Maddrax 315 - Christian Schwarz - E-Book

Maddrax 315 E-Book

Christian Schwarz

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Beschreibung

Matthew Drax hat getan, was ihm möglich war, um die einzige Waffe gegen den Streiter zum Einsatz zu bringen. Doch die letzten Tage und Wochen haben schon unzählige Opfer gefordert - und der finale Kampf ist noch nicht vorbei! Wird der zu zwei Dritteln aufgeladene Flächenräumer den Streiter wirklich tödlich treffen? Kann ein Teil des Ursprungs bewirken, dass die kosmische Entität versteinert? Oder stößt diese verzweifelte Aktion erst das Tor zur Apokalypse auf? Dieser Band ist ein Wendepunkt in der Saga um Matt Drax!

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah

Apokalypse

Leserseite

Zeittafel

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Candy Kay

Autor: Christian Schwarz

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-8387-1684-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ die Erde. In der Folge verschiebt sich die Erdachse und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Staffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 gerät. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn „Maddrax“ nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler – zur Erde gelangt sind und schuld an der veränderten Flora und Fauna sind. Nach langen Kämpfen mit den gestaltwandlerischen Daa’muren und Matts Abstecher zum Mars entpuppt sich der Wandler als lebendes Wesen, das jetzt erwacht, sein Dienervolk in die Schranken weist und weiterzieht. Es flieht vor einem kosmischen Jäger, dem Streiter, der bereits seine Spur zur Erde aufgenommen hat!

Auf dem Mars entdeckt man den Streiter am Rand des Sonnensystems. Die Marsianer stellen den Magnetfeld-Konverter fertig und schicken ein Raumschiff zur Erde, um Matthew Drax zu kontaktieren. Der weilt in der Hydritenstadt Gilam’esh’gad, wohin er die sterbende Xij brachte, die in sich die Geister unzähliger früherer Leben trägt. Dort erinnert sie sich an ihr erstes Dasein als Manil’bud, Gilam’eshs Gefährtin. Trotzdem entscheidet sie sich für ein Leben als Mensch, in einem Klonkörper, in den ihr Geist überwechselt.

Die Marsianer spüren Matt auf; gemeinsam richtet man den Flächenräumer ein. Matthew zieht Gilam’esh und Quart’ol sowie den Androiden Miki Takeo hinzu. Er bittet Aruula, mit einem Telepathenzirkel Kontakt zum Streiter aufzunehmen, doch sie weist ihn zurück. Matt ahnt nicht, dass es der Daa’mure Grao ist, der auf den 13 Inseln die Macht übernommen und die echte Aruula in einer Höhle eingesperrt hat. Als Grao dann doch einen Zirkel bilden lässt und die Bedrohung begreift, macht er sich auf den Weg zum Flächenräumer, um zu helfen – und lässt Aruula zum Sterben zurück. Doch sie wird gefunden und befreit. Um Matt zu warnen, überredet sie ihren gemeinsamen Freund Rulfan, sie mit seinem Luftschiff zum Südpol zu bringen. Dort hat der Streiter Grao als Diener des Wandlers erkannt und übernommen. Die Gefährten legen ihn auf Eis und machen den Flächenräumer für den einen entscheidenden Schuss klar.

Die Hydriten werden ebenfalls beeinflusst und Matt schickt sie durch eine der bei einer Sabotage entstehenden Zeitblasen in die Vergangenheit. Auch der Erfinder Meinhart Steintrieb geht – nach Atlantis. Doch keinem von ihnen gelingt es, die Gegenwart zu ändern. Inzwischen wirkt sich der Einfluss des Streiters auch auf den Marsianer Vogler aus, und auf Manil’bud, Xijs erste Existenz. Das Bewusstsein der Gestaltwandlerin beeinflusst Xij, Grao aufzutauen.

Als sich die kosmische Entität, von dem Todesrochen Thgáan angelockt, über den Mond senkt, feuert Matt, obwohl die Energieladung erst bei 70% steht …

Apokalypse

von Christian Schwarz

Flächenräumer, Antarktis

Matts Zeigefinger verhielt über der Schaltfläche wie eine erhobene Klinge. Auf dem Schirm verdunkelte sich ein Teil des Mondes. Ein Flimmern legte sich über die Oberfläche, das in den Augen schmerzte. Stück für Stück ließ es alles Licht erlöschen, als hätte es niemals existiert. Es war, als würde sich ein neuer Himmelskörper manifestieren, der aus flimmernder Dunkelheit bestand und zu einer partiellen Mondfinsternis führte.

„Jetzt!“, rief Miki Takeo hinter ihm.

Matts Finger stieß hinab. Die Klinge stach zu. Von den Speicherwaben floss die Energie in den Zeitfeld-Projektor. Und der Schuss jagte davon, dem Streiter entgegen.

Matt Drax hörte seinen Herzschlag plötzlich überlaut in den Schläfen pochen. Er krampfte die schweißnassen Finger seiner Linken zur Faust, ohne dass es ihm bewusst war. Mit verzerrtem Gesicht starrte er auf den rechten Teil der gesplitteten Zieloptik, wo der kosmische Jäger im Weltraum über dem Mond hing. Finster, bedrohlich, ultimativ, die größte Gefahr, mit der es die Erde je zu tun gehabt hatte.

Einen winzigen Moment, der Matt länger als eine Ewigkeit erschien, tat sich gar nichts. Die Welt um ihn schien stillzustehen, eingefroren in einen Panzer aus erstarrter Zeit. Hatte sich der Schuss gar nicht gelöst? Waren sie schlussendlich doch gescheitert? Warum aber wurde das rote Leuchten des Tastfeldes, mit dem er den Energiestoß auf die Reise geschickt hatte, dann übergangslos gelb?

Etwas traf ihn mit der Wucht eines Dampfhammers. Matt schrie auf und kippte nach hinten. Er krachte unsanft auf den Rücken, auch wenn das bionetische Material, aus dem der Flächenräumer bestand, den Aufprall dämpfte. Unglaubliche Kräfte tobten sich in seinem Körper aus, schienen ihn zu zerreißen und in Tausende von Einzelteilen zu zerlegen. Auf seinem Körper tanzten bläuliche Flämmchen.

Plötzlich sah Matt die Welt aus unzähligen verschiedenen Perspektiven gleichzeitig, jede eine Winzigkeit von der anderen versetzt. Sein Bewusstsein war mit der Bilderflut überfordert, weil es sie nicht zu einem Gesamtbild zusammensetzen konnte. Und explodierte einfach. Mit einem grellen Blitz löschte es sich selbst aus – um wie Phoenix aus der Asche neu zu erstehen. Als die zerstörerischen Energien sich schlagartig verflüchtigten.

Der Mann aus der Vergangenheit stöhnte. Die Elmsfeuer waren zwar ebenfalls weg, doch überall in seinem Körper spürte er noch kleine elektrische Impulse, die sämtliche Muskeln zucken ließen. Aber das war auszuhalten, kaum unangenehmer als die immer noch steil aufgerichteten Nackenhaare und der Schweißfilm, der seinen gesamten Körper überzog.

Mühsam kam Matt auf die Beine. Er war total mit Adrenalin überflutet, seine Knie zitterten. Er musste sich an der bionetischen Bedienkonsole festhalten, sonst wäre er gleich wieder zusammengesackt.

Er hatte den Schuss also doch ausgelöst! Im Gegensatz zu General Crows Schuss vor einigen Monaten hatte es eine Zeitverzögerung bei der Energieentladung gegeben. Das schrieb er den umfangreichen Modifikationen am Flächenräumer zu, die sie hatten vornehmen müssen, um ihren verzweifelten Plan in die Tat umzusetzen.

Ein Plan, der sich in der Theorie simpel anhörte, praktisch aber jede Menge Unwägbarkeiten aufwies. Matthew selbst war auf die Idee gekommen, den Ursprung aus Ostdeutschland in den Streiter zu versetzen – in der Hoffnung, dass das lebende Flöz den kosmischen Jäger versteinerte – so wie es auf der anderen Seite auch mit dem fünf Kilometer durchmessenden Stück passieren musste, das dafür aus dem Streiter gerissen und in das Flöz hineinversetzt wurde. Für dieses Vorhaben hatte der Android Miki Takeo, unterstützt von den Hydriten Quart’ol und Gilam’esh, nicht nur die Funktionsweise, sondern auch die Zieloptik der uralten Hydritenwaffe neu konfigurieren müssen.

Währenddessen hatte Thgáan, der Letzte der Todesrochen, den Streiter zum Mond gelockt, genau an jene Stelle, auf die sie ihre Waffe gerichtet hatten. Es war wichtig gewesen, dass der kosmische Jäger für einige Zeit an einer Stelle verharrte, bis der Schuss den Erdtrabanten erreichte.

Mit tränenden Augen starrte Matt auf die Zieloptik. Er war dem riesigen Monitor so nahe, dass er sich für einen Moment fühlte, als schwebe er im All. Vor ihm hing der Mond in der Schwärze des Weltraums. Direkt im Fadenkreuz, groß, prall, weißlich leuchtend.

Die schwarze Wolke, die sich über das linke Drittel des Erdtrabanten geschoben hatte, schien zu brodeln; fast so, als würden beständig riesige Kohlestaubwolken aus dem Innern quellen und sich über die Oberfläche ausbreiten. Eine Art schwarz leuchtender Strang zuckte darin herum.

Matt war sprachlos. Es war das erste Mal, dass er Finsternis leuchten sah! Der Strang wirkte wie eine Schlange, die sich von Feinden umringt sah und wahllos in alle Richtungen stieß. Aber das alles mochte Einbildung sein, geboren aus der fast schon kreatürlichen Angst, die dieses unglaubliche Wesen in Matt auslöste – viel stärker noch als damals, als er den Streiter in einer Vision ganz kurz aus weiter Ferne über Meno’tees, dem Heimatplaneten der Wandler, gesehen hatte.

Die Bilder wurden seltsam konturlos, nachdem er das Innere des Streiters länger als eine Sekunde angestarrt hatte, verschwammen zu einem Einheitsbrei, der seine Sinne zu verwirren begann. Erschrocken drehte er den Kopf. Sofort konnte er wieder klar denken.

Matt keuchte. Er hatte jetzt einen kleinen Eindruck davon, was telepathisch Begabte schon seit Tagen erleiden mussten; wahrscheinlich noch weitaus intensiver als das, was er gerade durch bloßen Blickkontakt erlebt hatte. Denn Telepathen konnten die aufgezwungene Verbindung höchstwahrscheinlich nicht trennen.

Ab jetzt warf Matt nur noch kurze Blicke auf den Streiter. Aus den unregelmäßigen, zerfaserten Rändern peitschten immer wieder tentakelartige Eruptionen. Sie bewegten sich so wild zuckend wie die „Schlange“ und schlugen in die Mondoberfläche! Dabei rissen sie mächtige Krater. Matt konnte die riesigen Staubwolken, die plötzlich hochstiegen und sich gleich wieder legten, mit bloßem Auge sehen. Er fühlte sich an das Wüten einer wahnsinnigen Bestie erinnert, an einen gigantischen Kraken, was die Sache nicht annähernd traf, aber mehr gab sein Vergleichsrepertoire nicht her.

Zudem spürte er ein Ziehen im Bauch. Die Mondbasis der Marsianer, bei der der Lockvogel Thgáan auf den Streiter gewartet hatte, gab es nicht mehr. Auch das Überleben des Daa’muren-Rochens hätte Matt für ein mittleres Wunder gehalten.

Oder?

Zum Teufel, wie lange braucht dieser verdammte Schuss, um endlich Wirkung zu zeigen?

Das Ziehen in Matts Eingeweiden wurde stärker. Was würde passieren? Vor seinem geistigen Auge sah er die schwarze Wolke explodieren, implodieren, verbrennen, auseinanderbrechen und einfach verschwinden. Die Realität war weitaus unspektakulärer.

Die schwarzen Tentakel zuckten nicht mehr! Und auch das Brodeln im Innern war fast zum Erliegen gekommen. Wie zäher Sirup bewegten sich die Wallungen nun. Und schienen noch langsamer zu werden.

„Yeaaaaaah!“, brüllte Matt sich die Seele aus dem Leib und ballte die rechte Faust gegen den Monitor. Die Angst löste sich schlagartig. Vergessen das Ex- und Implodieren, das Verbrennen und Verschwinden. Der Schuss aus dem Flächenräumer schien genau das zu bewirken, was er nach ihrer aller Vorstellung tun sollte: Der Ursprung war bereits dabei, den kosmischen Jäger zu versteinern!

Die diodenähnlichen Lichtpunkte in der Decke erloschen. Eine Sekunde später flammte ein Bruchteil von ihnen wieder auf. Die Notbeleuchtung!

Eine Folge des Schusses? Nein.

Aus den Augenwinkeln sah Matt einen anderen Schatten. Er fuhr herum. Ein über zwei Meter großer Körper aus Plysterox trat neben ihn.

Miki Takeo!

Der Android, der bis jetzt über bionetische Leitungen mit dem Flächenräumer verbunden gewesen war, um die Aufgaben des inzwischen toten Koordinators zu übernehmen, hatte sich davon befreit. Nach dem Schuss bestand keine Notwendigkeit mehr, die Anlage zu kontrollieren. Deswegen auch das Erlöschen der Hauptbeleuchtung.

„Wir haben es geschafft, Mann!“, stieß Matt hervor. Seine Stimme klang heiser. „Wir haben das Drecksding erledigt!“ Ein fast irres Kichern löste sich aus seiner Kehle, in seinen Augen lag ein fiebriger Glanz. Er deutete auf den Monitor der Zieloptik. „Sieh dir das an, Miki. Der Streiter versteinert!“

„Schau auf die linke Bildschirmhälfte“, sagte Takeo nur, mit emotionsloser Stimme.

„Was?“ Matts Blick wanderte zu jenem Teil der Zieloptik, die das anvisierte Ziel auf der Erde zeigte: den Ursprung. Der Mann aus der Vergangenheit schluckte schwer. „O nein“, flüsterte er schließlich heiser. Er fühlte sich plötzlich unendlich müde.

Canduly Castle, Schottland

Mit einem schrillen Schrei ging Huul auf den Sandsack los. Das Kurzschwert lag wie eine natürliche Verlängerung des rechten Arms in seiner Hand. Mit einer gedankenschnellen Bewegung steppte er zur Seite, wob mit der Klinge einen eisernen Vorhang vor sich in die Luft und schlitzte den Sack schließlich mit einem gezielten Hieb auf. Dann drehte er sich und grinste seine beiden Zuschauer an, während der Sand in den Schnee rieselte. Das Freilegen des lückenhaften Gebisses ließ sein Ratzengesicht noch wüster und tückischer erscheinen.

Turner und Juefaan klatschten trotzdem beeindruckt.

Der kleine sehnige Mann in den Wildlederhosen und dem hellgrün-weiß gestreiften Hemd mit dem Kleeblatt-Wappen sowie dem Taratzenfellmantel über der Schulter wirkte unscheinbar, war aber einer der gefährlichsten Kämpfer Scootlands. Daran änderte auch die lächerliche gelbe Plastiktrompete nichts, die er als Erkennungszeichen aller Celtics um den Hals hängen hatte.

Huul war seit langer Zeit der Anführer von Jed Stuarts persönlicher Leibwache. Bei den Celtics handelte es sich um eine Elitetruppe, die weder Tod noch Orguudoo fürchtete. Und immer, wenn Huul Zeit fand, kam er nach Canduly Castle herüber, um den sechzehnjährigen Turner in der Kunst des Kämpfens zu unterrichten. Denn der junge Mann war fest entschlossen, so schnell wie möglich den Celtics beizutreten. Dann eben, wenn Huul ihn als würdigen Kämpfer erachtete. Und Huul war nicht abgeneigt, Turner zu nehmen. Das war der Grund, warum er sich die Mühe machte.

Neuerdings klinkte sich auch Juefaan in den Unterricht mit ein. Er war mit Aruula nach Canduly Castle gekommen, um seinen Vater Rulfan kennen zu lernen. Damit hatte er mittelschwere Irritationen ausgelöst, vor allem bei Turners Schwester Myrial, die seit kurzem mit Rulfan verheiratet war und geglaubt hatte, ihr eigener kleiner Sohn Leonard Pellam sei Rulfans einziges Kind. Übrigens etwas, von dem auch der Burgherr bis dato felsenfest überzeugt gewesen war.1)

Viel hatte Juefaan bisher nicht von seinem Vater gehabt. Rulfan war bereits wieder auf Reisen, mit Aruula unterwegs zum Südpol. Wenn Myrial auch ein eher zwiespältiges Verhältnis zu Juefaan an den Tag legte, so hatte sich Turner des schmalen zehnjährigen Bürschchens mit der milchweißen Haut, den langen schwarzen Haaren und grünen Augen umso lieber angenommen. Denn Juefaan war ein Kämpfer wie sein Vater, zwar noch lange nicht so erfahren, aber genauso mutig wie er. „Einer von meiner Kragenweite, ein Waffenbruder“, wie der rothaarige, sommersprossige Turner großspurig zu sagen pflegte.

Heute befand sich der kleine Ausbildungstrupp in den Wäldern unterhalb Canduly Castles.

„Habt ihr genau zugesehen, was ich gerade gemacht habe, Jungs?“, fragte Huul, steckte die Schwertspitze in den Schnee, legte die Hände über den Knauf und stützte sich lässig auf den Stahl.

„Klar haben wir das“, erwiderte Turner und zog seinen Mantel aus Bärenfell vor der Brust zusammen. Tiefschwarze Wolken hingen am Himmel, es war empfindlich kalt. Der Nordwind pfiff über sie hinweg, in einigen Stunden würde es wieder schneien. „Jede Bewegung hab ich gesehen. Du bist wirklich gut, Hauptmann Huul.“

Der Celtic-Führer grinste erneut und strich sich mit den Fingern durch die langen dünnen, strähnigen Haare. „Mal sehen, wie gut ihr seid. Stellt euch vor, das da hinter mir wäre eine Taratze, die ich angegriffen habe. Hinüber ist sie, das ist mal klar, aber welchen Fehler hab ich beim Angriff gemacht?“

Turner und Juefaan, die trotz des Altersunterschieds fast gleich groß waren, der Junge von den Dreizehn Inseln allerdings nur halb so breit, sahen sich kurz an. Juefaans Augen leuchteten. Aber er wollte Turner den Vortritt lassen.

„Nun, äh, weiß nicht“, antwortete Turner verlegen. „Für mich hast du alles richtig gemacht, Hauptmann.“

„Hab ich das, ja? Und was meinst du, Milchhaut?“

Juefaan sah Turner fast entschuldigend an. Als er kurz lächelte, legte auch er eine Zahnlücke frei. Allerdings eine, die sich wieder füllen würde, denn der Junge besaß noch zahlreiche Milchzähne, die gerade nach und nach ausgingen.

„Na, sag schon“, brummte Turner. „Ich reiß dir deswegen nicht den Arsch auf.“

„Du hast auf den Sack geschlagen, Hauptmann“, legte Juefaan los. „Aruula, unsere Königin, und die Erste Kriegerin Dykestraa sind die besten Schwertkämpferinnen unseres Volkes. Und die sagen immer, dass man seine Feinde nicht schlagen, sondern abstechen soll.“

Huul kicherte. „Kluge Wooms. Haben dir genau das Richtige erzählt, Milchhaut.“ Er schaute von oben herab in die Runde. „Wenn ihr die Gelegenheit dazu habt, schlagt euren Gegner nicht mit dem Schwert, sondern stecht ihn ab. Eine geschlagene Wunde, egal mit welcher Wucht beigebracht, ist oft nicht tödlich, weil die lebenswichtigen Organe durch Schilde oder dicke Kleidung oder die Knochen oder durch alles zusammen geschützt sind. Ein Stich hingegen ist an der richtigen Stelle bereits tödlich, auch wenn er nur eine Fingerlänge in den Körper geht. Versteht ihr das, ihr Frischlinge?“

„Hab ich kapiert“, behauptete Turner. „Können wir das nochmal üben?“

Huul schaute zum Himmel hoch. „Bevor das Unwetter losbricht, möchte ich wieder auf Stuart Castle sein. Deswegen zeige ich euch nur noch kurz was Neues, dann machen wir Schluss.“

„Du könntest doch hier übernachten“, schlug Juefaan vor.

„Geht nicht, nein. Ich muss morgen noch was für den König erledigen.“

„Der König geht immer vor“, erwiderte Rulfans Sohn altklug. „Und was machen wir noch?“

„Springen vom Baum auf den Feind und richtiges Abmurksen, damit er keinen Laut mehr von sich geben kann.“

Huul erklomm geschickt einen Baum, kauerte sich auf den untersten Ast, hielt seinen Schülern einen kurzen Vortrag und sprang dann auf den unten durchgehenden Turner herunter. Er warf ihn nicht etwa in den Schnee, sondern landete knapp hinter ihm und zog ihm sofort ein imaginäres Messer über die Kehle.

„Wenn ihr euren Gegner erst zu Boden werft, kommt ihr nicht sofort an seinen Hals heran und er kann sich wehren, vor allem, wenn er stärker ist als ihr. Deswegen besser so, aber da ist einiges Geschick nötig. Wenn ihr ihn aber gut erwischt, macht der keinen Mucks mehr. – Und jetzt klettert ihr beide auf den Baum und ich komme gelaufen, klar?“

Turner grinste seinen „Waffenbruder“ an. „Na, Milchhaut, was meinst du, kommst du überhaupt da hoch?“

Juefaan grinste breit. In seinen grünen Augen funkelte es. „Ich bin schon bei Sturm und hohen Wellen in den Ausguck von dem Schiff geklettert, mit dem wir hierher kamen.“

„Angeber!“, krähte Turner, der keinerlei Vorstellung davon hatte, wie hoch der Mast eines Schiffes tatsächlich war.

Die beiden Jungen hangelten sich auf den unteren Ast. Wieder erwies sich Juefaan als der Geschicktere. Er ging in die Knie und hielt sich an einem kleineren Ast fest. Turner hingegen hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. So langsam stieg Ärger in ihm hoch. Vor allem, weil Juefaan keinen Hehl daraus machte und ihn erneut unverschämt angrinste.

Urplötzlich versteifte sich Juefaan. Er krampfte seine Faust so fest um den Ast, dass die Adern anschwollen und blau hervortraten. Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn, während er Turner mit flackernden Blicken zu mustern begann.

Dem Sechzehnjährigen lief es eiskalt über den Rücken. Er fühlte sich plötzlich unwohl. „He, Juefaan, was ist los mit dir? Hast du was?“

Die Nasenflügel des Jungen begannen zu beben, sein Blick ging ins Leere. „Er kommt“, flüsterte er heiser. Dabei lief Speichel aus seinen Mundwinkeln. „Er ist schon da. Alles ist tot … vernichtet … verbrannt …“

Turners Nackenhaare richteten sich auf. Er verspürte regelrechte Angst vor seinem neuen Kumpel, der von einem Moment auf den anderen den Verstand verloren zu haben schien.

Huul kam heran wie besprochen. „Seid ihr bereit?“, rief er. „Wer springt zuerst?“

Turner wollte etwas sagen, bekam aber kein Wort heraus. Der Celtic ging unter dem Ast durch.

„Was ist jetzt? Wollt ihr nicht springen, ihr feigen Gerule?“

„Alle tot …“, krächzte Juefaan, nahm sein hölzernes Übungsschwert und ließ sich auf den Hauptmann fallen.

Huul grunzte überrascht ob der Kraft des Jungen. Plötzlich fand er sich im Schnee wieder und drehte sich blitzschnell auf den Rücken.

He, hast du nicht zugehört?,