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Für Fredmund Malik ist Management Handwerk. Und es gibt klare Regeln, wie Management funktioniert. Malik benennt sie in diesem Buch – anschaulich, präzise und überzeugend.
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Seitenzahl: 509
Fredmund Malik
Management
Das A und O des Handwerks
Campus VerlagFrankfurt/New York
Über das Buch
Richtiges und Gutes Management ist Handwerk – eine universelle Disziplin, die wichtigste des 21. Jahrhunderts. Der federführende Autor auf dem Gebiet des General Managements gibt hier einen Überblick über professionelles – Richtiges und Gutes – Management und dessen Prinzipien. Weit ins Komplexitätszeitalter vorausschauend erklärt Fredmund Malik die wissenschaftlich und praktisch nachweisbaren Hintergründe für Erfolg.
Maliks General Managementlehre funktioniert in allen Bereichen und Branchen jeder Gesellschaft, unabhängig von wechselnden Strömungen, nationalen und kulturellen Unterschieden. Mit seiner ebenso konsequenten wie fundierten Orientierung an den naturgegebenen Phänomenen komplexer Systeme, mit denen Führungskräfte täglich zurechtkommen müssen, setzt Malik den Standard für solides Management im Wissenszeitalter.
»Eines der besten Managementbücher. Das Buch enthält kluge und ungewöhnliche Gedanken.« WirtschaftsWoche
»Malik findet Gehör, denn noch nie war Managementwissen so wichtig wie heute.« Süddeutsche Zeitung
Informationen zum Autor
Prof. Dr. Fredmund Malik steht für professionelles Management sowohl in der fundierten wissenschaftlichen Theorie als auch in der praktischen Anwendung. Sein über Jahrzehnte konsequent vom Zeitgeist losgelöstes Verständnis von Management als wichtigste gesellschaftliche Funktion beeinflusst Generationen von Führungskräften. Malik ist an der Schweizer Universität St. Gallen habilitierter Professor em. Für Unternehmensführung, international ausgezeichneter Managementexperte sowie Gründer und Chairman von Malik St. Gallen, der führenden Knowledge-Institution für das Management komplexer Systeme mit Niederlassungen in St. Gallen, Zürich, Wien, Berlin, London, Toronto, Peking und Shanghai. Darüber hinaus ist er als Mitglied und Vorsitzender in Aufsichts-, Verwaltungs- und Stiftungsräten fundierter Kenner der Praxis von Corporate Governance. Malik ist einer der profiliertesten Managementvordenker und vielfach ausgezeichneter Autor von Bestsellern, darunter der Klassiker Führen Leisten Leben, der zu den 100 besten Managementbüchern aller Zeiten gehört.
Für Peter F. Drucker,mit Dank für alles, was ich von ihm gelernt habe.
Er hat als Erster die Schlüsselprobleme von Management gesehen, erfasst und gelöst – die Spannungsfelder von Kontinuität und Wandel, von Konservierung und Innovation, von Gemeinschaft und Gesellschaft, von großen Ideen und der Arbeit des Menschen. Er ist Schöpfer der Ökologie der Gesellschaft – als Lehre und Praxis.
Vorwort zur Neuausgabe 2013
Vorwort zur Neuausgabe 2007
Einführung
Thesen
Sprachgebrauch
Teil IWas Management ist und was es nicht ist
1. Was Management nicht ist
Management ist nicht Status, Rang und Privilegien
Management ist nicht Betriebswirtschaftslehre
Management ist nicht auf Wirtschaft beschränkt
Management ist nicht nur Menschenführung
Management ist nicht Geschäftemachen
Management ist nicht, Unternehmer zu sein
Management ist nicht nur Top-Management
Management ist nicht identisch mit US-Management
Management ist nicht identisch mit MBA-Programmen
Management ist nicht identisch mit Sachaufgaben
Management ist nicht Leadership
2. Was Management ist
Von Ressourcen zu Nutzen
Was den Blick auf Management noch klarer macht
Was heißt »Handwerk«?
Von einer Kunst zum Beruf
Management ist der Umgang mit Komplexität
Was ist Kybernetik?
Einfache und komplexe Systeme
Dominanz des Reduktionismus
Management – Control of High Variety Systems
Das Gesetz der erforderlichen Varietät
Neue Vorbilder
3. Warum Management wichtig ist
Management ist die wichtigste gesellschaftliche Funktion
Management ist der soziale Code für Lebenstüchtigkeit
4. Richtiges Management ist allgemeingültig
Zwei übersehene Unterscheidungen
Lösung ehrwürdiger Scheinprobleme
Jeder macht es auf seine Weise falsch
Geschäftsmodell und Management sind nicht dasselbe
Wichtige und unangenehme Folgen
Mut zum Normativen
Teil IIWirksamkeit: Managing People – Managing a Business
5. Managing People: Das Standardmodell für Richtiges und Gutes Management
Logik des Modells
Was alle Manager brauchen
Erweiterungen des Modells
Management- und Sachaufgaben: eine vernachlässigte Unterscheidung
Besonderheiten der Anwendung
Fünf praktische Anwendungsfelder
6. Managing a Business: Das Integrierte ManagementSystem (IMS)
Funktion des IMS: Vom Unternehmenszweck zu den Resultaten
Die Ergebnisverantwortliche Einheit als Basiselement des Managements
Dimensionen der Integration
Übersicht
Logik und Elemente des IMS
Was noch fehlt …
Teil IIIDie General-Management-Funktionen
7. Das General-Management-Grundmodell
8. Umfeld
Modellkategorien für das Umfeld
Die Wirtschaft verstehen
Neoliberale Missverständnisse
Neues Wirtschaftsverständnis nötig?
Wollen oder müssen? Schuldendruck als Antrieb des Wirtschaftens
Die Legende von der Überlegenheit der US-Wirtschaft
Ein Alternativszenario
9. Unternehmenspolitik und Corporate Governance
Irrtümer der Corporate Governance
Business Mission: Die Basis richtiger Governance
Die sechs Schlüsselgrößen für das gesunde Unternehmen – die echte Balanced Scorecard
10. Strategie
Die Pioniere
Ein kybernetisches Konzept
Integrale Unternehmensnavigation mit zwingender Logik
Worauf kommt es an?
Strategische Prinzipien
Die Hohe Schule der Strategie: PIMS – Profit Impact of Market Strategies
11. Struktur
Organisieren
Grundbedingungen des Funktionierens
Top-Management-Struktur
12. Kultur
Kulturwandel
Werte
Einheit des Managementwissens
Die stärksten Signale: Personalentscheidungen
Critical Incidents
Motivationsfragen
Kultur und Sinn
13. Führungskräfte
Braucht man ein Menschenbild im Management?
Neue Qualifikationen und Anforderungen
Große Aufgaben für das Personalmanagement
Geld: Die Bezahlung von Managern
14. Innovation und Wandel
Irrlehren und Missverständnisse
Die Grundsätze
Teil IVManagement ist Realisieren
15. Umsetzen
Konzentration auf Weniges
Epilog – Verantwortung und Ethik des Managements
Anhang
Konzept und Logik der Reihe »Management: Komplexität meistern«
Das Ganze und seine Teile
Die wissenschaftlichen Grundlagen
Wenn die Sprache an ihre Grenzen stößt
Redundanz
Abbildungen
Browser-Technologie
Die Malik ManagementSysteme und ihre Anwender
Bezeichnungen und Identitäten
Die Anfänge
Entwicklungsgeschichte
Anwendungsbereiche und Wirkungen
Autonomie für Management und Manager
Modularität und Interfaces
ManagementSysteme für Selbstdenker
Mit der Qualifikation steigt das Erfolgspotenzial
Selbstmotivation für Selbstentwickler
Verantwortung versus Anerkennung
Autoren und Danksagung
Was man verstehen muss, um diese Buchreihe zu verstehen
Erfolg programmiert sein eigenes Scheitern
Wenn das Denken nicht mitwächst
Probleme des Erfolgs und Gesetze von Systemen
Alte und neue Quellen von Wissen und Erkenntnis
Kybernetik für das Verstehen der neuen Lösungen
Zwei nötige Evolutionssprünge
Neue Erfolgshebel – das Nutzen von Komplexität
Richtiges Management ist kybernetisches Management
Glossarium
Markenrechtlich und urheberrechtlich geschützte Begriffe
Über den Autor
Mitgliedschaften (Auswahl)
Auszeichnungen (Auswahl)
Literatur
Register
Management ist die bewegende Kraft, wo immer viele Menschen gemeinsame Ziele nur durch das Teilen von Arbeit und Wissen erreichen können.
Management ist das Organ der Führung, in all unseren gesellschaftlichen Institutionen – im Wirtschaftsunternehmen ebenso wie in der Universität, im Krankenhaus, in der Stadt und in allen anderen Organisationen.
Management muss der Institution, die es führt, Richtung geben. Es muss die Mission der Institution durchdenken, ihre Ziele festlegen und Ressourcen organisieren für die Resultate, welche die Institution zu erzielen hat.
Management ist jene gesellschaftliche Funktion, die alles zum Funktionieren bringt.
Dies schließt auch verantwortliche Leadership und Governance mit ein.
Nur durch richtiges Management werden die Ressourcen einer Gesellschaft wirksam in sinnvolle Ergebnisse und in Nutzen transformiert. Zu diesem umfassenden Verständnis von Management gehört auch das Befähigen von Menschen, ihren Beitrag zum richtigen Funktionieren ihrer Organisationen zu leisten. So verstandenes Management schafft Zweck, Orientierung, Struktur und Leistungskraft. Dadurch verwirklicht es auch politische und gesellschaftliche Verantwortung und Ethik.
Zu den größten Herausforderungen von Management gehören die exponentiell steigende Komplexität und die Dynamik des Wandels der heutigen, global vernetzten Systeme. Die damit verbundenen tiefgreifenden Veränderungen nenne ich »Die Große Transformation21«.
Daher verstehe ich Management auch als das Meistern von Komplexität und habe der auf sechs Bände angelegten Reihe diesen Titel gegeben. Es ist diese Perspektive, die den besten Zugang zu Management in seiner Ganzheit eröffnet, und es ermöglicht, dafür die besten Lösungen zu entwickeln.
Die wissenschaftlichen Grundlagen für meine ManagementSysteme sind die drei Komplexitätswissenschaften Systemik, Kybernetik und Bionik. Die Systemik sehe ich als die Lehre von kohärenten Ganzheiten; die Kybernetik verstehe ich als die Lehre vom Funktionieren; und die Bionik, so wie ich sie anwende, befähigt Führungskräfte dazu, evolutionäre Lösungen der Natur auf ihre Organisationen zu übertragen, um deren Leistungsfähigkeit zu optimieren.
Meine Managementlehre ist daher grundverschieden von konventionellen Ansätzen. Sie schafft Klarheit, wo heute Begriffskonfusion, Widersprüchlichkeit, Beliebigkeit und Moden dominieren. Insbesondere gehe ich damit über Betriebswirtschaftslehre und Business Administration seit langem weit hinaus, was zu grundlegenden Managementinnovationen führte und für zahlreiche Managementprobleme gänzlich neue Lösungen ermöglicht.
In seiner Bedeutung und Wirkung ist Management vergleichbar mit dem Betriebssystem von Computern: So wie das richtige Funktionieren eines Computers erst durch das Betriebssystem möglich wird, so wird das richtige Funktionieren von Organisationen erst durch das »Betriebssystem Management« möglich. Richtiges Management sehe ich als evolutionsfähiges »Betriebssystem« für Organisationen jeder Größe und jeder Art.
Manager oder Führungskräfte sind jene Personen, die diese gesellschaftliche Funktion verkörpern und als Beruf ausüben. Dazu gehört es, das für eine Organisation Richtige zu tun und dieses gut zu tun. Daher verstehe ich Management auch als den Beruf der Wirksamkeit in komplexen Systemen.
Das Beherrschen der Grundfähigkeiten von richtigem Management und Selbstmanagement ist für die Menschen des 21. Jahrhunderts ebenso bedeutend, wie Lesen und Schreiben für die Menschen seit dem 18. Jahrhundert. Management ist heute jene Schlüsselkompetenz, durch die Menschen beschäftigungsfähig und in Organisationen wirksam werden. Erfolge im Beruf sind in allen Organisationen überwiegend die Folge von Richtigem und Gutem Management. Denn erst dadurch werden weit über die ökonomischen Ressourcen hinaus auch Talent, Intelligenz, Kreativität, Information, Wissen und Erkenntnisse in Resultate transformiert.
Management für Menschen und Management für Organisationen sind die Dimensionen der Anwendung meiner Ganzheitlichen ManagementSysteme® (Markenrechtlich geschützte Begriffe sind bei der ersten Verwendung als solche gekennzeichnet, im weiteren Verlauf wird zwecks Lesbarkeit darauf verzichtet. Eine Übersicht dieser Begriffe findet sich im Anhang.). Mit ihnen werden die Bedingungen dafür geschaffen, dass Menschen ihre eigenen Stärken in Leistung umwandeln können, dass sie dadurch Erfolg haben und darin Sinn sehen und Erfüllung finden können.
Fredmund Malik
St. Gallen, im Mai 2013
Die Große Transformation21 – Grundthema meiner auf sechs Bände angelegten Reihe »Management: Komplexität meistern« – ist in vollem Gange. Wirtschaft und Gesellschaft verändern sich in einer Geschwindigkeit, in einem Ausmaß und in Richtungen, die noch bis vor kurzem für die meisten nicht vorstellbar waren.
Die Triebkräfte dieser Transformation vernetzen sich immer dichter und verstärken sich dadurch zusehends von selbst. An der Oberfläche treten sie in unterschiedlichsten Erscheinungsformen vor allem als sich verschärfende Krisen zutage: als Bankenkrise, Schuldenkrise und Eurokrise, als Irland-, Griechenland- und Zypernkrise oder als US-Haushalts- und US-Immobilienkrise. Durch die Art, wie medial darüber berichtet wird, erscheinen sie den meisten Menschen als weitgehend zusammenhangslose, individuelle Ereignisse. Tatsächlich gehören sie aber gemeinsam zur Großen Transformation21 und werden durch dieselben Kräfte verursacht und vorangetrieben.
Die Szenarien für diese Transformation habe ich bereits in den 1990er Jahren sowie in der Erstausgabe dieses Bandes dargelegt, als sich noch kaum jemand die Realität von heute vorstellen konnte.
Die übergeordneten und verbindenden Muster der Transformation werden nun aber für jene immer deutlicher erkennbar, die sich um ein Gesamtverständnis bemühen, weil sie Entscheidungen zu treffen haben und sich dafür nicht in die engen Grenzen von Fachdisziplinen pressen lassen können, insbesondere nicht in jene der herkömmlichen Ökonomie. Diese erkennen immer deutlicher die rasant wachsende Komplexität fast aller Lebensbereiche, ihre unentwirrbare globale Vernetzung und die explosive Dynamik von sich selbst beschleunigendem Wandel.
Der Ruf nach einem neuen, ja revolutionären Management wird jetzt laut. Nur zögerlich beginnt man, die Folgen des seit vielen Jahren betriebenen falschen, vorwiegend angelsächsischen Managements zu erahnen, versteht aber die Zusammenhänge noch immer viel zu wenig. Die Rufer stellen zwar Forderungen nach Reformen – Lösungen haben sie bisher aber keine.
Die neuen Lösungen sind schon seit geraumer Zeit da und werden von immer mehr innovativen Spitzenführungskräften mit durchschlagenden Erfolgen eingesetzt. Sie stehen in meinen Büchern über die richtige Corporate Governance sowie in meinen monatlichen Management Lettern, in denen ich die Anfänge der heutigen Krise bereits in 1990er Jahren behandelt habe.
Außerdem habe ich die meisten der Lösungen in zahlreichen Vorträgen und Seminaren vor Tausenden von Führungskräften aus Wirtschaft und Politik dargelegt – darunter meine Krisenszenarien, meine Kritik am angelsächsischen Shareholder-Value-Konzept und an der Unzulänglichkeit der Managementlehre der herkömmlichen Business Schools.
In den sechs Bänden dieser Reihe stelle ich meine Lösungen in ihrer Gesamtheit dar. Sie enthalten meine system-kybernetischen ManagementSysteme sowie die Methoden und Tools, die in allen Organisationstypen für ihre praktische Anwendung und Umsetzung nötig sind.
Schon das Wissen und die Methoden der bisher erschienenen ersten drei Bände geben Führungskräften erfolgskritische Vorteile für das richtige Handeln, für schnelle Anpassungen, für die erforderliche Leadership zur Schaffung von innovativen Organisationsformen und für das Entdecken neuer Geschäftsmöglichkeiten.
Für die überaus wertvolle Unterstützung bei der Neuauflage aller bisherigen Bände danke ich herzlich Frau Mag. Tamara Bechter, Frau Dr. Sonja Böni und Frau Vassiliki Sourlas.
Fredmund Malik
St. Gallen, im Mai 2013
»Two roads diverged in a wood,and I– I took the one less traveled by,and that has made all the difference.«
Robert Frost
Das Genom ist der Code für die Lebensfähigkeit von Menschen im biologischen Sinne. Richtiges Management jedoch ist der Code für ihre Lebenstüchtigkeit. Daraus ergeben sich die Lebensfähigkeit des Einzelnen im gesellschaftlichen Sinne sowie die Funktionstüchtigkeit einer Gesellschaft und ihrer Institutionen als Ganzes. Weniges dürfte wichtiger sein. Weniges ist aber auch mit so vielen Fragen verbunden. Und Weniges ist so komplex.
Was aber ist Management? Darüber kursieren zahlreiche Auffassungen. Würden sie alle funktionieren, gäbe es keinen Misserfolg. Leider gibt es ihn doch. Die Frage, was Management ist, genügt nicht. Sie muss präziser sein und lauten: Was ist richtiges Management? Darauf gestützt ist weiter zu fragen: Was ist gutes Management?
Was also ist Richtiges und Gutes Management? Dieser erste Band der Reihe Management: Komplexität meistern enthält einen kompakten Überblick über mein Konzept einer ganzheitlichen, systemischen, kybernetisch fundierten und universell gültigen General-Managementlehre im Sinne von Richtigem und Gutem Management. In den Folgebänden werde ich die einzelnen Themengebiete detailliert darlegen, die zu Richtigem und Gutem Management gehören und dieses definieren.
Der kritische Leser wird nach den Grundlagen und dem Charakter der hier vorgestellten Managementlehre fragen. Management erachte ich nicht als eine empirische Wissenschaft im üblichen Sinne, sondern als eine anwendungsorientierte Disziplin – als eine Praxis. Management bedient sich aber zahlreicher empirischer Wissenschaften und stützt sich auf ihre Ergebnisse. Der eigentliche Beweis der Richtigkeit von Management liegt letztlich im praktischen Funktionieren.
Meine in diesem Buch und den Folgebänden dieser Reihe dargelegten Auffassungen sind Ergebnis von mehr als dreißig Jahren Forschung im Management, der Entwicklung von innovativen ManagementSystemen und ihrer praktischen Anwendung – sowohl in meinen eigenen als auch in vielen anderen Unternehmen, Organisationen und Institutionen, sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international. Die Anwendung meiner ManagementSysteme hat vor allem auch in China großen Anklang gefunden, wo man an funktionierendem Management besonders interessiert ist.
Ebenso wertvoll wie lehrreich für meine Innovationen ist auch das Feedback von Tausenden von Führungskräften unterschiedlicher Gebiete und Ebenen, mit denen ich jahrzehntelang zusammengearbeitet habe, sowie von vielen meiner Leserinnen und Leser. Dabei greife ich konsequent auf die Arbeiten anderer ganzheitlich orientierter Managementvordenker zurück, die ebenso auf die Gesamtheit von Management – auf General Management – ausgerichtet sind. Dazu gehören unter anderen die Werke von Peter F. Drucker, Stafford Beer, Hans Ulrich, Aloys Gälweiler und Frederik Vester sowie die Primärliteratur der Kybernetik, darunter die Arbeiten von W. Ross Ashby, Heinz von Foerster, Norbert Wiener und Gordon Pask.
Die Antwort auf die Frage, was Richtiges und Gutes Management ist, verlangt, dass bisher bewährte Erkenntnisse und verlässliche Grundlagen zusammengeführt werden, weil sich nur daraus weiterführende Ergebnisse entwickeln lassen. Die weit verbreitete Mode in der Managementliteratur, immer wieder bei null zu beginnen und das »Rad neu erfinden zu wollen«, führt nur selten zu relevanten Ergebnissen, behindert aber umso mehr den Fortschritt.
Meine Publikationen über Management sind auf thematische Kontinuität sowie inhaltliche Einheit und begriffliche Klarheit ausgerichtet. Die Grundlage dafür ist meine Anwendung von Kybernetik, wie ich sie in meinem Buch Strategie des Managements komplexer Systeme beschrieben habe. Für Leser, denen meine bisherigen Publikationen vertraut sind, ist das leicht zu erkennen. Für andere mag es manchmal schwierig sein, einzelne meiner Aussagen im Kontext meines Gesamtsystems von Richtigem und Gutem Management zu sehen. Mit dieser Buchreihe versuche ich, die Zusammenhänge überschaubar und einsichtig zu machen.
Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen am Malik Management Zentrum St. Gallen für viele hilfreiche Diskussionen. Ferner danke ich meiner Kollegin Linda Pelzmann, Professorin für Wirtschaftspsychologie, für ihre wertvollen Feedbacks; Frau Mag. Tamara Bechter für die kritische Durchsicht des ersten Manuskripts und viele Verbesserungsvorschläge; Maria Pruckner für ihre Hilfe bei der Überarbeitung der Auflage 2007 sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Campus Verlags.
Fredmund Malik
St. Gallen, im Januar 2007
»The very first steptoward success in any occupationis to become interested in it.«
Sir William Osler (1849–1919), Arzt
Eine immer komplexer werdende Welt funktioniert ohne Management gar nicht und ohne präzises nur schlecht. Das gilt für alle Arten von gesellschaftlichen Institutionen, seien es Wirtschaftsunternehmen oder andere Organisationen. Dieses Buch soll ihren Führungskräften und Mitarbeitern helfen, ihre anspruchsvollen beruflichen Aufgaben professionell zu erfüllen.
Im Dschungel von Lehrmeinungen, Moden, Ideologien und echten Innovationen soll ihnen dieses Buch die nötige Übersicht bieten, um Richtiges von Falschem und Brauchbares von Unbrauchbarem zu unterscheiden. Nur so kann man auf jeder Karrierestufe seiner eigenen und der gemeinsamen Verantwortung gerecht werden. Nur so kann gelungenes Zusammenwirken entstehen.
Das vorliegende Buch ist ein kompakter Leitfaden für Richtiges und Gutes Management – für General Management. Es gibt den nötigen Überblick über dessen Inhalte. In den Folgebänden der ganzen Buchreihe werden sie ausführlich behandelt – inhaltlich und methodisch für die praktische Anwendung. Jene Tools und Praktiken, die das Handwerk ausmachen, wird der Leser, um viele praktische Beispiele ergänzt, dort kennen lernen. Der vorliegende Band ist somit nur der Auftakt einer praxisorientierten Gesamtdarstellung dessen, was das Handwerk des Managements, was wahre Professionalität von Führungskräften sein muss.
Bei solidem General Management geht es nicht um die Frage, ob etwas neu, modern oder »in« ist. Es geht ausschließlich darum, ob es richtig ist, ob es funktioniert und ob es praktisch hilft, Managementaufgaben bestmöglich zu erfüllen. Weder das vorliegende Buch, noch meine anderen Bücher handeln vom »heutigen Managementdenken«. Sie alle sind Leitfäden für praktische Wirksamkeit. Hier lege ich meine eigenen Auffassungen dar, die nur selten mit dem Mainstream übereinstimmen.
Management. Das A und O des Handwerks ist die Weiterführung, Vertiefung und Ergänzung meines Buches Führen Leisten Leben. Dort geht es um das Handeln des einzelnen Managers. Das vorliegende Buch geht weit darüber hinaus. Hier steht die Gesamtheit einer Institution im Zentrum – hier geht es um systemorientiertes General Management.
Dieses Buch enthält eine Reihe von Thesen, die – gemessen am Mainstream-Denken – als provokant, als ungewöhnlich und auf den ersten Blick häufig als falsch angesehen werden. Hier und in den Folgebänden stelle ich die Argumente zur Diskussion.
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Abbildung 1: Die Große Transformation21
Management ist die wichtigste Funktion in der Gesellschaft. Es liegt am Management, ob eine Gesellschaft funktioniert oder nicht. Erst durch Management werden Ressourcen in Resultate transformiert.
Management ist weitgehend lernbar. Es ist ein Beruf und ein Handwerk. Es folgt denselben Regeln der Professionalität, wie sie in anderen Berufen bekannt und bewährt sind. Begabungen sind nützlich, aber nicht entscheidend.
Man muss nur eine Art von Management erlernen, nämlich richtiges und gutes. Richtiges und Gutes Management ist universell, invariant und unabhängig von Kultur. Es gilt für alle Arten von Organisationen und alle Länder. Man braucht weder internationales, multikulturelles noch globales Management. Alle wirksamen Institutionen funktionieren auf dieselbe Weise. Sie verwenden dieselben Funktionsprinzipien.
Scheinbare Unterschiede hängen nicht mit Management zusammen, sondern mit der Natur der unterschiedlichen Sachaufgaben, die in unterschiedlichen Organisationen zu erfüllen sind.
Nicht jeder kann jede Organisation führen. Das liegt nicht an den Managementkenntnissen, sondern an der Unterschiedlichkeit der Sachaufgaben.
Alle Manager in allen Organisationen brauchen – durchgängig über alle Ebenen – dieselben Managementkenntnisse. Nicht alle hingegen brauchen diese Kenntnisse im selben Vollständigkeits- und Detaillierungsgrad. Wird das nicht beachtet, entstehen Orientierungs- und Richtungslosigkeit. Das wiederum bedeutet das Ende von Kommunikation und Funktion.
Die dominierenden Managementvorstellungen der vergangenen rund fünfzehn Jahre halte ich für weitgehend falsch, irreführend und gefährlich. Das gilt insbesondere für alles, was mit der Shareholder-Value-Doktrin und deren Folgen zusammenhängt – wie Wertsteigerungsstrategien und vorwiegend finanzwirtschaftliche Denkweisen. Für falsch halte ich ebenso den Stakeholder-Ansatz.
Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, deren massive Verschärfung meines Erachtens programmiert ist, sind nur zu einem geringen Teil politischen Fehlern zuzuschreiben. Sie sind die Folge von fehlgeleitetem Management, von falschem und schlechtem Management. Umso wichtiger ist die Frage nach richtigem und gutem Management.
Zusätzlich zum Glossarium im Anhang sind für jeden Band dieser Reihe vorab einige Begriffsklärungen wichtig.
Alte Welt und Neue Welt Begriffspaar für den fundamentalen säkularen Wandel, den ich als »Die Große Transformation21« bezeichne. Es ist die Ablösung der bisherigen Ordnung durch eine neue Ordnung.
Funktionieren ist mein allgemeinster Begriff für das zuverlässige und optimale Arbeiten einer Organisation entsprechend ihrem Zweck.
Institution allgemeinster Begriff für alle Arten von gesellschaftlichen Organisationen sowohl der Wirtschaft als auch der öffentlichen Bereiche, sowie auch Begriff für Systeme von Regeln, die soziales Verhalten lenken. So ist das Wirtschaftsunternehmen sowohl eine Institution als auch eine Organisation.
Management siehe dazu die Editorische Notiz zu Beginn jedes Bandes dieser Reihe.
Den Begriff »Management« verwende ich in drei Bedeutungen: Erstens als eine Funktion, die es in jeder Art von Organisation geben muss, damit diese funktionieren kann. Das ist die sogenannte funktionelle Dimension von Management. Sie ist weder an Personen noch an organisatorische Elemente gebunden. Diese Funktion ist mit den Sinnesorganen nicht direkt wahrnehmbar. Sie wird durch ein bestimmtes Handeln von Menschen verkörpert und wird dadurch wirksam.
Zweitens verwende ich den Begriff »Management« im Sinne der Summe von juristisch und/oder organisatorisch definierten Organen einer Institution. Gemeint ist dann zum Beispiel der Vorstand einer Aktiengesellschaft, die Geschäftsführung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Regierung eines Landes, das Rektorat einer Universität. Dies ist die institutionelle Dimension. Dazu gehören auch eine erweiterte Geschäftsleitung, eine Gruppenleitung, ein Führungskreis oder eine Partnerkonferenz. Wenn es um gesetzlich vorgeschriebene und/oder höhere Organe geht, sind die Zuständigkeiten, Rechte, Pflichten und Haftungen durch Reglemente wie Gesetze, Statuten oder Satzungen geregelt. Für andere organisatorische Einheiten werden sie durch Gewohnheit geklärt.
Drittens bezeichnet der Begriff »Management« auch die Personen, die Mitglieder der erwähnten Führungsorgane sind. Das ist die personelle Dimension von Management. Die Begriffe »Top-Management« und »Top-Manager« sind häufig personell zu verstehen.
Das Wort »Management« verwende ich gleichbedeutend mit dem Begriff »Führung«. »Führung« ist die deutsche Übersetzung für den englischen Begriff »Management«. Beide Begriffe bezeichnen dasselbe. In allen meinen Publikationen verwende ich diese Begriffe als Synonyme. Nicht identisch sind hingegen die Begriffe »Management« und »Leadership«.
ManagementSystem(e) ist die zumeist im Plural verwendete Bezeichnung des von mir entwickelten kybernetischen ganzheitlichen ManagementSystems, mit allen Subsystemen und Management-Modellen sowie deren Logik, Systemik, Grafik und Inhalt, einschließlich der für die Anwendung nötigen Vorgehensweisen, Methoden und Instrumente.
Richtiges und Gutes Management das Ziel für die Entwicklung, Gestaltung und Anwendung meiner ManagementSysteme. Der Begriff definiert das Funktionieren von Organisationen sowie den Beruf des Managers und die Professionalität (»lege artis«) der Ausübung dieses Berufes durch Führungskräfte. Folgerichtig definieren diese Kriterien auch die Verantwortung und Ethik von Managern. Die Subsysteme und Elemente sowie die Tools, Methoden und Modelle sind nach den Kriterien »richtig« und »gut« ausgewählt oder entwickelt worden. Das Gegenteil von »richtig« und »gut« ist »falsch« und »schlecht«. Richtiges und Gutes Management ist kulturunabhängig.
Universell gültig Richtiges und Gutes Management ist unabhängig von Kulturen universell gültig und überall anwendbar.
Unternehmen, Organisation und Institution verwende ich meist als gleichbedeutend. Gewisse Bedeutungsunterschiede beziehen sich auf den Allgemeinheitsgrad oder die spezielle Einschränkung auf ein Gesellschaftssegment. Die allgemeinsten Begriffe sind Institution und Organisation. Damit sind alle in einer Gesellschaft vorkommenden Organisationen gemeint, gleich welcher Art und Rechtsform. Der Begriff »Unternehmen« gehört im Wesentlichen in das Segment der Wirtschaft. Wenn es keine speziellen Hinweise gibt, wird aus dem Zusammenhang klar, was ich mit den einzelnen dieser Begriffe jeweils meine.
Am häufigsten verwende ich in diesem Buch den Begriff »Unternehmen« und andere im Unternehmenskontext unmittelbar passende Begriffe, zum Beispiel »Unternehmenspolitik«. Gültigkeit haben die Inhalte in der Regel für alle Institutionen. Dem Anwendungsfeld entsprechend müssen jedoch die Begriffe adaptiert werden, wie zum Beispiel statt »Unternehmenspolitik« »Hochschulpolitik« oder »Gesundheitspolitik«.
Der Begriff »Organisation« kann zusätzlich zur oben genannten Bedeutung von »eine Institution ist eine Organisation« auch im Sinne von »die Institution hat eine Organisation« verwendet werden. Die jeweilige Bedeutung ergibt sich auch hier aus dem Zusammenhang.
TEIL I
Was Management ist und was es nicht ist
»Je tiefer das Problem, das ignoriert wird,desto größer die Chancen auf Ruhm und Erfolg.«
Heinz von Foerster, Kybernetiker und Philosoph1
Viele verstehen Management als die Kunst, reich, berühmt oder mächtig zu werden. Das sind die Kategorien, in denen PR-Leute und viele Medien über Management berichten. Mit professionellem Management hat das so wenig zu tun wie ein billiger Fernsehkrimi mit der Wirklichkeit der Polizeiarbeit.
Es herrscht Verwirrung darüber, was Management eigentlich ist, sein soll und nicht sein darf. Mit der zunehmenden Bedeutung von Management sind unzählige Definitionen, Begriffe und Vorstellungen in die Welt gekommen. Die meisten sind nicht nur unbrauchbar, sondern unsinnig und irreführend. Zum Teil zeugen sie von totalem Unverständnis des Sachgebietes.
Diese Verwirrung ist eine der Hauptquellen für tief sitzende Unklarheiten, Missverständnisse und Irrtümer über Management. Hier ist einer der wichtigsten Ursprünge für den langsamen, beinahe fehlenden Fortschritt in der Entwicklung dieses Fachgebiets. Es ist einer der Hauptgründe für die immer wiederkehrenden Modewellen. Eine höchst kostspielige Folge davon ist auch die erschreckende Unwirksamkeit eines großen Teils der Aus- und Weiterbildung in Management. Jede gute Ausbildung setzt voraus, dass die Frage unmissverständlich und ausreichend geklärt ist, worum es in einem Fach eigentlich geht.
Ein guter Anfang ist die Klärung, was Management nicht ist. Damit lassen sich bereits viele Missverständnisse beseitigen. Meine Auffassung darüber, was Management nicht ist, entstand während drei Jahrzehnten theoretischer und praktischer Befassung mit Management und war in dieser Zeit in Tausenden von Fällen der Erprobung und Bewährung ausgesetzt. Weil wir es hier nicht mit Naturgesetzen zu tun haben, sondern mit Entscheidungen, die man im Dienste der Klarheit in jedem Unternehmen treffen sollte, braucht man meine Meinung nicht zu übernehmen. Falls jemand mit meinen Vorschlägen nicht einverstanden ist, muss er seine eigenen Entscheidungen fällen, die ihm nützlicher erscheinen mögen. Diese können dann besser oder schlechter sein. Folgenreich und gefährlich ist es jedenfalls, wenn die Unklarheiten darüber bestehen bleiben, was Management ist und was nicht.
Wer Management mit Status und Rang gleichsetzt, wird nie eine gute Führungskraft werden. Status und Privilegien sind Begleiterscheinungen von Management, aber nicht dessen Wesen. Meistens sind sie hinderlich für die Professionalität von Managern. Es sind Versuchungen, die nur zu leicht in Pomp, Realitätsferne und im Egotrip münden.
Management muss von seiner Funktion her verstanden werden. Es sind Aufgaben zu erfüllen, es ist Arbeit zu leisten, es ist ein Beitrag zu erbringen. Nur wichtig zu sein, ist kein Beitrag. Personenkult gehört nicht ins Management. Wer bekannt und berühmt sein will, sollte sich besser im Entertainment profilieren.
Im deutschsprachigen Raum ist der vielleicht am weitesten verbreitete Irrtum die Meinung, Betriebswirtschaftslehre und Management beziehungsweise Managementlehre seien dasselbe. Diese Auffassung ist falsch. Jede neue Generation von BWL-Absolventen trägt zur weiteren Ausbreitung und Zementierung dieser Irrmeinung bei.
Betriebswirtschaftslehre und Management sind grundverschieden. Mit betriebswirtschaftlichem Wissen allein lässt sich ein Unternehmen niemals führen. Dafür ist zusätzliches Wissen nötig, das bis heute von der Betriebswirtschaftslehre nicht aufgenommen wurde.2
Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind unbestritten wichtig für die Führung eines Wirtschaftsunternehmens. Für das Management anderer Organisationen ist das aber nicht gleichermaßen der Fall. Für jedes Wirtschaftsunternehmen ist Marketing wichtig. Für ein Krankenhaus trifft das aber selten zu, am ehesten noch bei den Modekliniken. Kostenrechnung wiederum ist für ein Krankenhaus wichtig, aber weit weniger für eine politische Partei. Produktion, Logistik, Beschaffung und Forschung und Entwicklung sind Funktionen, die längst nicht für alle Unternehmen nötig sind. Für Banken und Versicherungen haben sie wenig Bedeutung und für die meisten anderen Organisationen gar keine.
Alle Organisationen brauchen zwar Management, aber nicht alle brauchen Betriebswirtschaftslehre. In Wahrheit ist es eine Minderheit. Für manche wäre eine betriebswirtschaftliche Denkweise sogar ausgesprochen schädlich, etwa für Philharmonische Orchester.
Das Gleichsetzen von Management mit BWL hat ihren Ursprung in der Auffassung, dass Management vorwiegend oder ausschließlich eine Sache der Wirtschaft sei, dass vor allem oder ausschließlich Wirtschaftsunternehmen zu managen seien und dass Management in der Wirtschaft entstanden sei. Gleichzeitig wird von Vertretern anderer Organisationen, gelegentlich etwas herablassend, Management als etwas nur Wirtschaftliches, somit als profan und materialistisch gesehen. Sie sind sich nicht darüber im Klaren, dass ihre eigene Funktion ebenfalls Management ist, lediglich auf eine andere Sache angewandt.
Management ist eine universelle gesellschaftliche Funktion. Es wird in allen gesellschaftlichen Institutionen gebraucht. Die Bezeichnungen, unter denen diese Funktion im Einzelfall auftritt, sind bedeutungslos. Der Rektor einer Universität ist zu einem erheblichen Teil seiner Tätigkeit ein Manager, auch wenn er das selbst nicht so sieht. Das Gleiche gilt zum Beispiel auch für Opernintendanten, Orchesterdirigenten, Spitzenbeamte, Schuldirektoren und Chefärzte. Entscheidend ist die Funktion, nicht ihre Bezeichnung. Das wird von den Spitzenleuten außerhalb der Wirtschaft selten verstanden. Deshalb versäumen sie es zu oft, sich entsprechend auszubilden.
Management ist nicht in der Wirtschaft entstanden. In der Wirtschaft ist aber die Wirkung von Management am deutlichsten sichtbar. Dort ist der Unterschied von richtigem und falschen Management besonders gut zu beobachten. Das liegt unter anderem daran, dass man Zahlen hat, die es in anderen Organisationen nicht gibt. In der Wirtschaft ist vieles messbar, was man anderswo nicht quantifizieren kann. Die Auswirkungen von Managementfehlern und -irrtümern zeigen sich hier in Zahlenwerken und sie zeigen sich zum Teil schneller als in vielen anderen Organisationen. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass in diesen Managementfehler prinzipiell länger unentdeckt und undeutlicher bleiben. Dysfunktion hat hier nur andere Zeichen: im Krankenhaus zum Beispiel ein Patient, der am falschen Bein operiert wird, oder in Schulen die Gewalt, die unter Schülern zunimmt.
Eine weit verbreitete Auffassung ist die Meinung, Management sei vorwiegend oder ausschließlich die Führung von Menschen. Der Ursprung dieses Irrtums liegt darin, dass der Begriff »Führung« oft nur auf das Management von Personen, Gruppen oder Teams angewandt wird, aber nicht auf das Management einer ganzen Institution. Die logische Konsequenz ist, dass Managementausbildung dann praktisch ausschließlich als Frage der Menschenführung verstanden wird. Infolge dominieren psychologische Themen. Auch Kommunikation wird dann nur als Verständigung zwischen Personen angesehen, obwohl das im Grunde die kleinsten Probleme aufwirft. Das größere Problem der Kommunikation ist ihre Organisation: Wer muss was wann wem wie mitteilen, und wer muss was wann von wem wie erfahren? Diese Fragen lassen sich nicht mit Psychologie beantworten, sondern nur mit solidem, systemorientiertem General Management.
Management ist zwar auch Menschenführung, aber es ist noch viel mehr. Wenn nicht verstanden wird, dass Management und sein deutscher Zwilling »Führung« auch auf die Gesamtinstitution angewandt werden muss, so treibt dieses Verständnis von Management als nur Menschenführung unweigerlich in eine falsche Richtung. Es wird dann übersehen, dass Menschenführung keineswegs die Führung von Menschen als solchen ist, sondern die Führung von Menschen in Organisationen. Das ist etwas anderes als Menschen in ihrem Privatleben. Gleichzeitig wird in der Regel das Befassen mit Organisationen einseitig, weil nicht verstanden wird, dass Management die Führung von Organisationen mit Menschen ist. Man übersieht, dass beides sich gegenseitig bedingt.
Es geht um die Führung von Menschen in Organisationen. Und es geht um die Gestaltung von Organisationen mit Menschen. Genau das macht die Sache schwierig. Jede Aufgabe wäre – für sich genommen – relativ leicht zu lösen. Beide zusammen sind schwierig. Damit kommt ein weiteres Problem auf: Wenn Menschenführung nicht in einem unauflösbaren Zusammenhang mit den Funktionsanforderungen von Organisationen gesehen wird, dann überträgt man leicht Dinge, die für das Privatleben von Menschen wichtig sind, auf die Organisationen. Dort sind sie in vielen Fällen gänzlich deplatziert. Davon sind große Bereiche der Motivationslehre geprägt, aber beispielsweise auch die Frage, ob ein Beruf Spaß machen muss oder kann. Umgekehrt werden Prinzipien, die für Menschen innerhalb von Organisationen unverzichtbar sind, weil diese sonst nicht funktionieren können, allzu leichtfertig auf das Privatleben übertragen, wo sie nicht hingehören und unter Umständen Schaden anrichten.
Meiner Erfahrung nach sind drei Viertel der Seminare über Mitarbeiterführung unbrauchbar oder irreführend, weil genau solche Verwechslungen, Gleichsetzungen und Unterschiede unbeachtet bleiben.
Wenn Management nur als Menschenführung angesehen wird, kommt es zur Dominanz der Psychologie mit zum Teil schädlichen Folgen. Managementprobleme werden dann als psychologische Probleme angesehen. Ihre Lösung wird dann folgerichtig in der Psychologie gesucht. Man kümmert sich einseitig um die sogenannten »schwierigen« Mitarbeiter, obwohl die »normalen« Mitarbeiter bei weitem in der Überzahl sind, was Probleme der Gerechtigkeit aufwirft. Man vergisst, dass die Aufgabe nicht ist, Menschen zu verändern, zu diagnostizieren und therapieren, sondern sie zu nehmen, wie sie sind und ihre Stärken zu nutzen. Es kommt schließlich zu einer massiven Fehlorientierung, weil alles nur noch in psychologischen Kategorien gesehen wird, womit man sich immer weiter von gutem Management entfernt. Management bedeutet, Organisationen an die Natur des Menschen anzupassen, nicht die Natur des Menschen an die Organisation. Tut man das, braucht es zwar noch immer Psychologie, aber eine ganz andere, weil am Menschen orientierte Organisationen nicht neurotisch machen und keine vermeidbaren Konflikte provozieren.
Den Begriff »Management« haben vor 20 Jahren nur wenige gekannt und verwendet. Heute ist es ein Allerweltswort und hat damit nicht nur seine ursprüngliche Bedeutung verloren, sondern zahlreiche andere, teils auch unsinnige Bedeutungen angenommen.
Das Wort »Management« wird heute gerne auch dort verwendet, wo es darum geht, Geschäfte zu machen – seien es zweifelhafte Deals oder die Tätigkeit ehrbarer Kaufleute. Es kann nicht einmal verhindert werden, dass dieser entscheidende Unterschied durch die Wortverwendung verschleiert wird.
Viele erwarten sich von der Befassung mit Management Aufschluss darüber, wie man besser Geschäfte macht. Das hat mit Management aber nichts zu tun. Da wäre vielleicht Verkaufstraining angezeigt. Unternehmen müssen selbstverständlich Geschäfte machen, also wirtschaften. Nicht aber dafür verwenden wir in der Unternehmensführungslehre den Begriff »Management«, sondern für die Führung des Unternehmens, das die Geschäfte macht. Man muss »Geschäfte machen« und »ein Unternehmen führen« klar auseinanderhalten. Letzteres braucht Management; ersteres kaum.
Für das Erzielen eines Geschäfts allein ist Management möglicherweise sogar hinderlich. Warum? Weil Management das Denken in größeren Dimensionen und Zeithorizonten verlangt. Aus dieser Perspektive kann ein kurzfristig erreichter Geschäftsabschluss auch kontraproduktiv wirken, zum Beispiel, weil er größeren strategischen Zielen im Wege steht. Man denke nur an den Verkauf eines schlechten Produkts, das unzufriedene Kunden zum Mitbewerber treibt und das Vertrauen in eine Marke oder ein Unternehmen auf Dauer verhindern kann.
Eng verwandt mit der vorangegangenen Vorstellung, Management bedeute Geschäfte machen, ist die, mit Managementausbildung werde man ein besserer Unternehmer oder überhaupt ein Unternehmer. Auch das kann Management nicht leisten, übrigens auch nicht ein Betriebswirtschaftsstudium.
Unternehmer sind etwas anderes als Geschäftsleute, und ein Unternehmensführer zu sein ist etwas anderes als ein Unternehmer zu sein. Das schließt nicht aus, dass gelegentlich, aber selten, beide Fähigkeiten in einer Person zusammentreffen.
Auch diese Unterscheidungen werden nicht oft gemacht. Sie ersticken in der Konfusion beliebiger Begrifflichkeiten und in ihren Interpretationen. Dabei gibt es Dutzende von Beispielen alltäglicher Erfahrung, die den entscheidenden Unterschied aufzeigen. Am deutlichsten sieht man ihn dort, wo es Unternehmern nicht gelingt, ihr Unternehmen an eine nächste Generation weiterzugeben. Die Firma geht dann mit ihnen unter oder wird verkauft. Management ist dort erforderlich, wo der Unternehmer das Unternehmen von sich selbst unabhängig machen will!
Ein erfolgreicher Unternehmer zu sein, ist schon schwierig genug. Aber die eigentlichen Schwierigkeiten kommen mit dem nächsten Schritt oder, besser, mit der nächsten Entwicklungsphase des Unternehmens. Wenn dem Unternehmer besondere Persönlichkeitseigenschaften zugeschrieben werden, so mag das gut und recht sein. Mit dem, was das Unternehmen unabhängig von ihm braucht, hat das wenig zu tun – manches ist sogar schädlich.
Unter anderem löst sich mit meinem Vorschlag der Unterscheidung zwischen Unternehmern und Managern auch die hartnäckig in der Welt sitzende Theorie vom Gewinn als Unternehmermotiv: Was der Unternehmer will, ist meistens etwas anderes, als das Unternehmen braucht. Eben darin liegen die Unterschiede zwischen Unternehmer und Unternehmen. Darin liegen auch die Gründe, weswegen »Management« nicht mit »Unternehmer« identisch ist.
Weitere Missverständnisse ergeben sich aus der Tatsache, dass bei der Erwähnung des Wortes »Management« viele reflexartig das Top-Management meinen. Das wären somit die obersten Führungskräfte, die als Organe nach außen sichtbar für das Unternehmen handeln und dieses verpflichten. Bei der Aktiengesellschaft sind es die Vorstände und die Aufsichtsräte, bei der GmbH ist es die Geschäftsführung; in der Schweiz sind das die Konzernleitung und der Verwaltungsrat.
Wer die Innenwelt eines Unternehmens kennt, weiß, dass das Management nicht nur aus den Top-Organen des Unternehmens besteht. Die zweiten und dritten Ebenen unter dem Vorstand gehören ebenfalls zum Management, oft sind es noch mehr.
Für ein wirklich funktionsorientiertes Verständnis von Management genügt das aber noch immer nicht. Im Prinzip gehört jeder, der führt, zum Management. Auch Meister in der Produktion sind demzufolge Führungskräfte. Diese Auffassung war bereits Ende der 1960er Jahre eine der Grundlagen für die damals initiierte Entwicklung des St. Galler Management-Modells wie auch der Systemorientierten Managementlehre und unterscheidet bis heute maßgeblich dieses Modell von praktisch allen anderen. Viele Postulate, Methoden und Instrumente des St. Galler Modells ergeben sich daraus, dass Führung beziehungsweise Management in diesem weiten personellen Sinne verstanden wird und auch nur in diesem Kontext einen Sinn hat.
Etwas salopp gesprochen gehört also jeder zum Management, der ein Chef ist. Ich schlage aber vor, noch einen Schritt weiterzugehen und im Zusammenhang mit Managementausbildung nicht nur jene einzubeziehen, die Chefs sind, sondern auch alle jene, die einen Chef haben, ohne selbst Chef zu sein. Ein Ausbildungsprogramm für die zweite Gruppe würde nicht denselben Umfang haben wie für die erste Gruppe. Es ist aber für alle, die einen Chef haben, außerordentlich wichtig zu wissen, wie Chefs denken, nach welchen Gesichtspunkten sie handeln, warum sie so handeln und handeln müssen. Damit würden von vornherein umfangreiche Verständnisschwierigkeiten und ein guter Teil des Kommunikationsaufwandes wegfallen, Konfliktmanagement würde über weite Strecken überflüssig werden. Ein zweiter Grund ist, dass nicht nur unterstellte Mitarbeiter zu führen sind, sondern dass ebenso auch Chefs gemanagt werden müssen und zwar von ihren Mitarbeitern. Das wird zwar außer am Management Zentrum St. Gallen so gut wie nirgends gelehrt, ist aber trotzdem hoch empfehlenswert, weil es sich bewährt. Menschen, die ihre Chefs zu managen verstehen, haben selten Schwierigkeiten in ihrem Beruf und an ihrem Arbeitsplatz.
Die Globalisierung ist weitgehend eine Amerikanisierung der Welt. Als Folge sind viele, ohne nachzudenken, der Meinung, Amerika habe die beste Wirtschaft der Welt, nur weil es die größte hat – und es habe somit auch das beste Management der Welt. Beides ist falsch. Es ist schlichtweg eine optische Illusion, gestützt auf statistische Täuschung. Dies ist in vielen meiner monatlichen Managementletter nachzulesen.3
Amerika wird wirtschaftlich und in punkto Management massiv überschätzt, wie ich in vielen Schriften belegt habe. Größe ist nicht Stärke. Und durch ständige Medienwiederholung von Irrtümern werden diese nicht wahr.
US-Management ist für einfache Situationen geeignet; in komplexen Verhältnissen versagt es fast durchweg. US-Management funktioniert unter den Bedingungen der USA. Wo diese Bedingungen nicht gegeben sind, ist seine Wirkung zweifelhaft bis desaströs.
Im Zuge der Amerikanisierung der Welt wurde auch amerikanisches Management exportiert. In Asien ist es die einzige verfügbare Variante. Alternativen sind unbekannt, nicht, weil es sie nicht gibt, sondern weil sie bisher auf Englisch nicht verfügbar sind. Es ist gut möglich, dass darin in naher Zukunft ein enormer Vorteil für Europa liegen wird.
Mit der Verbreitung der MBA-Programme ist die Meinung aufgekommen, diese seien das Nonplusultra der Managementausbildung. Auch diese Meinung ist falsch. Management ist ebenso wenig identisch mit Business Administration wie mit Betriebswirtschaftslehre.
Richtigerweise werden die einschlägigen Ausbildungsgänge nicht als »Master of Management«-Lehrgänge, sondern eben als solche für »Business Administration« bezeichnet. Die amerikanische Business Administration ist eine Spielart der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre.
Obwohl in den Fächerbezeichnungen durchgängig das Wort »Management« vorkommt, wie beispielsweise in Marketing Management, Production Management oder Finance Management, so ist das, was unter diesen Bezeichnungen gelehrt wird, nur zum geringsten Teil Management, sondern es ist schlicht Marketing, Production und Finance. Leute mit einem MBA-Kurs sind also keineswegs deswegen allein schon zum Manager befähigt. Da sie und ihre Umwelt es aber glauben, trägt diese Fehlbeurteilung zu teilweise katastrophalen Führungsleistungen bei.
Wegen der Führungskatastrophen, die in den letzten zehn Jahren unter dem Einfluss der amerikanisierten Corporate Governance und der MBA-Ausbildung gehäuft aufgetreten sind, kommt jetzt eine zögerliche Gegenbewegung in Gang. Stellvertretend sei hier das Buch Managers not MBAs4 des kanadischen Managementprofessors Henry Mintzberg genannt.
Wir bekommen durch die Mehrheit der MBA-Programme eine falsche Ausbildung für das Führen eines komplexen Systems. Das liegt unter anderem daran, dass die MBA-Ausbildung besonderen Wert auf Quantifizierung legt. Als Folge dessen schrumpft die Führung eines Unternehmens unter dem Einfluss der Corporate-Governance-Diskussion auf das Manipulieren von Finanzkennzahlen.
Gründliche Verwirrung entsteht dadurch, dass Managementaufgaben und Sachaufgaben nicht auseinandergehalten werden. Die in Wirtschaftsunternehmen typischen Funktionen, wie Forschung und Entwicklung, Marketing, Produktion, Finanzen, Rechnungswesen, Personal, Logistik und so weiter werden irrigerweise häufig als Managementaufgaben angesehen. In Wahrheit sind es Sach- oder Fachaufgaben. Ihre Erfüllung benötigt vor allem Sach- und Fachkenntnisse.
Wenn jemand im Rahmen einer Ausbildung Fächer wie Marketing, Finanzwesen, Rechnungswesen, Produktion, Personalwesen und dergleichen studiert hat, so ist er hoffentlich ein guter Fachexperte. Er ist aber deswegen allein noch lange kein Manager. Betriebswirtschaftsabsolventen sind, im Gegensatz zur üblichen Meinung, in Management kaum oder nur oberflächlich ausgebildet. Aufgrund dieser Verwechslung von betriebswirtschaftlichen Fachaufgaben und Managementaufgaben meint man fälschlich, dass gerade Betriebswirtschaftsabsolventen auch gute oder jedenfalls ausgebildete Manager sein müssten.
Management hat andere Aufgaben, nämlich: für Ziele sorgen, organisieren, entscheiden, kontrollieren, Menschen entwickeln und fördern.
Das gute Erfüllen von Sachaufgaben erfordert immer auch Management. Andererseits kann Management nicht ohne Bezug auf eine Sachaufgabe betrieben werden. Management ist immer »Management von etwas«.
Die Frage, was wichtiger sei, Management- oder Sachkenntnisse, kann nicht generell beantwortet werden und ist im Grunde müßig. Vom Prinzip her gehören beide zusammen. Der Einzelfall mag eine gewisse Gewichtung möglich oder erforderlich machen.
Sachkenntnis allein führt nicht zu Ergebnissen, schon gar nicht zu optimalen. Managementkenntnisse allein verpuffen mangels Anwendungsgebiet der Sachaufgabe.
Der Glaube, dass ein Manager – bar jeglicher Sachkenntnis – überall einsetzbar sei und alles managen könne, ist meiner Erfahrung nach falsch. Es gibt kaum Fälle, in denen jemand erfolgreich eine große Bank geführt hat, der etwa vorher Chef eines Automobilunternehmens war und umgekehrt. Selbst dem Finanzvorstand eines Autokonzerns, der gewiss über reiche einschlägige Fachkenntnisse verfügt, würde ich die Führung einer Bank nicht anvertrauen.
Eine neue Konfusionswelle ist die Mode, eine scharfe Unterscheidung zwischen Management und Leadership5 vorzunehmen. Dies geschieht auf eine Weise, die jeden Erkenntniszuwachs verhindert.
Unter der Bezeichnung »Management« wird alles zusammengefasst, was als schlecht hingestellt wird und nur die als »niedrig« eingestuften Dinge betrifft, etwa das laufende Tagesgeschäft, die Befassung mit operativen Dingen, aber auch Planung, Kontrolle und Budgetierung.
Umgekehrt wird unter dem Begriff »Leadership« alles verstanden, was als gut und wichtig angesehen wird. Leadership soll demnach all das sein, was weitsichtig ist, die Zukunft betrifft, innovativ und visionär ist, also jene Dinge umfasst, die man als wünschenswert ansieht.
Der gehäuften Verwendung des Begriffes »Leadership« liegt eine falsche Übersetzung zugrunde, diesmal nicht, wie üblich, vom Englischen ins Deutsche, sondern vom Deutschen ins Englische. Das deutsche Wort »Führung« wird ins Englische mit »Leadership« übersetzt. Das ist eine Folge der Einführung von Englisch als Corporate Language in deutschsprachigen Unternehmen. Das hat übrigens weder der Qualität der Führung noch der Sprache gut getan. Und dass dabei Fehler passieren, ist zu erwarten, dass es so gravierende und irreführende Fehler sind, ist überraschend.
Um oben anzuknüpfen: Management heißt auf Deutsch »Führung«. Das deutsche Wort »Führung« ist demzufolge in fast allen Fällen mit »Management« ins Englische zurückzuübersetzen. Es gibt kaum einen Fall, bei dem wir den deutschen Ausdruck für »Manager«, nämlich »Führungskraft«, mit »Leader« ins Englische zurückübersetzen könnten.
Fast durchweg ist für Personen, die man im Deutschen als Führungskräfte bezeichnet, im Englischen der Begriff »Manager« zu verwenden. Bei höheren Führungskräften würde man von »Officers« oder »Directors« sprechen. Den Chef einer Abteilung nennt man nicht »Leader of«, sondern »Head of«, also nicht »Leader of Research«, sondern »Head of Research«. Der Generalbegriff für höhere Führungskräfte wäre »Executives«. Der »CEO« ist der Chief Executive Officer und nicht der »Chief Executive Leader«.
Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen dürfte man das Wort »Leader« verwenden. Man nennt einen Bergführer auch nicht Mountain Leader, sondern Mountain Guide. Ein Fremdenführer ist ebenfalls kein Leader, sondern ein Guide.
»A great society is a society in which men ofbusiness think greatly of their functions.«
Alfred N. Whitehead, Logiker und Philosoph
Was ist Management? Management ist die Transformation von Ressourcen in Nutzen.
Das ist meines Erachtens die zweckmäßigste Definition von Management. Sie ermöglicht den fruchtbarsten Zugang zu dieser gesellschaftlichen Funktion und eröffnet die weitestmögliche Perspektive.
Die folgenden Begründungen sollen klarer machen, was man sich unter richtigem und gutem Management vorstellen soll. Sie folgen aus der Tatsache, dass beide, Ressourcen und Nutzen, nur außerhalb eines Unternehmens, außerhalb jeder Institution, zu finden sind.
Nicht die einzige, aber die wichtigste Ressource ist in den entwickelten Wirtschaften schon heute Wissen. Es existiert maßgeblich außerhalb des Unternehmens, kommt am Morgen in den Köpfen der Mitarbeiter in die Firma und geht abends wieder nach Hause. Ob es am nächsten Morgen wiederkommt, ist nicht garantiert. Jenes »Wissen«, von dem die meisten Wissensmanagementexperten sprechen, jenes nämlich, das computerfähig in Daten festzuhalten ist, hat im Vergleich dazu geringe Relevanz. Man kann daher akzentuierend auch sagen, Management sei die Umwandlung von Wissen in Nutzen. Diese Variation, Management ist die Transformation von Wissen in Nutzen, ist die Basis für das Verständnis von Gesellschaft und Wirtschaft im 21. Jahrhundert.
Auch Nutzen entsteht nur außerhalb des Unternehmens. Es entsteht beim Leistungsempfänger, beim Kunden. Es ist jener Nutzen, den das Unternehmen schaffen muss, um zu existieren. Es ist jener Nutzen, durch den das Unternehmen seinen Zweck erfüllt. Für »Nutzen« verwende ich im Englischen das Wort »value«, nicht »utility« wie die Ökonomen. Somit gibt es nur eine Art von Value, auf den es wirklich ankommt. Das ist Customer-Value, nicht Shareholder-Value, nicht Stakeholder-Value und auch keine internen Values, wie ich später ausführlich zeigen werde. Nutzen entsteht dort, wo eine Rechnung bezahlt wird. In einem ernstzunehmenden Wortsinn tut das allein der Kunde, und umgekehrt, kann als Kunde nur angesehen werden, wer Rechnungen bezahlt. Schon allein diese Einsicht eliminiert zahlreiche Irrtümer, die sich insbesondere um das Corporate-Governance-Thema ranken.
Management auf allen Ebenen steht damit unter dem naturgegebenen Zwang, sich im Außen für das Innen zu orientieren. Die logische Konsequenz ist, dass Institutionen, Unternehmen und Organisationen von außen nach innen geführt werden müssen. Kritische Leser werden hier unschwer das hartnäckigste Missverständnis über Management erkennen: Es ist weitgehend üblich, von innen nach außen zu führen.
Besonders jüngere Führungskräfte fragen auffallend oft nach Definitionen. Das ist eine der negativen Folgen eines heutigen Universitätsstudiums. Sie glauben, eine Definition sage etwas über die Sache selbst, nämlich über das Wesen des definierten Gegenstandes oder Begriffes. Ich halte diese Auffassung für falsch, will das hier aber nicht näher begründen.6 Definitionen sagen über die Sache nichts aus. Sie legen unter gewissen Umständen den Sprachgebrauch fest. Begriffe selbst sind aber nicht entscheidend. Es sind die Aussagen, die wir mit ihrer Hilfe formulieren und somit die sprachliche Kommunikation, die sie ermöglichen.
Für den Zweck, Management zu verstehen, können die folgenden beiden Definitionen nützlich sein. Zuvor erinnere ich nochmals daran, dass ich die Wörter »Management« und »Führung« als gleichbedeutend verwende, ebenso »Manager« und »Führungskraft«, nicht hingegen »Manager« und »Führer«. Das deutsche Wort »Führung« muss also durchweg mit »Management« ins Englische übersetzt werden und umgekehrt.
Das erste Beispiel stammt von Hans Ulrich, der 1972 schreibt7: »Management ist die bewegende Kraft, überall wo es darum geht, durch ein arbeitsteiliges Zusammenwirken vieler Menschen gemeinsam etwas zu erreichen, in der Landesverteidigung ebenso wie in der Kirche, auf dem Gebiet der Erziehung und der Gesundheitspflege ebenso wie in der Wirtschaft.« Hans Ulrich, einer der konzeptionell bahnbrechenden Managementdenker, ist Begründer der St. Galler Systemorientierten Managementlehre und gemeinsam mit Walter Krieg der Schöpfer des St. Galler Management-Modells. Ulrich hat unter Management durchgängig und von Anfang an die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von komplexen, produktiven, sozialen Systemen verstanden.
Er stellte dabei auf die Arbeiten des Pioniers der Managementkybernetik, Stafford Beer, ab. Dieser sagt: »… if cybernetics is the science of control, management is the profession of control – in a certain type of system.«8 Damit wird die Kybernetik zur Grundlage von Management, weil sie die Wissenschaft von der umfassenden Regulierung, Steuerung, Lenkung und Entwicklung, eben von »Control« bestimmter Systeme, insbesondere der hochkomplexen zweckorientierten Systeme ist. Diese Perspektive hat sich als weitaus fruchtbarer erwiesen als die ökonomistische Sichtweise der Betriebswirtschaftslehre und der amerikanischen Business Administration.
Das zweite Beispiel: Peter F. Drucker, der Doyen des Managements, schreibt in seinem umfassendsten Buch:9 »The first thing is that management, that is, the organ of leadership10, direction, and decision in our social institutions, and especially in business enterprise, is a generic function which faces the same basic tasks in every country and, essentially, in every society. Management has to give direction to the institution it manages. It has to think through the institution’s mission, has to set its objectives, and has to organize resources for the results the institution has to contribute. … This means, above all, that managers practice management. They do not practice economics. They do not practice quantification. They do not practice behavioural science. These are tools for the manager. But he no more practices economics than a physician practices blood testing. He no more practices behavioural science than a biologist practices the microscope. He no more practices quantification than a lawyer practices precedents. He practices management.«
In beiden Zitaten stecken die wesentlichen Dinge für das richtige Verständnis von Management. Man sieht, dass das nichts mit »reich, berühmt und mächtig« zu tun hat. Es hat auch nichts zu tun mit dem anscheinend unausrottbaren Dogma der Wirtschaftswissenschaften, nämlich der Gewinnmaximierung, das mit der Shareholder-Doktrin Wiederauferstehung feierte und noch einmal scheinlegitimiert wurde.
Seit langem schlage ich vor, Management als einen Beruf zu verstehen. Hier spreche ich vom Beruf der Wirksamkeit oder vom Beruf des Resultate-Erzielens. Im Prinzip ist Management ein Beruf wie jeder andere. Daher darf und muss man dieselben Anforderungen und Erwartungen an Management stellen, wie das bei anderen Berufen der Fall ist.
Das Wichtigste ist in jedem Beruf die dem Entwicklungsstand des Berufes entsprechende Professionalität. Wir erwarten sie zum Beispiel von Zahnärzten, Rechtsanwälten und Orchesterdirigenten. Sie wurde seit jeher von den Kaufleuten erwartet. Dasselbe muss auch für Führungskräfte in allen Arten von Organisationen vorausgesetzt oder zumindest angestrebt werden. Daraufhin müssen sie ausgebildet und trainiert werden. Und daran müssen sie gemessen werden. Auf die einzelnen Elemente von Berufen werde ich im Kapitel über das Standardmodell für richtiges Management eingehen.
Das Wort »Handwerk« wähle ich mit Bedacht, auch wenn heute – zu Recht – nicht mehr der Handarbeiter, sondern der Kopfarbeiter im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Die Bedeutung von Wissen als Ressource habe ich erwähnt. Alle Gesellschaften wandeln sich mit großem Tempo hin zu Wissensgesellschaften. Deren wichtigstes Merkmal ist, dass ihre dominierende, sie prägende Gruppe Menschen sind, die nicht mit ihren Muskeln und ihrer manuellen Geschicklichkeit arbeiten, sondern mit ihrem Wissen. Dieser Umstand sorgt nur dafür, dass das Element des Handelns – das im Handwerk steckt – im Management umso wichtiger wird.
Management bedeutet Aktion, es heißt Tun, es heißt Vollbringen. Wissen für sich genommen hat wenig Bedeutung, solange es nicht genutzt wird, um Resultate zu produzieren. Management ist nicht Wissen allein, auch nicht dessen Produktion oder Weitergabe, sondern Management ist, wie gesagt, die Transformation von Wissen in Ergebnisse. Bildungswissen allein reicht nicht. Wenn Wissen zu Nutzen werden soll, braucht es Handlungswissen. Von Handeln wird erstaunlich wenig gesprochen, wenn es um Management geht. Der gebräuchliche Begriff ist Verhalten. Handeln ist ein Verhalten und die Verhaltenswissenschaften mögen diesen Begriff vorziehen. Mir ist er für das Wesentliche an Management zu blass, zu neutral und zu passiv. Dass Manager sich verhalten, ist ebenso klar wie inhaltsleer. Entscheidend ist nicht Verhalten, sondern jene ganz bestimmte Art des Handelns, die zu Wirksamkeit, zu nützlichen Ergebnissen führt.
Weiter ist wichtig, dass der Begriff »Handwerk« auf das zielt, was man lernen kann. Ich werde regelmäßig gefragt, ob man Management lernen könne. So kann diese Frage nicht beantwortet werden. Sie muss umformuliert werden und lautet dann: Was an Management kann erlernt werden?
Noch immer gibt es Ewiggestrige – selbst in der Wirtschaft –, die uns weismachen wollen, zum Manager sei man geboren. Man kann sehr viel mehr erlernen, als die meisten zu wissen scheinen. Nun behaupte ich nicht, dass jeder alles erlernen kann. Manche Menschen bringen bessere Voraussetzungen mit als andere. Manche bemühen sich mehr als andere. Manche arbeiten härter an sich, um ein besserer Manager zu werden. Zu akzeptieren ist auch, dass manche Menschen nicht zum Beruf des Managers taugen. Aber ich halte ihre Zahl für gering. Es gibt nur wenige, die nicht gewisse Fortschritte machen können.
Ich behaupte auch nicht, dass man die ganz Hohe Schule des Managements erlernen kann. Irgendwo sind jeder Person Grenzen gesetzt, und es gibt Aufgaben, für deren Erfüllung das Erlernbare nicht ausreicht. Dort mag dann angeborene Begabung die entscheidende Wirkung haben. Dass man die »höchsten Weihen« allein durch Lernen vielleicht nicht erreichen kann, sollte aber niemanden davon abhalten, sich das, was gelernt werden kann, auch wirklich anzueignen.
Was wir heute »Management« nennen, musste so lange als Kunst angesehen werden, wie nicht verstanden wurde, worum es ging und worin diese Kunst bestand. Die Erfolge, zum Beispiel großer Unternehmerpersönlichkeiten, wurden bestaunt und als einzigartig, oft genial angesehen. Man kam nicht auf die Idee, genauer hinzuschauen, um herauszufinden, wie sie zu ihren Erfolgen gekommen sind, was sie gemacht und woran sie sich orientiert haben, wie sie vorgegangen sind. Wer für die Wirtschaft war, hat sie heroisiert, wer dagegen war, verteufelt. Nüchtern analysiert hat man sie nicht.
Als Erster hat Peter F. Drucker ein klares Verständnis von Management formuliert, und zwar so, dass es lernbar und zum Teil lehrbar wurde. Er erkannte die wesentlichen Elemente, weil er sich ein Leben lang nicht mit Befragungsergebnissen und Klischees zufrieden gegeben hat. Drucker hat mit den Managern und Unternehmern gearbeitet, mit ihnen Probleme gelöst, und er hat sie dabei beobachtet.
Die Methode von Peter Drucker war, zu fragen: Dieser Mann ist erfolgreich. Was ist es, was ihn erfolgreich macht? Wodurch entsteht sein Erfolg? Jener Person wird Charisma zugeschrieben. Was ist es, was die Menschen dazu veranlasst, dieser Person Charisma zuzuschreiben? Peter Drucker hat mit seiner Art zu Forschen nicht nur einen immensen Beitrag für die Praxis geleistet. Er hat damit auch einen neuen Standard für wissenschaftliche Qualität geprägt, an den nur wenige heranreichen.
Management selbst ist zwar keine Wissenschaft, und dieser Beruf sollte nicht versuchen, eine solche zu werden. Management ist eine Praxis, eine »klinische« Praxis, eine Disziplin. Hingegen erfordern das gedankliche Erfassen, Durchdringen und Formulieren von Management, seine Diskussion und Argumentation durchaus Wissenschaftlichkeit. Das ist nicht Empirismus um des Empirismus willen; es ist nicht Kuschen vor den Zitierkartellen und nicht dem Mainstream nach dem Munde reden. Wissenschaft ist nicht deckungsgleich mit dem, was an Universitäten gemacht wird. Wissenschaftlichkeit bedeutet vor allem verständlich, klar und präzise reden und schreiben, kritisch hinterfragen, argumentieren, prüfen, begründen. Wissenschaftlichkeit heißt, sich der Diskussion zu stellen und fortgesetzt nach den besseren Problemlösungen zu suchen. Für Management im Speziellen müssen es Probleme sein, die für die Praxis relevant sind, nicht jene, die man sich im akademischen Elfenbeinturm ausdenkt.
»Höhere Fähigkeitenerwachsen nur aus mehr Komplexität.«
Carsten Bresch, Biologe11
»… in a certain type of system …« Man erinnere sich, dass ich oben Stafford Beer und seine Pionierarbeit für die Managementkybernetik erwähnt habe. Was für eine Art von System meint Stafford Beer?
Um Management zu verstehen, braucht man eine Mindestvorstellung von komplexen Systemen. Ohne Komplexität und Systemhaftigkeit wenigstens in den Grundzügen verstanden zu haben, kann man nicht vernünftig über den Zweck gesellschaftlicher Institutionen und ihre Funktionsanforderungen sprechen.
Viele der zunächst als kontrovers angesehenen Elemente meiner Managementlehre können leicht geklärt werden, wenn man die reale Komplexität von Management und seiner Wirklichkeit berücksichtigt. Tut man das umgekehrt nicht, bleiben diese Punkte unverständlich. So wird beispielsweise meine später in diesem Buch formulierte Kritik am Shareholder-Value maßgeblich durch das Komplexitätsproblem bestimmt. Er ist eine Scheinlösung, die wegen ihres Reduktionismus vordergründig plausibel erscheint, aber beweisbar untauglich, ja schädlich ist. Zusammen mit dem Gewinnmaximierungsdenken repräsentiert der Shareholder-Value ein Denken in den veralteten Kategorien des 20. Jahrhunderts. Wer solche Scheinlösungen akzeptiert, macht das vernünftige Funktionieren eines Unternehmens unmöglich.
Um dem Leser den Zugang nicht unnötig zu erschweren, verwende ich kybernetische Fachbegriffe nur sparsam. In meinen Konzepten, Vorschlägen und Lösungen sind Kybernetik und Systemik eingebaut. Da diese kybernetisch und systemisch sind, brauche ich nicht viel darüber zu reden. Ein paar Hinweise hier und dort genügen.
Komplexität gehört seit einigen Jahren zu den am häufigsten verwendeten Wörtern. Es wird von komplexen Systemen gesprochen, von komplexen Zusammenhängen, komplexen Problemen und so weiter. In kaum einer Präsentation oder Diskussion von Führungskräften fehlt ein Bezug auf Komplexität – etwa von Märkten, von Produkten und von Prozessen. Woher kommt dieser Begriff? In welchem Zusammenhang ist er entstanden? Wofür ist er wichtig?
Die meisten Menschen haben ein eher intuitives Verständnis für Komplexität. Sie assoziieren damit etwas Schwieriges, Unverständliches, Undurchschaubares. Im Alltag mag dieses intuitive Verständnis ausreichen. In Zusammenhang mit Management sind genauere Kenntnisse über Komplexität nützlich und für höhere Führungsaufgaben notwendig. Das gilt für alle Arten von Organisationen.
In gewisser Weise kann Management als die Fähigkeit definiert werden, erfolgreich mit komplexen Systemen umzugehen, sie in eine erwünschte Richtung zu steuern und ihr Verhalten so zu beeinflussen, dass bestimmte Ziele erreicht werden. Man kann auch sagen, Management bedeute, ein System unter Kontrolle zu bringen und unter Kontrolle zu halten.
Die soeben verwendete Formulierung stößt bisweilen auf harsche Kritik, und zwar bei jenen, die mit dem Wort »Kontrolle« ausschließlich die Vorstellung von Macht, Zwang, Gewalt und Herrschaft verbinden. Das ist eine der Bedeutungen dieses Wortes. Im Englischen hat »to control« auch eine ganz andere Bedeutung. Es meint regeln, regulieren, steuern, lenken. In diesem zweiten Sinne sind das englische »control« beziehungsweise das deutsche »Kontrolle« der Hauptforschungsgegenstand der Wissenschaft, die man Kybernetik nennt – vergleichbar mit »Kraft« als eine der Forschungsfragen der Physik. Trefflich kommt dies im Untertitel jenes Buches zum Ausdruck, mit dem der Mathematiker Norbert Wiener 1948 den Grundstein zur Kybernetik als moderner Wissenschaft legte: Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine.
Das Wort »Kybernetik« kommt vom griechischen kybernetes. Das heißt so viel wie Steuermann. Es findet sich in Begriffen wie Governor, Gouverneur und Governance. Im Band über Corporate Governance werde ich darauf zu sprechen kommen. Unter Kybernetik kann die Steuermannskunst oder einfach die Kunst der Steuerung – und verallgemeinert, die Kunst der Steuerung, Regelung und Lenkung – verstanden werden. Dass hinter dieser Kunst auch eine Wissenschaft steht, braucht man im Alltag nicht weiter zu beachten. Interessant und wichtig wird das erst, wenn Probleme auftauchen, für deren Lösung das Alltagsverständnis allein nicht mehr ausreicht.
Wie Norbert Wiener zur Kybernetik kam, warum er sein Buch Kybernetik nannte, und wer auf diesem Gebiet sonst noch wichtig war, ist eine eigene Geschichte. Obwohl sie kein großes öffentliches Aufsehen erregte, sei hier erwähnt, dass die Kybernetik die vielleicht wichtigste Wissenschaft des 20. Jahrhunderts ist. Über die Atomphysik wurde öffentlich viel intensiver als über die Kybernetik diskutiert. Die Kybernetik ist es, die das 20. Jahrhundert in das 21. transformiert. Ihre vollen Auswirkungen werden das 21. Jahrhundert prägen. Sie werden unser Leben von Grund auf verändern. Ohne Kybernetik gäbe es keine Computer und Roboter; keine Elektronik und keine Informatik. Es gäbe weder die rasanten Fortschritte in den biologischen Disziplinen noch die Gentechnik. Die mit der Kybernetik verbundenen Entwicklungen schaffen Risiken, aber noch viel größere Chancen. Wer erstere vermeiden und letztere nutzen will, wird um die Kybernetik nicht herumkommen.
Es waren die Kybernetik und die eng mit ihr zusammenhängenden Gebiete der Systemwissenschaften und der Informationstheorie, die es ermöglicht haben, die dritte Grundgröße der Natur, Information, zu verstehen, zu erklären und sie schließlich systematisch zu nutzen. Bis dahin »kannte« man in der Wissenschaft offiziell nur zwei elementare Größen – Materie und Energie. Das sind die »Gegenstände«, mit denen sich die Königsdisziplinen der Naturwissenschaften – Physik und Chemie – im Zuge der Aufklärung befassten. Und auf diese versuchte man die Erscheinungsformen der Welt zu reduzieren. Zweifellos hat uns dieser Forschungsansatz einen enormen Zuwachs an Erkenntnissen und infolge an technischen Möglichkeiten gebracht.
Die wirklich guten Wissenschaftler waren mit dieser Grundphilosophie der Naturwissenschaften aber nie ganz zufrieden. Irgendetwas fehlte – und