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Lupin ist Sternenhüter seit er denken kann. Er lebt auf den Dächern und bewacht das Firmament. Es ist ausgerechnet kurz vor Weihnachten, als ihm auf einmal Ungeheuerliches auffällt: Nach und nach verschwinden Sterne vom Himmelszelt, einer nach dem anderen! Gemeinsam mit Romina und Max kommt er einem skrupellosen Sternendieb auf die Spur und die spannende Jagd beginnt. Gelingt es den dreien, Weihnachten rechtzeitig zu retten?
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Seitenzahl: 64
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Lupin saß auf dem Dach und starrte durch sein Fernglas in die Dunkelheit. Vor seinem Gesicht bildeten sich kleine, weiße Atemwolken. Fröstelnd zog er die Kapuze etwas weiter über die Ohren um sich vor der beißenden Kälte zu schützen und rieb die behandschuhten Finger aneinander.
Lupin hatte seine Augen in den Himmel gerichtet und seine Stirn war konzentriert gefurcht. Der Schein der unzähligen Sterne am Nachthimmel ließ die weißen Vorgärten, Straßen und Hausdächer von Haselstadt sanft leuchten. Hier und da standen lichterbehangene Tannenbäume vor den Häusern und warfen ihren warmen Schein in die Dunkelheit. Alles war mit einer meterdicken Schneedecke überzogen.
Es war anfangs Dezember und alle Welt war in Weihnachtsstimmung. Alle Welt? Lupins Stirn furchte sich noch ein wenig stärker, während er hoch in den Himmel starrte. Dann stieß er einen ganz unweihnächtlichen Fluch aus.
„Himmel, Augustin und Zipfel nochmals!“
Ein Kichern ließ ihn flüchtig zusammenfahren. Dann verdrehte er die Augen und zog sich die Kapuze noch etwas weiter ins
Gesicht, ohne das Fernglas sinken zu lassen.
Eine kleine, drahtige Gestalt schwang sich über das Geländer der Feuertreppe aufs Dach und ließ sich leichtfüßig neben Lupin im Schnee nieder.
„Himmel, Augustin und Zipfel?“, kicherte sie. Lupin warf ihr einen nachtschwarzen Blick zu. Den man leider – da es schwarze Nacht war – nicht sehen konnte. Die Gestalt kicherte wieder und kuschelte sich an Lupin, welcher unwillkürlich dankbar war für die einseitige Wärme und seine Augen wieder nach oben wandte.
Eine Weile saßen sie schweigend da. Lupin beobachtete den Himmel und die Gestalt neben ihm folgte für einen kurzen Moment seinem Beispiel. Dann schien es ihr langweilig zu werden und sie fing an, an einem ihrer Zöpfe zu knabbern.
„Knurps, knurps“, machte es, wenn ihre Zähne über die Haare fuhren und wieder zurück. Ein ganz leises Geräusch. Aber in einer stillen Winternacht werden auch die leisesten Geräusche laut. Bald schon stieß Lupin genervt die Luft aus.
„Halt die Klappe, Romina!“, zischte er und stieß die Kleine in die Rippen. Die Gestalt ließ wieder ihr Kichern vernehmen. Dann sprang sie wie eine Feder auf die Füße.
„Was bist du nur so garstig heute!“, kicherte sie, umkreiste den Jungen und stellte sich direkt vor Lupins Fernglas. Lupin tat so, als wäre sie Luft und richtete seinen Blick etwas steiler in die Luft. Da piekste die Gestalt Lupin mit dem Zeigefinger in den Bauch, so fest, dass er zusammenzuckte.
„Himmel, Augustin… Romina! Hör auf zu nerven! Siehst du denn nicht? Es fehlen schon wieder drei!“ Romina kicherte erneut los.
„Drei weniger… drei mehr… Was macht das schon? Da sind noch abertausende andere, was spielt es da für eine Rolle, wenn einige fehlen?“, flüsterte sie und starrte mit riesengroßen Augen in Lupins Gesicht. "Lass uns spielen, ein Wettrennen machen!“, rief sie dann mit lauter Stimme und sprang in die Luft. Lupin zuckte schon wieder vor lauter Schreck zusammen.
„Himmel, A… Romina, sei bloß still! Man hört uns noch!“
„Was bist du nur für ein Spielverderber, Lupin Sternenhüter!“, erwiderte die Kleine hochmütig, schob die Unterlippe vor und ließ sich schmollend wieder im Schnee nieder. Mit bloßen Händen begann sie damit, Schneebälle zu formen, welche sie schön säuberlich zwischen ihren nackten Füßen auf den Boden stapelte.
Lupin hatte sich wieder dem Himmel zugewandt. Plötzlich traf ihn etwas Hartes mit voller Wucht am linken Ohr. Wie der Blitz sprang er auf die Füße und funkelte Romina an, welche hinter ihm noch immer im Schnee saß, ein ganzes Arsenal von Schneebällen vor sich im Schoß. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund, mit welcher sie vergeblich versuchte, ihr breites Grinsen zu verbergen und strahlte Lupin verschmitzt an. Da schüttelte er resigniert den Kopf.
„Na los, gehen wir spielen“, seufzte er. „Du gibst ja doch keine Ruhe, Nervensäge! Wer zuerst beim großen Kamin ist!“ Er preschte los und Romina juchzend hinterher.
Während sie über die Dächer jagten, versuchte Lupin zu vergessen, was ihn seit Tagen beunruhigte: Die Sterne verschwanden vom Himmel… einer nach dem anderen. Das verhieß nichts Gutes. Vor allem nicht jetzt – kurz vor Weihnachten. Was, um Himmels Willen hatte das nur zu bedeuten?
Lupin und Romina tobten wild über die Dächer, rutschten über Ziegel und an den Regenrinnen hinunter und hatten für einen Augenblick riesigen Spaß, während über ihnen die Sterne funkelten und der Schnee in der Eiseskälte magisch glitzerte. Schauen wir uns die beiden währenddessen einmal etwas genauer an!
Lupin war Sternenhüter. Seit jeher überwachte er die Sterne und war dafür verantwortlich, dass am Nachthimmel alles seine Ordnung hatte. Romina war – nun, sie war eine Nervensäge. Eine kichernde Nervensäge. Davon abgesehen war sie klein und flink und ziemlich schnell. Sie konnte klettern wie ein Äffchen und schien völlig unempfindlich zu sein gegen die Kälte. Während Lupin eingehüllt in seinen Umhang und die Kapuze trotz Handschuhen, Strumpfhose und den dicken Fellstiefeln fror, hatte er Romina noch nie anders als barfuß gesehen. Ihr schmaler Körper war in ein weißes Laken gehüllt, die dunklen Zöpfe waren lang und struppig, fielen ihr bis über den Rücken und hüpften lustig auf und ab, wenn sie in Bewegung war – was eigentlich ständig der Fall war.
Nacht für Nacht besuchte Romina Lupin auf seinem Dach und schaute ihm beim Sternegucken zu. Lupin konnte sich nicht daran erinnern, dass es irgendwann anders gewesen wäre.
„Wer bist du?“, hatte Lupin sie früher immer wieder gefragt. Aber bei solchen Fragen kicherte Romina nur. Eine Antwort hatte er nie bekommen.
Lupin hätte es nie zugegeben – aber er mochte den kleinen Wirbelwind. Zwar gab es für ihn nichts Schöneres als den Anblick der Sterne… aber oft waren die Nächte lang und einsam. Vor allem im Winter. Sterne zu hüten war nicht gerade der aufregendste Job der Welt, fand Lupin. Sterne waren ja nicht wie Schafe, die man vor dem Wolf beschützen oder wie Ziegen, die man am Weglaufen hindern musste. Sie waren einfach da. Bis vor einigen Tagen. Da war ihm zum ersten Mal aufgefallen, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte.
„Hab ich dich!“, schrie Romina da und eine Ladung Pulverschnee landete mitten in Lupins Gesicht. Prustend jagte er ihr nach um sich zu rächen und hatte keine Zeit mehr um nachzudenken.
Stunden später begann der Horizont schwach zu leuchten. Stern um Stern verblasste, bis der Morgenstern schließlich als Einziger am Himmel stand. Die Dämmerung löste langsam die Finsternis der Nacht ab und Romina verschwand über die Dächer in Richtung Fluss. Lupin zwängte sich durch die Lücke zwischen Balken und Ziegeln auf den Dachboden des roten Hauses, in dem Max wohnte. Als er sich zwischen Kisten und Schachteln zusammenrollte, sich in seine alte Wolldecke kuschelte und der Nebel des Schlafes sich langsam in seiner Seele auszubreiten begann, schlich sich ein letzter Gedanke in seinen Kopf und spendete ein bisschen Trost: Er würde zu Falak gehen. Heute Abend, wenn er erwachte, würde er Falak einen Besuch abstatten. Der würde ihm erklären können, was los war mit dem Himmelszelt.
***
Ein paar Stunden später und drei Etagen tiefer drückte Max seine Cornflakes in der Schüssel nach rechts – nach links – und dann schob er alle in die Mitte und versenkte sie in der Milch. So lange er sie mit dem Löffel flach drückte, war von ihnen nichts zu sehen. Sobald er den Löffel herausnahm, bildeten sich an der Oberfläche der Milch kleine Spitzen, welche den Aufenthaltsort der Cornflakes verrieten. Schnell schob er sich einen Löffel davon in den Mund und dann begann das ganze