?«

»Was anderes finde ich so bald nicht, und ich brauche für die Arbeitssuche nach der Promotion Referenzen, die mit meinem Meteorologiestudium zu tun haben.«

Jasna schlug einen lauteren Ton auf der Gitarre an. »Deshalb müssen wir dich jetzt ein wenig ablenken, und da wir das nicht machen können, indem sich Massimo auszieht –«

»Habe ich da meinen Namen gehört?« Als wären wir in der 2000er-Sitcom von Kinderstar Yiannis, kam Massimo passend zum Klang seines Namens über uns aus Quentins Zimmer. Er stellte sich mit offenem Hemd an das Holzgeländer der Galerie und gab damit den Blick auf seine definierten Bauchmuskeln frei. Seine braunen Haare waren noch etwas nass und klebten ein wenig an seiner Wange auf dem Dreitagebart.

Jasna winkte ab. »Alles gut. Also, da Massimo keine Hilfe ist, tanzen wir jetzt.«

Ich starrte auf Massimos Bauchmuskeln, die ebenso Eiswürfel hätten sein können. Obwohl … ich liebte Eiswürfel. Und Eis. Also richtiges Eis. Wie könnte irgendein Mensch die Kristallstrukturen von Eis mit ihrem wunderschönen Raumnetz nicht mögen, und ihrer Fähigkeit, Wasserstoffbrück–. Okay, Alarm, mein Meteorologie-Hirn schaltete sich mal wieder in meinen Alltag, sodass ich Jasnas Worte erst mit etwas Verzögerung kapierte. Tanzen? »Nein, ich …!« Zu spät. Quentins Arme bewegten sich bereits in Wellen und zogen meine mit.

»Nicht tanzen. Nicht, wenn ich an Yiannis denke.«

»You always think about Yiannis …«, begann Jasna mit ihrer rauen Feenstimme ihren Yianni-Me-, Yianni-You-, Yianni-Ass-Song zu singen. Ernsthaft, wie konnte jemand wie eine mystische Zauberfee klingen und gleichzeitig wie eine Rockerbraut?

»Sorry, da muss ich euch unterbrechen, eigentlich wollte ich Quentin gerade rufen, dass er hochkommt … also, um mich abzufragen und so.« Massimo zwinkerte Quentin zu.

Quentin räusperte sich mehrmals. »Ja, ja, sorry, ja, das …«, er deutete zu seinem Freund hoch, »… ist echt wichtig.«

Massimo zuckte mit den Schultern. »Sorry, Leute, aber später gehen Singen und Tanzen voll klar.« Er ließ sein Hemd von der Schulter rutschen und ging in Quentins Zimmer.

»Hey, warte!« Quentin stolperte die Wendeltreppe hoch.

Sekunden später knallte Quentins Tür hinter ihnen zu.

»Macht Musik an!«, schrie Jasna hoch und stellte ihre Gitarre weg.

Drei. Zwei. Eins.

Kirari von Fuji Kaze dröhnte aus Quents Zimmer.

»Jetzt versauen die mir J-Pop.« Kopfschüttelnd formte ich meine Hände zu Trichtern und legte sie mir über meine Lippen. »Fuji habe ich dir gezeigt, Quent, du Verräter!«

Jasna tätschelte meinen Oberarm und ging durch den steinernen Bogen Richtung Küche. »Ich mache uns Tee. Den brauche ich sowieso, habe später einen Auftritt, den mir so ein Theatertyp vermittelt hat.«

Ich folgte ihr, und schon wenige Minuten später stand auf dem alten gusseisernen Kochzentrum mit dem durchgehenden Herdkranz der pfeifende Teekessel. Jasna nahm das Geschirrtuch von der Halterung neben den Kupferpfannen, während der Wasserdampf die handbemalten alten Kacheln rund um den antiken Holzofen benetzte.

»Cormac, was willst du für –«

»Pfefferminz.«

»Okay, dann gönn ich mir heute auch einen Pfefferminztee.« Jasna nahm zwei Tassen von dem gewundenen Baumstamm, an dem Haken für Tassen angebracht worden waren und der wie eine natürliche, immer da gewesene Säule im Raum stand.

Ich öffnete indessen die Hintertür und holte aus dem Garten ein paar Johannisbeeren, die am alten Cottage die Steinmauern hochwuchsen. Eine lag bereits in meiner Hand, da erwischte mich ein Windstoß. Ich ließ mich von ihm treiben, bis hin zum Steinzaun, wo ich mich anlehnte und die Beere hochwarf.

»Wenn ich sie fange, sage ich Yiannis meine Meinung.« Der Schottlandwind trug mein Flüstern in die Ferne. Meine Zunge fühlte sich kalt an, als ich sie rausstreckte. Doch es half, die Beere zu fangen.

Yesss! (Natürlich würde ich ihm trotzdem nicht die Meinung geigen.)

Sie schmeckte etwas säuerlich, und ich verzog den Mund. Eine Weile blieb ich noch stehen und beäugte die Weite.

Wie schön!

Zumindest bis ich eine Wolke am unendlich erscheinenden Himmel entdeckte, die wie Yiannis’ Gesicht aussah.

Wie schrecklich!

Das Grün um mich beruhigte meine lodernden Gedanken. Wie eine in Öl getränkte brennende Schnur, die jemand gerade noch rechtzeitig löschte, bevor sie irgendwo eine Bombe hochgehen ließ. Ich konnte nirgendwohin mit meiner Wut. Yiannis war vielleicht ein erfolgloser Ex-Kinderstar, aber für G-TV trotzdem eine Bereicherung. Die Einschaltquoten gingen hoch, seit er moderierte. Was nicht zuletzt daran lag, dass er wohl hot war. Also, klar war er das. Ich konnte das schon beurteilen, nur: Als demisexueller Mensch konnte ich einfach keine Anziehung zu Typen spüren, wenn ich nicht auf irgendeine Weise mehr für diese empfand. Das musste jetzt nicht die tiefe, wahre, einzige Liebe sein, aber zumindest eine Schwärmerei, Verliebtheit brauchte ich schon. Nur weil jemand gut aussah, brachte das meinen Körper nicht auf Touren.

Im Hintergrund trug der Wind das Flussrauschen zu mir, und ich beschloss, Yiannis aus meinen Gedanken zu verdrängen.

»Maaac! Tee ist fertig.«

Ich ging zurück zur Hintertür. Warum konnte das nicht einfach mein Leben sein? Hier draußen, etwas außerhalb Glasgows in einem Cottage mit Quent, Jasna und Massimo leben, die Natur genießen, Beeren pflücken, die Füße im Fluss kühlen, mit Massimos Hund Salaì joggen und Meteorologie-Simulator-Games zocken. Nur auf die echt krassen Gewitter hier draußen könnte ich verzichten. Die Welt lachte immer über mich, weil ich Angst vor Gewittern hatte, obwohl ich bald einen Doktortitel in Meteorologie haben würde. Dabei hatte ich in meinem Studium schlichtweg nichts gelernt, was diese Angst hätte schmälern können. Ganz im Gegenteil.

Trotzdem. Hier war alles so friedlich. Es war ein gutes Leben. Auch keine Queer-Hater, die …

»Cormac!« Jasnas Stimme rettete mich, ehe meine Gedanken zu den finsteren Ereignissen im Frühsommer abdriften konnten. »Der Tee wird kalt, und wer ist dann wieder schuld? Ich!«, keifte sie mit einem türkis-weißen Geschirrtuch über der Schulter nach draußen, und ich hätte sie dafür knutschen mögen.

»Komme! Mensch!«

So friedlich war es hier!

»Wir könnten ja später alle zusammen essen gehen?«, rief Jasna, wobei mir ein wenig der Magen verkrampfte. Jasna verdiente mit ihrem Job, für das Cottage zu sorgen, und mit ihren Auftritten als Sängerin Geld, aber bei mir sah es düster aus. Vor ein paar Jahren hatte ich mir von meinem Ex-Freund Magnus blauäugig das Konto leer räumen lassen, weil ich zu verliebt gewesen war, um ihn zu durchschauen. Seitdem war ich aus dem Minus nie so richtig rausgekommen – was ich beim Sender verdiente, reichte gerade so fürs Leben und die Studiengebühren. Zeitweise nicht mal das, weshalb ich zusätzlich auch noch auf einem dicken Schuldenberg saß. Seit ich im Cottage leben durfte, wurde es langsam etwas besser, da ich durch das Stipendium keine Miete mehr zahlte und die Grundversorgung die Uni übernahm, aber … es war noch ein langer Weg. Ganz sicher hatte ich eigentlich kein Geld übrig, um auswärts essen zu gehen.

»Äh, ja, mal schauen«, gab ich zurück.

Bevor ich die Tür erreichte, hielt ich noch mal bei den Johannisbeeren. Ich liebte Pfefferminztee mit Johannisbeeren. Es erinnerte mich an früher … An ganz früher. Bevor meine siebenhundert Brüder gemerkt hatten, dass ich nicht wie sie war, und ich zur Zielscheibe ihrer brüderlichen Scherze geworden war.

»Ahh!« Ich schreckte zusammen und holte mein Handy raus, das You picked me von A Fine Frenzy abspielte.

»Yiannis?« Der wollte mich doch verarschen, oder?

Als ob ich da abheben würde.

»Ja?« Natürlich hatte ich abgehoben.

»Ja?«, äffte er meinen genervten Ton mit seiner tiefen Stimme nach. »Was ist? Angst, wenn ich anrufe, Glenn?«

»Nenn mich bitte Cormac. Und nein, habe ich nicht.«

»Wetten, doch?«

Wetten, ich schreie dir so laut ins Ohr, dass du deinen schlechten Musikgeschmack nicht mehr ausleben kannst?

Ich hatte zwar keine Ahnung, was er für Musik hörte, aber so nervtötende Menschen hatten doch immer schlechten Musikgeschmack, oder? Obwohl … Hatte er nicht letztens mal gepostet, dass –, egal.

»Yiannis, kannst du mir bitte sagen, was du willst, und wir beenden das?«

»Langweiler.«

Abgerutschter, erfolgloser, talentloser, eingebildeter Kinderstar. Zum Glück hatte ich das nur gedacht, anstatt es auszusprechen.

»Ich lege wieder auf.«

»Nein, nein, signómi.« Er wechselte so oft ins Griechische, dass ich wusste, dass es Sorry hieß. Damit konnte er vielleicht unsere Zuschauerschaft um den Finger wickeln, aber nicht mich.

»Was?«

Jasna linste um die Ecke, und ich bedeutete ihr, dass ich telefonierte. So wie sie mich daraufhin ansah, hatte mein Gesichtsausdruck wohl bereits verraten, dass es Yiannis war.

»Ich brauche vielleicht noch mal bei einer kleinen Sache deine Hilfe. Wegen der Senderparty. Ist nur eine Winzigkeit.«

»Schon wieder? Ich habe doch schon so gut wie alles erledigt, was eigentlich deine Aufgabe als Mititit–« Ich holte Luft. »Mitinitiator gewesen wäre. Was denn noch?«

»Äh, na ja … lass uns direkt drüber sprechen. In einer Stunde? Ich schick dir den Standort und bring dir Kaffee mit. Bis dann, bye.«

»Moment. Ich …«

Zu spät. Er hatte aufgelegt.

Dieses verdammte Arschloch.

Kapitel 2

Yiannis

Klasse! Cormac Glenn nahm mir mal wieder Arbeit ab, und ich konnte mich wieder auf mein eigenes Ziel konzentrieren: Mein Audition-Tape! Außerdem war es ja nicht so, als hätte ich gar nichts erledigt, egal was er behauptete. Es fehlten nur noch ein paar Kleinigkeiten, und war’s nicht sowieso sein Job, die zu übernehmen? Na ja, zugegebenermaßen nicht so ganz, aber jemand, der sich mit den anderen im Sender hinter meinem Rücken über mich lustig machte, so wie ich es von Cormac jetzt schon mehrfach mitbekommen hatte, hatte es sowieso nicht besser verdient. Ja, ich konnte nachtragend sein. Nein, ich hatte nicht vor, ihn damit zu konfrontieren, dass ich belauscht hatte, wie er lachte, während die anderen mich imitierten und Witze über mich rissen. Es ihm auf diese Art heimzuzahlen, brachte viel mehr Benefits für mich: Zeit nämlich, um an den wichtigen Dingen zu arbeiten. Pastell-Boy war bestimmt sowieso nur eifersüchtig, weil er als toller Bald-Meteorologe nicht meinen Job machen durfte. Lächerlich. Konnte er meinetwegen geschenkt haben, die scheiß Wettermoderation. Ich brauchte ihn und seinen Neid nicht. Keinen von denen.

Ich stopfte mein Handy in die Hosentasche und ignorierte die Stimme in meinem Hinterkopf, die sagte: Nein, sie sind nicht neidisch. Sie mögen dich nur nicht und lachen über dich, weil du peinlich bist und so schlecht schauspielerst, dass keine Filmcrew dich haben will.

Schluss damit!

Ich ging in meinem Wohnzimmer um die Kamera herum und wischte noch mal mit dem Tuch über die Linse, damit auch sicher nichts verschwommen war. Wären doch nur die Stimmen in meinem Kopf ebenso leicht wegzuwischen.

Wie war das letztens noch gewesen? Dieser eine neue, der Aylin zuarbeitete … Dave hieß er? …, hatte in der Mitarbeiterküche in ziemlich gehässigem Ton rausgehauen, ich wäre einfach nur fürs Scheitern qualifiziert und nur deshalb beim Fernsehen, um wenigstens noch Hausfrauenfanpost abzugreifen. Ich hatte gegenüber bei offenen Türen in der Maske gesessen und alles gehört. Auch, und zwar besonders laut, wie Cormac nichts dagegen gesagt, sondern mitgelästert hatte. Alles nur arrogante Wichser, die glaubten, sie wären was Besseres. Aber bald, bald war ich endlich wieder von da weg.

Wirklich. Dieses Mal würde es klappen. Dieses Mal spürte ich das Kribbeln in meinem Magen. Dieses Gefühl, dass die Rolle wie für mich geschaffen war. Entweder das, oder es war der Knoblauch, den ich heute Mittag in meine Soße gerieben hatte. Keine Ahnung, warum ich nie lernte, dass ich Knoblauch nicht nur nicht vertrug, sondern ihn zwei Tage lang in meinem Körper spürte und ständig aufstieß. Was fatal war. So als Halbgrieche mit einem Vater, der in Thessaloniki Chefkoch war und für den Knoblauch wichtiger war als Salz.

Ich setzte mich auf den Barhocker vor dem Greenscreen, den ich aufgebaut hatte – eine knallgrüne Decke, die ich mit Wäscheklammern an meinem Bücherregal befestigt hatte –, und räusperte mich. Ja, diese Rolle war ich. Sie würde mein Weg zurück in die Filmwelt werden. Meine Agentin hatte alles darangesetzt, dass ich mich hierfür vorstellen durfte. Lange musste ich es mir nicht mehr geben, wie sie alle über mich herzogen, und ich würde ihnen nur noch von Filmplakaten aus zulächeln, während ich endlich tat, wofür ich mein ganzes Leben so fucking hart gearbeitet hatte. Für die roten Teppiche dieser Welt.

Aber erst mal blieb ich vor der grünen Decke.

Unter meinem Daumen ertastete ich den Knopf auf meinem Fernauslöser. Die Taste, die ich schon oft betätigt hatte, in der Hoffnung, die Linse würde etwas einfangen, das mich endlich wieder Erfolg spüren ließ. Scheiße, was diese Linse schon alles aufgenommen hatte, und nichts hatte zu irgendwas geführt. Zumindest zu nichts, was sich mit der Serie, deren Name nicht genannt werden durfte, messen konnte.

Heute würde es anders sein.

Ich schloss die Lider.

Atmete ein und aus.

Erinnerte mich an den Text.

Schlüpfte in die Rolle, die ich in den letzten Wochen kennengelernt hatte. Zu der ich geworden war.

Ich drückte auf den Knopf.

Dann öffnete ich meine Augen.

»Das war’s also?« Nicht blinzeln. Direkt in die Kamera schauen. Nicht weinen. Nicht weinen. Ich durfte nicht weinen. Ich zuckte mit der rechten Schulter und schüttelte kaum merklich den Kopf, ehe ich verbittert auflachte.

Nicht zu viel machen. Nicht übertreiben. Natürlich bleiben. Nicht blinzeln, damit meine Augen von selbst tränen. Einreden, nicht weinen zu dürfen, um weinen zu können.

»Fünfzehn Jahre Beziehung einfach weg, und du sagst nur …« Ich fing seinen Blick ein. Wobei sein Blick die Linse der Kamera war. »Ich glaub, es ist besser, wir lassen es bleiben? Alles, was …« Mit einem flüchtigen Biss auf die Unterlippe unterstrich ich, dass da mehr wäre, was mein Charakter sagen wollte. Ich verstand ihn fast zu gut, mein Ex Nino war ebenfalls nicht wirklich ein Highlight gewesen, und die Art, wie er Schluss gemacht hatte, noch weniger.

Ich schwieg ein paar Sekunden und sah nach unten. Gleich danach tat ich, als ob ich etwas Absurdes gehört hätte. Zog meine Augenbrauen tief Richtung Nasenspitze und blickte wieder in die Linse.

Die Tränen kamen. »Wow. Mit einem Lass uns Freunde bleiben hätte ich 2024 nicht mehr gerechnet. Ach, keine – Es ist … Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir … uns nie wiedersehen. Dass es so endet. Und ich frage mich …« Mein Kinn bebte. Sehr gut. Hatte ich gar nicht geplant.

Jetzt blinzeln!

Die erste Träne rann meine Wange hinab.

»Könntest du mich noch einmal in den Arm nehmen? Keine Angst, ich lasse dich gehen und mach keine Szene oder so. Aber kannst du mich vielleicht …« Ich erhob mich vom Barhocker. »… einmal noch so umarmen wie früher? Ernst gemeint. Damit ich eine Erinnerung habe, eine, die nicht diese hier ist?« Ich breitete meine Arme aus. »Eine Umarmung noch, die ich einfangen und bewusst erleben kann, in der ich mir noch einmal einreden kann, wir wären zusammen. Bitte, gib mir noch eine einzige Gehirnfotoaufnahme von uns als Paar.«

Kurz warten.

Dann lachte ich und wischte mir über die Wange. Mein Charakter und sein Ex hatten über diesen Gehirnfotoaufnahmen-Insider gelacht, als sein Ex bei ihrem ersten Date das Wort für Erinnerung vergessen hatte.

Wieder drückte ich auf den Knopf und beendete die Aufnahme.

»Sehr gut.« Ich zog die Nase hoch und trocknete meine Tränen mit meinem Flanellhemd – der Charakter, den ich gespielt hatte, war ein Holzhacker-Ranger, der mit seinem Ex in den Wäldern Kanadas lebte. Tape Nummer eins war im Kasten. Aber ich hatte noch mehr vorbereitet. In den nächsten Tagen wollte ich noch mindestens drei weitere Tapes aufnehmen. Meine Agentin hatte mir Anfang der Woche geschrieben, es seien »Dinge in Bewegung« und sie wolle bald ein »strategisches Gespräch« mit mir führen. Und ich würde auf alles vorbereitet sein, was auch immer sie für eine Strategie vorschlug. Auch deshalb musste Cormac die Party weitgehend allein schmeißen. Ich musste und ich würde diese Chance nutzen.

Nach und nach baute ich das Setting ab, rollte die Greenscreen-Decke ein und verstaute alles in meinem Holzschrank. Dieser Take saß. Er musste sitzen. Oh bitte, liebes Universum, lass ihn sitzen. Als ich endlich fertig weggeräumt hatte, merkte ich, dass mir etwas schwindelig war. Wann hatte ich mich eigentlich zuletzt ausgeruht? Und getrunken? Dieser Traum vom Schauspieler, dem ich seit Jahrzehnten nachhechelte, machte mich mittlerweile echt krank. Aber ich konnte leider nicht einfach auf mich achten, denn die Filmwelt wartete nicht auf mich. Also durchziehen!

Ich schlenderte über meinen grauen Steinboden im Wohn- und Esszimmer hin zu meinem kleinen Balkon und setzte mich an den gusseisernen Tisch, wo mein Mojito auf mich wartete. Je mehr die Anspannung abflaute, desto stärker bemerkte ich das Rauschen in meinem Kopf. Ein Ton, der nicht gleichmäßig blieb. Er hüpfte zwischen leise, laut, mal mehr, mal weniger klar hin und her. Als drehte jemand an einem alten Radio herum, bis der richtige Sender gefunden war. Im Hintergrund hörte ich eine leise, mir sehr bekannte Stimme. Mein innerer Regisseur. Eine Stimme, die ich mittlerweile, nach all den Jahren mit meinen erfolglosen Versuchen, an meine Kinderstarkarriere anzuknüpfen, im Griff hatte. Meistens. Das erste Mal war sie als Teenager in meinem Kopf aufgetaucht. Jahre hatte ich mit den vergeblichen Versuchen verbracht, neue Rollen zu ergattern, und mit dem schwankenden Hormonspiegel kamen auch meine Unsicherheiten. Es war lange nicht mehr so schlimm wie damals, aber hin und wieder schaffte sie es doch wieder an die Oberfläche: Das ist doch nicht gut gewesen. Damit findest du wieder keinen neuen Job. Die lachen dich aus, wenn die diese traurige Vorstellung sehen.

Ich drückte mit meinem Zeigefinger an meinem Ohr herum, als versuchte ich, Wasser rauszubekommen, bis die Stimme weg war. Etwas trotzig nahm ich mein Glas.

»Cheers, Giagiá! Du hättest mir gesagt, es wäre toll.« Obwohl ich nicht glaubte, dass sie irgendwo war, prostete ich dem Wolkenhimmel über Glasgow zu und hoffte trotzdem, dass meine Oma mich gerade gesehen hatte. Gesehen hatte und stolz auf mich war.

Na ja … ich nahm einen großen Schluck von meinem Mojito und stellte ihn neben mein Weihnachtsbuch von Felix O’Hickey-Novak, das ich mir heute schon für den Dezember gekauft hatte.

Ich seufzte und beobachtete die graue Wolkendecke über Glasgow. Wie lange dauerte es laut diesem Wichtigtuer Cormac noch mal, bis Leute sich nach einem Umzug mit dem Wetter ihrer neuen Region akklimatisiert hatten? Keine Ahnung, aber ich war auf jeden Fall drüber. Und das graue, kalte, regnerische Wetter schlug mir echt auf die Stimmung. Keine Ahnung, wer diese cozy Herbstlesemäuse waren, aber ich brauchte Sonnenschein und dreißig Grad, um zu funktionieren.

Nicht nur das. Während ich hier saß und mein Flanellhemd um mich schlang, spürte ich ihn wieder. Den Anflug von Einsamkeit. Ich musste raus, unter Menschen, aber hier … Ich fand nicht so wirklich den Anschluss. So richtig Anschluss. Nicht die Arbeitsbekanntschaften, sondern echte Leute, bei denen ich mich fallen lassen konnte. Ich beugte mich vor, nahm den Strohhalm zwischen meine Lippen und blubberte im Alkohol vor mich hin.

Ob ich jemals irgendwo ankommen würde?

Ob ich jemals wieder bei meiner Familie sein konnte? Ob ich diesen Abschiedsschmerz, der mich, seit ich sie verlassen hatte, wie ein eingewachsener Holzsplitter im Finger begleitete, jemals loswerden würde?

Ob ich jemals wieder Erfolg haben würde?

Stopp, da vermischten sich meine Sorgen wieder mit den Zweifeln dieses bösen Regisseurs in mir. Ich seufzte in meinen Strohhalm und nahm den Geruch von Minze und Limette wahr. Irgendwie würde das schon klappen. Bestimmt. Ich musste mich nur ein wenig mehr mit Glasgow auseinandersetzen. Es war ja auch nicht so schlecht als Lebensort, obwohl ich nie vorgehabt hatte, hier hängen zu bleiben, nachdem ich hier eine Social-Media-Kampagne für ein Parfüm geshootet und dabei Nino kennengelernt hatte. Nino, der mir zu meinem Moderationsjob verholfen hatte. Zu meiner ersten längeren Beziehung seit Jahren. Und zu einem riesigen Haufen neuer Komplexe und Selbstverachtung für meine eigenen Arschloch-Moves. Das konnte ich nämlich auch. Nicht zu leugnen, leider.

Mein Handy vibrierte. Eine Nachricht. Von Cormac Glenn. Er war auf dem Weg zu unserem Treffpunkt.

Na schön. Dann also Kaffee mit einem anderen miesen Typen. Hoffentlich würde mich das Ganze wenigstens anspornen, mich mit den Tapes noch mehr ins Zeug zu legen.

 

Auf dem Weg in die Innenstadt verschüttete ich den Coffee-to-go, den ich für Cormac und mich besorgt hatte, nach nur zwei Straßenecken. Ganz toll gemacht. Wahrscheinlich konnte ich froh sein, dass ich nur über meine eigenen Füße gestolpert war und niemanden filmreif in heißer Koffeinbrühe ertränkt hatte. So was passierte mir leider wirklich oft. Die vielen Eindrücke der Stadt, die Geräusche, die Gespräche der Menschen, die Gerüche in der U-Bahn überwältigten mich immer wieder. Das war als Kind schon schlimm gewesen – mit all den Auftritten und dem Blitzlichtgewitter. Irgendwann hatte ich es gelernt, besser damit umzugehen, aber in solchen Phasen wie jetzt, in denen ich mich wie der größte Versager der Welt fühlte, wurde es schlimmer. Ich blieb stehen und genoss das Sonnenlicht, bevor es sich wieder verzog. Halleluja – etwas Wärme und Helligkeit. Ein wenig schwindelig von den Eindrücken ging ich vorbei an einer Hauswand, die mit Graffitis bemalt war. Es erinnerte an die Commonwealth-Spiele von 2014. Zwei Frauen mitten im Spiel. Darunter der Hashtag #2014netball. Ich hielt an, lehnte mich gegen die rote Backsteinhauswand und atmete tief ein und aus. Gegenüber von mir saßen ein paar Leute an kleinen Tischen vor dem Café Forza Firenze Uno, aber was ich vor allem wahrnahm, war das Wirrwarr der tausend Stimmen. Der drückende Geruch der Abgase. Das Geräusch, mit dem neben mir jemand viel zu laut ein belegtes Baguette auswickelte und hineinbiss.

Ich wusste genau, was das bedeutete. Sie wurden wieder schlimmer. Die Versagensängste. Damals, nachdem meine alte Serie abgesetzt worden war, hatte ich kindlich selbstbewusst in einem Interview getönt, ich würde es allen beweisen. Ich würde auch als Erwachsener noch berühmt sein. Tja, Jahre später hatten mir weder der Managementwechsel noch die Schauspielschule oder die Nebenrollen etwas gebracht. Ich war so peinlich. Seufzend sah ich auf mein Handy.

Fantastisch. Nun würde ich nicht nur zu spät, sondern auch ohne Kaffee bei meinem Termin aufkreuzen.

»Verpiss dich«, zischte ich die widerspenstige Haarsträhne an, die in meine Stirn gefallen war. Ich strich sie zurück und folgte dem Straßenverlauf zu meinem Lieblingspub The Orkney Eye.

Hey, wir treffen uns doch drinnen.

Nachdem ich die Nachricht abgeschickt hatte, beschleunigte ich meine Schritte.

 

Das Pub an der Straßenecke war mit Holz verkleidet. Holzelemente schmückten die Fassade, wie zum Beispiel ein Schiff auf Wellen und Äste über dem Eingang. Mosaikfenster mit dunklen Farben lockerten das wuchtige Holz auf, und als ich die Flügeltür öffnete, sah ich die Theke.

Drinnen zog sich das dunkle Holzthema weiter. Ein paar Leute saßen drinnen, vor jedem ein großes Glas Bier. Es dauerte nicht lange, bis ich erkannte, was nicht reinpasste. Was wie ein Fehler in einem Wimmelbild wirkte. »Glenn.«

Wütende pastellrosa Haare drehten sich zu mir. Ja, wenn pastellrosa Haare wütend sein konnten, dann diese. »Nenn mich nicht immer beim Nachnamen.«

»Stell dich nicht so an, zu mir sagen die Leute doch auch Vasilopoulos.« Ich setzte mich ihm gegenüber an den Tisch vor dem Mosaikfenster. Es zeigte einen alten Gelehrten, der mit seiner Feder in ein dickes Buch schrieb, und über ihm hing eine alte Landkarte.

»Niemand nennt dich so, Yiannis.« Cormac fuhr sich durch die Haare, und ich erkannte schwarzen Nagellack an seinen Fingern. »Wolltest du nicht im Park reden und Kaffee mitbringen?«

»Ähm, ja, der Kaffee. Ich bin gegen ein Schild gelaufen und habe alles ausgeschüttet.«

Cormac sah mir das erste Mal in die Augen. »Sag doch, du hast ihn vergessen oder wolltest mir keinen ausgeben.« Wunderte mich nicht, dass dieser hochnäsige Doktorand mir nicht glaubte.

»Ich … Das …« Genervt lehnte ich mich zurück und lauschte ein, zwei Sekunden der schweren, tiefen Klaviermusik im schummrigen Licht – der Grund, warum ich es hier so mochte. Es überforderte mich nicht, und die Geräusche beschränkten sich auf die Klaviermusik und waren vorhersehbar. »Das ist keine Lüge.«

»Du hast nirgends Flecken.«

»Keine Ahnung. Physik? Die sind eben nach vorne gekippt und ich etwas zurückgehüpft. Das Schild hat mich abgeschirmt. Was weiß ich. Ich –«

»Na, ihr beiden?« Die Bedienung musterte Cormac, und ich erkannte, wie die Augen etwas zu lange an seinen Haaren und Nägeln verweilten. »Was darf ich euch bringen?«

»Three hop Lager von Caledonian.«

Cormac schien etwas verloren. »Das, genau das wollte ich auch sagen. Zweimal.« Er lächelte sie an und wartete, bis sie weggegangen war.

»Ach? Dasselbe?«

»Jaja, lass stecken, Vasilopoulos.«

Ich schmunzelte.

»Also? Welche der Aufgaben, die ich dir zu tun übrig gelassen habe, soll ich dir jetzt auch noch abnehmen?« Cormac holte sein Handy hervor und öffnete eine Notiz-App.

»Abnehmen? Ich habe eigentlich gedacht, du übernimmst das alles sowieso.« Ich trommelte mit meinen Fingern gegen den unebenen Tisch.

»Ich mach doch ohnehin schon das meiste! Also, was ist es?«

»Okay …« Ich beugte mich zu ihm vor. »Sorry. Ich habe einfach schrecklich viel zu tun. Und die Moderationen –«

»Die ich dir auch meistens schreibe, nachdem ich mit dem Team in London die meteorologischen Daten geklärt habe.« Cormac kam mir immer näher und beugte sich über den Tisch.

»Es tut mir leid, okay? Es gibt Dinge, die ich nicht absagen kann und die wichtiger sind, sorry.«

Cormac wirkte verstimmt, aber es war ja klar, dass er das nicht verstehen würde. Mein Traum zog mich mehr und mehr runter, es musste endlich klappen. Sonst … Keine Ahnung, meine Psyche machte diese Absagen nicht mehr mit.

»Welche Dinge denn? Eine Filmrolle? Habe dich ewig in keiner mehr gesehen.« Dieser Seitenhieb saß.

»Witzig, das wird sich noch ändern, und dann werdet ihr schon sehen, wo ihr bleibt, wenn die Quote sinkt.«

»Als ob! Wie kann man nur so sein?« Er winkte ab. »Egal.«

Wie ich so sein konnte? Vielleicht wegen der Videos, in denen Leute sich wegen meiner Erfolglosigkeit über mich lustig machten und die Cormac gerne repostete? Wegen ähnlicher Kommentare unter jedem Bild, das ich online postete? Cormac nervte mich mit seiner Art, wie er auf mich herabsah. Er unterschied sich da in keiner Weise von allen anderen im Sender und in der Filmbranche. Auch jetzt, wie er mich ansah, als wechselte er einen vielsagenden Blick mit meinem inneren Regisseur, der mich schon wieder fertigmachte. Seit ich beim Sender begonnen hatte, hörte ich ständig, wie er mit den anderen über mich lästerte. Die gönnten mir den Job nicht, ich war für sie nicht professionell genug, und sie stellten es dar, als hätte ich persönlich dafür gesorgt, dass der frühere Moderator für mich hatte Platz machen müssen. Was konnte ich dafür? Nino hatte mir den Job besorgt, als wir noch zusammen gewesen waren, ja okay. Sein Dad war der Chef beim Sender. Geschenkt. Aber hätten sie nicht sowieso frischen Wind reinbringen wollen, und wäre mein Vorgänger nicht alt und angestaubt und scharf auf die Abfindung gewesen, hätte es diese Möglichkeit gar nicht gegeben. Und ich brauchte nun mal einfach kein beschissenes Meteorologiestudium, um Wettervorhersagen vom Teleprompter abzulesen, solange es Leute gab, die diese Texte schreiben konnten. Ich musste sie nur präsentieren, und darin war ich verdammt gut. Basta. Dass die Leute extra fürs Wetter einschalteten, das musste man erst mal hinkriegen, oder?

»Ich kann nichts dafür, dass ihr eifersüchtig auf mein Ansehen beim Sender seid.« Keine Ahnung, warum ich das sagte, vermutlich weil mich seine Reposts doch verletzten. »Also … Dann machen wir’s so.« Was redete ich da? »Es fehlen Catering und Musik. Wie soll ich das machen?«

»Google?« Cormac ließ sich zurückfallen. »Zugeben, dass du für die Aufgabe nicht geeignet bist? Freundlicher sein?«

»Ich bin freundlich, Zuckerwattekopf«, sagte ich ziemlich unfreundlich. Ich wusste ja ohnehin, was er von mir hielt.

Cormac nickte.

»Hier, bitte schön, euer Bier. Wenn ihr noch etwas braucht, meldet euch.« Die Bedienung stellte die beiden Krüge ab und ließ uns wieder alleine.

»Ich verschaffe dir dafür eine DVD-Box meiner Serie The –«

»Danke, kein Bedarf. Hast du so Panik davor, eine Band und ein Cateringunternehmen auszuwählen?«

»Ich will es nicht versauen. Also, was kann ich für dich machen, damit du mir hilfst?« Ich deutete auf sein Gesicht. »Du hast da übrigens Bierschaum.«

»Oh, äh, …« Er fummelte an dem Serviettenhalter – einem von den bösen, bei dem sofort alle Servietten mitgingen, wenn an einer gezogen wurde – und wischte sich mit drei davon den Mund ab. »Keine Ahnung.«

»Besser wäre, du leckst den Bierschaum von dem guten teuren Bier ab.«

»T-Teuer? Also wie teuer ist das Bier denn? Ähm … Ja, egal.« Cormac steckte die Serviette in seine ausgewaschene oversized Jeans. »Okay, ich hab ’nen Vorschlag. Du bezahlst dieses Bier, und ich, ähhh …« Er warf einen Blick in die Karte. »Suche mir noch ein Essen aus, und dafür erledige ich deinen Mist, damit wir das abhaken können.« Er streckte die Hand zu mir aus.

Sonst noch etwas? So richtig passte mir das nicht, aber wenigstens war ich die Arbeit los. Ich nahm sie in meine. »Abgemacht.«

Kapitel 3

Cormac

Was gibt’s, Szy?« Ich sah auf den Computerbildschirm im Anhänger mit den Geräten zur meteorologischen Datenerfassung, den der große meteorologische Dienst des Vereinigten Königreichs der Niederlassung in Glasgow zur Verfügung gestellt hatte, und runzelte die Stirn. »Keine Freigabe? Wieso das denn?«

Auch Studierende durften die Messgeräte hin und wieder für ihre Forschungsarbeiten verwenden. Ich zum Beispiel hatte einige der Messungen für meine Dissertation von diesem Anhänger aus gemacht – und so Szymon und Priyanka kennengelernt, die für den Hauptsitz des meteorologischen Dienstes in London arbeiteten, deren Hauptjob aber darin bestand, durchs Land zu reisen, die Geräte in den verschiedenen Messstationen zu warten und Testmessungen durchzuführen oder Vergleichswerte aufzuzeichnen. Also definitiv kein Job für mich. Aber ich freute mich immer, wenn sie mal wieder in Glasgow waren und ich unter ihrer Aufsicht ein paar Messungen durchführen durfte. So wie heute in dem weißen Container im Park Circus – einer kreisrunden Straße, in die nur eine Abzweigung rein- und rausführte und um die eine Reihe identisch aussehender Häuser gebaut worden war. Eines davon war das Metty Glasgow-Office, das uns an diesem Tag beauftragt hatte, einen Routinetestflug mit dem Upper-Air-Atmospheric-Sounding zu machen. Das war ein Latexballon, der ein Messgerät für verschiedene Wetterparameter in die Luft trug. Allerdings brauchten wir dafür vom Metty London ebenfalls eine Freigabebestätigung, und daran schien es heute zu scheitern. Wahrscheinlich, weil irgendwem im Bürokratieapparat irgendwas durchgerutscht war. Das kam leider immer mal wieder vor.

»Was ist denn?«, fragte Priyanka von draußen. Sie hockte auf den Stufen zum Anhänger und verdrückte die Reste meines Lieblingssandwichs vom SaylorVegan-Laden.

Szy zog eine entschuldigende Grimasse, und ich überflog rasch den Rest der Mail, die uns das Metty Glasgow gerade geschickt hatte.

»Das Metty Hauptquartier hat vergessen, zu gucken, ob wir den Ballon hier steigen lassen dürfen, jetzt sollen wir das außerhalb der Stadt machen.« Ich seufzte genervt. Geduld war wahrlich nicht meine Stärke. Neben dem Laptop blinkte auf dem Monitor ein Punkt auf einem abgebildeten Kompass, und daneben ruhten die Wellen auf dem Nullpunkt, von dem aus die rote Linie die Temperatur aufzeichnen würde.

»Mee, boba?« Priyanka schluckte den letzten Bissen runter und wiederholte sich. Eigentlich war das Sandwich viel zu teuer, um es zu teilen. Ich wusste aber, dass Priya einfach zwanzig Stunden ohne Essen durcharbeitete, weil sie es schlicht vergaß, wenn wir sie nicht regelrecht fütterten, deshalb hatte ich nach ihrem Magenknurren nicht anders gekonnt, als ihr die zweite Hälfte anzubieten. Ich hatte sie einfach zu gern.

»Nee, oder?«, nörgelte sie jetzt. »Deren Ernst? Ich dachte, die kümmern sich darum.« Priya war sichtlich genervt, dabei hatten Szy und sie mir erklärt, dass sie als Meteorologie-Menschen sehr viel warten mussten.

Ich hörte ein Klopfen und drehte mich wieder zu Szy, der mit seinem langen Zeigefingernagel gegen den Bildschirm tippte. Oh, da war noch eine Info in der Mail.

»Sie haben uns aber mögliche Standorte geschickt, bei denen wir nicht den Flugverkehr oder so stören«, gab ich an Priya weiter.

»Okay, und nur die Koordinaten oder auch richtige Standorte?«

»Richtige«, sagte ich langsam, da ich noch die Liste inspizierte. »Und einen Ort davon kenne ich sehr gut.«

Mit einem Nicken bedeutete ich Szy, runterzuscrollen. Das war’s an Infos. »Kannst du antworten, dass wir …« Ich zeigte mit meinem Finger auf den dritten Standort. »Den Ballon dort steigen lassen werden?«

Szy bewegte nur still seinen Kopf auf und ab. Er sprach generell nicht so oft, also war das für ihn nicht ungewöhnlich.

»Hey, was machst du denn hier?« Mit wem redete Priya?

»Ich soll euch ein bisschen über die Schulter gucken, damit ich mehr Verständnis für das Wetter bekomme.«

Shit. Ich kannte diese Stimme. Zu gut.

Meine Augen suchten nach einem Versteck. Das es in dem Anhänger voller Geräte natürlich nicht gab. Also erstarrte ich zur Salzsäule und hoffte, einfach unsichtbar zu sein.

»Ah, okay.« Priya machte etwas Platz, und ein Kopf, in dessen Stirn eine hellbraune Strähne hing, kam zum Vorschein.

»Na? Noch Platz für einen heißen Griechen?« Yiannis grinste Szy und mich an.

»Muss das sein?«

»Ich wüsste auch Besseres mit meiner Zeit anzufangen. Aber nun ist es so. Nolan meint, wenn ich mal interviewt werde und die mich Details übers Wetter fragen, sollte ich ein bisschen mehr wissen.«

Tolle Idee vom Senderchef. Nicht.

»Wir fahren aber gleich noch … Wo fahren wir hin?« Priya deutete mit dem Sandwich auf mich.

»Zu mir nach Hause.«

»Zu dir?« Plötzlich verschwand das Lächeln aus Yiannis’ Gesicht.

 

»Was ist eigentlich dein Thema für die Doktorarbeit, an der du schreibst?«, fragte Yiannis, als wir auf dem Weg waren. Zumindest hatte er uns die leidige Diskussion darüber abgenommen, wer das Auto fuhr, an dem der Anhänger hing. Das tat nämlich er. Denn Szymon hatte keinen Führerschein, Priya war müde, da sie die ganze Nacht gearbeitet hatte, und ich hatte keine Lust. Außerdem hatte ich da so eine Vorahnung, dass Yiannis meinen Fahrstil bewerten würde, also überließ ich das Fahren gerne ihm.

»Beobachtung und Erfassung des Verlaufs von Gewittern und ihrer Ausflussgrenzen mithilfe von VHF – Very High Frequency, einer Detektionstechnologie – zur Aufzeichnung von Informationen über Blitzentladungen über der Glen-Coe-Region in Schottland Frühling 2023 bis Frühling 2024.« Sprudelte es aus meinem Mund, während ich im Rückspiegel Szy und Priya sah, die beide mit Kopfhörern in den Ohren schneller eingeschlafen waren, als ich Gewitterwolke hätte sagen können. Aber die beiden arbeiteten auch unglaublich viel, also wunderte mich das nicht.

»Das klingt … nach etwas, das ein Meteorologe sagen und tun würde.« Yiannis grinste, und sein perfektes Lächeln erkannte ich sogar aus dem Augenwinkel. Er wirkte echt wie ein Typ, der eigentlich in Hollywood sein müsste. »Aber auch etwas trocken und langweilig, oder?«

»Mit einem spannenden Familien-Sitcom-Skript aus den 2000ern kann es natürlich nicht mithalten.« Sofort nachdem ich das gesagt hatte, spürte ich seinen bösen Seitenblick.

Dieser selbstgefällige Arsch. Jemals was davon gehört, dass Menschen unterschiedliche Interessen hatten? Nein, oder?

Da fiel mir auch ein, dass er nicht mal Angus’ Abschiedsparty besucht hatte. Wetten, er kannte nicht mal den Namen des Vorgängers, der für ihn den Platz hatte räumen müssen? Ich hasste es einfach, wie er jeden Tag in das Sendergebäude stolziert kam, niemanden grüßte, mit niemandem sprach, als wären wir alle seines Möchtegern-Fames nicht würdig. Dabei sahen wir ihm alle an, dass er den Job hasste und nur auf die nächste Filmrolle wartete, um abzuhauen. Wertschätzung für die Arbeit anderer – was war das noch mal? Bei seiner allerersten Sendersitzung hatte er schon auf diese ätzend provokante Art gefragt, warum es unsere Arbeitsplätze eigentlich noch gäbe, die Leute könnten doch mittlerweile im Internet alles nachlesen.

Ich hatte keine Lust mehr, mich mit Yiannis zu unterhalten. Es reichte ja schon, dass ich neben ihm saß, also guckte ich aus dem Beifahrerfenster und hoffte, er würde nicht weitersprechen. Glasgow zog an mir vorbei. Bald würde ich mich entscheiden müssen, wie und wo ich beruflich weitermachen wollte. Wollte ich in der Forschung bleiben, müsste ich mir eine größere Meteorologie-Hochburg suchen. Die Meteorologie-Leute aus London hatten in den letzten Jahren zwar öfter Gelder in hier ansässige Institute investiert, sodass ich im Molema Building – das zur University of Glasgow gehörte – oder bei G-TV prima meinen Meteorologieforschungen nachgehen konnte, aber trotzdem merkte ich schon jetzt, dass ich in Glasgow an meine Grenzen stieß. Spätestens, seit ich zwei Semester an der Columbia verbracht und gesehen hatte, was mit der richtigen Crew alles möglich war.

Eigentlich liebte ich Glasgow zu sehr, um dauerhaft von hier weggehen zu wollen. Doch wenn das mit dem Erbe von Professor Segreto tatsächlich klappte … hätte ich zumindest die Option, diesbezüglich eine freie Entscheidung zu treffen. Das Erbe … Trotz all der Presse, die sich seit der Verkündung unserer Auswahl fürs Stipendium für unsere Geschichte interessierte, konnte ich noch immer nicht glauben, dass Professor Segreto Quentin und mir 300000 Pfund vermachen wollte – sofern wir unsere Dissertationen innerhalb der Frist bis September fertig schrieben und einreichten. Es klang wie ein Märchen. Wenn wir das beide echt durchzogen, würden Quentin und ich einfach jeweils 150000 Pfund bekommen, was wirklich alles so viel einfacher machen würde.

Wir bogen um die nächste Ecke und fuhren geradewegs in ein Schlagloch, das mich aus meinen Gedanken riss. Langsam nahm ich meine Umgebung wieder wahr, die Brücke, die wir querten, und die Sonne, die im Wasser des Clyde glänzte. Aber die Wärme nahm schon langsam ab, und je weiter wir kamen, desto mehr zog das Grau ein. Wie ich diesen Fluss liebte. Doch selbst der Fluss erinnerte mich an Segreto. Er hatte bei unseren Treffen so oft Fakten über den Clyde rausgehauen – so als Geschichtsprofessor.

Eigentlich hatten wir uns nur dank meiner Brüder kennengelernt. In meinem zweiten Jahr an der Uni hatte ich am Tag der offenen Tür die Aufgabe bekommen, die Flyer für das Meteorologieinstitut zu verteilen. Meine Brüder waren extra gekommen, nachdem ich beim Familienessen davon berichtet hatte. Und hatten sich über alles lustig gemacht. Vor allem über mich. Bis ich mich irgendwo heulend alleine hingehockt und Segreto mich gefunden hatte.

Ich musste lachen bei dem Gedanken, wie ich da im Regen ausgesehen haben musste. Danach hatte mich Segreto zu einer Tasse Tee zu sich ins Büro eingeladen und sich geduldig meine Hasstirade über meine Brüder angehört. Seitdem hatte er sich einmal im Semester nach mir erkundigt. Wäre das nicht gewesen, hätte er mich wohl nie fürs Erbe vorgesehen. Oder?

Während wir weiterfuhren, wechselte im Radio der Song zu Be More von Stephen Sanchez und holte mich erneut aus meinen Gedanken. Ich liebte dieses Lied.

»Niedlich, wie du die Stadt anhimmelst.« Toll, lange ließ mich Yiannis den Song ja nicht genießen.

»Ich himmle Glasgow nicht an, Yiannis.«

»Und wie du das machst. Normal guckst du immer so.« Yiannis’ Mimik veränderte sich, als setzte er eine Maske auf. Seine Augen waren nur noch halb offen, der Mund zu einer geraden Linie verzogen.

»Vielleicht, weil jemand wie du auf meine Laune schlägt?«

»Ja, das stimmt.«

War das jetzt ein Seitenhieb gegen mich? Oder gegen ihn selbst? Er war doch der, der ständig zu spät kam, sich alles erlaubte, sich für etwas Besseres hielt und, und, und. Wie konnte er jetzt so tun, als würde ihn meine Anwesenheit runterziehen? Ich war ein pastellrosa Sonnenschein. Verdammt noch mal!

»Da den Weg rauf?«, fragte Yiannis.

»Jap. Bis zum Ende, und dann steigen wir aus.« Jede Silbe sprach ich gequälter aus, bis ich bei dem aus klang, als würde ich nur noch krächzen.

»Was ist los?« Er blinzelte in meine Richtung, während ich mit geweiteten Augen zur vor uns aufziehenden Wolkenfront starrte. Ich spürte regelrecht, wie mein Gesicht fahler wurde.

»Da ziehen Wolken auf, und?«

Tja, da kannte Yiannis mich aber schlecht.

 

Ein paar Minuten später hatten wir in der Nähe des Obsidian Hill Cottages geparkt, alles vorbereitet und uns einen geeigneten Platz gesucht, um den Ballon steigen zu lassen. An einer langen Schnur hing unser Gewicht, das die Daten sammelte, gerade mal so groß wie eine Grapefruit. Szy wickelte es sich einmal noch um das Handgelenk, damit es ihm nicht wegflog. Danach deutete er nach oben und sah mich an.

Gut, dass zumindest die beiden wussten, dass mir die dunkelgrauen Wolken Angst machten.

»Können wir uns beeilen, bevor noch ein Gewitter kommt?«, fragte ich.

»Könnt ihr dann nicht messen?« Yiannis stellte sich neben mich und begutachtete den Ballon.

»Doch, aber – Ach, vergiss es, machen wir lieber das Experiment weiter.« Ich winkte ab und ging zu Priya und Szy. Was gingen ihn meine Ängste an?

»Kannst du mir die Ergebnisse eigentlich nicht – hey, warte!« Yiannis lief mir hinterher. »Kannst du mir die nicht als Sprachnachricht schicken oder so? Ich weiß nicht. Auf der Wiese rumstehen und Ballons beobachten ist noch nie so meins gewesen.«

»Was wäre dann deins? In einem Café draußen sitzen und hoffen, dass dich Leute erkennen und ein Selfie mit dir machen wollen?« Vorsichtig vergewisserte ich mich bei Szy, dass die Schnur hielt und das Gerät an war, und zeigte ihm dann meinen hochgestreckten Daumen.

»Zum Beispiel, ja.«

Priya schnitt mit ihrer Hand die Luft zwischen uns durch, als sauste eine Guillotine herab. »Schluss, ihr beiden, wir müssen hier arbeiten.«

»Du hast ja recht, sorry«, murmelte ich. »Na dann, los.«

»Alsooo, rauf mit dem Ballon, und lassen wir die Meteorologie etwas meteorologieren!« Doch Priyas Jubeln ging in einem lauten Grummeln über uns in den Wolken unter. Dicht gefolgt vom ersten Donnern.

Ein leises »Ah«, entfuhr mir, und ich zwickte die Augen kurz zusammen, ehe ich mich fing.

»Hast du Angst vor Gewitter? Als Meteorologe?«

»Lass das Thema, ja?« Ich wollte weitermachen, doch spätestens als ich den ersten Blitz erkannte, wusste ich, dass es für mich an dieser Stelle vorbei war. Panisch zuckte ich zusammen und griff nach Yiannis’ Unterarm. Ich wollte sofort wieder loslassen, echt, aber ich fühlte, wie mich die Angst einholte und einfrieren ließ.

»Hey, ich glaube, Cormac braucht eine Pause.« Yiannis’ Worte brauchten einen Moment, bis sie zu mir durchdrangen.

Seltsam, ich hörte keine Belustigung in seiner Stimme, oder entging mir das nur vor lauter Angst?

Kapitel 4

Yiannis

Wir hatten das Experiment abgebrochen und waren in das Cottage von Glenn, äh Cormac und seinen Leuten verschwunden. Was auch mir ganz gelegen kam. Allerdings bedeutete das viele fremde Menschen auf einmal und somit auch viele Reize auf einmal. Daher war ich froh, dass Priya und Szy unten bei Jasna und Quentin geblieben waren, während Cormac mich mit nach oben in sein Zimmer genommen hatte.

Da wir wegen des Gewitters den Dingsbumsballon nicht steigen lassen konnten, war es Cormac nämlich wichtig gewesen, mir zumindest noch etwas Theorie beizubringen – falls jemand vom Sender nachhakte. Da ich auf einem Haufen Plüschwolken auf Cormacs Zimmerboden saß – manche davon waren graue, grimmige Gewitterwolken, manche rosa und happy, aber auch ein paar vor Glück strahlende Gewitterwolken, die auf einem Blitz Flöte spielten, waren dabei –, befand ich mich in der richtigen Umgebung für Wetterstuff.

»Also, wenn jetzt zum Beispiel ein Hitzehoch angekündigt wird, dann …«

»… ist das nicht, weil plötzlich die Sonne megaheftig stärker scheint, sondern heiße Winde aus dem Süden zu uns raufziehen.« Wer wusste denn bitte so was? Niemand konnte mir sagen, dass wir nicht kollektiv alle dachten, dass einfach die Sonne entschied, heute einfach stärker zu scheinen. Oder? Oder!?

»Exaaaakt. Schön, dass du mir auch zuhörst, wenn ich mich schon überwinde und mich nicht mit Kopfhörern vor der Welt abschotte, wie ich es sonst mache, wenn Gewitter aufzieht. Die nehme ich nämlich eigentlich nicht mal für eingehende Anrufe ab, um den Donner nicht doch zufälligerweise zu hören.« Cormac warf mir eine Gewitterwolke zu, die ich fing und den anderen Wolken stolz präsentierte.

»Okay, gut zu wissen. Uuuund warum stimmen die Wettervorhersagen in den Apps nie?«

»Weil wir Meteorologie-Leute uns einfach einen Spaß mit der Menschheit erlauben wollen.« Cormacs Augen weiteten sich, und er nahm eines seiner Gewitterkissen und legte es fast schon etwas zu beiläufig auf einen Stapel auf seinem Schreibtisch.

»Wusste ich es doch«, lachte ich auf, und Cormac tat es mir gleich. Wenn er lachte, lachte er wie eine der pastellrosa Happy-Wolken neben mir. »Dann hat das ja doch noch etwas gebracht.«

»Was meinst du?«

»Na ja, du hast gelacht, und mir wurde bestätigt, dass ihr Meteorologie-Menschen nur schadenfrohe Wichtigtuer seid«, sagte ich und grinste breit. Ich spürte jedoch, wie mein Grinsen nach und nach verschwand, als mein Kopf mir sagte: Was und wie redest du da? Sprich männlicher. Du klingst wie ein Clown. Und wie lächelst du bitte? Sieht peinlich aus. Grins nicht zu breit.

»Das sagt der schadenfrohste Wichtigtuer der Welt?« Cormacs Stimme vertrieb die in meinem Kopf, und ich sah ihn fragend an. Dann zeigte ich mit dem Finger auf mich.

»Ja-ha! Du!«, stimmte Cormac meiner Bewegung zu.

»Das ist …« Ich schnappte mir eine Gewitterwolke und warf sie auf ihn. »… unverschämt, Cormac!«

Er fing es auf. »Nicht mehr Glenn?«

»Nee, ich bleibe jetzt bei Cormac. Voll der hotte Name übrigens. Damit könntest du ein guter Schauspieler werden.« Meine Fantasie ging mal wieder mit mir durch. Was dazu führte, dass ich aufsprang, mir seine Wasserflasche krallte und sie wie ein Mikro vor mich hielt. »Ich meine, stell dir vor!« Ein Räuspern, um mich in die richtige Stimmung zu bringen. »Ladys und Gentlemen, ich, Yiannis Vasilopoulos, der erfolgreichste Schauspieler der Welt, darf heute den Preis des besten Newcomers vergeben. Die Nominierten haben alle eine wundervolle Arbeit geleistet.«

Cormac lehnte sich zurück. Dabei registrierte ich natürlich sein Grinsen. Passend zu meinem Auftritt ging sogar Jasna draußen vorbei und trällerte vor sich hin, als kündigte sie mit einem kleinen Song die Nominierungen meiner Vorstellung an. Was echt gut klang. Als Cormac vorhin gesagt hatte, dass sie heute noch einen Auftritt hätte, hätte ich nicht gedacht, dass sie so gut klingen würde. Während sie singend die klapprige Wendeltreppe hinunterging, sprach ich weiter.

»Doch es kann nur eine Person geben, die heute abräumt. Nur einer der Nominierten kann den Preis …«, ich griff nach einem weißen Wolkenkissen, an dem eine lachende Sonne hing, »… mit nach Hause nehmen. Und der Preis geht an …« Ich blickte um mich, holte ein Blatt Papier von Cormacs Schreibtisch und tat so, als wäre das mein Briefumschlag, in dem der Gewinner stand. »Cormac Glenn. Für seine Rolle als nerdy Meteorologe in Glasgow Thunderstorms wurde er von –« Ich erstarrte, als ich den Zettel öffnete und automatisch den Text überflog.

»Da enden deine Improvisationskünste, oder wie?« Cormacs Worte drangen dumpf zu mir.

Diese Zeilen zu lesen, ließ meinen Magen sich zusammenziehen. Nicht wegen der Worte, die dort geschrieben standen. Also doch, auch. Aber vor allem deshalb, weil ich in seine Privatsphäre eindrang. Ungewollt. Ich drehte den Zettel um. »Sorry. Ich wollte nicht, ich … Ist das von diesen Typen? Denen, die euch aufgelauert haben? Ich hab das damals bei den Nachrichten im G-TV mitbekommen. Die haben Quentin und dich im Park … also, weil sie euch das Erbe nicht gegönnt haben, oder? So queerfeindliche Arschlöcher, die gedacht haben, das ist alles eine Verschwörung der Uni, dass Quentin und du als zwei queere Kerle das Erbe von dem Professor bekommen sollt. Dass das alles ja nur eine Art Toleranzmasche wäre. Ziemlich abgefuckt.« Ich konnte es damals gar nicht fassen, als wir im G-TV darüber berichteten, dass sich echt Leute in Glasgow zusammengetan hatten, um Quentin und Cormac zunächst online zu beschimpfen und dann sogar in echt aufzulauern. Nur, weil ihnen nicht passte, dass zwei queere Studierende der Uni die Chance auf dieses Erbe hatten. Ich würde nie verstehen, was in solchen Köpfen vor sich ging.

»Mhm.«

Cormacs heitere Miene wieder verfallen zu sehen, tat mir leid. Er zog sich an seiner Hängematte hoch und riss mir den Zettel aus der Hand. »Egal, ich mache da Therapie für, schon gut … Die Leute – es sind ja Menschen aus allen möglichen Gesellschaftsbereichen gewesen, auch außerhalb der Uni – wollten sich einfach wieder über queere Menschen aufregen und haben das als Aufhänger genommen. Arschlöcher eben. Ist schon gut.«

»Das muss dir nicht peinlich sein.« Ich blieb stehen. Cormac schien kein Mensch zu sein, der einfach so Nähe wollte. »Durch die Medien haben viele in dem griechischen Heimatdorf meines Dads erfahren, dass ich auf Typen stehe. Da konnte ich mir auch einiges anhören und –«

»Schon gut.« Cormac lachte auf, zerknüllte das Papier und warf es in seinen Mülleimer – einen Mülleimer, der aussah wie ein Blitz. »Ist nicht so ernst. Schon gut. Du musst mir nicht zeigen, dass du mich verstehst. Wirklich, schon gut.«

»Also ich glaube, so oft, wie du ›schon gut‹ sagst, ist es alles andere als das.« Meinem Körper zu verbieten, mich ihm zu nähern, um ihn zu trösten, fühlte sich wie ein Krampf an. Aber ich wollte nicht, dass er sich überrumpelt fühlte. Also stand ich einfach nur da. Wie dieser eine Emoji, der einen Typen zeigt, der einfach nur dasteht. Ohne Regung. Die Arme schlaff herunterhängend. So fühlte ich mich.

»Ach ja? Hast du jetzt Psychologie studiert?« Cormac fuhr herum, und ich merkte, wie seine Wangen sich der Farbe seiner Haare anglichen.

»Müssen in deiner Welt alle studiert haben, um von dir ernst genommen zu werden, oder was?« Als ich bemerkte, wie laut meine Stimme geworden war, zuckte selbst ich zusammen. Cormac anzuschreien war definitiv keine passende Lösung für die Situation. Zwar hatte ich von Natur aus manchmal ein lautes Stimmorgan, aber das gerade hatte ich nicht gewollt …

Cormac hob seine Brauen. »So habe ich das nicht gemeint.«

Ach, echt? Seltsam, dass ich vor ein paar Tagen erst wieder im TV-Studio belauscht hatte, wie die Crew über mich gelästert hatte. Dass ich den Job nur bekommen hatte, weil ich mit dem Sohn von einem der Vorstandstypen der Chefetage zusammen gewesen war, und ich wohl dachte, ich hätte es nicht nötig, einen richtigen Job zu lernen. Okay, ohne Nino hätte ich den Job vielleicht tatsächlich nicht bekommen, trotzdem war es null gerechtfertigt. Ich war ausgebildeter Schauspieler, und wenn ich etwas konnte, dann alles, was vor der Kamera stattfand. Darin war ich gut. Wirklich gut. Aber ich würde einen Teufel tun und solche Lästereien an mich ranlassen. Sollte er doch so über mich denken. Dann war ich halt der arrogante Kinderstartyp, dem er ständig neue Anmoderationen schreiben durfte. Nein, niemals würde ich solche Behauptungen an mich ranlassen. Von niemandem. Okay … Ich ließ es an mich ran.

»Egal. Ich wollte nicht schreien.«

Kurz herrschte Schweigen. Dann kam Cormac auf mich zu. »Was ist in dem Heimatdorf deines Vaters gewesen?«

»Na ja, die typischen Sprüche.« Ich zuckte mit den Schultern. »Nicht so wichtig. Also schon, aber ich steck das gut weg. Mir wird seit meiner Kindheit so viel Müll angedichtet. Aber was Quentin und dir passiert ist …«

»Ist genauso beschissen wie deine Sache. Das ist kein Wettbewerb.« Cormac ging zum Fenster und ließ sich auf das breite Fensterbrett sinken. Ich setzte mich neben ihn.

So, wie Cormac seinen Kopf an die Scheibe lehnte und nach draußen blickte, hoffte ich, er sah inmitten der dunklen Wolken nicht die Gesichter dieser Leute vom Park. Der Himmel über der Weite um das Cottage war von einer finsteren Wolkendecke durchzogen, als ob die Welt in einen grauen, schon fast schwarzen Schleier gehüllt wäre.

»Ich finde Gewitter immer so romantisch«, sagte ich. »Die Lichter und das Düstere. So richtig zum …« Beinahe hätte ich Kuscheln gesagt, doch dann hätte ich mir Peinlichkeit selbst auf die Stirn schreiben können. »… so zum Träumen.« Auch peinlich, aber zumindest etwas besser.

»Gewitter sind schon faszinierend, ja, aber sie können auch ziemlich gefährlich sein. Romantik ist vielleicht nicht das Erste, das mir dabei einfällt.« Ich überhörte, dass er meine romantische Ader abdrückte, da ich in seinem Blick zu erkennen glaubte, dass mehr dahintersteckte.

»Hm.« Keine Ahnung, was ich auf so was antworten sollte.

Die Grashalme auf der Wiese bogen sich unter dem Druck des Windes. Dann begann es zu nieseln. Wie feine Fäden, die vom Himmel fielen. Mein Fuß rutschte etwas vor und berührte Cormacs. Er öffnete gerade seinen Mund, da grollte ein leiser Donner über uns hinweg – die richtig lauten Dinger hatte der Himmel schon rausgehauen. Doch es reichte, damit Cormac zusammenzuckte und sich kerzengerade aufsetzte.

»Alles gu–«

Noch ein Donner, etwas lauter, und Cormac griff nach meiner Hand. Es war, als träfe mich ein Blitz an der Stelle, an der er mich berührte. Hitze durchzuckte meinen Arm, und ich zog meine Hand rasch weg.

»Sorry, ich äh, also … Wegen dem Catering übrigens.« Cormac rieb seine Hand und sah verlegen von mir weg. »Äh … Ich habe da mal …«, er holte sein Handy und setzte sich wieder, »… das hier rausgesucht. Es ist das einzige Catering, das auch ein echt gutes veganes Menü hat. Nicht nur irgendwelche Gurkenscheiben mit Nüssen.«