Maple Love Sammelband 1-3 - Luise Klein - E-Book
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Maple Love Sammelband 1-3 E-Book

Luise Klein

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Beschreibung

Band 1-3 der Maple Love Reihe zum Sonderpreis in einem Sammelband. Humorvolle Liebesromane in einer Kleinstadt in Kanada. Kleinstadtcharme, Wohlfühlatmosphäre und ein Happy End sind garantiert. Enthalten sind folgende Bücher: Band 1 Maple Love - Ganz viel Glück mit dir Band 2 Maple Love - Ganz viel Liebe für uns Band 3 Maple Love - Ganz viel Sehnsucht nach dir

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Inhalt:

 

Band 1-3 der Maple Love Reihe zum Sonderpreis in einem Sammelband.

 

Enthalten sind folgende Bücher: Band 1 Maple Love – Ganz viel Glück mit dir Band 2 Maple Love – Ganz viel Liebe für uns Band 3 Maple Love – Ganz viel Sehnsucht nach dir

 

Eine charmante Kleinstadt in Kanada.

Liebenswerte Charaktere, eine große Portion Humor und ganz viel Liebe.

Willkommen in Rosewood!

 

Rosewood ist eine fiktive Kleinstadt in Kanada. Berühmt für seine prächtigen Zuchtrosen ist der Ort ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Doch das Herz von Rosewood sind eindeutig seine liebenswerten Bewohner, die mit ihrer skurrilen Art häufig für Turbulenzen in dem ruhigen Städtchen sorgen.

 

 

Copyright © 2024 Luise Klein

Coverdesign: Christin Giessel, Giessel Design,

www.giessel-design.de

Korrektorat: SW Korrekturen e.U.

 

Luise Klein

c/o autorenglück.de

Franz-Mehring-Str. 15

01237 Dresden

E-Mail: [email protected]

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf ohne Zustimmung der Autorin nicht wiedergegeben, kopiert, nachgedruckt oder oder anderweitig verwendet werden.

 

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

1. BAND: MAPLE LOVE – GANZ VIEL GLÜCK MIT DIR

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

2. BAND: MAPLE LOVE - GANZ VIEL LIEBE FÜR UNS

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

3. BAND: MAPLE LOVE – GANZ VIEL SEHNSUCHT NACH DIR

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Über die Autorin

Weitere Bücher der Autorin

 

 

1. BAND: MAPLE LOVE – GANZ VIEL GLÜCK MIT DIR

 

Inhalt

 

Als wäre das Ende ihrer Karriere für Lucie Thompson nicht schon schlimm genug, trennt sich kurz darauf ihr Freund und wirft sie aus der gemeinsamen Wohnung. Lucie hatte nie vorgehabt, in die Kleinstadt Rosewood zurückzukehren, aber das Erbe ihres Großvaters ist ihre einzige Option. Doch das idyllisch gelegene Anwesen befindet sich in einem renovierungsbedürftigen Zustand und wird außerdem von einem streunenden Kater bewohnt, den sie bei ihrer Ankunft fälschlicherweise für einen Einbrecher hält. Ausgerechnet jetzt benötigt sie die Hilfe von Matthew Browning, dem attraktiven Polizeichef, der sie mit seiner selbstsicheren Art regelmäßig zur Verzweiflung bringt.

 

Auf der Suche nach sich selbst stehen ihr die Bewohner des Ortes mit Rat und Tat zur Seite. Doch mehr als einmal schießen sie dabei übers Ziel hinaus. Schon bald ist Lucie gezwungen, eine Entscheidung zu treffen: Wird sie bleiben und für ihr Glück kämpfen oder das Haus verkaufen und zurück in die Großstadt gehen?

 

 

 

 

Kapitel 1

 

Lucie stand vor der Buchhandlung und musste unwillkürlich lächeln. Es fühlte sich seltsam an, und ihr angespanntes Gesicht schmerzte von der ungewohnten Regung beinahe. In den vergangenen Wochen hatte sie keinen Grund zur Freude gehabt und jede Menge Tränen vergossen. Ihr Kopf pochte von der Anstrengung der langen Autofahrt und den Sorgen, die sie sich unterwegs gemacht hatte. Es war ihr nicht leichtgefallen, hierher zurückzukommen, aber sie hatte keinen anderen Ausweg gesehen. Doch zum ersten Mal konnte sie ein wenig aufatmen. Der Laden der Familie Beckford war für sie schon immer ein besonderer Ort gewesen, der ihr ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit vermittelte. Sie hatte den Großteil ihrer Kindheit gemeinsam mit ihrer Freundin Allie in dem Gebäude zwischen den Bücherregalen verbracht. Stundenlang hatten sie auf dem dunkelgrünen Teppichboden gesessen und in den Büchern gelesen, bis Allies Eltern die Mädchen vor die Tür gesetzt hatten. Die Beckfords waren der Ansicht gewesen, dass jedes Kind zumindest einmal am Tag an die frische Luft musste. Diese Regel hatten sie zum Leidwesen der Freundinnen stets umgesetzt.

Seitdem war viel Zeit vergangen, die Mädchen waren erwachsen geworden, und die Beckfords hatten sich vor Kurzem scheiden lassen. Nicht nur für die Familie, sondern auch für die Buchhandlung hatte das einiges verändert. Lucie wusste aus den Telefonaten mit ihrer Freundin, dass Mutter und Tochter sich dazu entschieden hatten, den Laden trotz aller finanzieller Schwierigkeiten weiterzuführen. Die Trennung ihrer Eltern hatte Allie schwer getroffen, aber sie hatte sich seitdem voll und ganz in ihre neue Aufgabe gestürzt und setzte allmählich ihre eigenen Vorstellungen um. Bislang hatte ihr Vater sie an diesen Plänen gehindert. Auch das Sortiment hatte sie stückweise angepasst und die Schaufenster neu dekoriert. Insgesamt war die Einrichtung heller und freundlicher geworden, doch Allie hatte Lucie versichert, dass es im Kern derselbe Buchladen geblieben war, den sie aus ihrer Kindheit in Erinnerung hatte.

Lucie hoffte sehr, dass es den Frauen gelingen würde, eine Lösung für die finanziellen Probleme zu finden. Auch wenn sie lange nicht mehr dort gewesen war, hatte Lucie noch immer eine Vorliebe für den gemütlichen Laden und konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass es ihn vielleicht bald nicht mehr geben würde. Er war in dem kleinen Ort Rosewood der Platz gewesen, an dem Lucie die meiste Zeit verbracht hatte. Nach der Schule hatte Allie sie mit nach Hause genommen, und Lucie hatte sich gefreut, die Nachmittage im Buchladen verbringen zu können. Ihre Eltern kamen erst spätabends von der Arbeit zurück, sodass sie ansonsten oft allein gewesen wäre. Sie hatte mit ihrer Familie in einem Ort einige Kilometer von Rosewood entfernt gelebt, weshalb sie sich nie ganz zugehörig gefühlt hatte. Außer in den Schulferien, wenn sie die Zeit bei ihren Großeltern verbracht hatte, die ein Haus am Ortsrand besaßen. Dort hatte sie stets ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit empfunden und konnte jederzeit mit dem Fahrrad zu ihrer Freundin fahren. Nachdem Lucie ausgezogen war, hatten ihre Eltern die Chance genutzt und waren in den Osten des Landes gezogen, um näher bei der Familie ihrer Mutter zu sein.

Jetzt war Lucie gespannt, die Änderungen zum ersten Mal mit eigenen Augen zu sehen, aber sie war auch nervös, wie die Begegnung mit Allie ablaufen würde. Früher hätte sie es nie für möglich gehalten, dass sie einmal gemischte Empfindungen haben würde, wenn sie an ihre beste Freundin dachte. Obwohl sie noch immer Kontakt zu Allie hatte, war sie unsicher, wie es sich anfühlen würde, ihr persönlich zu begegnen. Sie waren in der Kindheit unzertrennlich gewesen, doch ihre Leben hatten sich nach der Schulzeit in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Lucie hatte es kaum erwarten können, dem Ort den Rücken zu kehren und ihr Glück in der Großstadt zu versuchen. Allie war das komplette Gegenteil und wäre niemals auf die Idee gekommen, ihren Heimatort zu verlassen. Schon gar nicht ihre geliebte Buchhandlung.

Nervös blickte sie die Fassade des Hauses empor und versuchte sich zu entspannen. Außer einem kurzen Besuch vor einigen Monaten war sie seit langer Zeit nicht mehr in Rosewood gewesen. Doch der Anlass war nicht schön gewesen, und an die Beerdigung ihres Großvaters hatte Lucie kaum Erinnerungen. Es war ein schwieriger Tag gewesen, der leider nur den Anfang einer Reihe schmerzvoller Ereignisse darstellte, die in den darauffolgenden Monaten passiert waren. Manchmal fragte sie sich, ob sie an diesem verregneten Mittwochnachmittag überhaupt anwesend gewesen war, so bruchstückhaft waren die Momente, die ihr im Gedächtnis geblieben waren. Es kam ihr alles so unwirklich vor, und ihr Hals schnürte sich zu, wenn sie daran dachte, dass sie ihren Großvater nie wiedersehen würde oder mit ihm sprechen konnte. Lucie hatte früher viel Zeit bei ihren Großeltern in Rosewood verbracht und ein enges Verhältnis zu ihnen gehabt. Doch nach ihrem Schulabschluss hatte sie die Kleinstadt verlassen und war immer seltener zu Besuch gekommen. Einige Jahre zuvor war ihre Großmutter gestorben, und die Familie hatte sich dadurch noch weiter voneinander entfernt. Ann Thompson war das Herzstück gewesen, das sie zusammengehalten hatte. Nach ihrem Tod hatten sich alle bemüht, den Kontakt zu behalten. Mit der Zeit war dieses Vorhaben allerdings in den Alltagsproblemen untergegangen, und schließlich war die Lücke zu groß geworden, um sie ohne deutlichere Anstrengungen überwinden zu können. Es hätte eine Warnung sein können, aber Lucie hatte sie ignoriert und sich darauf verlassen, dass später noch genügend Möglichkeiten vorhanden sein würden, um wieder mehr Kontakt zu ihrem Großvater zu bekommen. Das war jedoch leider nicht der Fall gewesen, und auf der Beerdigung war ihr das schlagartig klar geworden. Manche Chancen waren unwiderruflich verloren.

Lucie hatte nie vorgehabt, zurückzukehren, und schon gar nicht im Alter von 32 Jahren und mit einer gescheiterten Karriere im Gepäck. Der Plan war ein anderer gewesen, doch dann war alles schiefgegangen.

Eine Frau beäugte sie neugierig, als sie sich an ihr vorbeischob und die Eingangstür öffnete. Lucie hatte gar nicht bemerkt, dass sie den Weg versperrte, während sie gedankenverloren auf das Gebäude gestarrt hatte. Sie gab sich einen Ruck und löste sich aus ihrer Erstarrung. Wenn sie hier noch länger stand, würde sie bald die Aufmerksamkeit der Leute erregen, und das wollte sie gerne noch eine Weile vermeiden. Ihre Rückkehr würde unter den Einwohnern schon für genügend Gesprächsstoff und Spekulationen sorgen, da war sie sich sicher.

Sie betrat die wenigen Stufen, die zur aufwendig verzierten Eingangstür führten. Der Rahmen wurde von einem Muster aus Pflanzenranken und Blumen geschmückt, die in das Holz hineingearbeitet worden waren. Das Haus war eines der ältesten in Rosewood und strahlte bereits von außen eine ruhige Behaglichkeit aus. Lucie liebte dieses Gebäude, mit dem sie viele schöne Erinnerungen verband. Unwillkürlich glitt ihre Hand über das spröde Holz des Türrahmens. Die dunkelgrüne Farbe blätterte ab und hinterließ kleine Farbkrümel auf ihrer Haut. Es war offensichtlich, dass die Fassade seit längerer Zeit keinen neuen Anstrich mehr bekommen hatte.

Die Tür schwang auf, und das sanfte Klingeln der Türglocke erklang. Es war noch immer derselbe Ton, und sie hatte kaum die Chance, sich umzusehen und die ersten Eindrücke zu verarbeiten, als jemand auf sie zustürmte. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, wurde sie in eine feste Umarmung gezogen. Lucie lachte, während sie ihr Gesicht in Allies blonde Locken drückte. Ihre Freundin war deutlich kleiner als sie, sodass sie fast über sie hinwegsehen konnte. Doch man durfte sich von ihrer Körpergröße und dem unschuldigen Äußeren nicht täuschen lassen. Allie hatte eine starke Persönlichkeit und war jederzeit bereit, für ihre Ansichten einzutreten. Lucie erwiderte die Umarmung und musste heftig blinzeln, um die aufkommenden Tränen zu vertreiben. Ihre Sorgen waren vollkommen umsonst gewesen. Allie war da und freute sich ganz offensichtlich, sie zu sehen.

»Jetzt lass mich das Mädchen auch mal in den Arm nehmen«, ertönte sanft eine weitere Stimme.

Lucie blickte auf und wurde sofort in die nächste Umarmung gezogen. Allies Mutter drückte sie an sich, bevor sie einen Schritt zurücktrat und Lucie prüfend musterte.

»Du siehst blass aus. Schläfst du denn genug?«, fragte Melinda Beckford besorgt. »Die letzten Wochen waren bestimmt nicht einfach. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht.«

»Es geht mir gut«, entgegnete Lucie verlegen. Tatsächlich hatte sie in den vergangenen Tagen jedoch kaum geschlafen. Die mütterliche Fürsorge berührte sie, aber sie schob das Gefühl weit von sich. Damit konnte sie gerade überhaupt nicht umgehen, wenn sie nicht sofort in Tränen ausbrechen wollte.

Allie seufzte. »Mum, lass sie doch erst mal ankommen. Lucie hatte eine lange Anreise, da kann man schon mal müde aussehen.«

Allerdings schien Melinda nicht überzeugt zu sein. Sie strich Lucie mitfühlend über den Arm. »Es wird wieder alles gut werden, da bin ich mir sicher. Du wirst das hinbekommen, und wir werden versuchen, dich so gut es geht dabei zu unterstützen. Sag einfach Bescheid, wenn du etwas brauchst.« Sie zupfte ihre Bluse zurecht, bevor sie einen prüfenden Blick in den Raum warf und nachsah, ob einer der Kunden Hilfe benötigte. »Du willst dich vermutlich erst mal ein wenig umsehen. Ich kann dir eine Tasse Tee kochen, und dann unterhalten wir uns in Ruhe.«

Allie verdrehte die Augen. »Draußen sind es bestimmt 30 Grad. Niemand hat bei diesem Wetter Lust auf eine Tasse heißen Tee.«

»Eigentlich könnte ich einen Kaffee vertragen. Je stärker, desto besser«, warf Lucie ein und unterdrückte gerade noch rechtzeitig ein Gähnen.

»Gute Idee«, stimmte Allie zu. »Aber dafür müssen wir den Laden verlassen. Unsere alte Kaffeemaschine ist kaputt gegangen, und wir haben bisher keine Gelegenheit gehabt, sie zu ersetzen.« Sie zuckte mit den Schultern, als wäre das keine große Sache.

»Es wird dir guttun, eine Weile darauf zu verzichten. Du bist in letzter Zeit nahezu süchtig nach dem Zeug geworden.« Melinda blickte ihre Tochter streng an.

Allie ignorierte den Einwand ihrer Mutter. »Wo möchtest du hingehen?«, fragte sie Lucie. »Ich habe gesehen, dass es in der Roselane Bakery heute Apfelkuchen gibt. Den magst du doch besonders gern. Auf jeden Fall wird er besser schmecken als das Rezept, das sie gestern getestet haben.« Allie verzog das Gesicht. »Wer um Himmels willen kommt auf die Idee, Datteln in einen Kuchenteig zu mischen?« Sie schüttelte sich. »Das hat furchtbar geschmeckt.«

»Es ist immer gut, wenn man neue Wege geht und auch mal etwas ausprobiert. So schlecht war der Kuchen gar nicht. Das sagst du nur, weil du keine Datteln magst«, ermahnte Melinda ihre Tochter.

»Nein, er war wirklich grauenvoll. Ich bin mir sicher, dass er dir ebenfalls nicht geschmeckt hat, aber du bist zu höflich, um es laut auszusprechen«, protestierte Allie.

»Eigentlich würde ich lieber an die frische Luft gehen. Ich muss mir nach der langen Autofahrt die Beine vertreten«, sagte Lucie. »Vielleicht können wir uns in den Park setzen. Ich habe das schöne Wetter den ganzen Tag nur durch die Windschutzscheibe meines Autos betrachtet.«

»Dann müssen wir allerdings zu Earls Coffee House.« Allie trat die wenigen Schritte zur Ladentheke und holte ihre Handtasche. »In der Roselane Bakery weigern sie sich noch immer, Kaffee zum Mitnehmen zu verkaufen. Ich habe schon meinen eigenen Becher mitgebracht, aber selbst damit hatte ich keine Chance. Wenn es nach den Damen geht, muss man sich für einen guten Kaffee Zeit nehmen und ihn sitzend an einem Tisch trinken. Am besten in Kombination mit einem Gebäckstück. Was natürlich auch den Umsatz steigert. Außerdem erfahren sie nur so von dem neuesten Klatsch und Tratsch, der sich ereignet hat.«

»Und ich dachte schon, sie möchten ihren Teil zum Klimaschutz beitragen«, entgegnete Lucie grinsend und schaute sich ein letztes Mal in der Buchhandlung um. Sie würde in den nächsten Tagen noch genügend Möglichkeiten haben, sich hier alles in Ruhe anzusehen.

»Florence und Eloise?«, fragte Allie ungläubig. Sie drückte ihrer Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor die Freundinnen den Laden verließen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die beiden sich dafür interessieren. Die größten Auswirkungen werden sie sowieso nicht mehr erleben. Immerhin sind sie bestimmt schon 80 Jahre alt.«

»Ich dachte, sie verraten ihr Alter nicht.« Lucie runzelte die Stirn. Sie kannte die älteren Damen, die mit ihren Großeltern befreundet gewesen waren. Wie alt sie tatsächlich waren, wusste vermutlich niemand in Rosewood.

»Florence macht ein großes Geheimnis daraus und hat Eloise verboten, über ihr eigenes Alter zu sprechen. Ansonsten könnte man zu leicht auf Florence’ Geburtsjahr schließen. Ich glaube, sie ist zwei Jahre jünger als Eloise.«

»Ich habe sie auf der Beerdigung gesehen«, sagte Lucie nachdenklich, während sie langsam den Gehweg entlangschlenderten. »Allerdings hatte ich sie fast nicht wiedererkannt. In meiner Erinnerung sind sie kaum gealtert, doch plötzlich standen sie vor mir, und ihre Haare waren nicht länger von grauen Strähnen durchzogen, sondern beinahe vollständig weiß. Daran konnte ich deutlich sehen, wie viel Zeit mittlerweile vergangen ist. Ich glaube, manchmal verdränge ich, dass wir alle älter werden.«

»Das entspricht schon längst nicht mehr dem neuesten Stand. Florence war vor Kurzem beim Friseur. Sie hat sich dafür extra von Jake nach Wilmington fahren lassen. Du kennst doch noch Jake, ihren Enkel, oder? Jedenfalls weiß ich nicht, ob das Ergebnis tatsächlich beabsichtigt war, aber es hat definitiv für Aufsehen gesorgt.« Allie lachte. »Der alte Pastor geht seitdem nicht mehr in das Café, da er der Meinung ist, Florence sähe aus wie eine Feuergöttin. Seiner Ansicht nach ist das gleichbedeutend mit dem Eintritt in einen heidnischen Kult. Anscheinend ist ihm die leuchtend rote Farbe nicht ganz geheuer. Nachdem sie die Haare ein paarmal gewaschen hat, sind sie jedoch deutlich heller geworden. Wenn wir noch eine Weile warten, ist sie bald orange-blond. Vielleicht kann der Pastor dann auch endlich wieder seine geliebten Obsttörtchen essen.«

Das Gebäude der Buchhandlung lag in einer kleinen Seitengasse, nicht weit vom Ortskern entfernt, sodass sie innerhalb weniger Minuten die Parkfläche im Zentrum erreicht hatten. Die grünen Rasenflächen mit seinen zahlreichen Rosenbüschen und ordentlich angelegten Beeten waren der ganze Stolz des Ortes. Rosewood war bekannt für seine prächtigen Zuchtrosen, die jedes Jahr aufs Neue in allen Farben blühten und regelmäßig Besucher in die Gegend zogen. Der liebevoll restaurierte Pavillon inmitten der Grünflächen war ein beliebter Treffpunkt und Location für viele Veranstaltungen. Vermutlich war er vor Kurzem frisch gestrichen worden, denn die weiße Farbe strahlte in der Nachmittagssonne.

Lucie fühlte, wie sie ein seltsames Gefühl beschlich. Das alles war ihr so vertraut, dass es beinahe schmerzhaft war, wieder hier zu sein. Doch sie selbst war nicht mehr dieselbe Person, die vor Jahren von hier fortgegangen war.

»Bei euch war in der Zwischenzeit einiges los«, stellte Lucie fest und steuerte eine der Parkbänke an. Es waren kaum noch Sitzmöglichkeiten im Schatten verfügbar, und ihr Oberteil klebte durch die Hitze am Körper. Für die nächsten Tage war eine Hitzewelle angekündigt, die sie vermutlich ordentlich ins Schwitzen bringen würde. Sie blickte sich nach allen Seiten um und versuchte, so viel wie möglich von ihrer Umgebung aufzunehmen. Hin und wieder entdeckte sie ein paar Kleinigkeiten, die sich verändert hatten, doch wie immer waren die Bewohner bei sämtlichen Erneuerungen stets darauf bedacht gewesen, den ursprünglichen Charme zu erhalten.

Allie folgte ihrem Beispiel und setzte sich neben sie. »Vermutlich nicht so viel wie bei dir. Jetzt mal ehrlich. Wie geht es dir? Wir haben uns ganz schön Sorgen um dich gemacht, und dabei habe ich nur die Hälfte von dem verstanden, was eigentlich passiert ist.«

Lucie zuckte unbehaglich mit den Schultern. Vor dieser Frage hatte sie sich am meisten gefürchtet. Sie hatte selbst noch nicht verarbeitet, was geschehen war, und sie redete nicht gerne über ihre Misserfolge. Vor allem, da sie bisher kaum welche erlebt hatte. Sie war schon immer ehrgeizig gewesen und hatte seit ihrer Kindheit große Pläne gehabt. Ihr Weg war äußerst gradlinig verlaufen, und sie hatte ihre Ziele nie infrage gestellt. Sie hatte gedacht, dass es ewig so weitergehen würde. Das erfolgreich abgeschlossene Studium, ihr erster Job als Journalistin, die Wohnung in der Großstadt und schließlich die Beziehung zu ihrem Arbeitskollegen, der genauso ambitioniert war wie sie selbst. Sie hatte alles bekommen, was sie sich gewünscht hatte. Und dann war alles schiefgegangen.

»Lucie? Hörst du mir überhaupt zu?«

Erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihrer Freundin noch immer nicht geantwortet hatte. »Ja, natürlich. Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken woanders. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn wir uns direkt einen Kaffee geholt hätten. Offenbar bin ich wirklich ziemlich müde.« Sie bewegte ihre verspannten Schultern. »Was ist eigentlich Earls Coffee House? Wurde es neu eröffnet?«

»Glaube ja nicht, dass mir nicht aufgefallen ist, dass du versuchst, meine Frage zu umgehen. Ich werde es dir ausnahmsweise durchgehen lassen, aber ewig kannst du mir nicht ausweichen. Schließlich müssen wir darüber reden, was du jetzt vorhast.« Allie streckte ihre Beine in den geblümten Schuhen aus und grinste ihre Freundin an, als sie zu einem vergnüglicheren Thema wechselte. »Earls Coffee House ist eigentlich nur Earl, der eine Kaffeemaschine gekauft und ein paar Tische und Stühle in einem leer stehenden Laden aufgebaut hat. Das große Schild über der Eingangstür war vermutlich die teuerste Investition an dem ganzen Unternehmen. Ich weiß nicht mal, ob er überhaupt Miete zahlt. Das Gebäude gehört einem Freund von ihm, der es ihm vorläufig überlassen hat. Du erinnerst dich bestimmt an den Stammtisch, den die alten Herren jeden Sonntagmorgen nach der Kirche abhalten. Der existiert auch weiterhin, obwohl der Pastor strikt dagegen ist.«

Lucie blickte sie entgeistert an. »Earl, der Gärtner? Wir können unmöglich denselben Mann meinen. Er hat sich bei meinem Großvater jahrelang um das Grundstück gekümmert. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich in den Sommerferien zu Besuch war und er in seiner zerrissenen Latzhose die Bäume zurechtgeschnitten hat. Earl hatte immer furchtbar schlechte Laune und konnte Kinder nicht ausstehen.«

»Doch, genau den meine ich.« Allie grinste. »Er hatte es satt, ständig bei Wind und Wetter draußen zu sein und sich um die Gärten anderer Leute zu kümmern. Jetzt verkauft er Kaffee oder versucht es zumindest. Ich gebe ihm noch ein paar Wochen, dann hat er keine Lust mehr und macht den Laden wieder zu. Er ist einfach kein Mensch, der sich lange in geschlossenen Räumen aufhält. Außerdem findet er seine Kundschaft anstrengend und Menschen im Allgemeinen äußerst lästig. Das ist in diesem Geschäft nicht unbedingt hilfreich. Aber an dem Schild hängt er sehr. Vermutlich wird er es sich irgendwann über sein Bett hängen. Auf die Gestaltung ist er ziemlich stolz, da er es selbst entworfen hat.«

»Wahrscheinlich hat er nicht mal eine Genehmigung für seine Aktivitäten. War das Gesundheitsamt vor Ort und hat ihn überprüft?« Lucie konnte nicht fassen, was sie da hörte.

»Bestimmt nicht. Bis sich von denen einer nach Rosewood verirrt hat, hat Earl den Laden bereits freiwillig geschlossen. Man merkt, dass du länger nicht mehr hier gewesen bist. In diesem Ort läuft alles nach seinen eigenen Regeln. Es wird für dich ungewohnt sein, wieder in einer Kleinstadt zu leben.«

Lucie nickte. Darüber hatte sie sich auch schon ihre Gedanken gemacht. Doch der Umzug war schließlich nicht geplant gewesen. Sie würde versuchen müssen, das Beste aus der Situation zu machen. In den letzten Wochen hatte sie genug Zeit damit verbracht, zu weinen und sich selbst zu bemitleiden. Aber das konnte nicht ewig so weitergehen, und sie musste nach vorn blicken. Das war zumindest der Plan.

Offenbar hatte Allie ihre Befürchtungen bemerkt. Besorgt blickte die Freundin sie an. »Hast du dir schon überlegt, was du jetzt tun wirst? Ich weiß, dass du nicht darüber sprechen möchtest, doch irgendeine Idee, was du in Zukunft machen willst, wirst du bestimmt haben. So wie ich dich kenne, hast du bereits eine Strategie entwickelt.«

Unglücklich schüttelte Lucie den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so. Aber ich weiß zurzeit wirklich nicht, wie es weitergehen soll. Wenn mein Großvater mir das Haus nicht vererbt hätte, wüsste ich nicht einmal, wo ich hätte wohnen können. Die vergangenen Nächte habe ich im Hotel verbracht, allerdings war das keine dauerhafte Lösung. Ich habe ein wenig Geld gespart, doch ohne einen neuen Job wird es nicht ewig reichen. Und in der Stadt innerhalb kurzer Zeit eine bezahlbare Wohnung zu finden, ist unmöglich. Besonders dann, wenn man kein regelmäßiges Einkommen nachweisen kann.«

»Die Beziehung mit …« Allie stockte. »Wie heißt er noch gleich? Tut mir leid, ich habe seinen Namen vergessen«, sagte sie schuldbewusst. »Die Beziehung ist also endgültig vorbei?«

Lucie nickte nachdrücklich. »Was auch immer das zwischen Ben und mir war, ist beendet. Ich habe kein Interesse daran, ihn je wiederzusehen. Nachdem ich die Kündigung erhalten hatte, hat er sich schnell von mir distanziert. Eigentlich hätte er auf meiner Seite sein und mich unterstützen sollen, aber die ganze Sache war ihm extrem unangenehm. Auf der Arbeit haben sie alle hinter meinem Rücken geredet, und er hatte Angst, dass ihm dasselbe passieren wird, wenn er mit mir zusammenbleibt. Das ist der Nachteil, wenn man sich auf einen Arbeitskollegen einlässt, dem seine Karriere wichtiger ist als seine Beziehung.« Sie schüttelte den Kopf. »Keine zwei Wochen später hatte er eine neue Freundin gefunden und mich buchstäblich vor die Tür gesetzt. Er hat mich nicht einmal vorgewarnt, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt.« Lucie seufzte. »Es war vermutlich nicht die beste Idee gewesen, in seine Wohnung einzuziehen. Mein Name stand nicht im Mietvertrag, also hatte ich keine Chance.« Sie schluckte, als sie an das Apartment dachte. Es war alles gewesen, was sie sich immer erträumt hatte. Im fünfzehnten Stockwerk mit einem tollen Blick über die Stadt und mit sämtlichem Komfort ausgestattet, den man sich hätte wünschen können. Doch ein Teil von ihr hatte insgeheim gewusst, dass sie nur so lange dort leben würde, wie Ben sie duldete. »Diesen Fehler werde ich nicht wieder machen und meine Unabhängigkeit für einen Mann aufgeben.« Frustriert strich sie sich die verschwitzten Haarsträhnen aus dem Nacken. »Dabei hatte ich wirklich gedacht, dass das mit Ben und mir etwas Langfristiges ist. Ich habe mir eingeredet, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben, aber dann musste ich feststellen, dass uns nur die Arbeit verbunden hat. Sobald ich nicht mehr seinen Idealvorstellungen entsprochen habe, hat er mich fallen gelassen. Vermutlich wohnt seine hübsche neue Freundin bereits in unserer Wohnung.« Die Verbitterung schwang deutlich in ihrer Stimme mit, und Lucie blinzelte angestrengt, um die Tränen zu verdrängen, die sich schon wieder in ihren Augen gesammelt hatten.

Allie hatte ihr nachdenklich zugehört, ohne sie zu unterbrechen. »Nach allem, was du erzählst, kannst du froh sein, dass du ihn los bist. Er ist ein Idiot, und du hast jemand Besseren verdient.«

»Zurzeit habe ich keinerlei Interesse an Männern. Es ist fraglich, ob es überhaupt noch vertrauenswürdige Partner gibt. Doch vorerst habe ich mit dem Thema abgeschlossen.«

»Also in Büchern existieren sie definitiv.« Allie grinste. »Ich habe aktuell ein Buch beendet, das dir gefallen könnte. Vielleicht kann es dir den Glauben an die Männerwelt zurückgeben. Ich werde es dir ausleihen.«

Lucie verzog skeptisch das Gesicht. »Ich denke zwar nicht, dass das funktionieren wird, aber es kann bestimmt nicht schaden. Zumindest habe ich jetzt genügend Zeit, um zu lesen.«

»Es tut mir leid, dass alles so schiefgelaufen ist. Ich weiß, wie glücklich du warst, als du diesen Job bekommen hast.«

»Ich bin selbst schuld. Es war mein Fehler, und der hat mich meine Karriere gekostet.« Lucie holte tief Luft, um das Zittern in ihrer Stimme zu kontrollieren.

»Du wirst einen neuen finden und wieder als Journalistin arbeiten«, versuchte Allie sie aufzumuntern.

»So einfach ist das leider nicht. In diesem Bereich ist ein guter Ruf ausschlaggebend und die Zeitungen sind untereinander gut vernetzt. Zurzeit wird niemand ein Interesse daran haben, mich einzustellen. Ich kann es noch immer nicht glauben, aber so wie es aussieht, ist meine Karriere als Journalistin beendet, bevor sie richtig angefangen hat.«

»Nein, das denke ich nicht. Es wird sich ein Weg finden«, entgegnete Allie bestimmt.

Lucie schwieg nachdenklich. Sie hatte nicht dieselbe Zuversicht wie ihre Freundin, allerdings hoffte sie, dass sie mit der Zeit wieder selbst daran glauben würde. Vielleicht war doch noch nicht alles vorbei.

Kapitel 2

 

Während ihrer Unterhaltung hatten die Freundinnen die Menschen auf der Straße beobachtet. Es war ein warmer Sommertag, und die Leute zog es nach draußen, um das schöne Wetter zu genießen. Lucies Aufmerksamkeit wurde auf den Streifenwagen gelenkt, der soeben am Straßenrand geparkt hatte. Der Fahrer stieg aus und setzte die dunkle Sonnenbrille ab. Sie hatte erwartet, einen uniformierten Polizisten zu sehen, doch der Mann trug normale Alltagskleidung. Mit seiner Körpergröße überragte er die meisten Passanten deutlich.

Unwillkürlich lehnte sie sich weiter nach vorn, aber die Entfernung war zu groß, um sein Gesicht erkennen zu können. Sie war sich jedoch sicher, dass sie diesen Mann noch nie zuvor in Rosewood gesehen hatte. Seine breiten Schultern spannten den Stoff des dunklen T-Shirts auf eine Weise, bei der Lucie gerne genauer hingesehen hätte. So viel zu ihrer Beteuerung, dass sie erst mal genug von Männern hatte. Doch das bedeutete nicht, dass sie plötzlich immun gegenüber Attraktivität geworden war. Sie wollte einfach keine Beziehung mehr haben.

»Anscheinend hast du unseren gut aussehenden Neuzugang schon entdeckt«, stellte Allie grinsend fest.

Ertappt lehnte sich Lucie wieder zurück und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Doch sie ließ den Mann nicht einen Moment aus den Augen. »Wer ist er?« Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als wäre sie nicht neugierig. Ihre Freundin hatte sie längst durchschaut, und irgendwie war es auch eine Berufskrankheit, ständig alles wissen zu wollen.

»Das ist unser neuer Polizeichef.« Allie betonte jedes Wort und blickte sie selbstzufrieden an. »Wobei er mittlerweile schon seit einem knappen Jahr bei uns ist, aber ich kenne ihn nicht besonders gut. Außerdem hält er nicht viel davon, seine Uniform zu tragen, was wirklich ein Jammer ist. Ich wette, sie würde ihm hervorragend stehen. Eine Uniform hat bisher noch jeden Mann besser aussehen lassen.«

»Obwohl er das absolut nicht nötig hat«, murmelte Lucie, bevor sie sich auf die eigentliche Neuigkeit konzentrierte. »Rosewood hat wieder eine eigene Polizeistelle?«, fragte sie ungläubig. Jahrelang waren nicht genügend Gelder vorhanden gewesen, um diese Stelle neu zu besetzen, seit der letzte Polizeichef in Rente gegangen war. Außerdem passierte in diesem Ort sowieso nie irgendetwas Gefährliches.

Allie nickte bedeutungsvoll. »Wir haben drei Arbeitsplätze bewilligt bekommen. Zwei Polizisten und eine Empfangskraft. Die Position des Polizeichefs wurde mit Matthew Browning besetzt. Er ist Engländer«, fügte sie hinzu. »Für die zweite Stelle wird noch jemand gesucht, aber es ist schwer, die passenden Leute zu finden, und Browning scheint ganz schön wählerisch zu sein. Deshalb ist er zurzeit beinahe durchgehend im Dienst.«

»Seine britische Herkunft erklärt zumindest seine aufrechte Körperhaltung«, entgegnete Lucie grinsend. Der Mann war in einem der Geschäfte verschwunden und somit außerhalb ihrer Sichtweite. »Was hat ihn denn ausgerechnet hierher geführt? Er sieht noch ziemlich jung aus. Besonders spannend kann dieser Job nicht sein.«

Sie hatte erwartet, dass ihre Freundin in Sekundenschnelle alle Fakten aufzählen würde, die sie über den Mann in Erfahrung gebracht hatte, doch Allie schüttelte bedauernd den Kopf.

»Ich kann dir leider kaum etwas von ihm erzählen. Er ist nett, aber nicht sonderlich gesprächig. Ich weiß nur, dass er gebürtig aus London kommt, seinen Kaffee schwarz trinkt, lange Unterhaltungen vermeidet und unglaublich gut riecht.«

»Du hast an ihm gerochen?« Lucie blickte sie verdutzt an.

»Er war vor Kurzem in der Buchhandlung, und ich habe mich eventuell näher zu ihm hingebeugt, als notwendig gewesen wäre. Wenn du ihm begegnest, musst du es unbedingt ausprobieren.«

»Ich werde nicht an ihm riechen«, entgegnete sie entgeistert.

»Wie du meinst«, sagte Allie schulterzuckend. »Aber ich kann dir sagen, dass du etwas verpasst.«

»Wir müssen aufhören, über diesen Mann zu reden. Auch wenn ich Sorgen habe, dass Earl uns mit seinem Kaffee vergiften wird, sollten wir uns jetzt endlich einen holen. Sonst schlafe ich hier noch im Sitzen ein. Außerdem muss ich mir unbedingt ansehen, wie sein Laden aussieht.«

»In Ordnung.« Allie sprang auf und griff nach ihrer Tasche, die sie neben sich abgestellt hatte. »Allerdings bekomme ich schon wieder das Gefühl, dass du geschickt versuchst, das Thema zu wechseln. Gerade wenn es anfängt, interessant zu werden, weichst du aus.«

»Ich weiß nicht, wovon du redest«, entgegnete Lucie und vermied es, sie anzusehen. Dabei wusste sie genau, was Allie meinte.

 

»Na, das war mal ein Erlebnis«, sagte Lucie über ihre Schulter hinweg zu Allie, als sie aus Earls Coffee House traten und die Kaffeebecher in der Hand hielten. Durch die grell leuchtende Sonne geblendet, konnte sie nicht sehen, wo sie hinlief, und prallte prompt gegen eine Person. Sie spürte, wie die heiße Flüssigkeit in dem Becher an den Deckel schwappte, und hoffte inständig, dass er nicht nachgeben würde.

»Vorsicht«, ertönte eine tiefe Stimme dicht vor ihr.

Sie schirmte mit der freien Hand die Augen ab, um etwas erkennen zu können, als Allie ebenfalls aus dem Laden trat und den Mann bemerkte.

»Oh, unser Polizeichef. Wie schön, Sie zu treffen. Wir haben vorhin noch von Ihnen gesprochen«, sagte Allie selbstbewusst.

Lucie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg, als sie den Polizisten musterte, der dicht vor ihr stand. Zumindest hatte sie verhindern können, dass sich der Kaffee über seinem Oberkörper ergossen hatte. Davon wäre er vermutlich alles andere als begeistert gewesen, und sie wollte nicht gleich am ersten Tag einen schlechten Eindruck hinterlassen, indem sie jemandem schwere Verbrennungen zufügte.

Aus der Nähe wirkte seine schlanke Figur mit den breiten Schultern noch beeindruckender. Obwohl Lucie selbst groß gewachsen war, überragte er sie um einen ganzen Kopf. Seine Augen wurden von der Sonnenbrille verdeckt, doch sie bezweifelte, dass sie etwas darin hätte erkennen können. Er verzog keine Miene, während er sie ebenfalls betrachtete, und sie musste sich zwingen, ihn nicht länger anzustarren.

Er nahm Allies Bemerkung mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis, machte jedoch keine Anstalten, näher darauf einzugehen. Mit einer fließenden Bewegung schob er sich an Lucie vorbei und wollte bereits den Laden betreten, als er sich noch einmal zu ihnen umdrehte. »An Ihrer Stelle würde ich das besser nicht trinken. Was auch immer Earl in seinem Laden verkauft, normaler Kaffee ist es jedenfalls nicht. Das Zeug ist unheimlich stark.«

Wie angewurzelt stand Lucie da und schaute ihm hinterher, bis die Eingangstür zufiel und ihr die Sicht versperrte. War diese seltsame Begegnung gerade wirklich passiert? Es war so schnell gegangen, dass sie kein Wort zu ihm gesagt hatte. Das sah ihr eigentlich gar nicht ähnlich.

»Und was meinst du?« Allie hatte sich bei ihr untergehakt und zog sie mit sich. »Er riecht ziemlich gut, findest du nicht?«

»Keine Ahnung. Darauf habe ich nicht geachtet.«

»Ach Lucie, es wird Zeit, dass du dich mal ausschläfst. Du kannst dich einfach nicht konzentrieren.«

Entgegen der Warnung trank sie zögerlich einen Schluck von dem heißen Getränk und musste sofort husten. Der Kaffee war derart stark, dass er eine fast schon sirupartige Konsistenz hatte. Doch vermutlich würde er ihr dabei helfen, wach zu werden, weshalb sie gleich einen zweiten Schluck trank. »So schlecht ist er gar nicht«, stellte sie erstaunt fest und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass die heiße Flüssigkeit ihr die Zunge verbrannt hatte.

Allie blickte sie kopfschüttelnd an. »Ich muss wieder zurück in den Laden, aber wenn du Unterstützung brauchst, kann ich dir in ein paar Stunden beim Auspacken deiner Sachen helfen. Eigentlich wollte ich das Haus für deine Ankunft vorbereiten und etwas sauber machen, allerdings hatte niemand einen Schlüssel. Es könnte sein, dass es dort ziemlich staubig ist«, meinte sie zögerlich. »Du kannst auch gerne die ersten Nächte bei uns schlafen, bis du aufgeräumt hast. Meiner Mutter wäre es ohnehin lieber, wenn sie am Anfang ein Auge auf dich haben könnte. Sie hat Angst, dass du ansonsten verhungern wirst. Wir alle wissen, wie schlecht du kochen kannst.«

»Das ist wirklich nett von dir, aber ich schaffe das schon. Erst mal will ich nur eine ausgiebige Dusche und anschließend ins Bett. Aufräumen kann ich morgen auch noch. Allzu schlimm wird es bestimmt nicht aussehen. Die frische Bettwäsche habe ich in den Karton ganz oben drauf gepackt, und mehr brauche ich vorläufig nicht.«

»Wie du meinst«, entgegnete Allie, wirkte jedoch nicht überzeugt. »Ich glaube, dir ist allerdings nicht bewusst, in welchem Zustand das Haus ist. Es steht seit Monaten leer und benötigt einiges an Arbeit, bis es wieder sauber und bewohnbar sein wird.«

Doch Lucie hörte ihr kaum zu. »Mein Großvater hat seit dem Tod seiner Frau vermutlich wenig von den häuslichen Arbeiten gehalten, trotzdem war er immer ordentlich. Du machst dir umsonst Sorgen. Es wird vielleicht eine Weile dauern, bis ich mich eingerichtet habe, allerdings plane ich sowieso nicht, allzu lange zu bleiben. Als Zwischenlösung wird es schon funktionieren.«

»Okay, aber sag später nicht, dass ich dich nicht gewarnt habe.«

Kapitel 3

 

»Das kann nicht wahr sein.« Fluchend blickte Lucie sich um. Nachdem sie sich von Allie verabschiedet hatte, war sie auf direktem Weg zum Haus ihres Großvaters gefahren. Das zweistöckige Gebäude lag auf einem großzügigen Grundstück etwas außerhalb von Rosewood. Es besaß eine eigene Zufahrtsstraße und war umgeben von alten Fichten, die an diesem heißen Tag viel Schatten spendeten. Aber ihr Lieblingsbaum war der große Ahorn, der in der Mitte der Auffahrt thronte. Lucies Großmutter hatte sich beim Bau des Hauses geweigert, ihn entfernen zu lassen, weshalb der Baum an seinem Platz stehen bleiben durfte. Immerhin war er schon vor ihnen dort gewesen, und Ann Thompson hatte jahrzehntelang viel Freude an ihm gehabt. Auch Lucie hatte es geliebt, wenn sich im Herbst die Blätter verfärbten und der Ahorn rötlich im Licht der Herbstsonne strahlte. Doch aktuell hatte das Grundstück nur wenig mit den glanzvollen Bildern aus ihrer Erinnerung gemeinsam. Die Straße war voller Schlaglöcher, und der Platz vor der Veranda war von Gras und Unkraut überwuchert. Das Herbstlaub war nicht entfernt worden und verrottete langsam auf dem Boden.

Seitdem Earl sein Café betrieb, hatte er sich anscheinend nicht mehr die Mühe gemacht, nach dem Garten zu sehen. Aber sie konnte es ihm nicht verübeln, schließlich war niemand mehr da gewesen, der ihn für seine Arbeit bezahlt hätte. Und bis Lucie es sich leisten konnte, einen Gärtner einzustellen, würde vermutlich noch einige Zeit vergehen, wenn es überhaupt dazu kam. Ihr Großvater hatte oft davon geredet, den Vorplatz ordentlich befestigen zu lassen, doch dazu war es nie gekommen.

Der Motor tickte, als sie ausstieg und ihre Umgebung betrachtete. Ihre Brust zog sich schmerzvoll zusammen, während sie alles in sich aufnahm. Dieser Anblick hatte nur noch wenig mit dem liebevoll gepflegten Anwesen aus ihrer Erinnerung gemeinsam. Im Anschluss an die Beerdigung war sie direkt wieder zurück in die Stadt gefahren und hatte keine Gelegenheit gehabt, nach dem Grundstück zu sehen. Der Abgabetermin für einen Artikel stand bevor, den sie unter allen Umständen hatte einhalten müssen. Es war ohnehin schwierig gewesen, den Tag der Beisetzung frei zu bekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie alles dafür getan, ihre Karriere voranzutreiben. Doch trotz all der Opfer, die sie gebracht hatte, war sie am Ende gescheitert. Monatelang hatte sie sich nur auf die Arbeit konzentriert und dadurch kaum eine freie Minute für sich gehabt. Und dabei war die ganze Mühe umsonst gewesen.

Durch die Hitze flirrte die Luft, und Lucie spürte, wie ihr ein Schweißtropfen den Nacken hinablief. Es wurde Zeit, aus der stechenden Sonne hinauszugehen. Im Haus würde es hoffentlich kühler sein. Vorsichtig stieg sie die Verandastufen hinauf und fühlte, wie das morsche Holz unter ihrem Gewicht ächzte. Das Gepäck hatte sie vorläufig im Auto gelassen. Darum würde sie sich später kümmern. Zuerst wollte sie sich einen Eindruck von den Innenräumen verschaffen. Allies Warnung schwebte ihr noch im Kopf herum. Zum ersten Mal beschlich sie das ungute Gefühl, dass sich das Haus tatsächlich in einem deutlich schlechteren Zustand befinden könnte, als sie gedacht hatte. Bis vor Kurzem hatte sie nicht einmal gewusst, dass sie das Grundstück erben würde. Lucie war davon ausgegangen, dass ihr Vater als einziges Kind von Ann und Jim Thompson der Alleinerbe sein würde. Doch nach dem Tod ihrer Großmutter war das ohnehin schon angespannte Verhältnis noch schlechter geworden, und schließlich hatten sich Vater und Sohn kaum mehr gesehen. Die anfängliche Überraschung über das plötzliche Erbe war schnell in Überforderung umgeschlagen, aber jetzt war Lucie froh über diese Wendung des Schicksals. Auch wenn sie nie gedacht hätte, dass sie eines Tages zurück nach Rosewood ziehen würde, war sie dankbar, dass sie jetzt die Möglichkeit dazu hatte. Vorläufig würde dieser Ort ihr neues Zuhause sein, bis sie wusste, wie es mit ihrem Leben weitergehen sollte.

Während sie in der Handtasche nach dem Schlüssel suchte, den ihr der Nachlassverwalter übergeben hatte, hörte sie plötzlich ein schabendes Geräusch. Lucie erstarrte. Es war eindeutig aus dem Inneren des Hauses gekommen. Nervös betrachtete sie die Fenster, doch die waren alle verschlossen, und die Eingangstür sah ebenfalls nicht beschädigt aus. Vielleicht hatte sie sich alles nur eingebildet. Als sie einen weiteren Versuch starten wollte, hörte sie es erneut. Beunruhigt entfernte sie sich langsam von der Tür und ging rückwärts die Treppenstufen hinunter, ohne das Gebäude aus den Augen zu lassen. Sie hatte es fast geschafft, aber dann verfing sich ihr Fuß an einer Unebenheit im Holz. Mit einem unsanften Aufprall landete sie auf dem staubigen Boden und konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Erschrocken schaute sie zur Eingangstür in der Erwartung, dass jeden Augenblick eine Person durch den Türrahmen stürmen würde. Doch alles blieb ruhig.

Eilig richtete sie sich auf und tastete nach dem Smartphone, das sie in die Hosentasche ihrer Shorts gesteckt hatte. Sie hoffte, dass es den Sturz unbeschadet überstanden hatte. Aber sie hatte Glück und das Display war in Ordnung. Notdürftig klopfte sie sich den Dreck von der Kleidung und betrachtete ihre Hände. Außer ein paar leichten Abschürfungen hatte sie sich nicht verletzt. Schnell lief sie zu ihrem Auto. Während sie die Nummer wählte, entriegelte sie die Autotür und setzte sich hinters Lenkrad. Sie versicherte sich, dass die Türen verschlossen waren, und wartete angespannt, dass jemand den Anruf entgegennahm. In der Zwischenzeit hatte sie mehrmals zu dem Gebäude geblickt, konnte jedoch keine Veränderung feststellen. Als die tiefe Stimme Sekunden später erklang, hätte sie das Smartphone vor Schreck beinahe fallen gelassen. Sie hatte damit gerechnet, mit der Empfangskraft zu sprechen, von der Allie ihr erzählt hatte, weshalb die männliche Stimme sie aus dem Konzept brachte. Angespannt erklärte sie, was passiert war, und bemerkte, dass ihre Hände anfingen zu zittern. Doch das war vermutlich weniger der Aufregung, sondern dem Koffein des viel zu starken Kaffees zuzuschreiben. Normalerweise hatte sie ihre Nerven besser im Griff und war nicht so schnell aus der Fassung zu bringen. Aber dieser Tag war auch alles andere als normal gewesen.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Streifenwagen auf den Vorplatz fuhr. Trotzdem war ihr die Wartezeit wie eine Ewigkeit vorgekommen. Matthew Browning wirkte nicht besonders beunruhigt, als er ausstieg und sich neben ihren Wagen stellte. Da sie keine Anstalten machte, ihm die Tür zu öffnen, klopfte er ungeduldig gegen die Fensterscheibe.

Widerwillig kam sie seiner Aufforderung nach und streckte ihm den Kopf entgegen. »Der Eindringling ist im Haus. Worauf warten Sie denn noch? Bei mir ist alles in Ordnung«, sagte sie nervös.

»Das kann ich sehen«, entgegnete er. »Was machen Sie hier?«

»Was ich hier mache?« Unwillkürlich war ihre Stimme schrill geworden. »Ich verstecke mich im Auto, weil sich ein Einbrecher in meinem Haus befindet. Was hätte ich Ihrer Meinung nach denn sonst tun sollen? Ihn allein überwältigen?« Sie konnte es nicht fassen, mit welcher Überheblichkeit der Mann sie betrachtete.

Skeptisch hob er die Augenbrauen. »Das ist Ihr Haus?«, fragte er und deutete auf das Gebäude.

»Ja, das sagte ich doch. Ich wohne hier.«

»Sie wohnen hier«, wiederholte er betont langsam und blickte sich demonstrativ um. Alles an dem Grundstück schrie einem entgegen, dass es seit längerer Zeit verlassen war.

»Zumindest würde ich das gerne, aber wie ich Ihnen am Telefon erklärt habe, befindet sich jemand in dem Haus. Würden Sie also bitte endlich Ihren Job machen und nachsehen, was da los ist?«

»Selbstverständlich«, entgegnete er ungerührt. »Haben Sie einen Schlüssel für die Haustür?«

Es dauerte einen Moment, bis sie den Schlüsselbund gefunden hatte, den sie in ihrer Eile nachlässig in den Innenraum des Wagens geworfen hatte. Ihre Hände zitterten noch immer.

»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie den Kaffee besser nicht trinken sollen.«

»Ist das Ihr Ernst? Das ist der völlig falsche Zeitpunkt, um mich über meinen Koffeeinkonsum zu belehren. Wenn Sie noch länger hier herumstehen und sich mit mir unterhalten, ist die Person längst verschwunden.«

»Falls sich tatsächlich jemand in dem Gebäude aufgehalten hat, ist er mittlerweile abgehauen«, sagte er und nahm den Haustürschlüssel entgegen. »Sie sollten sich freuen. Bei dem Lärm, den Sie veranstalten, haben Sie die Person ganz allein vertrieben.« Er warf ihr einen strengen Blick zu. »Aber um sicherzugehen, warten Sie im Auto, bis ich zurück bin.« Mit großen Schritten lief er zu der Veranda. Er hatte weder seine Waffe gezogen noch schien er sich auf irgendeine Art verteidigen zu wollen.

Lucie starrte ihm fassungslos hinterher. Entweder war das der inkompetenteste Polizist, der ihr je begegnet war, oder die Verbrechensbekämpfung auf seiner Heimatinsel folgte anderen Regeln. Beides war keine angenehme Vorstellung. Sie beobachtete, wie er die Veranda betrat, und verfluchte die kaputte Holztreppe dafür, dass sie unter seinem Gewicht nicht nachgegeben hatte. Es hätte ihr definitiv einiges an Genugtuung verschafft, wenn der Polizist zumindest mit dem Fuß in eine der Stufen eingebrochen wäre. Vielleicht hätte das seine Überheblichkeit etwas abgekühlt. Aber die Treppe tat ihr den Gefallen nicht.

Matthew Browning kontrollierte gewissenhaft die Eingangstür und nahm sich Zeit, die Fenster zu begutachten. Doch statt die Tür aufzuschließen und die Innenräume zu überprüfen, lief er nach hinten in den Garten, wodurch sie ihn aus den Augen verlor. Ungeduldig rutschte Lucie auf ihrem Sitz hin und her. Die Abendsonne prallte auf die Motorhaube und die Hitze staute sich im Wagen. Sie spürte, wie sich die Feuchtigkeit unangenehm an ihrem Haaransatz sammelte. Als ein einzelner Tropfen ihre Schläfe hinabrann, hatte sie plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, und riss die Autotür auf. Hastig sprang sie nach draußen, doch dort war es kaum besser. Es war ein ungewöhnlich heißer Tag gewesen und dazu noch völlig windstill. Die hohen Temperaturen hatten die Umgebung aufgeheizt und würden sich ohne einen heftigen Regenschauer nicht so schnell vertreiben lassen.

Mit der Hand fuhr sie sich über den Nacken und schaute unschlüssig zu dem ruhig daliegenden Haus. Es war beinahe beängstigend still, und sie fragte sich, warum der Polizist derart lange brauchte. Das Zirpen der Grillen drang an ihr Ohr, während sie angespannt lauschte. Schließlich hielt sie es nicht länger aus und folgte dem kleinen Trampelpfad, den Matthew Browning im hohen Gras hinterlassen hatte. Wahrscheinlich war das keine gute Idee, aber wie er bereits angemerkt hatte, war die Chance gering, dass sich der Einbrecher tatsächlich noch auf dem Grundstück aufhielt.

Sie war fast an der Rückseite des Hauses angelangt, als sie sich plötzlich fragte, welche Krabbeltiere sich in dem verwilderten Garten wohl versteckten. Lucie versuchte, den Gedanken abzuschütteln, und beschleunigte ihre Schritte. Ihre offenen Sandalen waren für das hochstehende Gras denkbar ungeeignet, und sie spürte, wie einige besonders hartnäckige Sträucher Kratzer auf ihrer nackten Haut hinterließen. Unwillkürlich glitt ihre Hand zu der Stelle, um darüber zu streichen, und hätte dabei beinahe das Gleichgewicht verloren. Im letzten Moment konnte sie einen Sturz verhindern und stolperte ein paar Schritte nach vorn. Das hätte ihr gerade noch gefehlt, sich vor den Augen des Polizisten zu blamieren. Verärgert über ihr ungeschicktes Verhalten beeilte sie sich, zum Haus zu gelangen.

Die rückseitigen Fenster waren ebenfalls ordnungsgemäß verschlossen, aber sie stellte mit Erschrecken fest, dass die Verandatür sperrangelweit offen stand. In diesem Moment wurde das Fliegengitter schwungvoll aufgestoßen, und Matthew Browning trat heraus. Seine Miene verfinsterte sich, als er Lucie im Garten entdeckte.

Entschlossen reckte sie das Kinn in die Höhe und lief auf ihn zu.

»Ich habe doch gesagt, dass Sie im Auto warten sollen«, sagte er sichtlich genervt.

»Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, ich lege wenig Wert auf Ihre Ratschläge«, entgegnete sie spitz.

Seine Augen verengten sich, aber er verkniff sich einen Kommentar.

»Was haben Sie herausgefunden? War der Einbrecher im Haus? Hat er die Verandatür aufgebrochen?« Lucie wollte am liebsten alle Fragen auf einmal beantwortet haben.

»Ja, ich habe den Übeltäter gefunden. Es war gut, dass Sie mich angerufen haben. Ohne einen Polizeieinsatz hätten Sie das Problem kaum bewältigen können.« Er verzog keine Miene, doch es trat ein kleines Funkeln in seine Augen.

»Und was genau soll das bedeuten?«, fragte sie verunsichert.

Matthew drehte sich um und öffnete das Fliegengitter, das hinter ihm zugefallen war. Als hätte er nur auf sein Zeichen gewartet, stolzierte der fetteste Kater hinaus, den Lucie je gesehen hatte. Der dicke Bauch war eindeutig der Schwerpunkt seines rundlichen Körpers.

»Das Tier hat den Lärm verursacht. Haben Sie etwa vergessen, dass Sie eine Katze besitzen?« Er betrachtete Lucie, als wäre sie nicht ganz zurechnungsfähig. »Die Verandatür weist keinerlei Einbruchsspuren auf. Offenbar wurde sie nicht ordnungsgemäß verschlossen. Sie können froh sein, dass Ihnen das Tier nicht weggelaufen ist.«

Lucie war vollkommen verblüfft. »Aber ich habe überhaupt kein Haustier«, brachte sie schließlich hervor.

Der Polizist deutete auf den grau getigerten Kater, der sich zu seinen Füßen niedergelassen hatte und zu ihm aufblickte. »Ganz offensichtlich schon. Jedenfalls hat er sich im Gebäude aufgehalten. Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht? Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?«

Lucie musste sich zusammenreißen, um den Mann nicht anzubrüllen. Er besaß tatsächlich die Unverschämtheit, ihr ein Getränk aus ihrem eigenen Haus anzubieten. »Selbstverständlich ist mit mir alles in Ordnung. Ich habe kaum geschlafen, habe eine anstrengende Autofahrt hinter mir, und die Hitze macht mich fertig. Aber ich bin absolut bei klarem Verstand«, brachte sie gepresst hervor. Sie holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. »Ich habe das Haus von meinem Großvater geerbt«, erklärte sie kurz darauf mit ruhiger Stimme. »Er ist vor einigen Monaten gestorben, und ich bin mir sicher, dass er keine Katze hatte. Das muss ein Missverständnis sein.«

»Das Tier schien sich allerdings ziemlich wohlzufühlen. Obwohl es nicht schaden könnte, etwas aufzuräumen. Er hat da drinnen ein ganz schönes Chaos angerichtet.« Matthew Browning warf dem Kater einen kurzen Blick zu. »Jedenfalls ist Ihr Katzenproblem keine Aufgabe für die Polizei. Wenn ich sonst nichts mehr für Sie tun kann, werde ich jetzt wieder fahren.« Er lief an ihr vorbei und drehte sich ein letztes Mal zu Lucie um. »Die Verandatür schließt nicht richtig und muss dringend repariert werden. Das Haus ist in diesem Zustand quasi eine Einladung für Verbrecher. Sie sollten es anderen Menschen nicht derart leicht machen, bei Ihnen einzubrechen. Und setzen Sie die Katze auf Diät. Das Tier ist viel zu fett, das kann unmöglich gesund sein.«

Sprachlos schaute Lucie ihm auf seinem Rückweg durch den Garten hinterher. »Was denkt der sich eigentlich?«, murmelte sie in die auftretende Stille hinein. Selten hatte sie einen derart unverschämten Menschen kennengelernt. Wie sie ihn jemals hatte attraktiv finden können, war ihr vollkommen unbegreiflich. Mit seinem Charakter konnte sie jedenfalls wenig anfangen, und es würde ihr nach dieser Begegnung nicht sonderlich schwerfallen, ihm aus dem Weg zu gehen. Doch sie war sich sicher, dass sie sich so schnell nicht wiedersehen würden. Lucie hatte keine Ahnung, wie falsch sie damit lag.

Sie hörte, wie der Polizeiwagen gestartet wurde und auf dem Vorplatz wendete. Kurz darauf war sie vollkommen allein. Oder zumindest fast. Der dicke Kater saß unbekümmert da und leckte sich die Pfoten. Lucie seufzte. Ihren ersten Tag in Rosewood hatte sie sich irgendwie anders vorgestellt.

 

Nachdem sie mehrmals hin und her gelaufen war, hatte sie es schließlich geschafft, ihren schweren Reisekoffer und diverse Kartons über die instabile Treppe ins Haus zu tragen. Erschöpft lehnte sie sich an den großen Esstisch in der Küche. Ihre Hand fuhr an den leichten Unebenheiten im Holz entlang, und sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Beinahe hätte sie sich auf den Kater gesetzt, als sie sich kraftlos auf den Stuhl fallen lassen wollte. Mit einem entsetzten Fauchen sprang das Tier auf und landete schwerfällig auf dem Boden.

»Es war keine Absicht. Ich habe dich nicht gesehen«, rechtfertigte sie sich, bevor sie in Tränen ausbrach. »Jetzt rede ich auch noch mit einer Katze«, murmelte sie, während die Schluchzer ihren Körper schüttelten. Die ganze Anspannung des Tages löste sich allmählich, und sie fühlte sich vollkommen erschöpft. Die Hitze verbunden mit dem Schlafmangel war keine gute Kombination und hatte sie den letzten Rest Energie gekostet. Sie musste mehrmals heftig niesen, als ihr die Katzenhaare in der Nase kitzelten. Ungeschickt wischte sie sich mit der Hand über das Gesicht, während sie vergeblich nach einem Taschentuch suchte. Der Kater beobachtete ihre Bemühungen aus zusammengekniffenen Augen.

Einige Minuten später hatte sie sich so weit beruhigt, dass der Tränenfluss allmählich versiegte. Ihre Haut spannte von den getrockneten Tränenspuren, und sie spürte einen pochenden Schmerz an den Schläfen. Sie brauchte dringend eine kalte Dusche und wollte anschließend nur noch schlafen. Doch sie hatte es geschafft. Sie hatte den Tag mehr oder weniger erfolgreich überstanden. Und jetzt saß sie hier, in der Küche ihrer verstorbenen Großeltern, und während sie sich umsah, kamen lange vergessene Erinnerungen an die Oberfläche. Es roch genau wie früher nach zerlassener Butter, Bratkartoffeln und Spiegelei, dem Lieblingsessen ihres Großvaters. Sie hatte das Gefühl, dass er jeden Moment den Raum betreten und sich einen Kaffee kochen würde. Doch diese Zeiten waren unwiderruflich vorbei. Es würde ihr schwerfallen, das zu akzeptieren. Viel zu groß war das schlechte Gewissen, das sich über die Jahre immer weiter aufgebaut hatte. Sie war mit der Zeit nur noch selten zu Besuch gekommen, da sie vollkommen mit ihrem eigenen Leben beschäftigt gewesen war. Je länger die letzte Begegnung zurücklag, desto schwerer war es ihr gefallen, nach Rosewood zu fahren. Die Entfernung hatte für eine Distanz gesorgt, die dazu geführt hatte, ihr Verhalten vor sich selbst zu rechtfertigen. Dabei hatte sie sehr viele schöne Erinnerungen an die Schulferien, die sie bei ihren Großeltern auf diesem Grundstück verbracht hatte. Es war seltsam, jetzt ohne sie hier zu sein, und das Haus fühlte sich ungewohnt leer an.

Widerstrebend richtete sie sich auf und kontrollierte erneut die restlichen Räume. Auch wenn sie wusste, dass niemand eingebrochen war, hatte sie dennoch ein komisches Gefühl, ganz allein hier zu sein. Nachdem der Polizist gefahren war, hatte sie einen Kontrollgang durch das Haus gemacht und sich die einzelnen Zimmer genauer angesehen. Das Ergebnis war ernüchternd gewesen. Leider hatte Allie recht gehabt. Vielleicht hätte sie ihr Angebot annehmen und in den ersten Nächten bei den Beckfords übernachten sollen. Sie wusste, dass es für Mutter und Tochter kein Problem gewesen wäre, doch seit Melinda Beckford sich von ihrem Mann getrennt hatte, hatten die Frauen genug eigene Herausforderungen, mit denen sie sich auseinandersetzen mussten. Lucie wollte ihnen nicht zusätzlich zur Last fallen. Außerdem konnte es nicht schaden, wenn sie nach all dem Drama in ihrem eigenen Leben ein wenig Zeit für sich hatte.

Das zweistöckige Haus hatte eine überschaubare Größe, sodass sie sich schnell einen Überblick verschafft hatte. Auf dem weitläufigen Grundstück wirkte es beinahe etwas verloren. Doch für Ann und Jim Thompson hatte es vollkommen gereicht. Außer Lucies Vater hatten sie keine Kinder gehabt, und für die kleine Familie war der Platz ausreichend groß gewesen. Wenn Lucie bei ihnen übernachtet hatte, bekam sie immer das alte Kinderzimmer ihres Vaters, um einen Rückzugsort zu haben. Später wurde daraus ein Gästezimmer, nachdem Lucie ebenfalls erwachsen geworden war und ihr eigenes Leben führte. Das gemütliche Wohnzimmer mit dem Kamin war der größte Raum im ganzen Haus und stets der beliebteste Aufenthaltsort gewesen. Lucie hatte dem Zimmer kaum Beachtung geschenkt, während sie ihren Rundgang machte. Auf dem Kaminsims standen fein säuberlich aufgereiht die Familienbilder, und sie fühlte sich noch nicht in der Lage, die Fotografien zu betrachten. Doch egal, wohin sie sich wendete, überall waren Erinnerungen und konfrontierten sie mit der Tatsache, dass ihre Großeltern nicht mehr hier waren. Sie hatte nicht mehr die Kraft, um sich heute Abend noch damit auseinanderzusetzen. Das würde warten müssen, bis sie ausgeschlafen hatte und Zeit gehabt hatte, um sich etwas einzugewöhnen.

Nachdem sie die notwendigsten Dinge für die ersten Tage ausgepackt hatte, betrat sie das kleine Gästezimmer. Es wäre ihr falsch vorgekommen, im Schlafzimmer ihres Großvaters zu übernachten. Zum Glück hatte sie ihre eigene Bettwäsche mitgebracht und bezog schnell das Bett, bevor sie sich eine kalte Dusche gönnen würde. Das war zumindest der Plan gewesen. Doch als sie unter dem Duschkopf stand und den Wasserhahn aufdrehte, ergoss sich ein Schwall rostfarbener Brühe über ihren Körper. Lucie schrie auf und stolperte aus der Kabine. Nackt stand sie da, während das Wasser von ihrem Körper tropfte, und erhaschte einen Blick auf ihr Spiegelbild. Vor Frustration hätte sie am liebsten wieder angefangen zu weinen, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten, ob sich das Problem dadurch lösen würde, wenn sie das Wasser eine Weile laufen ließ. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde die Flüssigkeit endlich klar, und sie atmete auf. Zumindest das hatte schließlich doch noch funktioniert.

Sauber und erfrischt trat sie aus dem Bad und entdeckte den Kater, der es sich auf ihrer frisch bezogenen Bettwäsche bequem gemacht hatte. Mit dem untrüglichen Gefühl, dass sie diesen Kampf verlieren würde, sollte sie es darauf anlegen, das Bett für sich zu beanspruchen, hob sie eine Ecke der Decke an und schob ihren Körper vorsichtig darunter. Das Tier gähnte herzhaft, bevor es den Kopf senkte und sich genüsslich streckte. Lucie schloss die Augen und konnte nicht begreifen, wie es dazu gekommen war, dass sie plötzlich ein Haustier besaß und mit dem Fellbündel ihr Bett teilte. So hatte sie sich ihr neues Singleleben eigentlich nicht vorgestellt. Doch sie musste zugeben, dass das Gewicht von dem kleinen, warmen Körper sie beruhigte und ihr Sicherheit gab. Immerhin war sie in ihrer ersten Nacht nicht vollkommen allein.

Still lag sie da und lauschte auf die Geräusche, die ihr einmal so vertraut gewesen waren. Das schmale Einzelbett, in dem sie als Kind immer geschlafen hatte, hatte direkt unter dem Fenster gestanden. Doch später war es gegen ein größeres Gästebett eingetauscht worden, das den kleinen Raum beinahe völlig einnahm und an der gegenüberliegenden Wand stand. Zumindest war ihr die Bettwäsche vertraut, und Lucie war froh, dass sie ihre eigenen Sachen mitgebracht hatte. Es würde dauern, bis sie sich in diesem Haus eingerichtet hatte und das unbehagliche Gefühl vergehen würde. Auf eine gewisse Art war das mal ihr Zuhause gewesen, doch nun fühlte sich alles fremd an. Aber erst mal war sie jetzt hier und musste versuchen, das Beste aus dieser Situation zu machen. Immerhin hatte sie ein Dach über dem Kopf und einen Ort, an dem sie bleiben konnte, bis sie eine Lösung gefunden hatte. Irgendwie würde sich der Rest auch noch finden.

Kapitel 4

 

Die helle Morgensonne schien auf den Asphalt, und Lucie musste die Augen zusammenkneifen, um etwas erkennen zu können. Sie hatte vergessen, ihre Sonnenbrille aufzusetzen, doch für die kurze Strecke hatte es sich nicht gelohnt, während der Fahrt danach zu suchen. Langsam fuhr sie die Straße entlang und entdeckte endlich eine freie Parklücke. Erleichtert atmete sie auf und beeilte sich, bevor ein anderer Autofahrer auf dieselbe Idee kam. Sie hatte erwartet, dass um diese frühe Uhrzeit kaum jemand unterwegs sein würde, aber sie hatte sich getäuscht.

Nachdem sie gestern Abend todmüde ins Bett gefallen war, ohne vorher etwas zu essen, knurrte ihr Magen inzwischen bedenklich. Normalerweise hätte sie nur aus der Haustür treten müssen, und sofort hatte sie eine scheinbar endlose Auswahl an Cafés und Coffee Shops zur Verfügung gehabt, doch hier war alles anders. Später würde sie Lebensmittel einkaufen müssen, um sich in der nächsten Zeit selbst zu versorgen. Für ihren ersten Morgen in Rosewood wollte sie sich jedoch ein Frühstück in der Roselane Bakery gönnen. Von Earls Kaffee hatte sie noch immer Herzklopfen, und nach der ganzen Aufregung versuchte sie ihren Tag ruhiger zu beginnen. Die Nacht mit ihrem neuen Haustier war ungewohnt gewesen, und auch sonst hatte das Haus sie vor einige Herausforderungen gestellt. Die unkomplizierte Bequemlichkeit, die ihre vorige Wohnung zu bieten gehabt hatte, suchte sie dort vergeblich. Sie hatte gewusst, dass sie nicht denselben Komfort vorfinden würde, an den sie sich im vergangenen Jahr gewöhnt hatte, allerdings hatte sie sich ihren Einzug doch etwas leichter vorgestellt.

Als sie die Eingangstür des Cafés aufstieß, wappnete sie sich unwillkürlich vor den neugierigen Blicken. Der Raum war bereits gut gefüllt und die meisten Tische besetzt. Aber der gefürchtete Moment war in der Realität deutlich unspektakulärer. Niemand schnappte bei ihrem Eintreffen nach Luft oder unterbrach sein Gespräch. Es trat keine unangenehme Stille ein, und auch sonst schien jeder der Anwesenden mit sich selbst beschäftigt zu sein. Oder zumindest erweckten sie diesen Eindruck. Ohne beachtet zu werden, schob sie sich an den vollbesetzten Tischen vorbei.

Lucie hatte Glück und erwischte einen der begehrten Sitzplätze an der großen Fensterfront, der gerade frei geworden war. Von dort hatte man einen guten Blick auf die Straße und den gegenüberliegenden Park. Sie machte es sich bequem und studierte die Karte.

»Schätzchen, wie schön, dich zu sehen.« Florence eilte auf sie zu. Sie war in einen seidenen Kimono gehüllt, der es kaum schaffte, ihre üppige Figur angemessen zu verhüllen. Bevor Lucie wusste, wie ihr geschah, hatte die Frau sie an sich gedrückt. Durch ihre sitzende Position wurde ihr Gesicht in Florence´ ausladende Oberweite gepresst und nahm ihr damit jegliche Atemluft.