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Meet me in Spring – Wo das Glück zu Hause ist Evelyn ist nicht die Frau, die man vergisst. Nach einem unglaublichen Wochenende in Maine erkennt Beckett die attraktive Frau sofort wieder, als sie ihm auf Lovelight Farms gegenübersteht. Der junge Farmer hatte keine Ahnung, dass sie eigentlich eine bekannte Social-Media-Influencerin ist. Aber Evelyn St. James braucht eine Pause von ihrer Online-Karriere. Auf Lovelight Farms möchte sie Kraft tanken und herausfinden, was sie wirklich glücklich macht. Dass sie dabei Unterschlupf bei dem verschlossenen Beckett findet, hat sie nicht geahnt –auch nicht, dass ein schroffer, tätowierter Farmer so hinreißend sein kann. Zum Mitfühlen, Schwärmen und Genießen: LOVELIGHT FARMS zeigt, dass man an Wünschen festhalten darf. »Borisons Worte haben eine besondere Magie« Elena Armas »Die aufregendste neue Romance-Autorin« Hannah Grace Der zweite Band der Lovelight-Farms-Reihe von B.K. Borison. Alle Bände der Reihe bei dtv: - Lovelight Farms – Lichterglanz (Band 1) - Lovelight Farms – Blütenzauber (Band 2) - Lovelight Farms – Sommerleuchten (Band 3) - Lovelight Farms – Herbstrauschen (Band 4) Alle Bände können unabhängig voneinander gelesen werden.
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Seitenzahl: 521
Veröffentlichungsjahr: 2024
Heiße Affären sind Beckett Porter nicht fremd. Doch die attraktive Unbekannte, die der junge Farmer während eines unglaublichen Wochenendes in Maine getroffen hat, kann er einfach nicht vergessen. Als sie ihm plötzlich im Rahmen eines Social-Media-Wettbewerbs auf Lovelight Farms gegenübersteht, ist seine Verwirrung groß. Er hatte keine Ahnung, dass sie in Wirklichkeit ein globales Phänomen ist: die Social-Media-Influencerin Evelyn St. James. Evelyn ist mit ihrer Online-Karriere zunehmend unzu_ ieden. Sie versucht, zu etwas Echtem zurückzufinden, und beginnt ihre Suche nach dem Glück auf einer Farm in der kleinen Stadt Inglewild. Dass sie sich dort gleich wie zu Hause fühlt, hat absolut nichts mit dem mürrischen, aber unglaublich fürsorglichen Farmer zu tun, mit dem sie zwei unvergessliche Nächte in Maine verbracht hat – absolut gar nichts!
B. K. Borison
Lovelight Farms
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Michaela Link
Für alle, die nach Glück streben.
Ich hoffe, ihr wisst, wie mutig ihr seid.
August
Sie sitzt an der Bar, als ich hereinkomme. Die Sommerhitze macht mir zu schaffen, und mein Shirt klebt mir am Körper. Sie nimmt es wie alles andere an mir in Augenschein. Ein Lächeln umspielt ihre Mundwinkel.
Lange Beine in ausgefransten Shorts. Glattes schwarzes Haar bis zur Taille. Volle rot geschminkte Lippen. Sie sieht mich an, eine Braue hochgezogen, als hätte ich sie warten lassen und sie wäre deswegen sauer.
»Sorry«, sage ich, als ich mich auf den Hocker neben ihr gleiten lasse. Ich weiß nicht recht, warum ich mich entschuldige oder wie ich überhaupt hierhergekommen bin. Ich bin gefangen zwischen Tun und Wollen, und die Schwüle von draußen ist mir in den Raum gefolgt.
Ihre Wimpern flattern amüsiert, und die stickige Hitze zwischen uns wird beinahe greifbar. »Wofür?«
Ich … habe keine Ahnung. Ich reibe mir mit der Hand übers Kinn und beschäftige mich mit der Getränkekarte, während eine unerklärliche Verlegenheit in meinen Wangen brennt. Ich habe nie behauptet, auch nur den Hauch von Charme zu besitzen, aber so unbeholfen bin ich normalerweise auch wieder nicht.
Ich deute mit dem Kopf auf ihr halb leeres Glas.
»Was trinkst du?«, frage ich. Sie beißt sich auf die Lippen, um ihr Lächeln zu verbergen, und kippt ihr Glas hin und her.
»Tequila.«
Ich muss wohl zusammengezuckt sein, denn sie lacht und reckt das Kinn hoch, aber ihre dunklen Augen verharren auf mir. »Was? Kein Tequilafan?«
Ich schüttele den Kopf, und sie stellt das Glas auf der Theke zwischen uns ab und dreht es zwischen ihren feingliedrigen Händen. Wieder zieht sie eine Augenbraue hoch. »Vielleicht hast du nur noch nicht die richtige Sorte probiert.«
»Vielleicht«, stimme ich ihr zu. Ich beende die Bewegungen ihrer Hand, indem ich meine Finger auf ihre lege und das Glas an meine Lippen führe. Ich sorge dafür, dass mein Mund genau den kirschroten Lippenstiftabdruck trifft, den sie hinterlassen hat.
Rauch, Limette. Ein bisschen Salz.
Ich stelle das Glas zurück auf die Theke und lecke mir die Unterlippe.
»Nicht schlecht«, bringe ich mühsam hervor.
Sie grinst mich an, und ihre dunklen Augen sind wie ein Daumennagel, der die Linie meines Kinns nachzeichnet. »Ganz und gar nicht schlecht.«
Sie hat eine Narbe weit oben auf ihrem Oberschenkel. Ich weiß nicht, ob es ihr bewusst ist, aber sie zappelt jedes Mal, wenn ich mit dem Finger darüberstreiche, und ihr Bein bohrt sich in meine Hüfte, dort, wo sie es über mir drapiert hat. Ihre Haut riecht nach Zitronen und Rosmarin, und ich drücke die Nase in die Stelle unterhalb ihres Ohres, wo der Duft am intensivsten ist, dann küsse ich sie auf die glatte Linie an ihrem Hals.
Sie lässt ein wohliges Summen hören.
Ich kann nicht aufhören, über ihre Haut zu streichen und ihre Weichheit zu fühlen. Ihre Finger verheddern sich in meinem Haar, und ich presse das Gesicht mit einem Stöhnen fester an ihren Hals. Sie schnaubt lachend in mein Schlüsselbein.
Zwei Nächte zusammen, und ich erkenne mich selbst nicht wieder. Evie ist wie eine Flutwelle herangerollt und hält mich an den Füßen gefangen, übt einen langsamen, machtvollen Sog auf mich aus. Eine beseligende Unausweichlichkeit.
Ich streiche erneut mit dem Daumen über die Narbe, langsamer diesmal, und sie stupst mir mit der Nase an die Schulter.
»Normalerweise mache ich so etwas nicht.«
Ich schiele zu dem umgekippten Tisch in der Ecke, zu der Kaffeemaschine, die es irgendwie geschafft hat, während unseres sehr enthusiastischen Eintritts ins Zimmer stehen zu bleiben. Die Keramikschale für die Kaffeeweißer kann ich nirgends entdecken, aber die kleinen Plastikbehälter sind wie herabgefallene Sterne auf dem Teppich verteilt. Weiße Punkte vor dunkelblauem Hintergrund.
Ich streiche ihr über den Rücken, spreize die Finger und versuche festzustellen, wie viel von ihrer Haut ich gleichzeitig bedecken kann. Sie fühlt sich warm an, und ihre Haut ist von einem dunklen, makellosen Braun. Wie eine Flasche Whiskey auf dem obersten Regal, während Nachmittagslicht hindurchschimmert.
Ich bewege mich unter ihr und stoße ein Ächzen aus, als ihr Schenkel etwas Interessantes streift. »Ein Hotelzimmer verwüsten?«
Sie lacht, ich spüre ihre Stirn an meinem Hals, dann an einer Schulter, bis sie schwer auf meiner Brust liegt. Sie stützt sich auf einen Arm und bettet das Kinn in die Handfläche.
»Nein.« Sie greift hinter mein Ohr, zupft mir eine Feder aus dem Haar und betrachtet das halb zerfetzte Kissen, das sie ohne viel Mühe unter meinen Kopf gestopft hat. Es überrascht mich, dass ich bei diesem zweiten Mal nicht die Laken vom Bett gerissen habe, als sie mit ihren Nägeln meinen Rücken zerkratzt, ihre langen Beine um meine Hüften geschlungen und die Zähne in meinem Schlüsselbein vergraben hat. Sie seufzt leise und gedehnt und sucht meinen Blick. Ein erheitertes Grinsen umspielt ihre Lippen, als ich mir eine Locke ihres Haares um den Finger wickle und daran ziehe. Vor ungefähr zwanzig Minuten hatte ich meine ganze Faust in ihrem Haar, und es scheint sie zu erheitern, dass ich mich jetzt mit einer einzigen Strähne begnüge.
»Normalerweise lasse ich mich auf Geschäftsreisen nicht ablenken«, erklärt sie.
Ich auch nicht. Normalerweise lasse ich mich überhaupt nicht ablenken. Obwohl ich gegen One-Night-Stands an sich nichts einzuwenden habe, hatte ich für diese Reise keinen geplant. Die Konferenz der Biobauern ist nicht unbedingt dafür bekannt, attraktive Frauen aus der Großstadt anzulocken. Zumindest ist es bisher so gewesen.
Aus unserem geteilten Glas Tequila ist dann ein eigenes Glas für mich an der Theke geworden. Nach diesem Glas dann der Rest der Flasche, von Evie bestellt. Danach habe ich ihr eine Linie aus Salz von der Innenseite ihres Handgelenks geleckt, während sie unter der Theke ihr Knie gegen meins gepresst hat. Anschließend sind wir zu dem winzigen Hotel auf dem Hügel gestolpert und aufs Bett gefallen, als seien wir genau dafür erschaffen worden.
Wie sich herausstellt, finde ich Tequila doch nicht so scheußlich, wenn ich ihn ihr direkt von der Haut schlürfe.
Jetzt liegen wir hier, ineinander verschlungen und nackt, die zweite Nacht in Folge. Ich hatte mir vorgenommen, nicht wieder in die Bar zu gehen, nicht nach ihr zu suchen. Aber ich bekam sie einfach nicht aus dem Kopf. Ihre Haut auf meiner. Das leise, heisere Stöhnen, wenn ich eine Hand zwischen ihre Beine geschoben habe. Ihr dunkles Haar, ausgebreitet auf schneeweißen Kissen.
Sobald der letzte Sprecher auf meiner Konferenz fertig war, bin ich direkt zurück in diese Spelunke gegangen, als würde sie dort einen Sirenengesang von sich geben. Und da saß sie auf demselben Hocker in derselben Bar, mit demselben Grinsen, das jeden Zentimeter ihres Gesichtes erstrahlen ließ.
Ich streife mit den Knöcheln ihren Arm, wie gebannt von der Gänsehaut, die sich unter meiner Berührung bildet.
»Bereust du es?« Ich richte mich auf und dränge sie sanft, es mir gleichzutun. Sie tut es und arrangiert ihre langen Beine erneut um meine Hüften. »Die Ablenkung«, erkläre ich.
Der Schweiß auf meiner Haut ist kaum getrocknet, aber ich will sie schon wieder. Ich verspüre ein Jucken in den Handflächen, wann immer ich sie ansehe. Ich will die weiche Haut direkt unter ihrem Ohr kosten, will ihr Zittern spüren, wenn sie sich wieder auf mich rollt. Ich will eine Hand in diese beiden Kuhlen am unteren Rand ihrer Wirbelsäule drücken und spüren, wie ihre Haut wie ein Inferno brennt, während sie sich gegen mich presst.
Sie lächelt und beißt sich auf die Unterlippe, als wisse sie, wohin meine Gedanken gewandert sind, und sie zeichnet die Linie der Tätowierung nach, die sich über meine Schulter zieht. Sie klopft einmal auf die Stelle, und ich erhasche einen Blick von uns beiden in dem Spiegel über der Ankleidekommode, verhedderte weiße Laken und Haut, die leuchtet wie gesponnenes Gold, mein Arm tief um ihre Taille geschlungen. Noch nie im Leben habe ich ein Foto von mir selbst machen wollen, aber jetzt befällt mich der Drang heiß und unnachgiebig, ihre nackte Haut an meiner. Ihr Gesicht an meinem Hals und die kaum sichtbare Wölbung ihres Hinterns.
Ich stupse mit der Nase gegen ihr Kinn und drücke einen einzigen langen Kuss auf die flatternde Haut über ihrem Puls – eine wortlose Ermutigung, die Frage zu beantworten.
»Nein. Wie sich herausstellt, bist du eine großartige Ablenkung, Beck. Tatsächlich die Allerbeste.« Ihre Antwort ist ein Wispern, ein Geheimnis in der Dunkelheit. Sie hält inne, dann fragt sie: »Bereust du es?«
Nein, ich bereue es nicht. Sosehr ich das vielleicht tun sollte. Ich lächele und streife mit den Zähnen an ihrem Hals entlang, knabbere an ihrem Ohrläppchen und zupfe einmal daran. Im Spiegel beobachte ich, wie sie am ganzen Körper erzittert und ihre Hüften gegen meine drückt.
»Mir gefällt deine Art von Ablenkung«, eröffne ich ihr, während ich mit beiden Händen ihre Taille umfasse. Ich leite sie in einen fließenden Rhythmus über mir, bis wir beide keuchen und sie mir mit den Nägeln durchs Haar kratzt.
»Tust du …« Sie stößt ein Stöhnen aus und kniet sich auf die Matratze, dann manövriert sie uns mit einer Hand auf meiner Brust höher hinauf im Bett, bis ich am Kopfbrett lehne. Sie ist dominant, wenn sie es sein möchte, und es gefällt mir, dass sie mir genau sagt, was sie will und wie sie es will. Ihre heisere Stimme in meinem Ohr in der vergangenen Nacht hat mich in ihren Armen erbeben lassen, und ich habe die Hände um ihre Hüften gelegt, während ich mich bemüht habe, jeder einzelnen Anweisung zu folgen, die sie mir erteilt hatte.
»Mach langsamer.«
»Härter.«
»Genau so, ja. Das ist die richtige Stelle.«
Mein Kopf schlägt mit einem dumpfen Aufprall gegen das Holz, und sie setzt sich wieder auf meinen Schoß und arrangiert die Laken, bis ihre Haut meine berührt, ein leises Stöhnen des Begehrens schwer auf meiner Zunge. Sie murmelt etwas, dann stößt sie einen Laut aus, der halb Schluckauf, halb Seufzer ist, ein weiterer Laut, dem ich mit meinen Lippen auf ihren nachjage. Sie zieht sich zurück und schaut mich mit halb geschlossenen Augen an. »Wolltest du mehr?«
Die Frage entlockt mir ein schnaubendes Lachen. Ich sehe sie an, und ja, ich will mehr. Ich stemme mich hoch, bis ich ihren Mund zu einem intensiven Kuss einfangen kann, meine Zunge findet ihre und meine Hand wandert von ihrem Hinterkopf zu ihrem Kinn. Ich halte sie fest, bis sich ihre Hände in meinem Haar zu Fäusten ballen und sie sich ungeduldig an mir reibt.
Ich kann auch dominant sein.
»Ich will mehr«, sage ich ihr – ein weiteres Geständnis – und lasse eine Hand zwischen uns gleiten, um die weiche Haut direkt unter ihrem Bauchnabel zu streicheln. »Ich will alles.«
Leises Donnergrollen und Regen, der auf dickes Glas trommelt, wecken mich. Eine kühle Brise fegt durch das gesprungene Fenster, und ich winde mich stöhnend unter den Laken, während meine Hand nach schlafwarmer Haut sucht. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist Evie, die etwas von Zimmerservice gemurmelt hat. Dann hat sie sich tiefer in die Decken gekuschelt und ist eingeschlafen, ihre Hände um meinen Arm gelegt. Es war … schön. Anders, aber schön.
Ich stütze mich auf die Ellenbogen und betrachte den leeren Platz neben mir. Es überrascht mich, sie nicht im Zimmer umhergehen zu sehen – ich habe gar nicht gemerkt, dass sie aus dem Bett geschlüpft ist. Normalerweise schlafe ich nicht so tief.
Mein Blick wandert zum Badezimmer, dessen Tür einen Spalt breit offen steht. Einer von uns hat ein Handtuch darübergeworfen. Es ist möglich, dass sie weggegangen ist, um Kaffee zu holen, aber ich sehe ihren Koffer nicht, und der Nachttisch ist auffällig leer. Ich scanne den ganzen Raum ab. Lediglich ein halb leeres Wasserglas auf der Ankleidekommode und eine zerknüllte Quittung auf dem Schreibtisch sind als Zeugnisse ihrer Anwesenheit geblieben.
Ich lasse mich mit dem Gesicht voraus in mein Kissen fallen.
Das zumindest ist ein vertrautes Gefühl. Allein aufzuwachen.
»Wie dumm«, schimpfe ich mich selbst. Ich seufze und bohre mir den Handballen in die Stirn.
Ich weiß es besser.
Es gibt einige Dinge, die ich hier zu erledigen habe, und eine wunderschöne Frau mit ellenlangen Beinen gehört sicher nicht zu meinen Aufgaben.
Ich drehe mich auf den Rücken und beobachte die Gewitterwolken, die sich draußen vor dem Fenster zusammenbrauen. Mir muss jetzt nur noch wieder einfallen, was das für Aufgaben sind.
November
Nun ja.
Das habe ich nicht erwartet.
Ich gehe in meinem Zimmer in Inglewilds einzigem Bed and Breakfast auf und ab und beobachte, wie mein Schatten mir über die geblümte Tapete folgt. Jenny, die Besitzerin, muss in meinem Zimmer gewesen sein, während ich auf der Farm war, denn ich bin zu Kerzenlicht und Keksen zurückgekehrt, und alles ist schön und romantisch.
Stirnrunzelnd betrachte ich eine elfenbeinfarbene Kerze und überlege, was ich jetzt machen soll.
An diesem Wochenende in Maine war ich in einem ähnlichen Bed and Breakfast untergebracht. Auf dem Fenstersims standen Blumen, und ein Mann mit Kunstwerken auf seiner Haut hat mich aufs Bett gedrückt, seine Lippen an meinem Hals und sein kehliges Lachen in meinem Ohr. Derselbe Mann, dem ich gerade auf der Farm über den Weg gelaufen bin, wo er anscheinend arbeitet und über die ich mir ein Bild machen soll.
Habe. Ich. Nicht. Erwartet.
Die Kekse auf dem glänzenden Metalltellerchen in der Ecke führen mich in Versuchung. Ich schnappe mir einen und wische über mein Handy.
Josie meldet sich beim dritten Klingeln. »Bist du gut angekommen?«
»Wir haben ein Problem«, sage ich mit dem Mund voller dunkler Schokolade und Erdnussbutter.
»Oh, oh.« Ihre Stimme wird ernst, während im Hintergrund Papier raschelt, das zusammengeschoben wird, und ein Becher mit einem leisen Klirren auf einem Unterteller landet. Ich schaue auf die Uhr. In Portland ist es noch später Nachmittag. Sie ist wahrscheinlich bei ihrer achten Tasse Kaffee. »Hat Sway dir wieder einen dieser Escape-Rooms gebucht?«
Vor zwei Monaten dachte mein Marketingteam allen Ernstes, wir würden hochwertige Beiträge erstellen, wenn ich für fünfundvierzig Minuten allein in einem Raum eingesperrt sein würde. Kein Briefing, keine Vorwarnung. Gott sei Dank leide ich nicht unter Klaustrophobie.
»Nein. Aber danke, dass du mich daran erinnerst.« Josie lacht, und ich lasse mich auf die Bettkante fallen und beäuge den Teller mit den Keksen. »Ich war heute auf der Farm.«
»Und? Du warst doch so gespannt darauf.«
Ich war tatsächlich gespannt darauf. Ich bin gespannt darauf. Eine Christbaumfarm nicht weit von der Ostküste von Maryland, die einer Frau namens Stella gehört und von ihr geführt wird. Ihre Geschichte ist wunderschön und romantisch, und der erste Eindruck, den ich mir heute von der Farm machen konnte, war absolut magisch. Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass ihr Geschäftspartner derselbe Mann sein würde, mit dem ich vor drei Monaten meinen ersten – und einzigen – One-Night-Stand hatte.
Er war mit wirrem Haar in diese kleine Bar gekommen, mit einem weißen T-Shirt mit leicht hochgerollten Ärmeln und Augen wie vom Meer geschliffenes Glas. Er hatte einen einzigen Blick auf mich geworfen, und mein Magen war direkt bis ganz hinunter in die Zehen gesackt.
»Beckett ist hier.«
»Wer?«
»Du weißt schon.« Ich senke die Stimme. »Beckett.«
Ich höre das Herumhantieren mit einem Glas und eine Reihe kreativer Flüche. »Maine Beckett? Der heiße, tätowierte Beckett?« Sie zieht scharf die Luft durch die Zähne, und als sie weiterspricht, ist ihre Stimme drei Oktaven höher. »Der unfassbar tolle One-Night-Stand-Beckett, bei dem Evie endlich mal aufs Ganze gegangen ist?«
Ich knicke ein und schnappe mir noch einen Keks. »Genau der.«
Ich habe Josie, nach einem Glas Sauvignon Blanc zu viel, von Beckett und mir erzählt, zusammengefaltet auf ihrem Sofa wie ein Burrito. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich Monate später immer noch an ihn dachte. Es sollte einfach Spaß und etwas Unverbindliches sein. Eine harmlose Nacht. Keine Verpflichtungen.
Nicht etwas, das ich wie in Fieberträumen jede zweite Nacht und in Dolby Surround wieder und wieder durchlebe.
Josie lacht, ein lautes Kichern, und ich halte mir das Handy ein ganzes Stück vom Ohr weg. Dann verdrehe ich die Augen.
»Vielen herzlichen Dank für deine Unterstützung.«
»Tut mir leid, tut mir leid«, entschuldigt sie sich. Sie versucht, wieder ernst zu werden, aber ein weiteres Glucksen entschlüpft ihr. »Was für ein Zufall! Ist er zu Besuch dort?«
»Nein, er arbeitet hier. Er ist für alles Landwirtschaftliche dort zuständig. Er führt die Farm zusammen mit der Besitzerin, Stella, und mit Layla, die für die Bäckerei zuständig ist.«
Das löst einen weiteren Lachanfall aus. Ich ringe mit mir, ob ich das Handy gleich aus dem Fenster schmeiße. »Ich schätze, jetzt weißt du, warum er so gut mit seinen Händen ist, hmm?«
»Ich werde dich feuern.«
Ich habe Josie niemals etwas von seinen Händen erzählt, aber jetzt erinnere ich mich sehr explizit und in allen Einzelheiten daran. Dass seine Hand die ganze Fläche meines Oberschenkels abgedeckt hat. Dass sein Bizeps, wenn er die Finger bewegte, sich herrlich angespannt hat. Er war sehr fordernd mit ihnen und hat mich in die perfekte Position gebracht. Der Druck seines Daumens hinter meinem Ohr. Die zarten Umrisse eines Sternbilds, das sich von seinem Handgelenk bis zu seinem Ellenbogen spannte.
»Du wirst mich niemals feuern«, verkündet Josie. »Dann hättest du ja überhaupt keinen Spaß mehr.«
Josie ist meine selbst ernannte persönliche Assistentin, seit wir achtzehn geworden sind und ich beschlossen habe, einen eigenen YouTube-Kanal zu starten. Ihre Rolle und ihr Titel sind seit meiner Social-Media-Explosion vertraglich fixiert, aber ihr Job als meine beste Freundin bleibt weiterhin ihre oberste Priorität. Ich kann mich immer darauf verlassen, dass sie mir sagt, was Sache ist.
Das ist gleichzeitig das Beste und das Schlimmste an ihr.
»Okay, lass uns rekapitulieren. Du hast im August mit einem superhotten Unbekannten geschlafen. Du bist ohne ein Wort fortgegangen, und jetzt, im November, bist du ihm wieder über den Weg gelaufen, während du seine Farm für einen Social-Media-Wettbewerb beurteilst.« Sie stößt einen erheiterten Laut aus, den ich nicht erwidere. »Also mal im Ernst, wie hoch stehen die Chancen, dass so etwas passiert?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Was hast du jetzt vor?«
»Noch einmal: Ich habe keine Ahnung.«
Ich knibbele an einem losen Faden am Rand der Tagesdecke. Ich kann nicht abreisen. Was sollte ich meinen Firmensponsoren sagen? Tut mir leid, ich kann diese Reise nicht durchziehen, weil ich vor drei Monaten mit einem der Betreiber der Farm geschlafen habe. Sie waren bei Meetings sehr offen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das gut ankommen würde.
Und vor allem ist es nicht meine Art, vor Problemen davonzulaufen. Beckett war eine Entscheidung, die ich getroffen habe. Eine Entscheidung, die ich null bereue, obwohl die Erinnerungen an jene Nacht an mir haften wie Klebstoff. Ich habe ihm damals die Wahrheit gesagt, als ich meinte, er sei eine sehr schöne Ablenkung gewesen. Ausnahmsweise war ich einmal herrlich weit von meinem Kopf entfernt. Ich habe gelacht. Ich hatte Spaß.
Ich habe mich in meiner Haut wohlgefühlt.
Aber ich bin hier, um meinen Job zu machen. Das bin ich Stella schuldig. Lovelight Farms ist genau so, wie sie in ihrer Bewerbung geschrieben hat, und noch mehr. Sie verdient es, in die Endausscheidung für diesen Wettbewerb zu kommen, und sie verdient die Anerkennung. Ich brauche nur einen Moment, um mich zusammenzureißen. Um den Schock zu verdauen, ihn wiedergesehen zu haben, und dann weiterzumachen.
»Der Plan ist …« Ich habe keinen Plan. Auf der Suche nach Inspiration sehe ich mich im Zimmer um. Ich vermute, der Plan sieht vor, dass ich den Rest dieser Kekse aufesse. Mir eine Flasche Wein besorge von … irgendwo.
Es klopft an meiner Tür, und ich atme tief ein. In einem Anflug von Panik schaue ich durch den Türspion. Es war klar, wer auf der anderen Seite steht.
»Oh mein Gott, habe ich da gerade ein Klopfen gehört?« Josie ist ganz außer sich. »Ist er es?«
Ich streiche mir übers Haar. Natürlich ist er es. »Ich muss Schluss machen, Josie.«
»Switche auf FaceTime«, verlangt sie. »Vergiss es, ich werde es tun. Evie, ich schwöre bei Gott, wenn du auflegst …«
Ich beende das Telefonat, bevor sie die Chance hat, ihre Drohung wahr zu machen, dann werfe ich mein Handy auf den Tisch. Sofort klingelt es mit einem eingehenden Videocall, ich ignoriere es und lege ein Kissen darauf.
Auf dem Weg zurück zur Tür lasse ich mir Zeit und zögere mit meiner Hand über der Klinke. Als er vorhin in die Bäckerei gekommen ist, habe ich das gleiche flaue Gefühl tief im Bauch verspürt. Genau wie beim ersten Mal. Es war, als würde man eine Erinnerung aufbrechen, um noch einmal einen Blick darauf zu werfen. Flanell anstelle eines weißen T-Shirts. Verkehrt herum aufgesetzte Baseballkappe mit einem winzigen aufgestickten Baum.
Große, überraschte Augen.
Ich schwinge die Tür so zackig auf, als würde ich ein Pflaster abreißen, und Beckett steht da, beide Arme gegen den Rahmen gestützt, die Hände um die Kanten geschlossen, als würde er sich physisch zurückhalten. Seine Finger krümmen sich, und ich habe sofort einen Flashback von diesen Händen, wie sie sich stattdessen fest um meine Schenkel schließen, Beckett vor mir auf den Knien, eine einzelne Locke seines dunkelblonden Haares, die auf seiner Stirn klebt.
Ich schlucke schwer.
»Hi«, flüstere ich. Ich kann ihn kaum ansehen und höre mich an, als hätte ich sechs Blätter Schmirgelpapier verschluckt. Tolle Art, dich zusammenzureißen, Evie.
Ich räuspere mich.
Er blinzelt mich an, sein Blick wachsam, während er mich von oben bis unten mustert. Dann fährt er sich mit der Zunge über die Unterlippe, und ich habe das Gefühl, als sollte ich mich vielleicht auch am Türrahmen festhalten. Mich an den Messingtürklopfer klammern, als hinge mein Leben davon ab.
Ich weiß nicht, was mich dazu bewogen hat, an jenem schwülen Sommerabend vor einigen Monaten Beckett mit mir ins Hotel zu nehmen. Ich hatte zuvor nie Interesse an unverbindlichem Sex. Ich habe einfach …
Ich habe ihn hereinkommen sehen, und ich wollte ihn.
Gut zu wissen, dass seine Wirkung auf mich nicht im Geringsten nachgelassen hat.
»Hey«, antwortet er mir flüsternd. Er stößt den Atem durch die Nase aus, lässt den Türrahmen los und schaut über seine Schulter in den leeren Flur hinter sich. Ich kann einen ausgiebigen Blick auf sein ausgeprägtes Kinn werfen und muss mich erneut räuspern. »Darf ich für eine Sekunde reinkommen?«
Ich nicke, gehe einen Schritt zurück und lasse ihn durch die schmale Tür eintreten. All meine verschwommenen Erinnerungen sind seiner Körpergröße offensichtlich nicht gerecht geworden. Er wirkt viel zu groß, wie er da mitten im Raum steht, die Hände in den Taschen, während er so tut, als studiere er eingehend das Gemälde des Teichs, das über dem Schreibtisch hängt. Ich lasse die Tür ins Schloss fallen und versuche, nicht an das letzte Mal zu denken, als wir in einem ganz ähnlichen Zimmer waren.
Hauchzarte weiße Gardinen. Verhedderte Laken. Eine warme Hand, gespreizt zwischen meinen Schulterblättern. Seine Stimme in meinem Ohr, als er mir sagt, wie gut ich mich anfühle. Um es sich zu nehmen.
Ich schüttele den Kopf, lehne mich gegen die Kommode und stehe mit überkreuzten Beinen da. Ich tue mir keinen Gefallen. »Du willst reden?«
Er nickt, immer noch abgelenkt von diesem Gemälde. Dann sieht er mich aus dem Augenwinkel an. »Influencerin, hmm?«
Mir gefällt sein Ton nicht, die unterschwellige Anklage, die ich darin höre. Ich habe ihm nichts von meinem Job erzählt, aber er auch nicht. Wir waren beide ganz und gar konzentriert auf … andere Dinge während unserer gemeinsamen Zeit. Er hat mich nicht erkannt, als er in die Bar gekommen ist, und das war eine nette Abwechslung. Erfrischend.
So abgedroschen es klingt, normalerweise wollen Männer mich nicht um meiner selbst willen. Wenn Typen mich ansprechen, ist meistens irgendetwas für sie drin – ein Foto auf einem meiner Kanäle, eine Produktwerbung. Einmal hat ein Mann mich gefragt, ob ich für ein Sexvideo zu haben sei.
Als Beckett also in diese winzige Bar gekommen ist, mit seinen tätowierten Armen und seinem Blick, der mit Anerkennung statt mit Berechnung über mich hinweggewandert ist, bin ich ein Risiko eingegangen. Ich habe mir etwas für mich selbst genommen.
Und es hat mir sehr gutgetan.
»Farmer Boy, hmm?« Ich ahme seine kühle Gleichgültigkeit nach und beobachte, wie seine Mundwinkel leicht herabfallen, während er die Fäuste ballt.
»Ich bin einfach überrascht, das ist alles«, antwortet er, immer noch mit diesem leicht sarkastischen Unterton. Als könne er nicht glauben, dass er dieses Gespräch überhaupt führen muss. Als sei es das denkbar Bescheuertste und Abtörnendste für ihn, dass ich beruflich was mit Onlinemedien mache. Er rümpft die Nase und reibt sich über das Kinn. »Ich habe nicht damit gerechnet, dich wiederzusehen.«
Natürlich habe ich auch nicht damit gerechnet, ihn jemals wiederzusehen, wie ich eindrücklich bewiesen habe, als ich heute Nachmittag aus dem Backhaus auf der Farm geflüchtet bin, als würde das Ding in Flammen stehen. Aber das bedeutet nicht, dass ich mich deswegen wie ein Arsch benehme.
Er beobachtet mich aus zusammengekniffenen Augen. Ich wünschte, der Teller mit den Keksen wäre nicht so weit weg. »Hast du es gewusst?«
»Habe ich was gewusst?«
»Hast du gewusst, dass ich hier arbeite?«
Ich runzele die Stirn und recke das Kinn hoch. Denkt er, ich hätte das absichtlich getan? Dass ich zu seinem Arbeitsplatz gekommen bin, um … was? Ihn zu belästigen? Ihn in Verlegenheit zu bringen? »Natürlich nicht«, antworte ich energisch. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns je wieder über den Weg laufen würden.«
Er lächelt, und es ist absolut kein nettes Lächeln. »Nun, daran hast du keinerlei Zweifel gelassen, Evie.«
Ich blinzele ihn an.
»Tut mir leid«, sagt er mit schroffer Stimme. Es tut ihm überhaupt nicht leid. »Du bevorzugst wahrscheinlich Evelyn.«
Etwas in meiner Brust schnürt sich bei der Schärfe seiner Worte zusammen. Er klingt frustriert, fühlt sich unwohl. Er steht so reglos da in der Ecke neben dem Schreibtisch, seine Augen zornig und aufgewühlt. Ich weiß nicht, warum es mir wehtut, dass er mich Evelyn nennt, nur, dass es so ist.
Aber nichts davon spielt eine Rolle. Es spielt keine Rolle, dass er mich ansieht, als sei ich etwas, das an seiner Schuhsohle klebt.
Es ändert nicht das Geringste zwischen uns. Nichts an dem, was zuvor passiert ist, und nichts an dem, was jetzt passiert.
Es ist nur … bei ihm war ich Evie.
Und das war schön.
Das Schweigen zwischen uns wird immer schwerer, bis es sich anfühlt, als würde eine Last auf meine Schultern drücken. Beckett macht nicht gerade den Eindruck, als hätte er vor, dieses Schweigen zu brechen. Er nimmt seine Kappe mit einem gebrummten Fluch vom Kopf und fährt sich mit der Hand über den Nacken. Er greift in sein Haar, bis die Hälfte davon von seinem Kopf absteht.
»Hör mal, ich wollte nicht …« Er legt den Kopf schräg, schaut zur Decke empor und reckt den Hals angespannt zur Seite. Dann richtet er sich seufzend auf und sieht mich mit einem Blick an, der irgendwie gleichzeitig Ärger und Frust ausdrückt. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Ich habe keine Ahnung, was ich mit Irgendetwas von alledem machen soll. Diese Version von ihm ist so anders als der Mann mit den sanften Worten und behutsamen Berührungen – sein Lachen ein leiser, heiserer Klang in der Dunkelheit.
»Es tut mir leid. Deshalb bin ich nicht hergekommen.« Er beißt die Zähne so fest zusammen, dass es ein Wunder ist, dass er überhaupt etwas sagen kann. »Ich bin hier, weil … weil ich dich bitten möchte zu bleiben.«
Ich kann den Laut, der sich aus meinem Mund verirrt, nicht recht zurückhalten. Wenn das ein Versuch ist, mich zum Bleiben zu überreden, möchte ich auf keinen Fall erleben, wie es aussieht, wenn er mich wegschicken will. »An deinem Pitch könntest du noch etwas arbeiten.«
»Evelyn.«
»Ich meine es ernst.«
Die Falte zwischen seinen Brauen vertieft sich. »Dieser Wettbewerb bedeutet Stella viel. Er bedeutet auch mir viel. Unsere Farm braucht deine Hilfe, und ich möchte, dass du uns eine faire Chance gibst.«
Ein weiterer schmerzhafter Stich durchzuckt meine Brust.
»Du denkst, das würde ich nicht tun?«
»Du bist vorhin vor mir davongelaufen«, bemerkt er, und ein winziges Grinsen umspielt seine Mundwinkel. Ich hasse es, dass mir bei diesem Anblick sofort ein heißer Schauder über den Rücken läuft. »Ich meine, du bist buchstäblich aus der Bäckerei weggerannt, als du mich gesehen hast.«
Ich schaue auf meine Füße. Nicht mein würdevollster Moment. Aber ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen. »Das ist mir klar.«
Eine andere Art von Schweigen füllt den Raum zwischen uns aus.
»Ich hätte gern eine Zusicherung von dir«, bittet er mit leiser Stimme. Ich beobachte, wie er von einem Fuß auf den anderen tritt. »Dass du bleiben wirst.«
»Und was für eine Zusicherung soll das sein?«, frage ich in seine ungefähre Richtung. Als er nicht antwortet, stoße ich einen Atemzug aus und schaue zu ihm auf. Er runzelt immer noch die Stirn, und diese kleine Falte zwischen seinen Brauen tritt noch deutlicher hervor. »Wie genau stellst du dir das vor?«
Ich könnte ihm ein Haiku schreiben. Ihm einen Kuchen backen und ihn mit Buttercreme signieren. Ich weiß, dass er verunsichert ist, weil ich im Sommer ohne ein Wort abgehauen bin, aber es war ein One-Night-Stand – okay, ein Two-Night-Stand. Ein einziges gemeinsames Wochenende.
Ich bin ihm nichts schuldig.
Seine Augen blitzen dunkel auf. Zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hat, richtet er seinen Blick eindringlich auf mich. Etwas zieht und zupft zwischen uns. Ich spüre es so intensiv wie eine Berührung auf meinem Arm. Auf meinem Rücken.
»Ein Versprechen«, antwortet er.
»Möchtest du, dass ich einen Blutschwur leiste?«
Er stößt einen Laut aus, der ohne jede Heiterkeit ist. Ich verdrehe die Augen. »Ich bin hier, um einen Job zu erledigen, Beckett. Ich würde nicht zulassen, dass dem etwas in die Quere kommt. Stella verdient es. Ich habe nicht vor, nur halbherzig bei der Sache zu sein.«
Ich habe niemals etwas anderes gegeben als mein Bestes. Er mag meinen Job für lächerlich halten, aber ich weiß, was mein Einfluss bei Menschen bewirken kann. Ich kann dieser Farm viel einbringen – Kunden, Aufmerksamkeit, ein Feuerwerk an Beiträgen.
»Also versprichst du es?«
Ich nicke, plötzlich hundemüde. Ich will den Rest von diesem Keksteller und mein Bett – in der Reihenfolge.
Ich will, dass mein Geist von einem One-Night-Stand mein Zimmer verlässt.
»Ich verspreche es. Ich werde morgen dort sein. Dann können wir noch mal von vorn anfangen.«
»Du wirst nicht abreisen?«, fragt er, und ich fühle mich an den nebligen, grauen Morgen erinnert, an dem von der Küste ein Unwetter drohte. Sein Arm, ausgestreckt unter den Kissen, die nackte Haut seines Rückens und die Kuhle in seiner Wirbelsäule. Das sanfte Zuschlagen der Tür, als sie hinter mir ins Schloss fiel, mein Koffer zu meinen Füßen.
Ich atme tief durch die Nase ein und stoße die Luft genauso langsam wieder aus. Es ist nicht seine Schuld, dass er mir nicht glaubt. Anscheinend ist Beckett der Typ, der einem Dinge lange übel nimmt.
Ich schnappe mir einen weiteren Keks von dem Teller. »Ich bleibe.«
März
»Hast du vor, wieder ins Bett zu kommen?«
Ihre Stimme ist rau vom Schlaf, und sie hat einen Knutschfleck am Hals, eine dunkle, purpurne Verfärbung, die ich nicht aufhören kann, anzustarren. Sie reckt die Arme über den Kopf, und das Laken verrutscht einen Zentimeter, sodass sich die Wölbung ihrer Brüste darunter abhebt. Ich will dieses Laken mit den Zähnen packen und es herunterzerren, bis sie nackt unter mir ist. Ich will auch noch hundert andere Dinge.
Ich schüttele den Kopf, als ich am Schreibtisch in der Ecke des Raumes lehne, und nehme stattdessen noch einen Schluck Kaffee.
Zurückhaltung, ermahne ich mich. Zeig ein wenig gottverdammte Zurückhaltung.
Sie grinst mich an.
»Oh, ich verstehe.« Sie lässt die Arme wieder sinken, fährt sich mit einer Hand durchs Haar und schiebt die andere unter die Laken. Eine Braue wird einladend hochgezogen. »Du beobachtest gern.«
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mit Evie so ziemlich alles gern tun würde. Ich will ihr seidiges schwarzes Haar um meine Faust schlingen, will diesen lächelnden Mund an meinem Hals spüren. Gestern Nacht, als sie zweiundzwanzig Minuten lang mit den Lippen die Tätowierung auf meinem Bizeps nachgezeichnet hat, das will ich auch. Ich will mich dafür an den Sommersprossen auf den Innenseiten ihrer Handgelenke und den Leberflecken auf ihren Hüften revanchieren.
Ich stoße mich vom Schreibtisch ab und stelle meine Tasse beiseite. Dann gehe ich zum Bett und beobachte die Bewegung ihrer Hand. Sie lässt sie weit unten über ihren Bauch wandern, ein einladendes Lächeln auf ihrem schönen Gesicht. Ich knie mich mit einem Bein aufs Bett und greife nach ihrem Knöchel. Ihr nackter Fuß baumelt über der Kante.
»Ich liebe es, zuzusehen«, sage ich, während ich ihren Schenkel umfasse und Platz für mich zwischen ihren langen Beinen schaffe. Ich hauche einen Kuss in ihre Kniekehle, und sie erbebt am ganzen Körper. Ich hauche einen weiteren Kuss direkt auf die Stelle darüber. »Aber noch lieber berühre ich dich selbst.«
Ein Finger bohrt sich in meinen Brustkorb, und ich werde brutal aus meinem Lieblingstagtraum gerissen.
»Hörst du mir überhaupt zu?«
Mein Knie zuckt, und einer meiner Boots verfängt sich an dem Stuhl vor mir, woraufhin Becky Gardener gefährlich zur Seite kippt. Sie hält sich mit weiß hervortretenden Knöcheln am Rand der Sitzfläche fest und sieht mich über ihre Schulter hinweg an. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf meine Schuhe und murmele eine Entschuldigung.
»Ja, ich höre zu«, sage ich zu Stella und schlage ihre Hand weg.
Irgendwie. Nicht wirklich. Es sind so viele Leute in diesem Raum. Alle Geschäftsleute aus der Stadt haben sich zusammen in den Konferenzsaal im Gemeindehaus gezwängt, einen uralten Raum, von dem ich mir ziemlich sicher bin, dass er als Lager für den Osterschmuck dient, wenn der leicht Furcht einflößende, etwa ein Meter achtzig große Hase in der hinteren Ecke ein Hinweis darauf sein soll. Es riecht nach abgestandenem Kaffee und Haarspray, und die Damen aus dem Friseursalon haben nicht aufgehört zu kichern, seit sie durch die Tür getreten sind. Es ist, als würde man im Schneidersitz mitten in einer Parade sitzen, während die Trommler um einen herummarschieren. All der Lärm macht mich nervös, und mein Nacken kribbelt unbehaglich.
Und ich stelle immer wieder Blickkontakt mit diesem Hasen her.
Normalerweise komme ich nicht zu dieser Art von Veranstaltungen, aber Stella hat darauf bestanden. Du wolltest Partner sein, hat sie gesagt. Das ist es, was Partner tun.
Ich dachte, eine Partnerschaft bedeute, dass ich den teuren Dünger kaufen darf, ohne mich deswegen mit irgendjemandem absprechen zu müssen, nicht, dass ich Meetings besuchen muss, die absolut keinen Sinn haben. Es gibt einen Grund, warum ich mir einen Job ausgesucht habe, bei dem ich fünfundsiebzig Prozent des Tages draußen verbringen kann.
Allein. In der Stille.
Ich habe Probleme, mit Leuten zu reden. Probleme, mir die richtigen Worte zur richtigen Zeit in der richtigen Reihenfolge zu überlegen. Bei jedem Einzelnen meiner Besuche in der Stadt habe ich das Gefühl, als würden mich alle anglotzen. Ein Teil davon ist nur Einbildung, das weiß ich, aber ein Teil davon ist …
Ein Teil davon ist Cindy Croswell, die in der Apotheke so getan hat, als sei sie gestürzt, nur damit ich ihr wieder aufhelfe. Oder Becky Gardener aus der Schule, die mich fragt, ob ich eine Exkursion veranstalten könne, während sie mich anstarrt, als sei ich ein Steak mit Kartoffelbeilage. Ich habe die halbe Zeit, wenn ich in der Stadt bin, keine Ahnung, was eigentlich los ist, aber ich habe das Gefühl, als würden die Leute ihren verdammten Verstand verlieren.
»Du passt nicht auf«, meldet Layla sich rechts von mir zu Wort, die Beine übereinandergeschlagen, während sie mit einer Hand in der riesigen Popcornschale herumfuchtelt, die sie mitgebracht hat. Layla betreibt die Bäckerei auf der Farm, während Stella sich um den Tourismus und ums Marketing kümmert. Da Inglewild die Größe einer Briefmarke hat, und Stella sich in den Kopf gesetzt hat, Lovelight Farms zu einem Stützpfeiler der Gemeinde zu machen, wie sie immer wieder betont, erwartet man uns anscheinend auf solchen Veranstaltungen.
Ich weiß nicht einmal, worum es bei diesem Meeting überhaupt geht.
»Woher hast du denn das Popcorn?«
Ich mustere außerdem die monströse Tasche, die sie unter ihren Stuhl gestopft hat. Ich weiß ganz sicher, dass da drin einige Brownies und eine halbe Schachtel Cracker sind. Sie sagt, dass das alle zwei Monate stattfindende Meeting der Einzelhändler ätzend sei ohne Verpflegung, und ich bin geneigt, ihr zuzustimmen. Nicht, dass sie angeboten hätte, ihren Proviant mit mir zu teilen.
Layla lässt einen Finger direkt vor meinem Gesicht kreisen und ignoriert meine Frage. »Du hast diesen verträumten Ausdruck auf dem Gesicht. Du denkst an Evelyn.«
»Tue ich nicht.« Ich seufze und lasse die Schultern kreisen in dem verzweifelten Wunsch, die Anspannung zu lindern, die sich dazwischen festgesetzt hat. »Ich habe an die Paprikaernte gedacht«, lüge ich.
Ich bin nicht bei der Sache. So geht es mir schon seit diesen zwei besagten Nächten im August. Schweißnasse Haut. Haar, so dunkel wie die Finsternis. Evie St. James hat gerochen wie Meersalz und geschmeckt wie Zitrusfrüchte.
Seitdem kann ich nicht mehr klar denken.
Layla verdreht die Augen und stopft sich eine weitere Handvoll Popcorn in den Mund. »Okay, wenn du meinst.«
Stella greift über mich hinweg und reißt Layla die Schale aus den Händen. »Sie fangen gleich an. Wenn wir so tun könnten, als seien wir Profis, wäre das großartig.«
Ich ziehe beide Brauen hoch. »Für das Stadtmeeting?«
»Ja, für das Stadtmeeting. Das Meeting, an dem wir gegenwärtig teilnehmen.«
»Ah, ja. Das läuft ja immer sehr professionell ab.«
Beim letzten Meeting der Stadt hat Pete Crawford bei einer Abstimmung über neue Parkregeln vor dem Supermarkt versucht, Georgie Simmons an die Wand zu reden. Er hat Speed nachgespielt, komplett mit Requisiten und Stimmen.
Stella wirft mir einen vielsagenden Blick zu und richtet anschließend mit der Schale im Arm ihre Aufmerksamkeit Richtung Rednerpult. Layla rutscht währenddessen näher an mich heran und stützt ihr Kinn auf meinen Ellenbogen. Ich seufze und schaue zu den schweren Holzbalken empor, die unter der Decke verlaufen, während ich um Geduld bete. Dort oben klemmt ein Ballon, aus dem die Luft gewichen ist, wahrscheinlich ein Überbleibsel von dem Valentinstagsevent, das sie letzten Monat hier veranstaltet haben. Ich glaube, es war so eine Speed-Dating-Sache. Meine Schwestern haben versucht, mich dazu zu bringen, hinzugehen, aber ich habe mich in meinem Haus verbarrikadiert und mein Handy ausgeschaltet. Ich schaue zu dem Ballon hoch und runzele die Stirn. Ein verblasstes rotes Herz, erschlafft und festgeklebt und mit verhedderter Schnur.
»Hast du mal mit ihr geredet, seit sie gegangen ist?«
Einige Male. Eine nichtssagende Nachricht, abgeschickt mitten in der Nacht nach einem Bier zu viel. Eine typische Antwort. Ein Foto von ihr auf einem offenen Feld, irgendwo dort draußen auf der Welt, eine Textzeile, die sagte:
Nicht so schön wie deine Farm, aber trotzdem ziemlich schön.
Ich habe mein Handy befummelt, als diese Nachricht reinkam, habe mit dem Daumen auf ihren Worte hin- und hergestrichen, als hätte ich meine Hände stattdessen auf ihrer Haut.
Eine Social-Media-Influencerin. Anscheinend eine wichtige. Ich versuche immer noch, das in den Kopf zu bekommen. Millionen und Abermillionen Follower. Eines Nachts habe ich sie gecheckt, als die Stille meines Hauses unerträglich wurde, und mit meinem Daumen auf das Display meines Handys geklopft. Ich habe ihren Account studiert und konnte nicht aufhören, auf diese kleine Zahl am oberen Rand zu starren.
Seitdem habe ich ihren Account nie wieder aufgerufen.
Ich hatte schon früher One-Night-Stands, jede Menge sogar. Aber ich bekomme Evie einfach nicht aus dem Kopf. Die Gedanken an sie sind wie ein Hunger in meinem Magen, ein Summen direkt unter meiner Haut. Wir hatten in Bar Harbor zwei Nächte zusammen verbracht. Ich sollte nicht … ich weiß nicht, warum ich sie immer noch vor mir sehe, wenn ich die Augen schließe.
Eingehüllt in Bettlaken. Haare in meinem Gesicht. Dieses leichte Lächeln, das mich in den Wahnsinn getrieben hat.
»Ich habe an Paprika gedacht«, wiederhole ich, entschlossen, an dieser Lüge festzuhalten. Es ist immer das Beste, Layla gegenüber nicht klein beizugeben. Wenn man ihr den kleinen Finger reicht, nimmt sie die ganze Hand, und gleichzeitig gibt sie dir das letzte Hemd, einfach nur so, um Druck aufzubauen. Ich bin mit drei Schwestern aufgewachsen. Ich wittere ein Kreuzverhör wie eine Veränderung der Windrichtung.
»Dein Gesicht sagt nicht, dass du an Paprikaschoten gedacht hast. Es sagt, dass du an Evelyn gedacht hast.«
»Hör auf, mein Gesicht anzusehen.«
»Hör auf, das Gesicht zu machen, das du machst, und ich werde aufhören, es anzusehen.«
Ich seufze.
»Ich finde einfach, dass es eine Schande ist, das ist alles.« Layla greift über mich hinweg, um sich eine weitere Handvoll Popcorn zu schnappen, und ein Körnchen landet auf meinem Schoß. Ich schnippe es weg und treffe Becky Gardener am Hinterkopf. Herrgott. Ich zucke zusammen und sinke tiefer auf meinem Stuhl. »Ihr zwei habt den Eindruck gemacht, als würdet ihr voll aufeinander stehen.«
In Wirklichkeit hatten wir einander umkreist wie zwei scheue Kätzchen. Nachdem ich sie im Bed and Breakfast besucht hatte, habe ich ihr versprochen, einen großen Bogen um sie zu machen, damit sie ihren Job erledigen konnte. Es war schwerer, als ich erwartet hatte, dieses Versprechen zu halten. Sie zwischen den Baumreihen auf der Farm stehen zu sehen, ein Lächeln auf dem Gesicht, während sie die Hände über die Äste gleiten ließ – nun ja … Es war wie ein Hieb mit einem Baseballschläger mitten ins Gesicht. Mehrfach. Aber der Wettbewerb bedeutete Stella alles, und ich wollte unsere Chance nicht ruinieren wegen einer … ja, was …
Einer Schwärmerei? Eines Flirts?
Ich weiß nicht mal, was es war, nur, dass es mich herausforderte,
in ihrer Nähe zu sein. Immerzu musste ich daran denken, wie sie sich an mich geschmiegt hat. Wie die Haut direkt unter ihrem Ohr geschmeckt hat. Wie es sich angefühlt hat, wenn ihr Haar mein Kinn gestreift hat, meine Schultern, meine Oberschenkel. Ich habe mich dabei ertappt, dass ich sie zum Lachen bringen, mit ihr reden wollte.
Ich kann die Menschen, mit denen ich normalerweise reden will, an den Fingern einer Hand abzählen.
Aber wir haben es letztlich hingekriegt, haben eine gewisse Routine entwickelt, während sie hier war. Höfliche Konversation und freundliches Nicken. Eine einzige geteilte Scheibe Zucchinibrot an einem stillen Nachmittag – jede Menge Abstand zwischen uns. Dieselbe elektrische Spannung, die uns in einer heruntergekommenen Bar in Maine zueinander hingezogen hatte, hat sich langsam weiterentwickelt zu einem dünnen Faden der Verbundenheit.
Und dann ist sie gegangen. Wieder einmal.
Unglücklicherweise bin ich immer noch nicht dahintergekommen, wie ich nicht an sie denken soll.
»Was für eine Sorte Paprikaschoten?«
Ich schüttele kurz den Kopf und versuche, ein Bild von Evelyn loszuwerden, wie sie zwischen zwei turmhohen Eichen am Rand des Grundstücks steht, ihr Gesicht im Profil und dem Himmel zugewandt. Die Sonne hat sie in schimmernde Goldtöne eingehüllt, und Blätter sind sachte um sie herumgeflattert. Ich räuspere mich und korrigiere meine Position auf dem Klappstuhl, wobei mein Knie seitwärts gegen das von Layla stößt. Ich bin viel zu groß für diese Stühle, und in diesem verdammten Raum sind einfach zu viele Menschen. »Was?«
»Was für eine Sorte Paprikaschoten pflanzt du an? Ich habe nirgendwo auf den Feldern Schilder für Paprikaschoten gesehen.«
Mein Nacken wird heiß. »Du bist nie draußen auf den Feldern.«
»Ich bin jeden Tag auf den Feldern.«
Sicher, sie spaziert über die Felder auf dem Weg zum Backhaus, das sich mittendrin befindet. Aber sie hält sich nie bei den Gemüsebeeten auf. Es sei denn, sie braucht etwas. Frustriert kratze ich mich am Kinn. Ich verwette meine ganzen Ersparnisse darauf, dass sie morgen früh etwas finden wird, das sie von dort draußen braucht.
»Große Paprikaschoten«, stoße ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
Scheiße, jetzt muss ich losziehen und Paprikaschoten anpflanzen.
Layla brummt leise etwas, und ihre Augen leuchten schelmisch. »Welche Farbe?«
»Was?«
»Welche Farbe haben die Paprikaschoten, …«, sie spricht das mit einer genervten Betonung aus, »… die du angepflanzt hast?«
»Er hat auf den Feldern im Südosten zwei Reihen rote Paprikaschoten neben den Zucchini angepflanzt. Von denen du keine einzige abbekommst, wenn du nicht aufpasst«, zischt Stella. Layla und ich sehen sie beide erschrocken an. Es ist nicht Stellas Art, so herrisch zu werden. Ganz zu schweigen davon, dass das … gelogen ist. Und wir wissen es beide.
Plötzlich weicht Stellas Härte und und sie sackt in sich zusammen.
»Tut mir leid. Ich bin gestresst.« Sie gibt Layla ihre Popcornschale zurück.
»Offensichtlich«, antwortet Layla mit einem Lachen und greift danach. Ihr Blick findet meinen und hält ihn fest, dann werden ihre Augen schmal, bis ich nur noch ein Fitzelchen Haselnussbraun sehen kann. Sie hat vom Backen heute Morgen noch etwas Marmelade im Haar. Erdbeermarmelade, wie es aussieht. Einen Moment später pikst sie mir mit dem Zeigefinger mitten zwischen meine Augenbrauen und klopft einmal auf die Stelle. »Denk nicht, dass ich das vergessen werde.«
Ich schlage ihre Hand weg. Sie kann meinetwegen die nächsten sechs Monate auf diesem Thema herumhacken. Ich werde es einfach als Hintergrundrauschen ignorieren.
Ich richte meine Aufmerksamkeit auf Stella und drücke meinen Stiefel gegen ihren. Sie hat nervös mit dem Fuß auf den Boden getippelt, hört jetzt aber damit auf und verzieht das Gesicht. »Tut mir leid.«
»Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest.« Ich zucke die Achseln und lasse den Blick durch den Raum schweifen. »Kommt Luka nicht?«
Wenn Luka hier wäre, hätte er eine Hand zwischen ihre Schulterblätter gelegt, und sie wäre dahingeschmolzen wie Butter. So war das schon zwischen ihnen, bevor sie ein Paar geworden sind, und sie haben idiotisch lange gebraucht, um zu sehen, was sie direkt vor ihren Nasen hatten. Ich habe den stadtweiten Wettpool nicht gewonnen, war aber nah dran. Gus von der Feuerwehr hat pausenlos darüber geredet und war so weit gegangen, ein Schild über der Parkbucht vor dem Feuerwehrgebäude anzubringen. Darauf steht: Inglewilds bester Verkuppler, als hätte er irgendetwas damit zu tun gehabt, dass Luka und Stella einander fast zehn Jahre lang umkreist haben. Ich lasse mich noch tiefer auf meinen Stuhl sinken und versuche, meine Beine so zu arrangieren, dass ich tatsächlich auf dieses verdammte Ding passe.
»Er ist auf dem Weg hierher«, murmelt sie, und ihr Blick fliegt zur Tür, als könne sie ihn mit schierer Willenskraft dort erscheinen lassen. Mit einer Hand streicht sie sich die wirren schwarzen Locken aus dem Gesicht. »Aber er hat sich verspätet.«
»Er wird schon noch auftauchen«, versichere ich ihr. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Luka sich das hier um nichts auf der Welt entgehen lassen würde. Nicht einmal, wenn seine winzige italienische Mutter und all ihre nervtötenden Schwestern die Tür versperren würden. Wenn er gesagt hat, er wird kommen, wird er auch auftauchen.
»Hey.« Ich senke die Stimme und beuge mich weiter vor, während ich feststelle, dass Layla rechts von ihr immer noch munter drauflosknabbert. Sie hat angefangen, Popcorn in die Luft zu werfen und es mit dem Mund aufzufangen. Sie hat noch keins verfehlt. »Ich habe keine Paprika angepflanzt.«
Daraufhin scheint Stella sich ein wenig zu entspannen, und ein freches Lächeln umspielt ihre Mundwinkel. »Das weiß ich doch.«
»Warum hast du es dann gerade behauptet?«
»Weil du so ausgesehen hast, als bräuchtest du Hilfe. Und ich weiß, wie es ist, sich mit Gefühlen auseinanderzusetzen, bevor man sie mit allen anderen teilen kann.« Die Tür zum Gemeindesaal öffnet sich knarrend, und Luka tritt ein, bevor er sich suchend umschaut. Sein Haar steht ihm in alle Richtungen vom Kopf ab, und der Saum seines Shirts steckt nur halb in seinen Jeans. Er macht den Eindruck, als sei er direkt vom Stadtrand Delawares hierhergerannt. Stella stößt einen Seufzer aus und verzieht den Mund zu einem breiten Grinsen. Auf Lukas Gesicht erstrahlt daraufhin ein Lächeln, als er sie in der Menge entdeckt. Wenn ich die beiden so beobachte, fühlt es sich an, als würde mir jemand einen Cupcake direkt ins Gesicht klatschen.
»Außerdem …« Stella lässt Luka nicht aus den Augen, während er versucht, durch die Reihen von Menschen zu klettern, um zu dem freien Platz neben ihr vorzudringen. Er wirft einen Klappstuhl um, und Cindy Croswell wäre dabei um ein Haar zu Boden gegangen. »Ich wünsche mir schon seit Ewigkeiten Paprika auf der Farm.«
»Ah, okay. Deshalb.«
»Luka macht wirklich leckere gefüllte Paprikaschoten«, kichert sie, während er sich auf den Platz neben ihr gleiten lässt. Sofort wandert seine Hand in ihr Haar und auf ihre Schultern, um sie zu kraulen, und sie beugt sich weiter zu ihm vor. Ich wende den Blick ab und schaue nach vorn, wo Sheriff Jones sich vor dem hölzernen Podest bereit macht, aber mir entgehen das leise Flüstern der beiden und die Art, wie Stella sich an ihn schmiegt, nicht. Wie Luka sie etwas näher an sich heranzieht.
Nicht zum ersten Mal bin ich eifersüchtig. Ich hatte so etwas noch nie. Nie war ich jemandem so nahe gekommen, nie hatte ich eine andere Person mit meinen Fingerspitzen berührt und beobachtet, wie sie sich neben mir entspannt.
Ich denke an meinen Daumen auf einer vollen kirschroten Unterlippe und rutsche auf meinem Stuhl nach vorn. Das Metall quietscht unheilverkündend unter mir.
Ich wäre wirklich froh, wenn ich aufhören könnte, an Evelyn zu denken.
Layla beugt sich über mich und rammt mir dabei die Popcornschale in die Rippen. »Die Besenkammer ist frei, falls ihr zwei euch verziehen möchtet.«
Ich lache schnaubend. Stella stöhnt. Luka versenkt seine Hand in der Popcornschale.
»Hat die Kammer ein Schloss?«
Laylas Kichern ist laut genug, um die Aufmerksamkeit der vorderen Reihen auf uns zu lenken. Einige der Damen aus dem Friseursalon halten in ihrem Gespräch inne, um uns einen warnenden Blick zuzuwerfen, und Alex aus der Buchhandlung hebt zum Gruß seine Kaffeetasse. Ich bemerke Deputy Caleb Alvarez direkt hinter dem Sheriff, und ein Lächeln umspielt seine Lippen, während er Layla beobachtet.
Ich fange Stellas Blick auf, und sie grinst.
»Also schön, dann legen wir mal los.« Sheriff Dane Jones räuspert sich und räuspert sich abermals, und das Geplapper im Raum verstummt, während sich alle auf das Meeting vorbereiten. »Erster Tagesordnungspunkt. Ms. Beatrice, die Polizei wäre Ihnen dankbar, wenn Sie aufhören würden zu versuchen, die Autos vor dem Café selbst abzuschleppen. Sie haben nicht die Ausrüstung dafür, und es hat einige Beschwerden darüber gegeben, dass Sie Ihren eigenen Wagen als Rammbock benutzt haben.«
»Sie hat versucht, mich umzubringen!«, ruft Sam Montez aus dem hinteren Teil des Raums. Seine Mütze rutscht zur Seite, als er von seinem Stuhl aufspringt. »Ich bin für eine Minute aus meinem Wagen gestiegen – maximal zwei –, und sie hat versucht, mich umzubringen!«
Ich verberge mein Lächeln hinter meiner Faust. Sam hat die schlechte Angewohnheit, in der zweiten Reihe zu parken. Für gewöhnlich kein Problem auf unseren Kleinstadtstraßen, aber trotzdem nervig. Ich kann gerade eben Ms. Beatrice’ Kopf am Ende der vorderen Reihe ausmachen. Sie hat sich ihr graues Haar zu einem wirren Knoten frisiert und murmelt etwas, das ich nicht ganz verstehe. Dane runzelt jedoch die Stirn, und Caleb verschluckt praktisch seine Zunge, um nicht laut loszuprusten.
»Also, diese Ausdrucksweise ist nicht angebracht. Wenn jemand Ihre Laderampe blockiert, können Sie Caleb oder mich anrufen.«
Sie murmelt noch etwas, und Shirley aus dem Salon schnappt nach Luft. Dane kneift sich mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken. »Bea, was habe ich Ihnen darüber gesagt, in Anwesenheit eines Polizeibeamten mit körperlicher Gewalt zu drohen? Sam, setzen Sie sich wieder hin.«
Sam lässt sich auf seinen Stuhl fallen und hebt seine Mütze auf. Luka beugt sich über mich, um noch einmal in Laylas Popcornschale zu greifen.
»Du hast gar nicht erzählt, wie unterhaltsam dieses Meeting werden würde, Layla.«
»Normalerweise sind die Treffen nicht so farbenprächtig in ihrer Ausdrucksweise«, antwortet Stella ihm und nimmt ein Popcorn entgegen, das er ihr hinhält.
»Doch, sind sie wohl«, widersprechen Layla und ich wie aus einem Mund.
»Nächster Punkt.« Dane schaut auf den Stapel Papiere auf dem Podium und stößt ein gedämpftes Stöhnen aus. Er sieht Caleb mit flehender Miene an. Caleb zuckt die Achseln, und Dane wendet sich wieder dem Raum zu. »Ms. Beatrice, wenn Sie freundlicherweise die WANTED-Poster aus dem Schaufenster Ihres Ladens entfernen könnten, wäre das großartig.«
Diesmal bin ich nicht der Einzige, der sich ein Lachen verkneifen muss. Im Raum bricht ein leichtes Raunen aus, und Caleb muss uns den Rücken zuwenden, um sein Grinsen zu verbergen, was nicht viel nützt, da seine Schultern verdächtig zittern. Ms. Beatrice hängt seit Monaten WANTED-Schilder in ihre Schaufenster, seit sie zwei Touristen in der Toilette erwischt hat, wie sie das Waschbecken auf neue und kreative Weise benutzt haben.
Dane legt den Kopf schräg, um sich anzuhören, was immer Ms. Beatrice zu der Angelegenheit zu sagen hat. »Ich stimme Ihnen zu, dass öffentliche Unzucht ein Verbrechen ist, aber noch einmal, rufen Sie einfach Caleb oder mich an.« Er hebt die Hand, um ihre Antwort abzuwürgen, und schaut auf das Podium, erpicht darauf, mit der Agenda weiterzukommen. Aber was immer er sieht, veranlasst ihn, den ganzen Papierstapel mit einem Ächzen zusammenzufalten. »Na schön, Ms. Beatrice, Sie und ich müssen offensichtlich ein Wörtchen miteinander reden. Wir vertagen die …«, er blättert eine Seite um und schaut wieder in die Menge, »… anderen sieben Punkte auf nächstes Mal.«
»Denkt ihr, es hat sich jemand darüber beschwert, dass sie sich weigert, Mandelmilch anzubieten?«, flüstert Layla gepresst. Tatsächlich hat sie welche gekauft. Sie hat sie nur in einen Behälter umgefüllt, auf dem Hipster-Saft steht.
»Wahrscheinlich wegen Karen und des Latte-Zwischenfalls«, antworte ich. Ich bin nachmittags selten in der Stadt, aber ich bin zufällig an dem Tag vorbeigekommen, an dem Ms. Beatrice sich geweigert hat, Karen Wilkes zu bedienen, weil sie unhöflich zu den Bedienungen war. Und irgendwie hat ein Latte macchiato seinen Weg über Karens Bomberjacke aus Kunstpelz gefunden. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihr wegen dieser Sache einen Vorwurf mache.
»Also gut«, dröhnt Danes Stimme durch den Raum, und alle beruhigen sich wieder. »Nächster Punkt. Die Pizzeria ist … ähm …« Er zögert und reibt sich seinen Schnurrbart und sein Kinn. Er klopft einmal darauf und sieht sich im Raum um. »Matty möchte Sie alle wissen lassen, dass es in diesem Monat ein Sonderangebot gibt. Die Hälfte der Mittwochseinnahmen gehen an die Grundschule, um deren naturwissenschaftliche Exkursionen zu finanzieren.«
Stellas Hand schießt hoch. Dane sieht aus, als wolle er zur Tür hinausgehen und nicht mehr stehen bleiben. »Ja, Stella?«
»Ist das hier ein passender Zeitpunkt, um euch mitzuteilen, dass ich denke, ihr zwei seid das süßeste Paar, das ich je im Leben gesehen habe, und darf ich euch bei der Gelegenheit auch dazu gratulieren, dass ihr endlich zusammengezogen seid?«
»Mir gefällt der Kranz, den Sie an Ihre Tür gehängt haben«, bemerkt Mabel Brewster von irgendwo mitten im Raum. »Und die Vogeltränke im Garten. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie so ein gutes Auge für Gartengestaltung haben, Sheriff.«
Im Rest des Raums explodieren Bemerkungen und Fragen bezüglich des Liebeslebens des Sheriffs.
»Haben Sie sie auf dem Bauernmarkt gesehen? Ich schwöre, ich habe Dane Jones noch nie so viel lächeln sehen.«
»Meinen Sie, er hätte ein einziges Mal gelächelt? Denn ich denke, das ist der aktuelle Rekord.«
»Sie haben Händchen gehalten. Er hat Matty Blumen gekauft.«
»Wo ist Matty eigentlich? Sie können ihn nicht hinter Schloss und Riegel halten, nur weil Sie beide jetzt ein Paar sind.«
Ich versinke tiefer auf meinem Stuhl, und das Summen der Gespräche strömt über mich hinweg. Es ist wie ein Rauschen in meinem Hinterkopf, ein Klingeln in meinen Ohren. Ich drücke meinen Daumen tief in meine Handfläche und versuche, mich stattdessen auf diese Stelle zu konzentrieren.
Dane sieht so aus, als sei er drauf und dran, im vorderen Teil des Raums zu platzen. Seine Wangen über seinem Bart sind flammend rot, und er nestelt an der Mütze herum, die er sich unter den Arm geklemmt hat.
Ich stupse Stella mit dem Ellenbogen an. »Machst du dir keine Sorgen, dass es dir ähnlich ergehen wird?«
»Wie meinst du das?«
Ich deute zwischen ihr und Luka hin und her. »Wann zieht ihr zwei zusammen?«
»Oh.« Sie wedelt sorglos mit der Hand. »Sobald wir einen Plan haben, wie wir mehr Platz schaffen können. Ich denke nicht, dass Luka jetzt schon bereit ist für mich in meiner vollen chaotischen Pracht.«
Stella wohnt in einem Cottage, das sich auf der gegenüberliegenden Seite der Farm befindet, ein winziges Haus, das randvoll ist mit alten Zeitschriften und halb leeren Kaffeebechern. Es sieht aus, als würde dort ein achtzigjähriger Messie leben, Luka hat kaum eine Chance zu intervenieren. Ich habe die beiden einmal über Geschirrtücher mit Zwergen darauf streiten hören. Stella wollte sie nicht wegwerfen, weil sie anscheinend immer für Gesprächsstoff sorgen.
»Wir werden zusammenziehen, wenn wir ein oder zwei Schlafzimmer anbauen können, damit er sich irgendwo ausheulen kann, wenn ich seine T-Shirts nicht genau richtig falte.« Sie zuckt die Achseln und schlingt Lukas Arm um ihre Schultern. Er kneift sie sachte, ohne auch nur hinzuschauen, und ihr Lächeln dehnt sich zu einem Grinsen aus. »Ich lasse das gern jeden wissen, der fragt. Alles andere … Dane muss klar sein, dass wir ihn lieben. Dass wir sie beide lieben. Er hat mir einmal gesagt, er glaube nicht, dass er gut genug für Matty sei. Er hatte Angst, das Risiko einzugehen.« Sie beugt sich zu Luka vor, bis ihre Schläfe fast sein Kinn berührt. »Er verdient es zu wissen, dass die Stadt auf seiner Seite ist. Dass wir uns über sein Glück freuen.«
Das ist ja alles schön und gut, aber Dane sieht aus, als würde er gleich schmilzen.
»Selbst wenn es den Rest dieses Meetings entgleisen lässt?«
Sie grinst. Luka ruft irgendetwas, bei dem es um zusammenpassende Porzellanmuster geht. Jubel brandet in dem kleinen Raum auf, und Dane presst sich eine Faust auf die Stirn. »Dann ganz besonders.«
Ich lehne mich mit einem Kichern zurück, verschränke die Arme vor der Brust, ziehe mir die Baseballkappe tief über die Augen und strecke die Beine so weit aus, wie es möglich ist. Meiner Erfahrung nach ist es das Beste, solchen Dingen einfach ihren Lauf zu lassen.
Ich schließe die Augen, atme tief ein und denke an Paprika.
»Ähm, hey.« Irgendwo über mir räuspert sich jemand, was eher wie ein raues Knurren klingt. »Wartest du auf jemanden?«
Ich schaue von meinem Handy zu der hochgewachsenen Gestalt eines Mannes auf. Er lehnt mit der Hüfte an der Tischkante, und seine Mundwinkel hängen herab. Ich glaube nicht, dass ich ihn ein einziges Mal habe lächeln sehen, seit ich hier bin – allerdings gab es ohnehin nur wenige Gelegenheiten, ihn überhaupt zu sehen. Ich denke, er versteckt sich jedes Mal in einer der Scheunen, wenn ich über das Gelände wandere.
Es macht mich traurig.
Und auch ein klein wenig ärgerlich.
»Nein.« Mit dem Fuß schiebe ich ihm den freien Stuhl mir gegenüber unter dem Tisch hervor. Eine stumme Einladung.
Er wartet einen Herzschlag lang ab, dann lässt er sich auf den kleinen Stuhl sinken. Ich beobachte ihn. Ellenbogen auf den Tisch gestützt, Schultern nach vorn gezogen. Sein ganzer Körper neigt sich nach vorn, während er auf seinen Teller starrt, als enthalte dieser die Geheimnisse des Universums. Minuten verstreichen, und er sagt kein Wort.
»Also.« Ich stütze das Kinn in die Hand und schlürfe einen Schluck von meinem Kaffee. Ich halte meine Stimme hell und wohlgelaunt, ein scharfer Kontrast zu der peinlichen Anspannung, die mir die Eingeweide zusammenkrampft. Meine Mom sagt, ich sei unempfindlich gegen die Stimmungen anderer. Dass ich selbst die dunkelste Gewitterwolke aufhellen könne.
Mit Beckett habe ich das Gefühl, als würden wir uns beide in der Gewitterwolke aufhalten. Zusammen sind wir ein Monsun.
»Wie läuft's so?«
Er hat gerade einen Bissen Zucchinibrot perfekt auf seine Gabel gespießt und sieht mich an. »Hmm?«