Maple Love - Ganz viel Liebe für uns - Luise Klein - E-Book
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Luise Klein

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Beschreibung

Ein neuer Auftrag führt die erfolgreiche Innendesignerin Isabelle Browning nach Rosewood. Allerdings befindet sich das Twin Pine Hotel in einem deutlich schlechteren Zustand als zunächst angenommen, und das Leben in der kanadischen Kleinstadt folgt seinen eigenen Regeln. Als wären das nicht schon genug Probleme, muss sie aufgrund eines Missverständnisses auch noch ihre Unterkunft mit einem fremden Mann teilen. Doch Nick Saville ist nicht irgendein Mann. Der berüchtigte Kunstfälscher steckt seit Monaten in einer künstlerischen Schaffenskrise und ist nach Rosewood geflüchtet, um Ruhe und Entspannung zu finden. Das ändert sich schlagartig, als plötzlich eine dunkelhaarige Schönheit vor ihm steht, die von seiner Anwesenheit alles andere als begeistert ist. Isabelle fordert ihn heraus, und zum ersten Mal muss Nick sich die Frage stellen, ob er bereit ist, sein Leben für eine Frau zu ändern. Denn Isabelle ist ausgerechnet die Schwester des ortsansässigen Polizeichefs.

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Inhalt

 

Ein neuer Auftrag führt die erfolgreiche Innendesignerin Isabelle Browning nach Rosewood. Allerdings befindet sich das Twin Pine Hotel in einem deutlich schlechteren Zustand als zunächst angenommen, und das Leben in der kanadischen Kleinstadt folgt seinen eigenen Regeln. Als wären das nicht schon genug Probleme, muss sie aufgrund eines Missverständnisses auch noch ihre Unterkunft mit einem fremden Mann teilen.

 

Doch Nick Saville ist nicht irgendein Mann. Der berüchtigte Kunstfälscher steckt seit Monaten in einer künstlerischen Schaffenskrise und ist nach Rosewood geflüchtet, um Ruhe und Entspannung zu finden. Das ändert sich schlagartig, als plötzlich eine dunkelhaarige Schönheit vor ihm steht, die von seiner Anwesenheit alles andere als begeistert ist.

 

Isabelle fordert ihn heraus, und zum ersten Mal muss Nick sich die Frage stellen, ob er bereit ist, sein Leben für eine Frau zu ändern. Denn Isabelle ist ausgerechnet die Schwester des ortsansässigen Polizeichefs.

Über die Autorin

 

Luise Klein lebt in Süddeutschland. Zwischen der Begeisterung für die Berge und dem Sehnsuchtsort Meer hin- und hergerissen ist eine ihrer Leidenschaften das Reisen. Als begeisterte Leserin hat sie schließlich angefangen, ihre eigenen Geschichten zu schreiben. Da sie selbst ihre Zeit gerne draußen verbringt, spielen ihre Romane oftmals an interessanten Orten in der Natur.

 

Am liebsten schreibt sie spannende Liebesromane und romantische Komödien mit großem Wohlfühlfaktor, humorvollen Dialogen und skurrilen Bewohnern einer Kleinstadt.

 

Bereits erschienen:»Sommer der Gewissheit«»Verborgene Gefahr« (Sharpewood Valley Band 1) »Verräterische Stille« (Sharpewood Valley Band 2) »Verhängnisvolle Strömung« (Sharpewood Valley Band 3) »Verschneite Weihnachten in Sharpewood Valley« (Sharpewood Valley Band 4) »Maple Love – Ganz viel Glück mit dir« (Maple Love Band 1) »Maple Love – Ganz viel Liebe für uns« (Maple Love Band 2) »Maple Love – Ganz viel Sehnsucht nach dir« (Maple Love Band 3)

 

 

 

 

 

Copyright © 2023 Luise Klein

Coverdesign: Christin Giessel, Giessel Design,

www.giessel-design.de

Korrektorat: SW Korrekturen e.U.

 

Luise Klein

c/o autorenglück.de

Franz-Mehring-Str. 15

01237 Dresden

E-Mail: [email protected]

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf ohne Zustimmung der Autorin nicht wiedergegeben, kopiert, nachgedruckt oder oder anderweitig verwendet werden.

 

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Ein paar Worte zum Schluss ...

Weitere Bücher der Autorin

 

Kapitel 1

 

Ein Gemälde anzufertigen, war für ihn schon immer so viel mehr als nur das Auftragen von Farbe auf die Leinwand gewesen. Mit leichten Bewegungen fuhr der Pinsel über die Oberfläche und hinterließ mit jedem Pinselstrich ein wenig Farbe. Normalerweise konnte er sich dabei vollkommen fallen lassen und ganz in seiner Arbeit aufgehen. Doch seit einiger Zeit hatte sich das geändert. Nick Saville kniff die Augen zusammen, als er einen Schritt zurücktrat und das halb fertige Gemälde prüfend betrachtete. Sekundenlang verharrte er mit skeptisch geneigtem Kopf, bis er schließlich einen tiefen Seufzer ausstieß und den Pinsel frustriert auf den hölzernen Ablagetisch warf. Durch die Wucht prallte er von der Oberfläche ab und landete auf dem Boden. Zuvor hatte er jedoch einige Farbkleckse in der unmittelbaren Umgebung verteilt, und auch die Leinwand hatte einen unschönen Fleck abbekommen.

»Du solltest die wenige Arbeit, die du zustande gebracht hast, nicht gleich wieder ruinieren«, ertönte eine Stimme. Isaacs Budapester verursachten kaum ein Geräusch, als er näher kam. Vor dem halb fertigen Bild blieb er stehen und betrachtete Nicks Versuche skeptisch. Mit dem Zeigefinger schob er die Hornbrille auf seiner Nase nach oben, verkniff sich aber eine weitere Bemerkung.

Nick ignorierte seinen Freund und machte keine Anstalten, das Chaos, das er soeben angerichtet hatte, zu beseitigen. Das kahle Lagerhaus, in dem sie sich befanden, konnte ohnehin etwas Farbe vertragen, und dem kalten Betonboden würden die Farbspritzer auch nicht schaden. Doch selbst wenn es so gewesen wäre, hätte es Nick in diesem Moment nicht interessiert. Er hatte gehofft, heute endlich wieder produktiv arbeiten zu können und dadurch seinen von Tag zu Tag größer werdenden Rückstand aufzuholen. Anfangs waren seine Bemühungen auch recht vielversprechend gewesen, aber dann hatte er die Konzentration verloren, und seine sonst fast schlafwandlerisch ausgeführten Bewegungen waren fahrig und ungenau geworden. Die Begeisterung, die ihn normalerweise erfasst hatte, war verschwunden. Malen war für ihn nicht einfach etwas, das er tat. Es war ein Teil seiner Persönlichkeit und die einzige Sache, bei der er immer Zuflucht gefunden hatte. Doch jetzt war alles in eine gefährliche Schieflage geraten, und er wusste nicht, wie er sich wieder daraus befreien sollte.

Mit einer künstlerischen Krise in diesem Ausmaß war er noch nie konfrontiert worden, und die anfängliche Irritation über diesen seltsamen Zustand hatte sich bald in eine tiefe Frustration gewandelt, der er sich nicht mehr entziehen konnte. Er würde es niemals zugeben und schon gar nicht Isaac gegenüber, doch dieses Problem raubte ihm nachts den Schlaf, und er spürte, wie sich ein Gefühl der Hilflosigkeit in ihm ausbreitete. Und wenn er etwas nicht ausstehen konnte, dann war es, sich hilflos zu fühlen. Seit dem frühen Verlust seiner Mutter war er darauf bedacht gewesen, etwas Derartiges nie wieder erleben zu müssen und stattdessen in jeder Situation die Oberhand zu behalten. Das hatte in den vergangenen Jahren auch erstaunlich gut funktioniert. Nicht umsonst war er äußerst erfolgreich geworden und brauchte sich vor niemandem zu verstecken. Nun, das stimmte nicht ganz. Auf die Ermittler des Kunstdezernats sollte er vermutlich immer ein Auge haben und niemals den Fehler machen, sie zu unterschätzen. Aber bislang hatten sie ihm nie ein Vergehen nachweisen können, und Isaac hielt auch weiterhin seine schützende Hand über die Aktivitäten seines außergewöhnlich begabten Freundes.

»Das kann so nicht weitergehen, Nick. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, bevor du zu einem dieser egozentrischen Künstler wirst, der sich in einer Schaffenskrise befindet und nur noch mit leerem Blick aus dem Fenster starrt. Deine miese Laune ist unerträglich, und du fängst an, schlechte Entscheidungen zu treffen.« Isaac musterte seinen Freund. »Wann bist du letzte Nacht nach Hause gekommen? Du siehst aus, als hättest du kaum geschlafen.«

Nick, der vor der großen Fensterfront stand und blicklos aus dem Fenster gestarrt hatte, drehte sich verärgert um. »Du weißt, dass ich das nicht mit Absicht mache. Mir gefällt dieser Zustand noch weniger als dir, das kannst du mir glauben.«

Isaac betrachtete das unfertige Bild noch immer mit ausdrucksloser Miene. »Vielleicht solltest du die Fachrichtung wechseln und dich in Zukunft auf moderne Kunst konzentrieren. Dann kannst du einfach etwas Farbe nehmen und sie wahllos auf die Leinwand schmieren. Es gibt genug Künstler, die damit ein Vermögen verdient haben.«

Nick verdrehte die Augen. »Deine Abneigung gegen moderne Kunst wird sich wohl nie ändern.« Er fuhr sich durch sein dichtes schwarzes Haar, das immer so aussah, als wäre er gerade erst aufgestanden. Doch heute war das tatsächlich der Fall gewesen. Nachdem er, wie so oft in der letzten Zeit, nur wenige Stunden geschlafen hatte, war er schlecht gelaunt aufgewacht und hatte sich nicht die Mühe gemacht, viel Wert auf sein Äußeres zu legen, bevor er zum Lagerhaus gefahren war. Außer Isaac würde ihn sowieso niemand zu Gesicht bekommen.

Das alte Gebäude, in dem er arbeitete, lag in einem Hinterhof, versteckt hinter den Geschäften einer beliebten Einkaufsstraße. Im obersten Stockwerk der ehemaligen Lagerhalle befand sich sein Atelier. Dort oben hatte er die perfekten Lichtverhältnisse für seine Gemälde und einen fantastischen Ausblick auf die Stadt. Abseits des Trubels hatte er seine Ruhe und konnte die meiste Zeit ungestört malen.

»So kann es nicht weitergehen. Wir müssen uns etwas überlegen, sonst kann ich den Laden bald dichtmachen. Wer braucht schon einen Kunsthändler, der keine Bilder verkaufen kann? Ohne dich bin ich aufgeschmissen.«

Nick schnaubte. »Wir haben beide genug verdient, um überhaupt nicht mehr arbeiten zu müssen, das weißt du genauso gut wie ich.«

Isaac kniff die Augen zusammen. »Was wäre das nur für ein langweiliges Leben? Kannst du dir vorstellen, dass wir den ganzen Tag herumsitzen und nichts tun? Was würden wir dann mit all der Zeit anfangen?« Er schüttelte den Kopf, als behagte ihm die Vorstellung ganz und gar nicht.

»Es gibt vermutlich Schlimmeres«, entgegnete Nick ungerührt. »Wir könnten uns eine Auszeit gönnen und auf einer karibischen Insel in der Sonne liegen. Mit einem Cocktail in der Hand aufs Meer schauen und völlig entspannt dem Rauschen der Wellen lauschen.« Da Isaac wenig begeistert wirkte, redete er schnell weiter, »oder wir fliegen nach Europa. Wie wäre es mit Italien? Vielleicht finde ich dort etwas Inspiration. Es gibt keinen besseren Ort, um von Kunst umgeben zu sein.«

Isaac runzelte skeptisch die Stirn. »In Italien würdest du wahrscheinlich vor allem Rotwein und Frauen finden. Nein, das ist keine gute Idee, aber eine Auszeit könnte dir tatsächlich nicht schaden. Allerdings brauchst du das Gegenteil von Zerstreuung und Ablenkung. Dir muss so langweilig werden, dass dir nichts anderes übrig bleibt, als den ganzen Tag zu malen. Ohne Alternativen, die dich unterhalten könnten oder dir Abwechslung bieten, wirst du deine Blockade schnell überwinden. Dann wirst du dankbar sein, dass du wenigstens die Möglichkeit zum Malen hast.« In Isaacs Augen erschien plötzlich ein Leuchten, das Nick überhaupt nicht behagte. Er kannte die Einfälle seines Freundes nur zu gut, und die wenigsten davon hatten ihm bisher gefallen.

»Und was genau stellst du dir vor?«, fragte er skeptisch.

»Mir ist gerade der perfekte Ort dafür eingefallen.« Isaac trat auf ihn zu und zückte sein Smartphone. »Es ist einige Monate her, seit du das Angebot für das Haus gemacht hast. Vielleicht ist unserer Journalistin das Kleinstadtleben mittlerweile zu eintönig geworden, und sie ist jetzt bereit, es zu verkaufen. Du warst der Meinung, dass der Ort ideal zum Malen wäre. Ruhig, mitten in der Natur gelegen und weit und breit sind keine Ablenkungen vorhanden. Du wirst dich zu Tode langweilen«, sagte Isaac vergnügt. Auffordernd reichte er ihm das Smartphone. »Ruf sie an und erkundige dich nach dem Haus. Wahrscheinlich genügt schon eine Woche in diesem verschlafenen Ort, und du wirst produktiver sein als je zuvor.«

»Das könnte dir so passen«, murmelte Nick. In Gedanken war er allerdings bereits bei dem renovierungsbedürftigen Haus mit dem großen Ahornbaum in der Einfahrt. Dort hatte alles angefangen, und das war auch der Grund dafür, warum er nachts nur noch schlecht schlief und sich kaum konzentrieren konnte. Die Besitzerin des Hauses, Lucie Thompson, hatte ihm ein Gemälde zurückgegeben, das sein Vater vor langer Zeit gemalt hatte. Die übereifrige Journalistin hatte bei ihrer Recherche für einen Artikel nicht lockergelassen und war unvermittelt auf das Gemälde gestoßen, das bei ihm viele Erinnerungen hervorgerufen hatte. Doch die wenigsten davon waren positiv gewesen. Er hatte nicht damit gerechnet, es jemals wiederzusehen, und es war ein Schock gewesen, es plötzlich wieder in den Händen zu halten.

»Sie wird das Haus nicht verkaufen«, sagte er an Isaac gewandt. »Ich hatte das Gefühl, dass sich etwas zwischen ihr und dem Polizisten entwickelt hat. Wahrscheinlich sind sie längst verheiratet und leben glücklich und zufrieden auf dem Anwesen.«

»Seit wann bist du denn so zynisch?« Isaac schüttelte den Kopf, blieb jedoch hartnäckig. »Es sind erst ein paar Monate vergangen. Sie wird wohl kaum mit dem Polizisten durchgebrannt sein, und falls doch, wird sie das Haus vermutlich nicht mehr benötigen. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert, ansonsten werden wir ein anderes baufälliges Gebäude finden, in das du dich für eine Weile zurückziehen kannst.«

»Mir wäre es ohnehin lieber, nicht ausgerechnet nach Rosewood zu gehen. Der Polizist kann mich nicht ausstehen und würde mich sonst die ganze Zeit im Auge behalten.«

»Wegen Matthew Browning würde ich mir keine Gedanken machen, schließlich ist es nicht so, als würde zurzeit viel passieren, wofür er sich interessieren könnte.« Isaac deutete demonstrativ auf das halb fertige Gemälde, das definitiv nicht Nicks beste Arbeit werden würde.

Damit hat er nicht unrecht, dachte Nick und griff nach dem Smartphone. Ein Anruf konnte wirklich nicht schaden, und seine Italienpläne konnte er im Notfall immer noch umsetzen. Ob es Isaac gefiel oder nicht.

 

Isabelle lehnte sich über das Lenkrad und versuchte aus zusammengekniffenen Augen die Schilder zu entziffern. Auf der Landstraße war kaum Verkehr, und sie vergewisserte sich mit einem Blick in den Rückspiegel, dass kein Fahrzeug hinter ihr war, während sie die Geschwindigkeit weiter verringerte. Sie fuhr zum wiederholten Male die Straße entlang, nachdem sie bereits mehrfach falsch abgebogen und ziellos umhergeirrt war. Die erste Veränderung, die sie direkt vorschlagen würde, wäre, eine gute Beschilderung an der Straße anzubringen. Wie sollten die Gäste das Hotel finden, wenn nirgendwo ersichtlich war, wo es sich überhaupt befand. Sie seufzte. Dieser Auftrag könnte schwieriger werden, als sie bisher gedacht hatte. Unter normalen Umständen hätte sie dieses Projekt erst gar nicht angenommen, denn es lag weit außerhalb ihres gewohnten Gebiets, und sie war nicht gerne für längere Zeit von zu Hause weg. Außerdem hatte sie im Vorfeld nur wenige Informationen erhalten und kannte die Auftraggeber noch nicht persönlich. All dies bereitete ihr Unbehagen, und sie hoffte inständig, dass sie mit ihrer Zusage keinen Fehler gemacht hatte.

Aber ihr Bruder hatte sie um diesen Gefallen gebeten, und sie hatte Matthew noch nie etwas abschlagen können. Seit ihrer Kindheit hatte sie zu ihrem großen Bruder aufgeschaut und ihn immer bewundert. Für sie war es völlig unverständlich gewesen, warum er nach Rosewood gezogen war und mitten in der Provinz einen Job als Polizeichef angenommen hatte. In dieser Gegend passierte selten etwas Aufregendes, und obwohl sie im Grunde froh darüber war, dass er sich bei seiner Arbeit nicht unnötig in Gefahr brachte, hätte sie dieses Leben für sich selbst vermutlich nicht gewählt. Doch er schien zufrieden zu sein, und seitdem er Lucie kennengelernt hatte, wirkte er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder richtig glücklich. Sie freute sich für ihn und war gespannt darauf, sein neues Zuhause kennenzulernen. Bisher hatte die Gegend sie allerdings nicht besonders freundlich begrüßt. Nachdem sie erst in einen Starkregen geraten war und die Hinterreifen ihres Toyotas fast im Schlamm stecken geblieben wären, suchte sie seit einer Viertelstunde vergeblich nach dem Hotel ihrer Auftraggeber.

Vor fünf Jahren hatte sie sich selbstständig gemacht und betreute als Inneneinrichterin die unterschiedlichsten Projekte. In den ersten zwei Jahren hatte sie mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt und hätte ihren Traum beinahe wieder aufgegeben, aber das Durchhalten hatte sich gelohnt. Mittlerweile war sie bereits Monate im Voraus ausgebucht und hatte viele zufriedene Kunden bei der Verwirklichung ihrer Pläne unterstützt. Isabelle war stolz auf ihr kleines Unternehmen und die Unabhängigkeit, die sie sich erarbeitet hatte. Sie hatte gelernt, sich durchzusetzen, und eine Hartnäckigkeit entwickelt, die ihr schon oft geholfen hatte. Doch all das nützte ihr jetzt wenig, wenn sie nicht endlich das Hotel fand. Sie hatte von unterwegs aus angerufen und angekündigt, dass sie früher als geplant vorbeikommen wollte, um sich einen ersten Eindruck von dem Anwesen zu verschaffen. Vermutlich wäre es besser gewesen, damit bis zum nächsten Tag zu warten und sich erst einmal von der langen Autofahrt zu erholen, aber sie war schon immer ungeduldig gewesen und konnte es kaum erwarten, sich mit der Einrichtung zu beschäftigen. Da sie in dem Vorgespräch mit den Eigentümern nur spärliche Informationen erhalten hatte, wollte sie alles mit eigenen Augen sehen, um ein Gefühl für die Räume und die Umgebung zu bekommen. Meistens entstand dann schnell ein Bild in ihrer Vorstellung, wie sie die Veränderungen umsetzen könnte.

Plötzlich trat sie hart auf die Bremse, und der nagelneue Toyota reagierte sofort. Aus dem Augenwinkel hatte sie ein verwittertes Schild entdeckt, von dem die weiße Farbe beinahe vollständig abgeblättert war. Der Schriftzug war kaum noch zu erkennen, doch einer Eingebung folgend lenkte sie das Auto auf die unbefestigte Einfahrt. Als die Blätter der überwucherten Hecke über den Lack streiften, hoffte sie fast, sich geirrt zu haben. Denn wenn es sich bei dem Anwesen tatsächlich um das Hotel handelte, für dessen Renovierung sie engagiert worden war, dann würde es mehr als nur ein bisschen Farbe und neue Möbel brauchen, um den alten Glanz wiederherstellen zu können.

Das zweistöckige Gebäude wurde von einer Veranda umgeben, die dringend einen frischen Anstrich benötigte. Isabelle wusste, dass das Haus 1911 ursprünglich als großes Familienanwesen gebaut worden war. Später war es zu einem Hotel mit zwanzig Gästezimmern umgebaut worden, um das Gebäude anderweitig zu nutzen. Die jetzigen Eigentümer hatten das Twin Pine Hotel vor ein paar Jahren gekauft und führten den Gästebetrieb seitdem weiter. Auf Anhieb war der Charme zu erkennen, den dieses Haus mit sich brachte. Doch es benötigte viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, welchen Glanz das Anwesen einst ausgestrahlt haben musste. Isabelle liebte eine Herausforderung, allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, ihr nächstes Projekt in einem solchen Zustand vorzufinden.

Sie stellte den Motor aus und tastete im Beifahrerraum nach ihren hochhackigen Schuhen. Die schwarzen Pumps waren wahrscheinlich nicht die beste Wahl für den unebenen Boden, aber sie wusste, dass der erste Eindruck oftmals entscheidend war, und sie würde keinen Zweifel an ihrer Professionalität aufkommen lassen. Auf keinen Fall würde sie ihren Kunden in den ausgelatschten Turnschuhen gegenübertreten, die sie für die lange Autofahrt angezogen hatte. Sie war gerade fertig, als die Haustür geöffnet wurde und das Ehepaar hinaus auf die Veranda trat. Joshua und Tamara Hackett schauten ihr erwartungsvoll entgegen. Isabelle stieß schwungvoll die Autotür auf und begrüßte die beiden mit einem freundlichen Lächeln. Es war an der Zeit, endlich mit der Arbeit zu beginnen.

Kapitel 2

 

»Du kannst ihn doch nicht einfach so in dein Haus lassen«, brüllte Matthew so laut, dass Nick, der mit Lucie telefonierte, ihn ebenfalls verstehen konnte. »Der Mann ist ein Krimineller.«

»Du machst dir unnötig Sorgen«, versuchte Lucie ihren Freund zu beruhigen. Es raschelte, als sie den Kopf abwandte. »Meine persönlichen Sachen sind doch ohnehin alle in Kisten verpackt. Was ist denn schon dabei? Seit wir mit den Renovierungsarbeiten begonnen haben, wohne ich quasi bei dir.«

»Und was ist überhaupt mit meiner Schwester? Hast du etwa vergessen, dass Isabelle kommen wird?«, fragte Matthew aufgeregt. »Das hätten wir vorher besprechen müssen.«

Nick versuchte etwas zu sagen, aber Lucie ignorierte ihn. Er verdrehte die Augen und blickte auf die Fassade des Hauses. Er war erst vor wenigen Minuten angekommen und hatte nur angerufen, um zu fragen, wo sie den Ersatzschlüssel versteckt hatte. Dass er jetzt dem frisch verliebten Paar bei ihren Diskussionen zuhören musste, damit hatte er nicht gerechnet. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, nach Italien zu fliegen, überlegte er wehmütig, als er plötzlich hörte, wie sein Name gerufen wurde. Anscheinend hatte Lucie bereits mehrmals versucht, seine Aufmerksamkeit zu bekommen.

»Nick, hörst du mir überhaupt noch zu?«, fragte Lucie.

»Es ist schwer, euch nicht zu hören«, murmelte er kopfschüttelnd, aber das konnte sie natürlich nicht sehen. Doch in Wahrheit hatte er kaum etwas von dem Gespräch mitbekommen.

»Der Schlüssel liegt unter der Schildkröte. Auf der Veranda steht ein Schaukelstuhl, und daneben befindet sich die Schildkröte. Du solltest kein Problem haben, sie zu finden.«

Nick, der bereits die knarrenden Treppenstufen zur Veranda hinaufgestiegen war, blickte sich suchend um und entdeckte wenige Sekunden später die beschriebene Tonfigur. »Alles klar, ich habe sie gefunden.«

»Sehr gut. Fühl dich wie zu Hause, aber mach keine Dummheiten, und melde dich nur, wenn es einen Notfall gibt. Ich möchte meine freie Zeit mit Matthew genießen. Wir werden in der Zwischenzeit versuchen, das Problem mit Isabelle zu klären.«

Nick verzog das Gesicht. Er hatte nicht vor, die beiden noch einmal in ihrem Urlaub zu stören. Aber er fragte sich, wer diese Isabelle war, von der Lucie dauernd sprach. Doch bevor er sie fragen konnte, redete sie weiter.

»Ach, da wäre noch eine Sache«, fügte sie hinzu.

Er runzelte die Stirn und hob vorsichtig die Schildkröte hoch. Tatsächlich lag darunter der Haustürschlüssel. Wie manche Menschen so unvorsichtig sein konnten, war ihm unbegreiflich. Doch wenn er sich den Zustand des Hauses ansah, würde es wohl nicht schwer sein, auch ohne einen Schlüssel hineinzukommen. Die Fenster und Türen waren alt und hatten nur einfache Schlösser. Er bezweifelte allerdings, dass ein Einbrecher sich überhaupt die Mühe machen würde. Es sah nicht so aus, als ob Lucie Thompson viele wertvolle Gegenstände in diesem Haus aufbewahren würde.

»Erinnerst du dich noch an den Gefallen, den du mir schuldest?« Er hörte, wie eine Tür geschlossen wurde. Offenbar hatte sie das Zimmer gewechselt. Zumindest konnte er das wütende Gemurmel des Polizisten nicht mehr hören. Nick sollte es recht sein. Bevor sie aus ihrem gemeinsamen Urlaub zurückkamen, hatte er Rosewood schon längst wieder verlassen. Länger als ein paar Tage würde er es in dieser ruhigen Gegend vermutlich ohnehin nicht aushalten. Auch wenn Isaac der Meinung war, dass er etwas Ruhe gebrauchen konnte, wollte er lieber nicht zu lange allein mit seinen Gedanken sein. Doch sobald Lucie auf den Gefallen zu sprechen kam, verspannten sich seine Schultern und er wurde aufmerksam.

»Natürlich. Was willst du dafür?«, fragte er.

»Ich weiß, dass sich deine Fähigkeiten mehr auf Leinwand und Pinsel konzentrieren, aber Farbe ist schließlich Farbe, oder nicht?« Er konnte ihr Grinsen förmlich hören und ahnte Schlimmes. »Im Haus gibt es einige Räume, die einen neuen Anstrich benötigen. Die Wandfarbe habe ich bereits gekauft und wollte nach meinem Urlaub damit anfangen, aber da du jetzt praktischerweise dort bist, kannst du dich genauso gut darum kümmern. Wenn du es machst, sieht das Ergebnis wahrscheinlich sowieso besser aus.«

»Du willst, dass ich die Wände streiche?«, fragte er fassungslos. »Dafür möchtest du deinen Gefallen einlösen? Das kann nicht dein Ernst sein.«

»Warum denn nicht? Es muss schließlich gemacht werden, und ich bin froh, wenn ich es nicht selbst tun muss. Falls es gegen dein künstlerisches Ego verstößt, kannst du dich gerne kreativ austoben. Ich wollte schon immer ein Deckengemälde wie in der Sixtinischen Kapelle in meinem Schlafzimmer haben.«

Nick schnaubte. »Ich glaube, du hast zu viel Zeit in der Sonne verbracht. Das werde ich auf keinen Fall tun.«

»Aber du könntest es?«, fragte Lucie neugierig.

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Du hast es allerdings auch nicht bestritten.« Erneut hörte er das triumphierende Lächeln.

»Kümmere du dich lieber um deinen Freund, und ich werde sehen, was sich mit den Wänden machen lässt.« Bevor sie ihm noch weitere Anweisungen geben konnte, beendete er die Verbindung. Isaac würde begeistert sein, wenn er erfuhr, dass er jetzt endlich wieder anfangen würde zu malen. Doch auf eine ganz andere Art, als sein Freund sich das vorgestellt hatte.

 

Die Scheinwerfer des Toyotas glitten durch die Dämmerung, während die Reifen über die unbefestigte Auffahrt rumpelten. Isabelle wurde unsanft durchgeschüttelt und musste das Tempo verringern, um den tiefen Schlaglöchern rechtzeitig ausweichen zu können. Was hatten die Leute hier nur gegen gut ausgebaute Straßen einzuwenden? Zum Glück war Matthews Wegbeschreibung sehr präzise gewesen, sodass sie nicht lange gebraucht hatte, um den Weg zu Lucies Haus zu finden. Sie war noch nie dort gewesen und war gespannt, was sie erwartete. Isabelle hatte angeboten, auf das Haus aufzupassen und sich um den Kater James zu kümmern, während Lucie und Matthew im Urlaub waren. So konnte sie sich die Kosten für ein Hotelzimmer sparen und hatte es nicht weit bis zu ihrer Arbeit auf dem Anwesen der Hacketts. Außerdem freute es sie, wenn sie Matthew damit einen Gefallen tun konnte.

Nach seiner Rückkehr würde sie noch etwas Zeit mit ihrem Bruder verbringen, bevor sie wieder nach Hause fahren musste. Er hatte ihr in einem der Telefonate erzählt, dass der kleine Ort Rosewood bekannt für seine Zuchtrosen war und durch die liebevoll geführten Läden zu einem beliebten Ausflugsziel für Touristen geworden war. Sie war auf ihrer Fahrt an einem charmanten Bed and Breakfast vorbeigekommen, das ihr wirklich gut gefallen hatte. Zumindest waren nicht alle Unterkünfte in der Umgebung in einem so schlechten Zustand wie das Twin Pine Hotel. Wie so oft hatten die Besitzer auch in diesem Fall das wahre Ausmaß des Problems verschwiegen, und Isabelle hatte nur mit Mühe ihr Entsetzen verbergen können, als sie sich bei ihrem Rundgang einen Überblick verschafft hatte. Sie hatte das ungute Gefühl, dass dieses Projekt viel komplizierter werden würde, als sie ursprünglich gedacht hatte. Außerdem stellte das geringe Budget eine Herausforderung dar, und sie war sich nicht sicher, ob sie damit tatsächlich etwas bewirken konnte. Es war dringend notwendig, sich in den nächsten Tagen mit den Hacketts zusammenzusetzen und einen Plan zu entwerfen, der ihnen realistische Veränderungsmöglichkeiten aufzeigen würde. Bei allem Geschick und allen Fähigkeiten, die Isabelle sich in den letzten Jahren angeeignet hatte, konnte sie nur mit dem arbeiten, was ihr zur Verfügung stand, und keine Wunder vollbringen, sosehr sie sich das manchmal auch wünschte. Es würde vermutlich kein einfaches Gespräch werden, aber Joshua und Tamara hatten einen freundlichen Eindruck gemacht, weshalb sie optimistisch gestimmt war. Sie hatte schon mit viel schwierigeren Kunden zu tun gehabt und würde es auch dieses Mal irgendwie schaffen.

Plötzlich kam das Haus in Sichtweite, und Isabelle seufzte unwillkürlich auf. Eigentlich hatte sie heute schon genug mit renovierungsbedürftigen Häusern zu tun gehabt und wäre am liebsten wieder umgedreht. Sie hatte keine Ahnung, ob die Innenräume in einem ähnlich schlechten Zustand waren, aber die Fassade sah aus, als benötigte sie mehr als nur einen neuen Anstrich. Vielleicht hatte das nette Bed and Breakfast ein Zimmer für sie frei, dachte sie insgeheim. Dort könnte sie ein ausgiebiges Schaumbad nehmen, bevor sie die Unterlagen des Hackett-Projekts noch einmal durchging. Sie hatte sich während der Besichtigung einige Notizen gemacht, die sie gerne vervollständigen würde. Obwohl es schon spät war und sie einen anstrengenden Tag hinter sich hatte, ließ sie der Gedanke an die bevorstehende Aufgabe nicht los. Vielleicht würde es sie beruhigen, noch ein paar Stunden zu arbeiten. Doch dann dachte sie an den Kater James und parkte den Wagen widerwillig einige Meter von der Veranda entfernt. Wahrscheinlich wären die Betreiber des Bed and Breakfast ohnehin nicht sonderlich begeistert, wenn sie dort plötzlich mit dem Kater auf dem Arm vor der Tür stand. Außerdem hatte sie Lucie versprochen, dass sie sich gut um das Tier kümmern würde. Als kleines Mädchen hatte sie selbst eine Katze gehabt, die lange Zeit ihre beste und leider auch einzige Freundin gewesen war. Daher freute sie sich auf die Aufgabe, und Lucie hatte ihr versichert, dass James äußerst pflegeleicht war.

Mit ihrem Reisekoffer in der Hand stieg sie vorsichtig die Treppenstufen hinauf. Dabei betrachtete sie stirnrunzelnd das Fahrzeug, das nicht weit von ihrem eigenen entfernt parkte. Der Lack des Oldtimers glänzte in der Abendsonne und wirkte an diesem Ort völlig fehl am Platz. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass der Wagen Lucie gehörte. Auch wenn Isabelle nur wenig Ahnung von Autos hatte, erkannte sie, wenn etwas viel Geld gekostet hatte. Und das war bei diesem Fahrzeug definitiv der Fall. Vermutlich wäre der Oldtimer in einer Garage besser aufgehoben, aber sie konnte sich jetzt nicht auch noch den Kopf über ein fremdes Auto zerbrechen. Der Besitzer würde hoffentlich schon wissen, was er tat. Wenn sich die Gelegenheit ergab, würde sie Lucie danach fragen. Doch vorerst würde sie den Teufel tun und ihren Bruder in seinem wohlverdienten Urlaub stören. Es war schon viel zu lange her, seit er sich zuletzt eine Auszeit gegönnt hatte.

Für die kurze Fahrt hatte sie sich nicht die Mühe gemacht, ihre Schuhe zu wechseln, was ihr jetzt beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Der alte Holzboden der Veranda war in keinem guten Zustand, und sie blieb prompt mit dem Absatz zwischen zwei Brettern stecken. Genervt stellte sie den Koffer ab und bemühte sich, ihren Schuh zu befreien. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es ihr schließlich, und sie schaffte es ohne weitere Zwischenfälle zur Eingangstür. Der Aufenthalt in Rosewood konnte doch abenteuerlicher werden, als sie gedacht hatte. Aber sie war noch nie vor einer Herausforderung zurückgeschreckt und würde sich nicht so leicht unterkriegen lassen.

Bevor sie sich auf die Suche nach dem Ersatzschlüssel machte, drückte sie versuchsweise die Türklinke nach unten. Zu ihrer Überraschung gab die Tür sofort nach und schwang nach innen auf. Isabelle runzelte die Stirn. Aus den Erzählungen ihres Bruders wusste sie, dass Lucie manchmal chaotisch sein konnte, aber er hätte sicher kontrolliert, ob das Haus gut verschlossen war, bevor sie in den Urlaub aufgebrochen waren. Sie kannte die Geschichten von Dorfbewohnern, die ihre Haustüren nie abschlossen, aber auch diese Leute mussten inzwischen gemerkt haben, dass diese Sorglosigkeit nicht ganz ungefährlich war. Besonders bei einem Anwesen, das etwas abseits am Waldrand lag und wo nicht einmal die Grundstücke der nächsten Nachbarn zu sehen waren.

Vorsichtig schob Isabelle die Tür weiter auf und stellte ihren Koffer in den Flur. Das warme Abendlicht flutete in den Eingangsbereich und hob sofort ihre Stimmung. Ein paar Staubflocken tanzten sanft im Licht, und über allem lag eine friedliche Ruhe. Das alte Holz hatte Charakter und versprühte einen ganz besonderen Charme, sodass Isabelle sich auf Anhieb wohlfühlte. Anscheinend hatte Lucie schon ein wenig aufgeräumt, damit die Renovierungsarbeiten bald beginnen konnten, denn der Flur wirkte seltsam leer. Nachdem sie sich kurz umgesehen hatte, schloss sie sorgfältig die Tür hinter sich. Sie wusste nicht, wo der Kater war, und wollte verhindern, dass er ihr weglief. Es würde ihr gerade noch fehlen, wenn sie den Abend damit verbringen würde, in der Dunkelheit nach dem Tier zu suchen.

Neugierig warf Isabelle einen Blick in die angrenzende Küche, bevor sie das geräumige Wohnzimmer betrat. Zum Glück waren dort noch alle Möbel vorhanden, sodass sie es sich abends auf der Couch gemütlich machen konnte. An der Einrichtung konnte man deutlich erkennen, dass hier bis vor Kurzem noch Lucies Großvater gelebt hatte. Sie hatte das Haus nach seinem Tod geerbt und beschlossen, zurück nach Rosewood zu ziehen. Seitdem hatte sie damit begonnen, einige Dinge zu verändern und ihren eigenen Geschmack einzubringen. Dennoch war eine gründliche Renovierung nötig, wenn es wirklich zu ihrem Haus werden sollte. Isabelle ging aufmerksam in dem Raum umher, während sie sich die hochhackigen Schuhe von den Füßen streifte. Das war immer das Erste, was sie tat, wenn sie von einem langen Arbeitstag nach Hause kam und sich entspannen wollte. Anschließend befreite sie ihre Haare, die sie zu einem Dutt zusammengebunden hatte. In dunklen, schweren Wellen fielen ihr die Locken über den Rücken, und sie atmete unwillkürlich auf. Es gab kaum ein besseres Gefühl, wenn der Druck nachließ und ihre Kopfhaut sich entspannen konnte.

»Bevor Sie noch mehr von Ihrer Kleidung ausziehen, sollten Sie wissen, dass Sie nicht allein sind«, ertönte plötzlich eine tiefe Stimme.

Isabelle schrie erschrocken auf und drehte sich zu dem Eindringling um. Es war schwer zu sagen, was sie erwartet hatte, aber der Mann, der lässig am Treppengeländer lehnte, war definitiv eine Überraschung.

»Wer zum Teufel sind Sie und was machen Sie hier?« Ihre Stimme zitterte leicht, aber sie hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. Unwillkürlich blickte sie sich nach einem Gegenstand um, mit dem sie sich im Notfall verteidigen konnte, doch der Mann rührte sich nicht und machte auch nicht den Eindruck, als wolle er sie bedrohen. Im Gegenteil wirkte er eher amüsiert. Isabelle kniff die Augen zusammen und versuchte angestrengt, aus der seltsamen Situation schlau zu werden.

»Dasselbe könnte ich Sie fragen.« Noch immer verharrte der Fremde auf seiner Position am Treppengeländer und trank lediglich einen kleinen Schluck aus dem Whiskeyglas, das er in der Hand hielt. Isabelle begriff, dass er sich absichtlich nicht bewegte, um sie nicht zu verunsichern. Sie entspannte sich ein klein wenig.

»Wenn das der Whiskey meines Bruders ist, dann sollten Sie das besser sein lassen. Er kann es nicht leiden, wenn jemand sich an seinen Sachen bedient.«

»Das habe ich mir schon gedacht. Deshalb trinke ich ihn ja.« Abschätzig schwenkte er die bernsteinfarbene Flüssigkeit mit langsamen Bewegungen umher. »Weshalb sollte man sonst freiwillig englischen Whiskey trinken? Die Liebe zum Heimatland hin oder her, aber das können die Schotten eindeutig besser. Das hier ist wirklich ungenießbar.« Zur Verdeutlichung hob er das Glas hoch.

Ungläubig schaute sie den fremden Mann an. Was bildete er sich eigentlich ein, was er hier tat?

Plötzlich richtete er seinen eindringlichen Blick wieder auf sie, und Isabelle spürte seine ausgiebige Musterung nur allzu deutlich.

»Kaum zu glauben, dass Sie mit Matthew Browning verwandt sind. Er hat nie erwähnt, dass er eine Schwester hat. Zumindest äußerlich sehen Sie sich nicht besonders ähnlich.«

Isabelle schnaubte. Sie wusste nur zu gut, dass sie große Ähnlichkeiten mit ihrem Bruder hatte. Beide hatten sie das dichte, dunkle Haar ihrer Mutter und die schlanke, hochgewachsene Gestalt ihres Vaters geerbt. Zumindest war aus seiner Bemerkung herauszuhören, dass der Fremde ihren Bruder zwar kannte, aber nur wenig Sympathie für ihn empfand. Es war an der Zeit, die Karten umzudrehen und mehr über den Mann zu erfahren.

»Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Sie ein Freund meines Bruders sind«, erwiderte sie kühl und hoffte, ihn mit dieser Andeutung ein wenig gesprächiger zu machen.

»Das stimmt.« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen Lächeln, bevor er einen weiteren Schluck trank. Offenbar war er die Ruhe selbst und schien sich an der merkwürdigen Situation nicht zu stören.

---ENDE DER LESEPROBE---