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Sie war die Ikone des zwanzigsten Jahrhunderts, die begehrteste Frau ihrer Zeit. Wer steckte hinter dem Phänomen Marilyn Monroe? Norma Jeane Baker, so ihr bürgerlicher Name, steht bis heute im Schatten ihres berühmten Alter Egos. Doch hinter der Fassade steckte viel mehr als die Femme fatale.
In ihrer illustrierten Biografie zeigt María Hesse Marilyn Monroe von einer feinfühligen, intimen Seite – als verletzliche, intelligente und sensible Frau, die alles vom Leben wollte, Grenzen sprengte und für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit kämpfte.
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María Hesse
Marilyn
Eine Biografie
Aus dem Spanischen von Katharina Förs
Insel Verlag
Die Originalausgabe erschien 2020 unter
dem Titel Marilyn bei Lumen, Barcelona.
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4921.
© der deutschsprachigen Ausgabe Insel Verlag Anton Kippenberg GmbH & Co. KG, Berlin, 2022
© 2020, María Hesse
Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.
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Umschlagillustration: María Hesse
ISBN: 978-3-458773-42-9
www.insel-verlag.de
Für Euch
Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, es gibt keine Antworten,
das Leben muss man leben
und da es vergleichsweise
kurz ist – vielleicht zu kurz – vielleicht zu lang –,
bleibt mir nur die Einsicht, es ist nicht leicht.
Was kann eine Frau sein? Sie sollte alles sein können, was sie sein will, aber am Ende ist sie das, was die Gesellschaft und ihr Umfeld ihr zugestehen. Vor fast sechzig Jahren war der Druck sehr viel stärker, und einige Frauen wie Anne Sexton oder Sylvia Plath hielten ihm nicht stand. In den sechziger Jahren brachte Betty Friedan das Buch Der Weiblichkeitswahn oder die Selbstbefreiung der Frau heraus und holte damit die Frauen hinter dem Herd hervor und machte sie zu Subjekten statt Objekten. Auf sie folgten Gloria Steinem, Shirley Chisholm und viele andere, die eine zweite feministische Welle in den Vereinigten Staaten auslösten.
Für Norma Jeane Baker kam diese Revolution leider zu spät.
Geboren während der Weltwirtschaftskrise, verkörperte Norma Jeane wie niemand sonst den großen amerikanischen Traum. Aus bescheidenen Verhältnissen und in wechselnden Kinderheimen aufgewachsen, schaffte sie es doch, zu einem der wichtigsten Stars ihrer Generation zu werden. Im Gegenzug traf sie die Belastung, die die damaligen gesellschaftlichen Normen bedeuteten, mit voller Wucht.
Denn Marilyn – unter diesem Namen ist sie weltbekannt – war sehr viel mehr als ein schöner Körper mit hübschem Gesicht. Marilyn strebte vor allem danach, eine gute Schauspielerin zu werden, und arbeitete wie besessen, um dieses Ziel zu erreichen. Sie nahm Schauspiel- und Gesangsstunden, Tanz- und Sprechunterricht, lernte Reiten und alles andere, was ihr notwendig erschien – auch dann noch, als sie bereits Erfolg hatte. Sie passte ihren Körper, ihre Frisur, ihre Kleidung, ihre Sprechweise und ihren Gang der Figur an, die sie spielte. Sie besuchte verschiedene Schauspielschulen, darunter das am Actors Studio, wo sie sich emotional mit ihrer schweren Kindheit auseinandersetzen musste. Sie studierte ihre Filmszenen bis zur Erschöpfung, wobei das ergebnislose Streben nach Perfektion ihre zwanghafte Unsicherheit noch verschlimmerte. Parallel dazu las sie, interessierte sich für Kunst und Kultur, engagierte sich leidenschaftlich für Menschenrechte. Sie wollte selbst bestimmen, welche Richtung ihre Zukunft nahm, und sie kämpfte für bessere Arbeitsbedingungen. Und als wäre das noch nicht genug, lebte sie ihre Sexualität frei und offen.
Marilyn stellte definitiv eine Bedrohung für manche dar, weil sie gängige Normen herausforderte – sodass es leichter schien, sie als Objekt leerer Begierde darzustellen, denn als die, die sie wirklich war. Es war ungefährlicher, sie frivol und dumm erscheinen zu lassen.
Die Menschen in ihrer Umgebung nährten dieses Bild – schlimmer noch, sie sorgten dafür, dass sie es selbst glaubte, denn so konnten sie profitieren, sei es in Form von Geld, Ruhm oder einem amerikanischen Pass.
Seltsamerweise war sie zwar ein Sexsymbol, aber es existieren mehr Fotos von ihr, auf denen sie liest, als Nacktfotos, und nach ihrem Tod fand man eine persönliche Bibliothek, die über vierhundert Bücher umfasste. Die Autoren reichten von Federico García Lorca bis Walt Whitman. Außerdem tauchten Notizbücher mit eigenen Texten und Gedichten auf, die eine von Selbstreflexion geprägte dichterische Ruhelosigkeit sowie eine für ihre jungen Jahre einzigartige Reife zeigen.
Oft habe ich mich gefragt, wie ihr Leben ausgesehen hätte, wenn sie vierzig Jahre später zur Welt gekommen wäre, aber das Schlimmste ist, dass wir Frauen heutzutage oft noch nach den gleichen Maßstäben beurteilt werden: Es geht um die Figur, die Mutterschaft oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Als ich anfing, Material über Marilyns Leben zu sammeln, ärgerten mich die vielen von Männern verfassten Biografien, die ein rein chauvinistisches Bild von ihr perpetuierten. Zum Glück ist das nicht durchweg der Fall, wie die ausgesprochen gut recherchierte Biografie von Donald Soto und die eher fiktionale, aber sehr bewegende Biografie von Joyce Carol Oates zeigen.
Nach und nach formte sich mein Bild von Marilyn mithilfe von Dokumentarfilmen, ihren unzähligen Interviews, dem unschätzbar wertvollen Zeugnis, das sie selbst in Form ihrer Erinnerungen, Meine Story, zusammen mit Ben Hecht verfasste, sowie mithilfe des unverzichtbaren Bands, in dem ihre eigenen Fragmente, Gedichte, persönlichen Notizen und Briefe gesammelt sind (Marilyn Monroe: Tapfer lieben: Ihre persönlichen Aufzeichnungen, Gedichte und Briefe).
Angesichts der zahlreichen Versionen, die Marilyn über ihr Leben zum Besten gab, sind Realität und Fiktion schwer auseinanderzuhalten. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass all diese Zeugnisse ihre ganz eigene Wahrheit enthüllen und dass Marilyns Leben durchaus Züge einer griechischen Tragödie trägt.
2016 stand ich kurz davor, dieses Projekt zu beginnen, aber es kam etwas dazwischen, und das war ein Glück, denn vier Jahre später bin ich nicht mehr die Gleiche: Meine Sicht auf die Welt, auf die Frauen und natürlich auch auf Norma Jeane hat sich verändert. Mein Bestreben ist es gewesen, in diesem Buch jene andere, wenig bekannte Wahrheit zusammenzutragen, ohne zu werten oder ihr ganzes Sein bis in den finstersten Winkel hinein verstehen zu wollen. Mit dem zu spielen, was sie sich ausdachte, mit jener Geschichte, die sie selbst teilen wollte. Und mit meiner eigenen Wahrheit, denn wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Buch fiktional ist, obgleich vielleicht in geringerem Ausmaß als meine anderen Bücher. Zweifellos ist es das Buch, bei dem ich am meisten Schmerz empfunden habe.
Ich wünsche mir, dass ihr nach der Lektüre ihre Filme noch einmal anseht und vielleicht aus einer neuen Perspektive die wahre Marilyn entdeckt.
Ich bin zwar keine Waise, aber ich bin wie ein verlassenes Mädchen aufgewachsen … Glücklichsein war für mich keine Selbstverständlichkeit.
Mein Name ist Norma Jeane Baker. Meine erste Geburt fand am 1. Juni 1926 in Los Angeles statt. Die zweite 1945, als die 20th Century Fox mich Marilyn Monroe taufte. Beide sind in mir lebendig, aber die Welt hat immer nur Teile der einen sehen wollen.
1934 Nach einer kurzen gemeinsamen Zeit wird meine Mutter, Gladys Pearl Monroe, in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Damit beginnt meine Pilgerreise durch verschiedene Pflegefamilien und Waisenhäuser.
1942 Mit sechzehn Jahren heirate ich James Dougherty, um nicht wieder in einem Waisenhaus leben zu müssen. Zwei Jahre später verpflichtet er sich als Soldat im Zweiten Weltkrieg.
1944 Ich arbeite in einer Munitionsfabrik, wo zum ersten Mal Fotos von mir gemacht werden; so nimmt meine Laufbahn als Model ihren Anfang. Die Scheidung von James lässt nicht lange auf sich warten.
1946 Nach vielen Aufnahmeprüfungen gelingt es mir, bei der Fox angenommen zu werden. Norma Jeane beginnt zu verschwimmen. Ich bin überzeugt, dass Marilyn Monroe mir das Leben retten wird.
1947 Endlich bekomme ich meine ersten Rollen. Nichts von Bedeutung. Ich spüre, dass Zanuck, der Produktionsleiter und Vizepräsident, mich verabscheut. Für ihn werde ich nie eine gute Schauspielerin sein.
1950 Es hat mir immer leidgetan, die Schule nicht beendet zu haben. Also schreibe ich mich in einen Literaturkurs ein. Lesen und schreiben macht mir große Freude und ist meine Zuflucht.
1952 Die Welt wird auf mich aufmerksam, nachdem ein paar vor Jahren aufgenommene Aktfotos von mir veröffentlicht wurden.
Ich lerne Joe DiMaggio kennen. Wir sind sehr verschieden, aber an seiner Seite fühle ich mich ruhig.
1954 Joe und ich heiraten. Meine Arbeit weckt immer mehr Interesse. Niagara, Blondinen bevorzugt und Wie angelt man sich einen Millionär? sind Riesenerfolge. Aber meine Ehe mit Joe zerbricht noch vor Ablauf des Jahres wegen seiner ständigen Eifersuchtsanfälle.
1955 Mein Leben nimmt eine Wende. Zusammen mit einem Freund, dem Fotografen Milton Green, gründe ich Ende 1954 die Marilyn Monroe Productions und verlasse die Fox, weil ich es satthabe, nur das Glamourgirl zu spielen. Außerdem ziehe ich nach New York.
Mein Leben nähert sich endlich dem an, wovon ich immer geträumt habe. Ich will eine richtig gute Schauspielerin werden und schreibe mich am Actors Studio bei Lee und Paula Strasberg ein, die mir die Psychoanalyse nahebringen.
Mein Kontakt zu Schriftstellern, die ich bewundere, Arthur Miller, Truman Capote, Norman Rosten …, wird enger. Wir ziehen durch die Straßen der Stadt und unterhalten uns über Literatur, Theater, Bürgerrechte …
1956 Nach Verhandlungen, die ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen, kehre ich zur Fox zurück. Jetzt endlich kann ich meine Rollen selbst wählen, als Erstes die in Bus Stop. Die Kritiken zeigen, dass ich das Zeug zur ernstzunehmenden Schauspielerin habe.
Ich heirate Arthur Miller, obwohl ich schon vorausahne, dass es mit uns kein gutes Ende nehmen wird.
1957 Die Dreharbeiten zu Der Prinz und die Tänzerin katapultieren mich zurück in die Hölle.
Nach und nach merke ich, dass sie mich wieder das hübsche Dummchen spielen lassen, als das mein Mann und, wie ich feststelle, auch der Rest der Welt mich sieht. Ich erleide mehrere Fehlgeburten, was mich immer weiter herunterzieht.
Nur in Barbituraten finde ich Zuflucht. Ich steige tief in die Psychoanalyse ein, erst bei Anna Freud und dann bei den Therapeuten Marianne Kris und Ralph Greenson.