Mana - Johannes Horn - E-Book

Mana E-Book

Johannes Horn

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Beschreibung

Eine Akademiker-Familie flüchtet aus Syrien nach Deutschland und ist dabei, im neuen Umfeld Fuß zu fassen. Der Vater ist Gymnasiallehrer, die Mutter Krankenschwester – sie haben zusammen drei Kinder. In Aleppo lebten sie in einer christlichen Glaubensgemeinschaft, behielten aber stets Kontakt zu Vertretern anderer Glaubensrichtungen. Das Wesentliche war ihnen die menschliche Gemeinschaft, das friedvolle Zusammenleben in Toleranz und gegenseitigem Respekt. In Deutschland lernten sie einen Imam und einen Rabbiner kennen, die schnell schon zu Freunden der Familie wurden. Mana ist die Mittlere von den drei Geschwistern, sie hat eben das Abitur bestanden und hat sich entschieden, Medizin zu studieren; es ist ihr innigster Wunsch, Ärztin zu werden. Schon im ersten Semester ändert sich jedoch alles, als bei ihr ein bösartiger Hirntumor festgestellt wird. Sie wird operiert und erhält eine entsprechende Chemotherapie. Die Tumorprogredienz lässt sich jedoch nicht aufhalten. Mana stirbt, während sie noch in ihren letzten Tagen sehr wichtige Einsichten gewinnt. Es wird in dieser Erzählung deutlich, dass sich viele Probleme, die das Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit erschweren, in dem Maße relativieren, wie der einzelne Mensch mit Fragen der Endlichkeit seiner Existenz konfrontiert wird. Diese Einsichten ermöglichen, das eigene Leben, wie auch das Leben anderer besser zu verstehen und sie fördern den toleranten und respektvollen Umgang miteinander. Es geht um die Notwendigkeit, über den oft feindseligen Auseinandersetzungen stehend, die Bedeutung des Lebens zu begreifen und einen Zugang zu der Großartigkeit des menschlichen Daseins zu gewinnen.

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Mana – eine Novelle

Mana heißt das Mädchen, das zusammen mit ihrer fünfköpfigen Familie das von Krieg und Elend heimgesuchte Syrien verlassen hatte und nach Deutschland gekommen ist. Eine Flüchtlingsfamilie also, die sich hier in Deutschland eine neue Identität, ein neues gesellschaftliches Bewusstsein erarbeiten musste. Der Vater, ehemals Lehrer an einem Gymnasium in Aleppo, ist auf der Suche nach einer geeigneten beruflichen Betätigung. Die Mutter, eine gelernte Krankenschwester, tat sich leichter, nach Absolvierung einiger Sprachkurse, eine Anstellung im hiesigen Krankenhaus zu finden. Die Familie lebte in Aleppo in einer christlichen Gemeinde. Die Menschen dort, gleich welcher religiösen Überzeugung, lebten in gegenseitigem Respekt und persönlicher Wertschätzung harmonisch zusammen. Religion als Gegenstand des Glaubens war Teil der Persönlichkeit und wurde in keiner Weise in Frage gestellt. Toleranz musste nicht eingefordert werden, sie war eine Selbstverständlichkeit. In diesem Geist wuchsen die Kinder auf.

Der älteste Sohn, Adil, hatte in Syrien gerade das Abitur bestanden und kämpft nun hier in Deutschland um die Anerkennung seiner schulischen Leistungen. Mana hat das Abitur noch vor sich; sie ist drei Jahre jünger als Adil, hat aber schon jetzt klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft, sie will Ärztin werden. Schon während ihrer Schulzeit hatte sie auf Anraten der Mutter ein Praktikum in einer dortigen Klinik absolviert, wodurch ihr Interesse für die Medizin geweckt wurde. Es war jedoch nicht der Status, der den Ärzten besonderes Ansehen verschafft, der ihre Neigungen zur Medizin beflügelte, vielmehr war es die Unmittelbarkeit zwischenmenschlicher Erfahrungen bei der Pflege und der Fürsorge kranker Menschen, bei den vielen Gesprächen und Hilfestellungen, die den Patienten zuteilwurden, die in ihr die Überzeugung reifen ließ, dass dort ihr Platz sein müsse. Deen, der jüngere Bruder, war gerade mal sieben Jahre und eben erst in die Schule gekommen. Insgesamt eine gut situierte, bürgerliche Familie ohne wirtschaftliche Probleme eingebettet in ein stabiles, gesellschaftliches Gefüge mit einer Vielzahl von Freunden und Bekannten, mit denen sie ihr Leben teilten.

Dann aber kam der Krieg. In das eigene Volk von einem machtbesessenen und selbstherrlichen Autokraten getragen, zerstörte dieser Krieg alle Ordnungen und alle Lebensgrundlagen, zog wie ein Fegefeuer durchs Land und brachte Not und Elend über die Menschen. So wurde auch unsere Familie herausgerissen aus den Vertrautheiten des Alltäglichen, aus der Normalität des Selbstverständlichen. Ihre Welt war untergegangen und nun sind sie auf der Suche nach ihrer Zukunft.

Auf Grund ihrer bisherigen guten Leistungen konnte Mana zunächst an einem Sprachkurs teilnehmen und wurde dann einem hiesigen Gymnasium zugeteilt. Sie tat sich nicht sonderlich schwer, in dieser für sie fremden Welt Fuß zu fassen; auch konnte sie dem Unterricht mühelos folgen. Sie war ein sonniges Kind, lebensfroh, aufgeschlossen und kontaktfreudig. Sie fand sich zurecht. Trotz aller Lebenszugewandtheit erfüllte sie ihre schulischen Aufgaben mir Sorgfalt und Fleiß. Sie war ein vergnügtes, heiteres Kind mit der Gabe, das Licht der morgendlichen Sonne in den Tag zu tragen und Bekannte und Freunde Teil haben zu lassen an ihrem positiven Denken und ihrer beschwingt aufmunternden Art. Zugleich aber war sie ein ernster und nachdenklicher Mensch fern von jeder Oberflächlichkeit und ungestümen Leichtfertigkeit. Alles, was sie sagte, schien überlegt, glaubwürdig und verlässlich. Die Mitschüler schätzten das und so war sie anerkannt und von manch einem bewundert. Die Nachmittagsstunden galten zunächst den Schularbeiten, für deren Verrichtung sie sich Zeit ließ. Meist lag sie danach auf ihrem Bett und las in Büchern, von denen sie gehört hatte oder die ihr empfohlen wurden. Dabei war sie nicht von Ungeduld getrieben, schnell wieder draußen zu sein und sich am von allen Pflichten befreiten Leben der Anderen zu beteiligen. Sie las, vertieft in Neuland, in Bereiche, die ihr noch unvertraut und fremd waren. Sie las Bücher, die ihr geschichtliche Zusammenhänge näher brachten, über Religionsgeschichte, über politische Ansichten und Stellungnahmen. Das war verständlich, denn immerhin war sie ein Kind der Zeit, einer Zeit, in der sie selbst zur Leidtragenden einer eigenwilligen und verletzenden Politik wurde. Der Abend gehörte der Familie und dem gemeinsamen Abendessen. Man erzählte, tauschte sich aus und man hörte zu. Der gemeinsame Abend in der Familie war wie die Einlösung eines Versprechens in der Selbstverständlichkeit der Zuwendung, der Teilhabe und des Mitfühlens. Nur wenig sprach man über die schwere Zeit der Flucht: Über ein Jahr waren sie unterwegs, notdürftig in Lagern untergebracht, mitunter schutzlos den wechselnden Wettereinflüssen ausgesetzt mit dem täglichen, ermüdenden Kampf um das Lebensnotwendige. Selten sprachen sie darüber, vielmehr widmeten sie sich den täglichen Herausforderungen; jeder war offen für die Probleme des Anderen, die stets für eine Aufgabe und Herausforderung aller empfunden wurden.

Am nächsten Morgen dann geht jeder seiner Wege, gestärkt in dem Wissen um das Gemeinsame. Mana fühlt sich in der Schule wohl, sie weiß sich angenommen und respektiert. Mühelos erreicht sie das Klassenziel. So vergeht die Zeit und die Zeit lässt sie reifen. Zusammen mit einigen Mitschülern bildet sie einen Arbeitskreis zur Unterstützung minder begabter Schüler; sie organisieren Nachhilfestunden und Trainingskurse für Kinder, die sich schwer taten, den Ansprüchen der Schule zu folgen. Irgendwann saß diese Gruppe beisammen mit dem Ziel, die Abläufe zu verbessern, die Organisation zu straffen, um effektiver zu sein bei ihren Bemühungen und es kam ihnen die Idee, auch Lehrer in ihre Agenda mit einzubeziehen.