Wenn Grenzen keine sind - Fredmund Malik - E-Book

Wenn Grenzen keine sind E-Book

Fredmund Malik

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Beschreibung

Ausdauer, Selbstmotivation, Leistung, Verantwortung – Bergsteiger und Manager verbindet mehr, als die meisten denken. In seinem neuen Buch präsentiert Bestsellerautor Fredmund Malik das Bergsteigen als facettenreiche Lebensschule, in der man zentrale Erkenntnisse für ein wirksames Management und ein erfülltes Leben gewinnen kann. Malik ist überzeugt: Beruf und Privatleben sind vereinbar, Erfolg und Lebensqualität kein Widerspruch. Gewohnt scharfsinnig votiert er gegen einen Dauerzustand »am Limit« und die Vorstellung, Topmanager müssten ständig »Berge versetzen«. Ein Plädoyer für mehr Freude an Leistung.

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FREDMUND MALIK

WENN GRENZEN KEINE SIND

Management und Bergsteigen

Fotos: Hermann Comploj und Fredmund MalikKapiteleinstiegsfotografie: Fotostudio Roth. Die abgebildeten Knoten wurden von Hermann Comploj geschlagen.

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Ausdauer, Selbstmotivation, Leistung, Vertrauen und Mut, Grenzen zu überwinden – Bergsteiger und Manager verbindet mehr, als viele denken. Der Managementvordenker und passionierte Alpinist Fredmund Malik präsentiert das Bergsteigen als facettenreiche Lebensschule, in der man wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen für wirksames Management gewinnen kann. Er zeigt, wie man im Beruf gut und wirksam sein kann, um nicht trotzdem, sondern deshalb ein lebenswertes Leben zu führen.

Über den Autor

Der Autor Prof. Dr. Fredmund Malik (geb. 1944, Lustenau/Österreich) gehört zu den renommiertesten Managementvordenkern. Sein über Jahrzehnte konsequent vom Zeitgeist losgelöstes Verständnis von Management hat Generationen von Führungskräften beeinflusst. Malik ist an der Schweizer Universität St. Gallen habilitierter Professor für Unternehmensführung, Gründer und Inhaber der führenden Institution für das Management komplexer Systeme mit Niederlassungen in St. Gallen, Zürich, Wien, Berlin, London, Toronto, Peking und Shanghai. Der Träger des Ehrenkreuzes der Republik Österreich für Wissenschaft und Kunst und des Heinz-von-Foerster-Preises ist Mitglied und Vorsitzender in Aufsichts-, Verwaltungs- und Stiftungsräten. Sein Buch «Führen Leisten Leben» wurde als eines der 100 besten Managementbücher aller Zeiten ausgezeichnet. Malik lebt in St. Gallen/Schweiz, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Der Bergführer Hermann Comploj (geb. 1957, Bozen/Italien) ist ausgebildeter Berg- und Skiführer aus Wolkenstein/Südtirol. Er führt seit über 35 Jahren durch die Dolomiten und auf ausgewählten Touren in den Alpen. Zuvor war er Mitglied der Italienischen Nationalmannschaft im Ski-Abfahrtslauf. Seit über 25 Jahren ist er Bergführer und Seilpartner von Fredmund Malik. Comploj lebt mit seiner Frau in Wolkenstein/Italien. Er hat zwei Töchter.

Inhalt

GRATWANDERUNG

Können Manager von Alpinisten lernen?

Mein Managementverständnis

Richtiges Funktionieren; Komplexität meistern

Der Beruf der Wirksamkeit

Meine Bergzeit

Heldentum und Entmystifizierung

Die Faszination des heldischen Alpinismus; Vorbilder und falsche Helden; Die ideale Führungskraft – eine falsche Frage; Der Irrtum vom Menschenbild; Verantwortliche Leadership; Von feuchten Händen und echten Herausforderungen

Die Zeit der Helden ist vorbei

IM GRUNDE IST ES LEBEN PUR …

Selbsterfahrung und Grenzüberschreitung

Welche Grenzen müssen wir akzeptieren?

Vom «Warum?» zum «Warum nicht?»; Am Limit?

Der Blick in den Abgrund; Tote Punkte überwinden

Objektive oder subjektive Grenzen?

Wie gewöhnliche Menschen das Außergewöhnliche schaffen

Von Motivation zu Selbstmotivation

Pionierleistung und wahre Sensation; Potenzial erkunden; Sich selbst über Grenzen führen; Sei sparsam mit Lob

Erfolgsgeheimnis: vorhandene Stärken nutzen

Stärken mit Aufgaben zusammenbringen

Menschen entwickeln: Mut und Zuversicht

Rückgewinnen der Empfindungswelt

Sensorische Deprivation; Kopf oder Bauch?

Weil ich wissen will, wie es ist; Ausbrennen oder Ausprobieren?; Weil ich wissen will, was noch möglich ist

Selbstvertrauen, Selbstrespekt und Stolz

Selbstvertrauen und Vertrauen in andere

Selbstrespekt und Stolz; Angst und Critical Incidents

Große Ziele; Scheitern und Misserfolg

Sinn von Bergsteigen, Sinn von Management

Eine Antwort, die Sinn macht; Sinn kann man nicht geben, nur finden

MANAGEMENT ALPIN

Wie das Neue in die Welt kommt

Paradigmenwechsel am Berg; Paradigmenwechsel im Management

Von der Alten Welt zu einer Neuen Welt

Optimismus und Pessimismus sind fehl am Platz; Die Innovation

Wie man sich im Unbekannten zurecht findet

Heuristiken zur Navigation in Komplexität

Die Vollständigkeit der Lagebeurteilung; Man braucht drei Strategien

Risiko und Entscheidung

Sich richtig vorbereiten; Fehler machen; Mit Risiko umgehen

Man muss eine Entscheidung treffen

RICHTIGE UND FALSCHE SCHRITTE

Wie man wirksam wird

Sein oder Tun?; Ausrichten auf Resultate; Beitrag für das Ganze

Konzentration auf Weniges; Stärken nutzen; Vertrauen

Positives und konstruktives Denken

Routine und Perfektionierung

Verantwortung und Ethik

Die dreifache Verantwortung von Führungskräften

Schlüssel zur Funktionstüchtigkeit der Gesellschaft

Schlüssel zur Lebenstüchtigkeit der Menschen

PRÄAMBEL

Wie kommt das Außergewöhnliche in die Welt? Wie können gewöhnliche Menschen Außergewöhnliches leisten – und nicht trotzdem, sondern gerade deshalb ein erfülltes Leben führen? Die Geschichte ist ein einziger Beweis dafür, dass Menschen viel mehr leisten können, als zu jeder Zeit vermutet wurde. Die Grenzen sind nie dort, wo man sie vorschnell für sich gelten lässt. Wer mit der Überwindung seiner eigenen Grenzen noch nicht experimentiert hat, sollte dies wagen. Dies sind jene spannenden Expeditionen zu sich selbst, die jeder von uns machen kann. Es sind außergewöhnliche Entdeckungen, die man mit der Neudefinition seiner Grenzen machen wird.

VORWORT

Dieses Buch habe ich für jene Menschen geschrieben, die in ihrem Beruf so gut und wirksam sein wollen, dass sie nicht trotzdem, sondern gerade deshalb auch ein lebenswertes Leben führen. Ein Leben, das ihnen so viel Freude macht und Sinn gibt, dass auch die Menschen in ihrem Umfeld dies sehen und spüren.

Das Buch ist für jene bestimmt, die anspruchsvolle Führungsaufgaben heute schon haben oder solche anstreben – darunter auch Aufgaben, die sie immer öfter vor so große Herausforderungen stellen, dass sie auch an ihre Grenzen stoßen. Viele dieser Grenzen kann man überwinden – ohne zusätzlichen Stress. Und noch weit wichtiger: Statt überwinden, was Kraft kostet, lassen sich viele Grenzen sogar auflösen – durch richtiges und gutes Management, wie ich es in «Führen Leisten Leben» entwickelt habe. Jene Leserinnen und Leser, die dort mehr über das «Leben» vermisst haben, werden es hier finden.

Was haben Management und Bergsteigen gemeinsam? Für die meisten Menschen liegen diese beiden Welten weit auseinander. Hier bringe ich sie aber zusammen, um mit meiner Passion für die Berge zu zeigen, was wichtig ist, um effektiv zu werden. Dafür ist das Bergsteigen mit seinen Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu Management eine gute «Steighilfe». Mit diesen Analogien wird deutlich, warum ich für manche Dinge eine andere Sichtweise habe; vieles wird verständlich, was im Management oft so abstrakt bleibt.

«Wenn Grenzen keine sind» ist mein bisher persönlichstes Buch und daher eine Gratwanderung – wie sie auch zum Bergsteigen gehört. Es ist ein Buch über das Leben – aber nicht als Lebenshilfe gedacht. Ungeachtet des Titels und der Bilder ist es ein Managementbuch, und kein Buch über meine sportliche Leidenschaft. Um alpinistische Großtaten und Pionierleistungen geht es mir nicht. Es ist ein Plädoyer gegen falsch verstandenen Heroismus. Es ist auch ein Plädoyer dafür, sich frei zu machen von zu engen Grenzen und von den Beschränkungen durch das, was «nicht geht». Das Buch handelt davon, wie man durch richtiges und gutes Management und Selbstmanagement über Grenzen hinauskommt und das scheinbar Unmögliche zumindest versucht.

Ich danke jenen, die meine Managementauffassungen geprägt haben, besonders Peter F. Drucker, Hans Ulrich und Walter Krieg; ferner jenen, die mir als Kybernetiker die Dimension der Komplexität erschlossen haben, darunter Stafford Beer, Heinz von Foerster und Frederic Vester. Ebenfalls danke ich den so zahlreichen Führungskräften, mit denen ich in all den Jahren zusammenarbeiten durfte.

Mein spezieller Dank gehört jenen, die mir das Bergsteigen möglich machten, meinen Bergführern und Freunden Hermann Comploj und Toni Trummer, und all den im Buch genannten Südtiroler Bergführern. Sodann meinem Freund Günther Rainer, der mich mit seiner Freude an den Bergen und seiner Abenteuerlust ansteckte. Ich danke meiner Frau, die mir mit Verständnis und Geduld meinen zeitkonsumierenden Sport ermöglichte, und meinen Kindern, die zwar nicht immer – aber doch meistens – mit Freude dabei waren und es weiterhin sind.

Danke sage ich auch Reinhard Gassner und Andrea Redolfi, die mit großem Engagement und Professionalität das Design des Buches schufen, sowie dem Team des Campus Verlags für die wiederum gute Zusammenarbeit. Ebenso danke ich Tamara Bechter, die Konzept und Gestaltung dieses Buches begleitet hat und meine Verlagsarbeit koordiniert. Ohne sie hätte ich dieses Buch nicht so und nicht jetzt schreiben können.

Fredmund Malik

St. Gallen, im November 2013

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Der Schlüssel zu den außergewöhnlichen Leistungen wirksamer Menschen liegt in der Art ihres Handelns. Nicht wer diese Leute sind, ist entscheidend, sondern wie sie handeln. Nicht das Sein ist entscheidend, sondern das Tun. Durch ihr Handeln zieht sich ein roter Faden, ein Muster.

GRATWANDERUNG

Können Manager von Alpinisten lernen?

Um es gleich vorwegzunehmen: Bergsteigen ist nicht notwendig, um eine gute Führungskraft zu sein. Alpinismus oder irgendein anderer Sport qualifizieren für sich allein genommen weder zur Führung eines Wirtschaftsunternehmens noch einer anderen Organisation. Umgekehrt fehlt den meisten Führungskräften der Zugang oder die Zeit zum Bergsteigen. Viele gehen gerne Wandern, weil sie etwas für ihre Gesundheit tun und weil sie von Berglandschaften begeistert sind. Es gibt zwar unter Führungskräften, sogar unter Topmanagern, ganz hervorragende Alpinisten, darunter solche, die zahlreiche Viertausender und höhere Berge, ja sogar Achttausender bestiegen haben. Einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Management und Bergsteigen gibt es jedoch nicht. Als Manager kann man im Beruf hochkompetent sein, auch wenn man noch nie auf einem Berg war.

Wer jedoch eine Führungskraft ist oder es werden will und auch Freude an den Bergen hat, kann bei diesem Sport schnell und viel darüber lernen, wie man Managementaufgaben professioneller und wirksamer als andere erfüllt, insbesondere unter komplexen und oft nur schwer vorhersehbaren Bedingungen.

Sowohl im Management als auch beim Bergsteigen kommt es auf physische, psychische und mentale Kraft an; auf Energie, Ausdauer und Durchhaltevermögen; auf den Umgang mit persönlichen Grenzen und den Grenzen anderer Menschen; auf Motivation und Selbstmotivation in schwierigen und erfolgskritischen Situationen; auf die Fähigkeit, sich rasch zu regenerieren, sich selbst sowie seine Leute richtig einzuschätzen, auf die eigene Leistungsfähigkeit und auf jene von Hochleistungsteams. Es kommt maßgeblich an auf das persönliche Beispiel, auf Führung und Disziplin, auf schnelle und richtige Entscheidungen. Sowohl am Berg als auch im Management zählen Vertrauen, Verantwortung und Ethik.

Um Erfahrungen in so vielen und so komplexen Dimensionen zu gewinnen und sich so zu entwickeln, dass man auch für außergewöhnliche Leistungen und anspruchsvolle Positionen qualifiziert ist, braucht man auf den üblichen Organisationswegen meistens Jahre, oft Jahrzehnte. Beim Bergsteigen hingegen kann man solche Erfahrungen häufig unmittelbar und im Zeitrafferverfahren machen, man kann erstaunlich vieles oft schon innerhalb von Wochen und Monaten lernen. Was man wissen muss, worauf zu achten und was wirklich wichtig ist, davon handelt dieses Buch.

Für solche Erfahrungen muss man sich am Berg keineswegs in Gefahren begeben. Schon in objektiv ganz risikofreien Situationen kann man in kurzer Zeit vieles lernen, was einem sonst kaum zugänglich ist. Deshalb ist Bergsteigen – eingebunden in den richtigen Managementkontext – auch ein Real Live-«Personal Assessment», mit einem integrierten, schnell wirksamen «Personal Development»-Programm. Etwas ungewöhnlich zwar, dafür umso effektiver. Von besonderem Wert sind daher Outdoor-Programme, die diesen Aspekt berücksichtigen.

In über vier Jahrzehnten habe ich unzählige Führungskräfte aller Stufen und Branchen kennengelernt – sowohl sehr erfahrene als auch noch sehr junge. So konnte ich auch früh das Zusammenwirken von Sport und Management beobachten. Sport im Allgemeinen, und zunehmend bestimmte Arten des Leistungssportes, haben für Führungskräfte wachsende Bedeutung. Viele betreiben regelmäßiges Training, um sich für die immer höheren Anforderungen ihres Berufes fit zu halten. Die meisten Sportarten verhelfen zu weit mehr als körperlicher und mentaler Fitness, sie vermitteln Fähigkeiten und Erfahrungen, die man weder im Lehrbuch noch in einem MBA-Programm findet. Dazu zählen gerade jene Einsichten, die in Organisationen für den Aufstieg in hohe und oberste Führungspositionen ausschlaggebend sind.

Bergsteigen ist nicht notwendig, um eine gute Führungskraft zu sein.

Das gilt insbesondere für jene Outdoor-Sportarten, die einem die intensive Auseinandersetzung mit sich selbst in der Natur abverlangen. Das ist dann so wertvoll, wenn man vor existenziellen Entscheidungen steht und wenn man in Führungssituationen ganz allein – nur mit sich selbst ist. Marathonlauf und Radsport decken solche Dimensionen ab. Hochseesegeln ist eine Alternative. Davon verstehe ich jedoch nichts. Ich bin kein Segler, denn ich werde furchtbar seekrank. Ich hatte keine Ahnung, wie groß die Todessehnsucht sein kann, bis mich Freunde auf einen Segelturn in die Agäis eingeladen hatten.

Meine Sportwelt sind die Berge. Ich finde sie schön, und ich liebe das Bergsteigen. Ich mag die Herausforderungen am Berg und die Auseinandersetzung mit mir selbst und mit der Natur.

Manager, auch Topmanager, sind nicht jene, die ständig «Berge versetzen», nicht jene, die laufend «ultimative Erstbegehungen» machen oder schon alle Achttausender «bezwungen» haben. Als wirksame Führungskraft muss man sich nicht «immer am Limit» bewegen. Für mich gehört es aber mit zum Menschsein, seine Potenziale auszuloten und wenn möglich auch auszuschöpfen – gerade weil wir nicht im Voraus wissen, wo unsere Grenzen und wie groß unsere Möglichkeiten sind.

Die Fähigkeit zur Selbstmotivation, die Emanzipation von der Motivation durch andere und die Befreiung von oft unbewusst selbstauferlegten Abhängigkeiten setzen ganz neue Maßstäbe für die persönliche Wirksamkeit. Vieles wird möglich, das man bis dahin für unmöglich gehalten hat. Es ist der Schritt von der Leistung zur Freude an der Leistung. Es ist der Schritt von frei zu sein von etwas zu frei zu sein für etwas.

Ich biete mit diesem Buch keine «Lebenshilfe.» Das Bergsteigen ist unter anderem aber eine gute Lebensschule und auch eine Führungsschule. Hier möchte ich aufzeigen, wie ganz gewöhnliche Menschen Außergewöhnliches leisten können, und nicht trotzdem, sondern gerade deshalb auch ein erfülltes Leben führen.

Für mich gehört es mit zum Menschsein, seine Potenziale auszuloten, gerade weil wir nicht wissen, wo unsere Grenzen und wie groß unsere Möglichkeiten sind.

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Ciavazes, Kleine Micheluzzi, 2005

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Ciavazes, Kleine Micheluzzi, 2005

Mein Managementverständnis

Die Organisationen der heutigen Gesellschaft stehen vor den vielleicht größten Herausforderungen der Geschichte. Die bisherigen Organisationsformen und Managementprozesse stoßen immer öfter an ihre Grenzen – kein Wunder, haben sie ihre Grundlagen doch tief im vorigen Jahrhundert. Die Welt ändert sich heute schneller, als man mit veralteten Führungs- und Organisationsmethoden Lösungen entwickeln kann. Auch im Alpinismus kennen wir das. Die Formen des Bergsteigens ändern sich rascher, selbst die spektakulärsten Rekorde werden durch neue Formen des Bergsteigens schneller abgelöst als die Medien es berichten können. Die einen mag das ängstigen, für andere ist es die Chance ihres Lebens, etwas zu verwirklichen und zu zeigen, was sie können.

Neue Herausforderungen können mit den alten Managementsystemen nicht mehr gemeistert werden, genauso wenig wie man mit alten Eispickeln gefrorene Wasserfälle erklettern kann. Überall brauchen wir Innovationen, neue Denkweisen und neue Lösungen. Ganz besonders gilt das für das wirksame Management für Organisationen und auch für die Menschen.

Richtiges Funktionieren

Management ist jene gesellschaftliche Funktion, welche die Organisationen einer Gesellschaft dazu befähigt, richtig zu funktionieren, damit sie ihren Zweck zuverlässig erfüllen können. Dazu gehört auch das Befähigen der Menschen, ihren Beitrag dazu zu leisten. Management umfasst somit auch die Transformation von Ressourcen in die Ergebnisse, für die eine Organisation gegründet wurde. Denn nur durch richtiges Management werden Ressourcen wie Rohstoffe, Kapital, Arbeit und Energie wirksam in sinnvolle Ergebnisse und in Nutzen verwandelt. Auch Wissen, Kreativität und Talent sind für sich genommen erst Ressourcen – also Potenziale. Die Potenziale werden erst durch richtiges Management zu zweckentsprechenden Ergebnissen. Im Sport zeigt sich deutlich, dass gerade die besten Talente eines Menschen erst durch gezielte Förderung und richtiges Training zu Leistung werden und zum Sieg führen. So verstandenes Management schafft Zweck, Orientierung, Struktur und Leistungskraft für die zahlreichen Organisationen der modernen Gesellschaft. Dadurch verwirklicht Management auch politische und gesellschaftliche Verantwortung und Ethik.

Überall dort, wo Ziele nur durch das Zusammenwirken vieler Menschen und durch das Teilen von Arbeit und Wissen erreicht werden können, ist Management die ordnende und bewegende Kraft – in all unseren gesellschaftlichen Institutionen: im Wirtschaftsunternehmen ebenso wie in der Universität, im Krankenhaus, in der Stadt, in allen unseren Vereinen und in den Hunderttausenden, ja Millionen von Organisationen, die eine entwickelte Gesellschaft heute hat und braucht. Wo immer die Dinge funktionieren, tun sie es wegen der Managementfunktion. Und wo sie nicht funktionieren, liegt es an deren Mängeln.

Komplexität meistern

Management ist aber noch mehr … Zu den größten Herausforderungen von Management gehört heute die enorme und ständig wachsende Komplexität in fast allen Lebensbereichen und die Dynamik des sich selbst beschleunigenden Wandels. Beides sind Folgen der global zusammenwachsenden Organisationen, die sich zu immer größeren, undurchschaubaren Systemen vernetzen. Was an der Oberfläche als Krisen in Erscheinung tritt, ist Teil einer tiefgreifenden Umwandlung von Wirtschaft und Gesellschaft. Diesen Umwandlungsprozess – die «Große Transformation21» – verstehe ich als die Ablösung der Alten Welt durch eine Neue Welt. Die verschiedenen Krisen kann man am besten verstehen als die Geburtswehen dieser Neuen Welt.

Solche Transformationen kommen in der Geschichte regelmäßig in großen Zeitabständen vor. Diesen Change-Prozess beobachte ich seit Langem, und gerade der Alpinismus hat mir dabei geholfen, diese grundlegende Veränderung zu sehen und besser zu verstehen, weil sie sich eben auch beim Bergsteigen abgespielt hat.

Die bisherigen Organisationsformen und Managementprozesse stoßen immer öfter an ihre Grenzen – kein Wunder, haben sie ihre Grundlagen doch tief im vorigen Jahrhundert.

Wie die Transformation im Einzelnen verlaufen wird, ist kaum vorhersehbar. Es ist wie einfallender Nebel beim Bergsteigen. Man erkennt gewisse Umrisse, aber keine Einzelheiten mehr. In dieser Situation ist höchste Konzentration erforderlich, spezielle Fähigkeiten für die Orientierung, jeder muss sein Handwerk beherrschen, man muss sich vertrauen und aufeinander verlassen können.

Immer mehr Menschen ahnen, dass rascher Wandel künftig zum Alltag gehört. Genau dann sind komplexitätsgerechte Strategien nötig: wenn man nicht weiß, wie die Zukunft sein wird – und trotzdem handeln muss. Bergerfahrung vermittelt die Einsicht, dass die Natur sich nicht nach unseren Vorstellungen und Planungen richtet. Man kann eine zu erwartende Aufgabe zwar immer mental simulieren, aber das ist etwas anderes als die Erstellung eines Geschäftsplanes. Der Schlüssel zum Erfolg ist nicht der Plan, sondern seine eigene Vorbereitung auf mögliche Ereignisse. Wer sich in hoher Komplexität zu bewähren versteht, sie gar zu seinem Vorteil zu nutzen weiß, hat viele Chancen auf seiner Seite. Daher verstehe ich Management auch als das Meistern von Komplexität. Es ist diese Perspektive, die den besten Zugang zu Management in seiner Ganzheit eröffnet und es ermöglicht, dafür die besten Lösungen zu entwickeln.

Die Geschichte der Navigation zeigt anschaulich, wie der Mensch nach und nach gelernt hat, mit Komplexität umzugehen, mit Unbekanntem und Ungewissem fertigzuwerden und dies zu seinem Vorteil zu nutzen. Die epochemachenden Entwicklungsschritte von Windrose, Kompass, Nordpol und Koordinatensystem bis zu Radar und Satellitensystem haben klare Entsprechungen für das Management in komplexen Systemen. Mit Komplexität, Dynamik, Wandel, Risiko und Informationsmangel umgehen zu können, sind Voraussetzungen für das Entdecken von Neuland.

Was an der Oberfläche als Krisen in Erscheinung tritt, ist Teil einer tiefgreifenden Umwandlung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Die wissenschaftlichen Grundlagen für mein Managementverständnis sind deshalb auch die drei Komplexitätswissenschaften Systemik, Kybernetik und Bionik. Die Systemik sehe ich als die Lehre von kohärenten Ganzheiten; die Kybernetik verstehe ich als die Lehre vom Funktionieren; und die Bionik ist die Lehre davon, wie wir Lösungen der Natur auf das Funktionieren unserer Organisationen anwenden können, um deren Leistungsfähigkeit zu optimieren.

Der Beruf der Wirksamkeit

Führungskräfte sind jene Personen, die auf allen Stufen dazu beitragen, dass Organisationen funktionieren, und die dies als ihren Beruf ausüben. Das bedeutet, in einer Organisation das Richtige zu tun und dieses auch gut zu tun – also zugleich effektiv und effizient zu sein. Deshalb verstehe ich Management auch als den Beruf der Wirksamkeit, als den Beruf der Effektivität.

Effektivität ist die Fähigkeit, sich etwas vorzunehmen und es dann erfolgreich zu tun – es zu verwirklichen. Im Privatleben ist das zumeist weit einfacher, weswegen uns das nicht besonders auffällt, denn dort ist der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Handeln und seinen Resultaten klar und direkt erkennbar. In Organisationen hingegen – insbesondere in großen Organisationen – ist es schwierig, effektiv zu sein, weil dieser Zusammenhang sowohl kausal als auch zeitlich nur sehr indirekt und oft gar nicht erkennbar ist. Daher sind in Organisationen ganz bestimmte Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten nötig, um effektiv zu sein.

Beim Bergsteigen hat Effektivität eine ganz besondere Bedeutung. Wie auch andere Sportler sind Alpinisten ausgesprochen ergebnisorientiert. Zum Ersten geht man nicht einfach nur so in die Berge, sondern man nimmt sich Ziele vor – und dann tut man alles, um diese zu erreichen. Und zum Zweiten gilt als Erfolg nur das Verwirklichen dieses Zieles. Ein nicht erreichter Gipfel zählt nicht, auch wenn man nur wenige Meter darunter aufgeben muss, selbst wenn das Aufgeben die vielleicht größere Leistung ist. Was zählt, ist das Ziel. Mit ihm verbunden ist vieles andere, Leistung, Emotion, Erfahrung, Erlebnis, aber die Erreichung des Ziels ist das Erfolgskriterium.

Wenn man – wie ich – am 6200 Meter hohen Mount McKinley in Alaska nur etwa 200 Meter unter dem Gipfel umkehren muss, dann hat man ihn eben nicht gemacht. Als Bergsteiger sagt man nicht, dass die lächerlichen 200 Meter – nur wenige Prozent der gesamten Wegstrecke – niemanden interessieren und man daher «praktisch» oben war. Nein – du warst eben nicht oben.

Im Alpinismus ist das ganz klar: Nur das Ziel ist das Ziel. Deswegen ist es in der Geschichte des Alpinismus zu nicht wenigen Konflikten gekommen. Zum Teil entbrannten historische Streitigkeiten, wie bei der Erstbesteigung des K2, dem zweithöchsten Berg der Welt, der als weit schwieriger gilt als der Everest. Als eine italienische Expedition den Gipfel des K2 im Jahr 1954 erstmals erreichte, begann eine jahrzehntelange Kontroverse zwischen Walter Bonatti und den Gipfelbesteigern Achille Compagnoni und Lino Lacedelli. Bonatti, einer der besten Bergsteiger der damaligen Zeit, wurde auf 8000 Meter Höhe als Anwärter des «Gipfelsieges» ausmanövriert. Die darauffolgenden Verleumdungen durch Expeditionsleiter Ardito Desio und die Gipfelalpinisten endeten erst 2008 mit der Anerkennung von Bonattis Beitrag zur Erstbesteigung durch den Italienischen Alpenverein CAI. Zu Bonattis «Rehabilitierung» in der Bergwelt bedurfte es auch des Geständnisses von Lacedelli, der 2004 im Alter von 80 Jahren mit seinem Buch «K 2 – Il prezzo della conquista» sein Gewissen erleichterte. Die Welt der Profi-Bergsteiger ist hier unerbittlich. Es ist egal, wie das Wetter war, die eigene Kondition oder sonstige Umstände … Es zählt nur das Ergebnis.

Die Ziel- und Ergebnisorientierung findet sich auch im Management. Es kommt – im Management – nur auf die Resultate an. Wer das nicht zu akzeptieren vermag, sollte eine Managementposition lieber nicht anstreben.

Ein nicht erreichter Gipfel zählt nicht, auch wenn man nur wenige Meter darunter aufgeben muss, selbst wenn das Aufgeben die vielleicht größere Leistung ist.

Wirksame Führungskräfte verzichten auf Ausreden für das Verfehlen von Zielen. Auch sie erreichen ihre Ziele nicht immer, ganz im Gegenteil. So wie Rückzüge und immer wieder neue Versuche zur Geschichte des Alpinismus gehören, sind auch Führungskräfte immer wieder damit konfrontiert. Genau wie im Alpinismus bleibt das Kriterium des Erfolgs aber immer das Ziel.

Management ist heute jene Schlüsselkompetenz, durch die Menschen beschäftigungsfähig werden und in Organisationen wirksam sein können. Erfolge im Beruf sind in allen Organisationen überwiegend die Folge von richtigem und gutem Management. Management für Menschen und Management für Organisationen sind die beiden Dimensionen meiner ganzheitlichen ManagementSysteme. Durch diese Art des Managements werden die Bedingungen dafür geschaffen, dass Menschen ihre eigenen Stärken erkennen und in Leistung umwandeln können, dass sie dadurch Erfolg haben, einen Sinn darin sehen und Erfüllung finden können.

Meine Bergzeit

Meine ersten Berg- und Skitouren machte ich mit Freunden während meiner Studienzeit an der Innsbrucker Universität im nahegelegenen Stubaital. Nachdem ich an die Universität St. Gallen wechselte, hatte ich für die Berge wenig Zeit und gab meinem Studium und den anschließenden Forschungsprojekten Vorrang. Neue Anstöße bekam ich durch Günther Rainer, einen meiner engen Freunde, dem mit viel Energie und Unternehmungslust immer etwas Spannendes zum Wochenende einfiel. Auf dem Programm standen Klettersteige in den Dolomiten, Silvrettatouren, Rhätikon und im Winter Skitouren in den nahegelegenen Bergen.

Zur Verbesserung unserer Technik machten wir einen Fels- und einen Eiskurs in der von Reinhold Messner gegründeten Alpinschule Südtirol. Unsere Kurs- und Bergführer waren zwei der besten Extrembergsteiger, Hans Kammerlander und Hanspeter Eisendle, langjährige Seilpartner von Messner, die alpinistisch noch viel von sich reden machen sollten.

Management ist heute jene Schlüsselkompetenz, durch die Menschen beschäftigungsfähig werden und in Organisationen wirksam sein können.

Wir trainierten in der Sellagruppe und im Ortlergebiet. Mir wurde aber rasch klar: Wenn ich im Bergsteigen weiterkommen wollte, waren große Gruppen für mich nicht geeignet, da kam nur eine Zweierseilschaft infrage. Durch Zufall lernte ich Hermann Comploj kennen, einen jungen Bergführer aus Wolkenstein im Grödnertal, der gerade seine Ausbildung abgeschlossen hatte. Mit einer Tour über die Südostkante der Kleinen Fermeda in den Geislerspitzen begann mein Bergsteigen in den höheren Schwierigkeitsgraden. Südtirol, die Dolomiten, und insbesondere Wolkenstein im Grödnertal, wurden so etwas wie meine zweite Heimat.

Mein Ziel war es, «mir das Bergsteigen zu erschließen», so hatte ich es für mich formuliert. Ich wollte mich nicht spezialisieren, wie es damals aufgekommen ist, sondern wollte das Allround-Bergsteigen in allen Spielarten kennen- und, so gut es gehen sollte, auch beherrschen lernen. Mit Hermann ist mir das weitgehend gelungen. Aber nicht ich habe mir – sondern Hermann hat mir das Bergsteigen erschlossen.

Wir sind Freunde geworden und in rund 450 Fels-, Eis- und Skitouren haben wir uns alpinistisch und persönlich weiterentwickelt – er als Bergführer und ich als Bergsteiger. Die Rollen waren immer klar: Er ging voraus, ich war Seilzweiter. Er ist Profi und ich Amateur. Hermann ist ein Naturtalent in Psychologie. Er wusste immer, wie es mir ging. Er sah es mir an.

Geredet haben wir während der Touren nicht viel. Es war nicht nötig. In all den Jahren sind wir viel gemeinsam geklettert – zahlreiche «Klassiker» im 6. Grad der berühmten Dolomitengruppen – Langkofel, Tofana, Heiligkreuzkofel, Marmolada, Civetta, Geisler, Sella, Brenta, Peitlerkofel, Rosengarten, Drei Zinnen und Pala. Darunter waren auch ein paar Erst- und Zweitbegehungen, im Winter Steilrinnen und Eisfälle. Die meisten Touren machte ich mit Hermann, aber ich kletterte auch gerne mit anderen Führern. Mit Mauro Bernardi zum Beispiel unter anderem die «Große Mauer», eine fantastische Route von Reinhold Messner im 6. Grad am Heiligkreuzkofel und mit Reinhard Senoner die Via Italia 61 am Piz Ciavazes im oberen Teil. Bei Hochtourenwochen war meistens auch Vinzenz Runggaldier aus St. Christina dabei.

Öfter auch mit dem Ausnahme-Könner Ivo Rabanser, mit dem das Klettern verbunden ist mit interessanten Gesprächen. So diskutieren wir während der An- und Abstiege über die Geschichte des Alpinismus, die er wie nur wenige kennt; über seine vorzüglichen Führerwerke, mit denen er neue Wege geht, aber auch über Philosophie, Sinn und Ethik des Bergsteigens – und über Management. Ivo Rabanser ist ein Ausnahmetalent im Klettern. Er hat Hunderte von extremen Erstbegehungen bis zu den obersten Schwierigkeitsgraden gemacht, immer mit einem besonderen Auge für neue Aufstiege. Ivo entdeckt auch dort noch unberührte Kletterrouten, wo man glaubt, dass alle schon bestiegen seien.

Mein Engpass war immer die Zeit, die ich mir für das Bergsteigen nehmen konnte, zwei bis drei Wochen im Sommer, manchmal noch ein paar Tage im Herbst und zwei bis vier Wochen im Winter – mehr konnte ich aus beruflichen Gründen selten erübrigen. Über meine Zeitverwendung war meine Familie nur teilweise glücklich. Meine Frau hat mir mein Bergsteigen mit viel Geduld und Verständnis überhaupt erst möglich gemacht. Aber die Bergwelt bot endlose Abenteuer für unsere Kinder, die auch heute noch in die Berge gehen.

Zeit war immer meine Schlüsselressource, die ich sehr bewusst zu nutzen lernte. Das Experimentieren mit meiner Arbeitsmethodik und ihre stete Verbesserung gehörten zu meinen privaten und beruflichen Interessen. An den Wochenenden hatte ich für größere Bergtouren keine Zeit. 1984 hatte ich mein eigenes Unternehmen außerhalb der Universität gegründet. Die Führung der Organisation, die Beratung und Schulung von Führungskräften, die Entwicklung meiner ManagementSysteme, und die Lehrtätigkeit an den Universitäten St. Gallen und Wien hatten Priorität. Meine Publikationen mussten ebenfalls ihren Platz im Zeitbudget bekommen.

So war auch die Zeit für die Herausforderung des Höhenbergsteigens immer so knapp bemessen, dass mir ein Warten vor Ort auf bessere Gipfelbedingungen kaum möglich war. Im Jahr 2000 waren wir am Aconcagua, mit rund 6960 Metern der höchste Berg Lateinamerikas. Ich machte diese Expedition zusammen mit meinem Sohn und meinem Neffen. Mit dabei war Bergführer Toni Trummer aus Obersaxen, ebenfalls ein guter Freund, mit dem ich vor allem im Gebiet rund um Davos viele Skitouren machte. Er kannte den Aconcagua schon. Weil Hermann verletzt war, kam als zweiter Bergführer Karl Unterkircher aus Wolkenstein mit, ein enorm starker Alpinist. 2004 bestieg er innerhalb von nur zwei Monaten den Everest und den K2 – beide ohne Sauerstoff. Im Jahr 2008 kam er in der Rakhiot-Wand am Nanga Parbat durch einen Sturz in eine Spalte ums Leben.

Zeit war immer meine Schlüsselressource, die ich sehr bewusst zu nutzen lernte.

Am Aconcagua mussten wir wegen eines Sturmes auf rund 6200 Metern umkehren. Wir blieben noch drei Tage auf 5900 Metern im Lager Berlin. Das Wetter wurde aber nicht besser und mir lief die Zeit davon. Wir mussten in das Basislager absteigen, weil das Wetter sich nicht änderte, und ich zurück in die Schweiz musste. Als wir im Basislager Plaza de Mulas auf 4300 Metern waren, besserte sich zwar das Wetter, aber der Berg war völlig vereist. Drei weitere Tage Reserve hätten uns den Gipfel wahrscheinlich gebracht. Aber diese Zeitreserve hatte ich nicht mehr, denn ich hatte andere – berufliche – Verpflichtungen. Dies war für mich immer eine Gratwanderung. Aber hier war es gerade meine Managementerfahrung, die es mir ermöglichte, die Balance zu finden.

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Blick vom Langkofel Richtung Geislergruppe

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Abseilen von der Clarkspitze, 2011

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Abends am Gipfel der Civetta

Heldentum und Entmystifizierung

Management – sei es in Wirtschaft, Politik oder Verwaltung – und der Extremsport, im Besonderen das Bergsteigen – werden häufig zu großen medialen Bühnen. Die Beobachtbarkeit des Geschehens, die Beobachtbarkeit der Leistung, die klare Zuordnung von Sieg oder Niederlage, der Aufstieg und der Fall der Protagonisten, die nach Sensationen suchende Öffentlichkeit und die Rolle der Medien finden sich in beiden Welten. Deshalb eignen sie sich wohl so gut für Heldenkonstruktionen – und deren Demontage.

Unter den Leadern sind oft sowohl die Spitzen-Führungskräfte aus großen Organisationen als auch berühmte Bergsteiger. Die Gründe dafür sind verschieden, auch die Reichweite ihrer Wirkung und ihres Einflusses: Sie beeindruckten, schockierten, setzten Maßstäbe, waren Leitsterne ganzer Generationen. Einige – nicht wenige – von ihnen waren aber auch Mis-Leader, waren und sind Ver-Führer.

Wir kennen viele Helden aus der Mythologie, die sich im Kampf bewährten, die mit Unerschrockenheit ungewöhnliche Taten, ja scheinbar Wunder vollbrachten. Wahrscheinlich haben wir die Helden aus unseren Kindheitstagen noch immer in Erinnerung. Irgendwann holten wir – hoffentlich – die Helden vom Sockel. Aber sie blieben vielleicht in gewissen Aspekten Vorbilder an denen man sich orientieren konnte.