Mädchen ohne Schuhe - Christine Stutz - E-Book

Mädchen ohne Schuhe E-Book

Christine Stutz

5,0

Beschreibung

Marina ist sechzehn Jahre alt, als sie den Sänger Anthony Daytons kennen lernt. Zusammen nehmen sie einen Song auf, der Weltberühmt wird. Trotz Widerstand ihrer Eltern verliebt Marina sich in Anthony. Beide heiraten zwei Jahre später. Doch die Ehe steht unter einem schlechten Stern. Zu oft ist Anthony unterwegs und lässt Marina allein. Als sie ihn dann auch noch beim Fremdgehen erwischt, verlässt sie ihren Mann endgültig. Fünf Jahre später steht Anthony wieder vor Marinas Tür. Er will sie zurück und akzeptiert die Scheidung nicht. Marina weigert sich, denn sie hat ein Geheimnis. Es heißt Tony und ist vier Jahre alt! Anthony ahnt nicht, dass er einen Sohn hat. Er stellt Marina eine Bedingung. Er akzeptiert die Scheidung nur, wenn sie mit ihm nach London fliegt. Dort soll sie eine Woche mit ihm als Ehepaar leben! Anthony will ihr zeigen, wie sehr er sie immer noch liebt.

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Mädchen ohne Schuhe

TitelseiteImpressum

Mädchen ohne

Schuhe

1 Kapitel

Die Haustür knallte laut. Zum Glück hatte Tony einen sehr festen Schlaf. Das hatte er von seinem Vater geerbt. Marina seufzte. Jetzt waren schwere Schritte zu hören. Jugendliches Getrampel, so nannte Marina es immer gutmütig.

„Tante Ina, ich glaub es nicht!“ rief Lucy. „Ich werde verrückt! Wahnsinn!“ Das Mädchen kam nun durch den Flur in ihr kleines Wohnzimmer.

Marina hob ihren Kopf von ihren Akten und sah lächelnd der sechszehnjährigen Tochter ihrer besten Freundin entgegen, die jetzt die Tür des kleinen Wohnzimmers aufriss. Sie sprang über den, auf dem Boden schlafenden, vierjährigen Tony und blieb atemlos vor Marina stehen. „Tante Ina, das glaubst du nicht! ich habe Freikarten gewonnen!“ sagte Lucy atemlos und setzte sich auf den Schreibtisch. Marina konnte gerade noch die Akte retten. Lucy strahlte. Sie lachte über ihr ganzes Gesicht, als sie mit den Karten herum wedelte. „Und stell dir vor! ich darf auf das Konzert gehen. Mama hat es erlaubt! Ich nehme natürlich Iris mit!“ Lucy zwinkerte ihr zu. „Und dich, nur dann darf ich hin, sagt Mama. Sie würde ja selbst mitkommen, doch da sie im Moment nur am Kotzen ist, geht das nicht.“ Sagte sie ironisch und Marina verkniff sich ein Lachen.

Bittend sah Lucy Marina an, Sie schlug schmollend ihre Augen nieder, als Marina sich nun erhob und ihr Kreuz durchdrückte. Sie legte ihre Brille auf den Tisch und hob den schlafenden Tony auf. Der Junge war letzte Zeit ziemlich schwer geworden. Nun, er wuchs halt. Marina seufzte erneut. Ihr Sohn wurde so schnell groß.

„Gib mir den Zwerg, ich bringe ihn ins Bett“ sagte Lucy. Sie versuchte, Marina milde zu stimmen, um ihr die Erlaubnis zum Konzert abzuringen. Sie wusste genau, wie die beste Freundin ihrer geliebten Stiefmutter über Konzerte dachte. Marina hasste unerklärlicherweise solche Veranstaltungen. Lucy verstand das nicht.

Lucy nahm das schlafende Kind und trug es ins kleine Kinderzimmer. „Mama würde auf Tony achten. Sie sagt, es würde dir verdammt guttun, mal wieder unter junge Leute zu gehen. Und so ein Konzert ist da genau das Richtige. Du bist ja mit Iris und mir unterwegs, es kann dir also nicht viel geschehen.“ Erklärte Lucy und klimperte bittend mit ihren großen Augen.

Marina lächelte über Lucys Redeschwall. Denn, wenn das Kind eins konnte, dann war es reden. Lucy kam wieder ins Wohnzimmer und setzte sich zu Marina. Liebevoll legte sie den Arm um die schmale Frau. Wieder wedelte sie mit den Konzertkarten um sich. „Na wie ist es, Marina, noch einmal jung fühlen? Endlich mal in Jeanshosen und Turnschuhen, statt enges Kleid und hochhackige Schuhe, so tun, als hättest du Spaß?“ fragte Lucy schelmisch. „Vielleicht lernst du einen netten Mann kennen?“

Liebevoll gab Marina ihr eine Kopfnuss und gähnte. Der Tag war mal wieder lang gewesen. Eigentlich, so überlegte sie, hatte Lucy doch Recht. Wann war sie das letzte Mal aus dem Haus gegangen, ohne einen Kunden zu besuchen, oder Tony zum Kindergarten zu bringen? Wann hatte sie das letzte Mal eine Verabredung gehabt? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Ihr Leben bestand tatsächlich nur aus Arbeit und ihren Sohn. „OK, Mädchen, du hast gewonnen. Ja, ich gehe mit. Wann ist das Konzert denn?“ fragte Marina. Plötzlich freute sie sich. Endlich mal wieder ausgehen. Ohne Gedanken, was passieren könnte.

„Super, Klasse, Tante Marina. Das Konzert ist Samstagabend. Man, ich flippe aus. Das ausgerechnet ich die Freikarten für Any Days gewinne! Ich muss unbedingt Iris anrufen. Wir werden morgen die Stars in der Schule sein!“ schrie Lucy so laut, dass Marina Angst hatte, Tony könnte erwachen.

Lucy rannte laut die Treppe des großen Hauses herunter und ließ eine völlig geschockte Frau zurück, die sich nach Luft ringend, aufs Sofa setzte. Any Days! Ausgerechnet Any Days! Unter den tausenden von Konzerten gewann Lucy ausgerechnet Karten für dieses eine Konzert!

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Marina schloss ihre Augen. Das durfte nicht wahr sein. Verdammt, hätte sie Lucy nur erst nach der Gruppe gefragt, bevor sie ihr Einverständnis gegeben hatte. Sie hätte nie in ihrem Leben zugesagt! Jetzt war es zu spät. Lucy hing garantiert schon am Telefon und informierte ihre ganzen Freunde. Jetzt absagen, dass konnte sie dem lieben Mädchen nicht antun.

Marina nahm sich eine Decke und schlang sie um sich. Ihr wurde plötzlich furchtbar kalt, sie zitterte erbärmlich.

Ausgerechnet Any Days! Tränen stiegen in ihre Augen, als lange verdrängte Erinnerungen in ihr hochkamen. Erinnerungen, die sie lange verdrängt hatte.

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Plötzlich war sie wieder stolze sechszehn Jahre alt. Wundervolle sechszehn Jahre und voller Zukunftsfantasien. Ihre Eltern waren überaus streng und erlaubten Marina nie etwas, was nicht mit Schule zu tun hatte.

Doch dann hatte Ihr Vater, ein angesehener Rechtsanwalt sie, seine einzige Tochter, als Belohnung für ein überaus gutes Zeugnis mit in ein angesagtes Musikstudio genommen. Bis dahin hatte Marina sich nie viel aus Popmusik gemacht. Ihre Welt war Lernen und Klassische Musik gewesen. Von ihren strengen Eltern überwacht, hatte sie außer Melissa keine weiteren Freunde gehabt. Ihre langen Haare brav zu Zöpfen geflochten, ein schlichtes Kleid und zur Feier des Tages, ihre ersten, hochhackige Schuhe. So war sie damals hinter ihrem Vater hergelaufen, während er sich mit dem Musikproduzenten unterhalten hatte. Marina war brav hinterher getrippelt.

Ihr Vater hatte seine Tochter vollkommen vergessen gehabt. Marina hatte die Chance genutzt, sich in einer großen Halle in einer Ecke die hochhackigen Schuhe ausgezogen und erleichtert aufgeatmet. Ihre Füße schmerzten fürchterlich. Wie hielten die anderen Frauen das Martyrium stundenlang aus?

Plötzlich hatten zwei starke Arme sie hochgehoben und die erschreckt aufschreiende Marina auf eine große Sound Box gesetzt. Ein ziemlich wild aussehender Mann hatte schweigend begonnen, ihre schmerzenden Füße zu massieren. Sie war hochrot angelaufen. Der Mann hatte angenehme, warme Hände. Es fühlte sich so gut an.

Dann hatte Marina leise aufgelacht, es kitzelte fürchterlich. „Hallo kleines Mädchen. Ich beobachte dich schon eine kleine Weile. Ich wusste, irgendwann würdest du die fürchterlichen Schuhe ausziehen müssen.“ Sagte der Mann. Er hob die Schuhe in die Höhe. „Die reinsten Folterinstrumente.“

Er reichte ihr seine große Hand, ihre kleine verlor sich fast in seiner. Marina schlug schüchtern ihre Augen nieder. Der Mann lächelte noch mehr. „Ich bin Antony Daytons. Wir wollen heute einen Song aufnehmen, doch uns fehlt immer noch eine geeignete Zweitstimme.“ Erklärte er sanft. Er hatte ihre Zöpfe geöffnet und gelacht, als ihre Haare über ihr hochrotes Gesicht gefallen waren. „Ich habe dich gesehen und wusste, so wie du, so muss meine Zweitstimme sein. Ich wette du kannst singen.“ Sagte er bestimmt.

„Ich weiß nicht, ich habe es noch nie versucht. Meine Eltern erlauben mir nur, Klavierspielen.“ hatte sie geantwortet, während Antony sie auch schon zum Studio gezogen hatte.

„Dann kannst du also Noten. Sehr gut.“ Hatte er gesagt. Er hatte ihr ein Notenblatt in die Hand gedrückt und eine ziemlich altaussehende Gitarre gegriffen. Marina hatte die Gitarre argwöhnisch angesehen.

Antony hatte ihren zweifelnden Blick gesehen. „Das ist Betsy, meine älteste und beste Freundin. Sie ist mit mir durch dick und dünn gegangen.“ Erklärte er. Er klopfte liebevoll auf die Gitarre und lächelte umwerfend. „Sieh mich an, ich gebe dir ein Zeichen, wann du den Text sprechen, beziehungsweise singen musst. Die Teile mit dem Sprechgesang sind in rot markiert.“ Sagte Antony und wies auf das Notenblatt. Er hatte zu singen angefangen. Verzaubert hatte sie seiner Stimme gelauscht, seinen Zeichen folgend den Text eingefügt. Es war, als sei die Welt um sie herum versunken, als hätte es nur sie und ihn gegeben. Marina hatte das Gefühl gehabt, zu schweben. Der Song war magisch, dachte sie damals.

Sekundenlang hatte im Aufnahmestudio Ruhe geherrscht. Kein Ton war zu hören, als er die Gitarre langsam beiseite gestellt hatte und zu ihr herübergekommen war.

„Mein Gott, deine Stimme ist himmlisch, es war unglaublich“ hatte Antony geflüstert. „Wenn das kein Hit wird, weiß ich auch nicht!“ hatte er geflüstert. Er hatte sie herumgeschwenkt, dann hatten sich seine Lippen auf ihren Mund gelegt. Marina hatte den ersten Kuss ihres Lebens bekommen. Noch nie war sie geküsst worden. Ihre Eltern hatten sie stets gut kontrolliert. Erschrocken hatte sie sich losgerissen und war auf Strümpfen aus dem Studio geflüchtet. Nur weg von dem Mann. Weg von den Gefühlen, die er in ihr geweckt hatte. Sie war ohne Schuhe auf die Straße gelaufen und hatte sich im großen Wagen ihres Vaters versteckt gehabt.

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„Du willst dich also wirklich deiner Vergangenheit stellen?“ Marina schreckte aus ihren Erinnerungen hoch, als Melissa vor ihr stand. Sie war in ihren Gedanken vollkommen versunken und hatte nicht gehört, wie ihre beste Freundin in ihre Wohnung gekommen war. Melissa verzog amüsiert das Gesicht. „Ich sehe schon, Liebling, du brauchst einen starken Kaffe. Lucy scheint dich hereingelegt zu haben.“ Melissa ging in die Küche und setzte Kaffee auf.

Marina schüttelte ihren Kopf. „Nein, der Fehler liegt bei mir, ich habe erst zugesagt, dann erfahren welche Gruppe spielt.“ Erklärte Marina, als Melissa das Wohnzimmer wieder betrat. Es war Marina wichtig, Lucy in Schutz zu nehmen, sie liebte das Mädchen, welches seit acht Jahren Melissas Stieftochter war. Lucy war vom ersten Augenblick ein Engel gewesen. Ein Kind, dass sich für den Vater gefreut hatte, als dieser eine neue Frau gefunden hatte. Lucy hatte Melissa seit ihrem ersten Treffen geliebt.

„Und, was willst du nun tun? Ich denke ja, du solltest hingehen und es hinter dir bringen, Marina. Du musst dich endlich deiner Vergangenheit stellen, und dann beherzt in die Zukunft blicken.“ Sagte Melissa nun nachdenklich. „Seit Jahren versteckst du dich hier und dein Leben läuft an dir vorbei.“

„Weißt du, Melissa, Damals nach dem Besuch im Musikstudio, ich hatte dir damals davon erzählt. Ich glaubte nicht, dass ich den Mann noch einmal wiedersehen würde. Ich dachte, der Kerl hat sich einen Scherz mit mir erlaubt und gelacht, als er merkte, dass es mein erster Kuss gewesen war.“ Marina schluckte kurz. Wieder kamen ungefragt ihre Erinnerungen hoch.

Dankend nahm sie den Kaffeebecher entgegen und nippte am heißen Getränk. Sie schwieg einen Moment.