Married into Magic: Deal with the Elf King - Elise Kova - E-Book

Married into Magic: Deal with the Elf King E-Book

Elise Kova

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Beschreibung

Mit jeder neuen Königin fordert der Rotholzthron einen größeren Tribut. Es gibt nur zwei Gründe, warum die Elfen in die Welt der Menschen kommen: Krieg oder Ehefrauen. In beiden Fällen bedeutet ihr Kommen den Tod. Und heute ist es so weit.  Früher wurden die Menschen von den Elfen verfolgt – bis das Abkommen geschlossen wurde. Seither bleiben die Menschen unbehelligt, doch dieser Frieden hat seinen Preis: Alle 100 Jahre wählen die Elfen ein Mädchen aus Capton zu ihrer menschlichen Königin. Auserkoren zu werden bedeutet, mit dem Zeichen des Todes versehen zu sein. Darum ist Luella dankbar, dass sie dieser Bürde entkommen konnte. Doch dann taucht unerwartet der Elfenkönig auf, kalt, unnahbar, aber unwiderstehlich ... und er ist ihretwegen da. Eine hochromantische Slow-Burn-Romantasy über eine Menschenkönigin, gefangen in einer Welt, die sie retten muss. Auch wenn es sie zu zerreißen droht, muss sie alles geben – sogar ihr Herz. Deal with the Elf King ist der erste Band der Stand-Alone-Reihe Married into Magic. In jedem Buch steht ein anderes Paar im Mittelpunkt. Daher können die Bücher der magischen Romantasy-Reihe unabhängig voneinander gelesen werden.

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EPUB

Seitenzahl: 575

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Elise Kova

Deal with the Elf King

Aus dem Englischen von Ann Lecker

Es gibt nur zwei Gründe, warum die Elfen in die Welt der Menschen kommen: Krieg oder Ehefrauen. In beiden Fällen bedeutet ihr Kommen den Tod.

Alle 100 Jahre wählt das Elfenvolk ein Mädchen aus Capton zu ihrer Königin. Es ist der Preis, den die Menschen für ein Leben in Frieden zahlen, ein Abkommen, das sie vor den Übergriffen der Elfen schützt. Für den Thron auserkoren zu werden bedeutet, das Zeichen des Todes zu tragen. Darum ist Luella dankbar, dass sie dieser Bürde entkommen konnte. Doch dann taucht unerwartet der Elfenkönig auf – kalt, unnahbar, aber unwiderstehlich ... und er ist ihretwegen da.

Hochromantische Slow-Burn-Romantasy über eine junge Frau im Reich der Elfen.

Deal with the Elf King ist Band 1 der Stand-Alone-Reihe Married into Magic, die jeweils ein magisches Paar in den Mittelpunkt stellt.

WOHIN SOLL ES GEHEN?

Landkarte

Buch lesen

Danksagung

Viten

Für alle, die eine Pauseund ein zweites Glas Wein brauchen.

EINS

Es gibt nur zwei Gründe, warum die Elfen in unsere Welt kommen: Krieg oder Ehefrauen. In beiden Fällen bedeutet ihr Kommen den Tod. Und heute ist es so weit.

Meine Hände zittern, als ich nach dem nächsten Tiegel greife. Irgendwo zwischen den mit Kräutern gefüllten Behältern, die die Regale meines Ladens säumen, verstecken sich Trost und Ruhe. Wenn ich tief genug in ihnen wühle, immer wieder einen Blick zwischen sie werfe und nicht aufhöre, ihren Inhalt miteinander zu mischen, stoße ich vielleicht auf etwas wie Frieden. Ich muss noch zwei Umschläge, einen Schlaftrunk, einen Stärkungstrank und mehrere Heilsalben fertig machen … etwa fünf Stunden Arbeit, aber nur zwei Stunden Zeit.

Sollte sich die Menschenkönigin nicht unter den Frauen von Capton befinden, wird Krieg über uns hereinbrechen. Und das würde zur Vernichtung der gesamten Menschheit unter der mächtigen, wilden Magie der Elfen führen. Nur das Auffinden der Königin kann das Abkommen erfüllen und das Überleben der Menschheit für ein weiteres Jahrhundert sichern. Aber wenn du sie bist, könntest du genauso gut tot sein.

Die ganze Stadt ist über das Fehlen der Königin in Aufruhr, ich eingeschlossen.

Das Klingeln meiner Ladentür reißt mich aus meinen Gedanken.

»Ich habe heute leider nur für Notfälle geöff…« Ich halte inne, als ich den schweren Krug mit getrockneter Baldrianwurzel auf der Theke absetze. Jemand Vertrautes spiegelt sich auf der Oberfläche des Gefäßes – ein Mann mit hellbraunem Haar und Rehaugen. Er hat eine große Tasche bei sich. Ich sehe rasch auf, und meine Vermutung bestätigt sich. »Luke! Was machst du hier so früh am Morgen?«

Luke ist schlichter gekleidet als sonst und trägt nicht das übliche Gewand der Wächter des Schattennebels. Seine dunkle Hose ist faltenfrei und seine leuchtend blaue Tunika makellos. Die Wächter und Wächterinnen des Schattennebels kümmern sich um den Tempel außerhalb der Stadt und um den Wald am Fuß des großen Berges. Ihnen fällt seit jeher die Aufgabe zu, mit den Elfen zu sprechen und dafür zu sorgen, dass kein Mensch aus Capton versehentlich den Schattennebel durchquert – die Schranke, die unsere Welt vom Reich der Elfen und der wilden Magie trennt.

Meine Arbeit ist schnell vergessen. Ich klappe die Theke hoch und trete auf die andere Seite. Mit einem dumpfen Knall lässt Luke die schwere Tasche auf den Boden fallen und drückt mich an sich. Die Umarmung dauert ein wenig länger an, als es bei zwei bloßen Freunden üblich ist.

Irgendwann löst er seinen Griff leicht, gibt mich aber nicht ganz frei. Er lässt die Arme locker auf meiner Taille ruhen. Und weil ich nicht weiß, wohin mit meinen Händen, lege ich sie ihm schließlich auf die Schultern. Auch wenn ich eigentlich seine Brust berühren möchte.

»Ich musste kommen und dich sehen.« Er fährt mir mit den Fingerknöcheln über die Wange. Ich blicke zu ihm auf und schlucke schwer.

Ich will ihn küssen.

Ich will ihn schon seit mindestens sechs Monaten küssen, wenn nicht noch länger. Ich wusste es, als er mich auf der Suche nach Winterwurzeln tief in die eisigen Sümpfe begleitete. Ich wusste es, als er mir erklärte, dass sich wegen der fehlenden Menschenkönigin seine Aufgaben als Wächter des Schattennebels verdreifachen würden und er deshalb nicht mehr so viel Zeit wie sonst mit mir verbringen könne.

Vermutlich wollte ich ihn schon küssen, noch ehe ich verstand, was küssen überhaupt bedeutete – als wir Kinder waren und am Anfang unserer lebenslangen Freundschaft zusammen im Wald spielten. Aber sobald man sich dieses Bedürfnisses, jemanden küssen zu wollen, bewusst wird, ist jede Begegnung mit dieser Person eine Qual. Wenn ich immer noch glauben würde, dass wir nur Freunde sind, hätte ich ihn etliche Male als Mutprobe oder aus einer Laune heraus küssen können. Oder wenn er mich darum bat. Dann hätte ich seine Gesellschaft ertragen können, ohne dass mein Magen Sprünge macht.

Doch dieses starke Verlangenmacht jede Bewegung zwischen uns unerträglich. Vor allem, weil ich ihn nicht küssen kann. Das wäre grausam … uns beiden gegenüber.

»Na, jetzt hast du mich ja gesehen.« Schließlich löse ich mich aus seiner Umarmung und streiche meine Schürze glatt. In seiner Nähe führe ich einen inneren Kampf mit mir selbst. Jede Sekunde ist die reinste Tortur. Ich will, dass er mich wieder in die Arme nimmt. Aber zugleich darf ich das nicht wollen. Tief in meinem Innern weiß ich, dass ich es nicht kann. Denn ich habe keine Zeit für ihn – die Pflicht ruft. Schon allein als Freund ist er eine viel zu große Ablenkung. »Du hast mit den Wächtern bestimmt alle Hände voll zu tun, um die Ankunft der Elfen-Delegation heute Abend vorzubereiten. Wir können morgen zusammen in den Wald gehen.« Sofern es denn ein Morgen geben wird.

»Ich möchte heute mit dir gehen«, sagt er in einem Tonfall, von dem ich glaubte, er wäre allein meinen Träumen vorbehalten. »Aber noch weit über den Wald hinaus.«

»Was meinst du damit?«, frage ich, während ich wieder hinter die Theke trete und dann verschiedene getrocknete Kräuter in einen meiner wertvollsten Gegenstände streue: einen silbernen Wasserkessel.

Er ist eins von zwei Geschenken von Luke. Den Kessel schenkte er mir, als ich mein Studium der Kräuterkunde an der Akademie in Lanton auf der anderen Seite der Meerenge abschloss. Das andere Geschenk, eine Halskette, gab er mir, als ich noch ein junges Mädchen war, und ich habe sie seitdem nie abgenommen. Beide Geschenke sind atemberaubend schön.

Aber von Elfen gefertigte Waren sind für gewöhnlich umwerfend. Und äußerst selten. Die Kette trage ich immer unter meiner Kleidung verborgen, weil ich nicht darauf aufmerksam machen will, zwei von Elfenhand gefertigte Gegenstände zu besitzen. Ich möchte nicht, dass Luke Ärger bekommt, weil er mich bevorzugt behandelt.

»Ich will dich von hier wegbringen.« Er zeigt auf die Tasche neben sich auf dem Boden. »Ich habe Reiseproviant besorgt. Im Hafen wartet schon ein Boot auf uns.«

Ich schüttele den Kopf, als könnte ich seine Worte in eine sinnvollere Reihenfolge bringen, wenn ich sie nur heftig genug umherwirbele. »Reisen? Ein Boot?«

»Natürlich gehen wir zuerst nach Lanton. Du hast doch bestimmt noch Beziehungen aus deiner Zeit an der Akademie? Vielleicht könnten wir unterwegs bei alten Bekannten von dir unterkommen«, schlägt Luke beiläufig vor, als würden wir von einem Spaziergang entlang der Klippen südlich der Stadt reden. Doch so fest, wie er mich die ganze Zeit dabei ansieht, besteht für mich kein Zweifel, dass es ihm ernst ist. Grauen hat einen ebenso metallischen Geschmack wie Angst. »Und wer weiß, wohin es uns danach verschlägt. Hättest du Lust, die weite Wüstenlandschaft des Südens zu erkunden? Oder vielleicht das Schiefergebirge im Westen?«

Ich lache gezwungen. Ich wünschte, ich könnte so tun, als würde er nur Scherze machen. »Was ist bloß in dich gefahren? Wir können nicht einfach weggehen. Ich habe Verpflichtungen hier – und du ebenfalls. Wer wird Knochen richten, Fieber heilen und die Schwäche in Schach halten, wenn ich nicht mehr da bin?« Auch wenn bei Letzterem selbst ich nicht viel tun kann. Die Schwäche ist eine verheerende Seuche, die die Menschen von Clapton befällt. Alle meine Bemühungen, sie in den Griff zu kriegen, waren bisher vergeblich.

»Unsere Arbeit ist, was wir tun, nicht, was wir sind. Nichts hält uns hier fest. Wir sind nicht wie die alten Leute in der Stadt, die nur vom Nebelfluss am Leben erhalten werden. Wir können diesen Ort verlassen. Wir können von hier entkommen.«

»Selbst wenn das wahr wäre, heute kommen die Elfen. Ich muss noch vor der Bürgerversammlung mit all meiner Arbeit fertig werden – ich kann nicht alle im Stich lassen. Mr Abbot braucht seinen Tee und Emma ihren Stärkungstrank, weil ihr Herz sonst …«

»Luella, wir müssen von hier fort.« Luke kommt näher, stützt beide Ellbogen auf die Theke und beugt sich vor. Seine Stimme senkt sich zu einem Flüstern, während er einen Blick nach oben wirft.

»Sie sind noch nicht wach«, sage ich und rede von meinen Eltern. Ihr Schlafzimmer befindet sich über meinem Laden, und in den zwei Stunden, seit ich wach bin, war es völlig still.

»Die Wächter haben die Menschenkönigin immer noch nicht gefunden. Seit einiger Zeit schwindet die Magie in der Linie.« Es heißt, die Macht der Menschenkönigin würde von einer Königin auf die nächste übergehen, wenn die vorherige Königin stirbt. Niemand weiß, was passieren würde, wenn es keine Menschenkönigin mehr gäbe, die zu den Elfen geschickt werden könnte. Das ist noch nie passiert. »Manche Wächter meinen, dass sie vielleicht gar nicht hier ist. Vielleicht ist die Magie versiegt. Daher ist es umso wichtiger, von hier zu verschwinden, solange wir noch können.«

Seit vor drei Jahrtausenden das Abkommen zwischen den Elfen und den Menschen unterzeichnet wurde, wird alle hundert Jahre, auf den Tag genau, eine Menschenkönigin aus Capton ausgewählt. Sie zu finden, war nie schwer; denn sie ist der einzige Mensch in Capton, der über Magie verfügt. Doch diesmal hat keine einzige junge Frau aus Capton Dinge mit einem Gedanken repariert oder Pflanzen aus unfruchtbarer Erde wachsen lassen. Es haben auch keine Tiere auf magische Weise einem Mädchen hier ihre Gefolgschaft geschworen.

Inzwischen sind es einhundertundein Jahre, seit die letzte Menschenkönigin ausgewählt wurde, und die Stadt leidet deswegen.

»Wenn sie nicht hier ist, kann ich erst recht nicht gehen. In der Stadt grassiert die Schwäche. Menschen sterben, die nicht älter als einhundertzehn sind. Ich muss tun, was ich kann, um der Seuche ein Ende zu setzen.« Und wenn ein Krieg bevorsteht, werden Heiler und Heilerinnen mehr denn je gebraucht werden. Aber ich kann mich nicht dazu durchringen, es auszusprechen. Ich kann es kaum denken.

»Wenn es keine Königin gibt, kannst du nichts tun, um sie aufzuhalten. Die Verbindung der Stadt mit dem Schattennebel stirbt gerade, und die Menschen werden mit ihr sterben. Dann wird ihr Leben ebenso kurz werden wie das der Leute außerhalb unserer Insel.« Luke ergreift meine Hände. »Die Elfen kommen, und ich hatte deswegen einen schrecklichen Traum. Bitte, lass uns sofort von hier weggehen.«

»Luke«, sage ich sanft und streiche ihm über den goldenen Schatten an seinem Kinn. Der ständige Drei-Tage-Bart ist neu. Ich bin mir nicht sicher, ob er sich einen Bart wachsen lässt oder ihn einfach sehr kurz schneidet. So oder so, es gefällt mir, glaube ich. »Du siehst aus, als hättest du nicht geschlafen. Außerdem stehst du unter sehr großem Druck und hast einen langen Tag vor dir. Ich bereite dir etwas Stärkendes und einen Schlaftrunk für heute Abend vor, damit du besser schläfst.«

»Ich habe kaum geschlafen, weil ich unsere Flucht vorbereitet habe, ehe der Krieg ausbricht.« Luke stößt sich von der Theke ab und taucht unter der Klappe hindurch. Ich sitze fest – auf der einen Seite ist die Theke, auf der anderen befinden sich die Regale mit den Kräutern. Luke steht vor mir und hinter mir ist kein Ausgang. »Ich will dich von hier wegbringen. Ich will dich beschützen.«

»Luke«, sage ich behutsam, flehentlich. »Ich kann nicht einfach gehen.«

»Doch, das kannst du, natürlich kannst du das.« Bei seinem Tonfall halte ich inne. Die Art, wie er mich jetzt ansieht, verschlägt mir den Atem. Ich muss mich daran erinnern, Luft zu holen. »Ich möchte gemeinsam mit dir von hier fort und Zeit mit dir verbringen, und nur mit dir, Luella. Du musst doch wissen, dass … ich dich schon seit Langem liebe.«

Ich öffne und schließe den Mund mehrmals. Ja, das wusste ich. Und ich liebe ihn auch. Ich liebe ihn so sehr, dass ich von diesem Augenblick geträumt habe. Aber in meinen Träumen trug ich etwas Hübscheres als meinen Arbeitskittel und stank nicht nach Lavendelöl.

Als ich schweige, macht er ein gekränktes Gesicht. »Oh, ich verstehe … Und ich dachte, dass du vielleicht …«

»Ich liebe dich auch.« Ich habe die Worte kaum ausgesprochen, als ich meinen Körper wieder spüren kann. Meine Zehen kribbeln nicht mehr, und Lachen bricht aus mir heraus. »Ich liebe dich, seit ich ein Kind war.«

»Dann lauf mit mir fort, Luella.« Luke packt meine Hände. Er streicht mir mit den Daumen über die Fingerknöchel.

Meine Seele schwingt sich weit über meinem Laden in die Höhe. Doch meine Füße sind tief in dem Land der Menschen verwurzelt, denen ich versprochen habe zu dienen.

»Du weißt, dass ich das nicht kann«, flüstere ich.

»Aber du liebst mich.«

»Ja.«

»Dann lass uns gehen.« Er zerrt an meinen Händen.

»Ich kann nicht.« Ich rühre mich nicht vom Fleck. Seine Miene verzerrt sich zu etwas, das ich nicht wiedererkenne. »Ich möchte ja, Luke. Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen. Aber ich kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Die Menschen in dieser Stadt haben so viel in mich investiert – ich muss hier sein, wenn sie mich brauchen.«

Die Bewohnerinnen und Bewohner von Capton haben meine Ausbildung an der Akademie bezahlt, als meine Eltern es sich nicht leisten konnten. Sie kamen für meine Unterkunft und Verpflegung auf. Immer wieder unterstützten sie mich mit ihrem mühsam verdienten und aus ihren Taschen zusammengekratzten Geld.

»Außerdem«, fahre ich sanfter fort. »Wenn die Menschenkönigin nicht aufgefunden wird und der Rat sich nicht mit den Elfen einigen kann, können wir sowieso nirgendwohin fliehen. In dem Moment ist die ganze Menschheit verdammt. Dann würde ich lieber an der Seite unseres Volks bleiben und mich allem stellen, was kommen mag.«

»Wir könnten einen Weg finden«, beharrt er. Ich schüttele den Kopf. »Wenn du mich liebst, mich aufrichtig liebst, dann brauchst du nicht mehr. Unsere Liebe ist genug.«

»Aber …« Weiter komme ich nicht.

Mit einem großen Schritt schließt er die Lücke zwischen uns. Er legt mir einen Arm um die Taille und schmiegt die andere Hand an meine Wange. Als er meinen Kopf nach oben neigt, wehre ich mich nicht. Ich will mich nicht wehren.

Lukes Lippen treffen auf meine, und ich schließe die Augen.

Die Bartstoppeln um seine Lippen herum reiben über mein Gesicht. Aber ich bemerke es kaum – ich konzentriere mich ganz darauf, ihn zu küssen. Wie viel Bewegung ist beim Küssen zu viel und wie viel zu wenig?

Zu meiner Verwunderung wünsche ich mir plötzlich, ich hätte den Avancen der Jungs in der Akademie nachgegeben und ihnen erlaubt, mir zu »zeigen«, wie man küsst, als sie herausfanden, dass ich noch nie geküsst worden war. Ich hatte auf diesen Augenblick, auf diese Lippen gewartet.

Doch … als er sich zurückzieht, fühle ich mich unbehaglich und leer. Das alles fühlt sich kein bisschen so an, wie ich es mir vorgestellt hatte. Meine Füße heben nicht vom Boden ab, und mein Herz flattert nicht. Etwas in mir bleibt gleichgültig und ist … traurig?

Von der Tür hinter uns kommt ein leises Räuspern. Luke dreht sich um. Ich werde knallrot, als ich dem grinsenden Blick meiner Mutter begegne. Ihre Augen sind ebenso haselnussbraun wie meine. Um die ganze Situation noch peinlicher und unangenehmer zu machen, fängt mein Wasserkessel auch noch an zu pfeifen. Der Schlaftrunk, den ich gerade zubereite, läuft über und ergießt sich auf die Theke.

»Oh!« Ich eile hinüber und wische sofort alles auf.

Meine Mutter kommt lachend herüber und hilft mir, den Kessel vom Kocher zu heben. »Luke, wie schön, dich zu sehen. Möchtest du heute Morgen zum Frühstück bleiben?«

»Sehr gerne.« Er schenkt ihr ein forsches Lächeln. Hoffentlich lenkt ihn sein Hunger von seiner verrückten Fluchtidee ab. Und wenn er satt ist, wird er klarer denken können.

»Ich habe zu tun«, erinnere ich beide unnötigerweise.

»Und es ist keine gute Idee, mit leerem Magen zu arbeiten.« Meine Mutter steckt ein paar widerspenstige feuerrote Haarsträhnen zurück in ihren Dutt. Meine leuchtenden Haare habe ich von ihr. »Leg eine Pause ein, mein fleißiges Töchterchen. In den zwanzig Minuten, die es dauert, ein Brötchen und ein gekochtes Ei zu essen, wirst du kein Leben retten.«

»Eines Eurer Brötchen zu frühstücken klingt wundervoll, Mrs Torrnet.«

»Ich heiße Hannah, Luke, das weißt du doch.« Meine Mutter kichert, und ich verdrehe die Augen. »Los jetzt, ihr zwei, kommt mit hoch.«

In der Mitte des Tisches steht ein Teller mit Milchbrötchen – Lavendel und Orange. Die Pflanzenvielfalt auf der Insel von Capton ist unglaublich. Zu groß. So groß, dass es unmöglich sein sollte. Aber die Hauptwasserquelle der Insel fließt durch den Schattennebel selbst, was das Unmögliche hier möglich macht.

Vater sitzt am Kopf des Tisches. Seine Brille sitzt auf seiner Nasenspitze, während er irgendwelche Schriftstücke durchsieht. Zweifellos geht er vor der heutigen Bürgerversammlung Reden durch.

»Guten Morgen, Luke«, sagt er, ohne aufzusehen. Luke geht bei uns schon ein und aus, seitdem wir beide laufen konnten. Er gehört mittlerweile ebenso zu dieser Küche wie der gusseiserne Kessel meiner Mutter oder mein getopfter Kräutergarten im hinteren Fenster. »Bin überrascht, dich heute zu sehen.« Er hält inne. »Aber heute ist wohl der Tag, an dem du üblicherweise mit Luella in den Wald gehst.«

»Ich dachte, wir könnten das noch vor Sonnenaufgang erledigen. Dann kann ich gleich zu meinen Pflichten als Wächter zurückkehren«, antwortet Luke freundlich, während er sich setzt und sich ein Brötchen nimmt. Zum Glück erwähnt er nicht, dass er sich eigentlich mit mir wegstehlen wollte.

»Was werden die Wächter wegen alldem unternehmen?«, fragt Mutter hinter mir, wo sie mit einer Bratpfanne hantiert. Unsere Küche nimmt mehr als die halbe Länge unseres Hauses ein – ähnlich einer Kombüse, würden die Seeleute sagen.

»Mutter …«

»Wir tun unser Bestes, um die Menschenkönigin zu finden«, erwidert Luke gelassen.

»Nun ja, vielleicht sollte es keine Menschenkönigin geben«, schnaubt Mutter.

»Hannah«, ermahnt Vater sie.

»Ist doch wahr, Oliver, und das weißt du auch. Der Stadtrat von Capton ist ebenso nutzlos wie die Wächter.« Mutter brodelt so aggressiv wie das kochende Wasser, aus dem sie Eier fischt.

»Können wir bitte einfach in Ruhe frühstücken?«, flehe ich. Ich habe es so satt, davon zu hören, wie die Wächter mit dem Finger auf den Stadtrat von Capton zeigen, weil er bei der Suche nach der Menschenkönigin nicht tatkräftiger vorgeht und bloß die Stadtbevölkerung befragt. Dafür beschuldigt der Stadtrat die Wächter, sie würden ihre Elfenreliquien und Geschichtsbücher nicht zur Verfügung stellen, die bei der Identifizierung der Menschenkönigin helfen könnten.

Vater ist überzeugt, dass die Wächter etwas Wichtiges verbergen. Luke behauptet das Gegenteil und beklagt seinerseits, der Stadtrat würde sich nicht genug mit dem Tempel austauschen. Beide sehen mich erwartungsvoll an, damit ich ihre Partei ergreife. Es kostet mich jedes bisschen Selbstbeherrschung, sie geduldig daran zu erinnern, dass mir allein das Wohl und die Gesundheit der Menschen auf dieser Insel wichtig sind – ihre Rivalitäten interessieren mich nicht.

»Wenn es keine Menschenkönigin gibt, dann wird die gesamte Menschheit einen schrecklichen Tod erleiden. Mit ihrer wilden Magie werden die Elfen uns die Haut abziehen, uns in Biester des tiefen Waldes verwandeln, unser Blut in den Adern gerinnen lassen und Schlimmeres. Ich kann mit Sicherheit behaupten, dass das niemand von uns will.« Vater blättert durch seine Unterlagen.

»Wir sterben jetzt schon.« Mutter legt die Eier auf einen Teller, den sie auf den Tisch stellt. »Ihr habt doch bestimmt gehört, dass die Schwäche wieder grassiert. Männer und Frauen fallen tot um, wo sie stehen. Wir sind jetzt wie alle Normalsterblichen auf dem Festland.«

»Sobald wir die Menschenkönigin gefunden haben, wird die Ordnung wiederhergestellt und unsere Seite der Abmachung erfüllt sein«, erklärt Vater. »Schluss jetzt mit dem Gerede über die Schwäche.«

»Stimmt das denn? Wissen wir mit Sicherheit, dass die Dinge dann wieder zur Normalität zurückkehren werden?«, wendet sich Mutter an Luke.

»So steht es im Abkommen.« Luke pellt ein Ei.

Sie seufzt, nimmt sich ein Brötchen, reißt ein Stück ab und murmelt: »Zwar gefällt mir die Vorstellung einer Menschenkönigin kein bisschen, aber wenn es sich nun mal nicht verhindern lässt, sollten wir es möglichst schnell hinter uns bringen. Doch mir blutet das Herz für die Familie, die ihre Tochter opfern muss …« Mutter drückt meine Hand. Ich bin zu alt – in der Vergangenheit haben sich die magischen Fähigkeiten der Königinnen im Alter von sechzehn oder siebzehn gezeigt. Ich erinnere mich an die Jahre, als meine Eltern mich mit Argusaugen beobachteten. Zum Glück habe ich nicht das kleinste bisschen Magie in mir. »Es muss schrecklich sein, seine Tochter unter solchen Umständen heiraten zu sehen.«

»Wenn wir schon beim Thema Hochzeit sind«, sagt Luke ganz beiläufig. »Hat Luella es Euch schon erzählt?«

Meine Eltern tauschen einen Blick mit mir. Ich sehe nervös zwischen ihnen und Luke hin und her. Ich habe keine Ahnung, wovon er redet.

»Uns was erzählt?«, fragt Vater schließlich.

»Luella hat eingewilligt, meine Frau zu werden.«

ZWEI

Ich spucke prustend den Schluck Wasser zurück in meinen Becher.

»Luella, warum hast du uns nichts davon erzählt!«, stößt Mutter aus und verschränkt die Hände. »Das sind ja wunderbare Neuigkeiten!«

»Ich dachte, du hättest mit deinem Laden zu viel zu tun, um an Liebe zu denken?« Vater zieht die Augenbrauen hoch. Ich huste mir immer noch die Lunge heraus. »Ist alles in Ordnung?«, schiebt er hinterher.

»Also, ich …«, huste ich. »Entschuldigt, ich habe mich verschluckt.«

Ihn heiraten? Wann habe ich dem zugestimmt? Ach, habe ich ja gar nicht. Ich sehe Luke aus dem Augenwinkel an. Er strahlt bis über beide Ohren.

Ich kann niemanden heiraten. Das habe ich ihm doch erklärt. Ich habe es allen erklärt, damit die Freundinnen meiner Mutter aufhören, ihre Nase in meine Angelegenheiten zu stecken.

Für eine Ehe habe ich keine Zeit. Ich habe nicht einmal Zeit für das, was Luke und ich bereits getan haben. An Heirat habe ich noch nie auch nur gedacht.

Die gesamten neunzehn Jahre meines Lebens wusste ich, dass ich dazu bestimmt war, mit Bäumen, Kräutern und meiner Pflicht – aber nicht mit einem Mann verheiratet zu sein. Allein damit bin ich zufrieden gewesen, ja, es hat mich sogar erfüllt. Aber Heirat? Mutterschaft? Eheliche Pflichten?

Ich muss mich auf wichtigere Dinge konzentrieren … wie darauf, Menschenleben zu retten.

»Mutter, Vater, bitte entschuldigt mich. Ich muss vor der Bürgerversammlung noch einige Hausbesuche machen und will Luke nicht von seinen Pflichten abhalten«, sage ich im Aufstehen und werfe Luke einen spitzen Blick zu. »Sollen wir jetzt in den Wald gehen?«

»Ja, wir räumen auf, geht ruhig und amüsiert euch.« Mutter strahlt. Doch Vater wirft mir einen vielsagenden und skeptischen Blick zu.

Ich habe ein schlechtes Gewissen, meine Eltern den Tisch abräumen zu lassen, wenn sie schon gekocht haben, aber ich muss so schnell wie möglich hier raus und mit Luke reden. Diese Sache mit der Hochzeit muss er sich ein für alle Mal aus dem Kopf schlagen. Ich zerre ihn gleichsam die Treppe hinunter in meinen Laden, vorbei an seiner dämlichen Tasche, die immer noch neben der Tür steht, und hinaus in den frischen Capton-Morgen.

»Was war das denn?« Ich wirbele zu ihm herum, als wir auf die Straße treten. »Heirat?«

»Du hast doch gesagt, dass du mich liebst.«

»Ich mag ja nicht sehr viel Erfahrung in diesen Dingen haben, aber ›Ich liebe dich‹ zu sagen, ist wohl kaum dasselbe wie ›Ich heirate dich‹.«

Mit einem sanften Lächeln neigt er den Kopf und lässt die Hände auf meinen Schultern ruhen. »Ist das nicht, was du immer wolltest?«

»Was?«

»Du und ich, zusammen. Wir lieben einander, Luella, das tun wir schon seit Jahren. Da draußen gibt es niemanden, der besser zu dir passt als ich.«

»Darum geht es nicht«, murmele ich.

Er hakt sich bei mir unter und führt mich die von Sandsteinhäusern gesäumte Straße entlang. »Du musst aufhören, so zögerlich zu sein und dich immer nur auf deine Arbeit zu konzentrieren.«

»Meine Arbeit macht mich glücklich.«

»Mache ich dich denn nicht glücklich?«

»Ja, schon, aber …«

Er küsst mich auf die Nasenspitze und bringt mich so zum Schweigen. »Dann brauchst du nichts außer mir. Dein Vater kann die Trauung persönlich vollziehen …«

Während wir die Straße hinunter und dann die enge Treppe hinauf zum Steinpfad spazieren, der an den Klippen entlang verläuft und den Ozean überblickt, faselt Luke unentwegt von Seide, Blumen und Trinksprüchen. In der Ferne windet sich ein Fluss, ehe er als Wasserfall in die Meeresgischt darunter donnert. Das atemberaubend blaue Gewässer steht unter dem Schutz der Wächter und Wächterinnen – genauso wie der Wald, zu dem wir gerade unterwegs sind.

Unsere kleine Insel liegt direkt vor der Küste, gegenüber von Lanton auf dem Festland. Eingerahmt von der einzigen geschützten Bucht der Insel, befindet sich ihre einzige Stadt: Capton. Auf diesem engen Streifen zwischen Berg und Meer bin ich aufgewachsen. Der dichte und knorrige Rotholzwald erstreckt sich vom Fuß des großen, über uns ragenden Berges bis zur Stadt. Der Tempel windet sich wie eine Art Brücke zwischen beiden.

Laut Captons Geschichtsschreibenden wurde der Tempel schon vor langer Zeit erbaut, noch vor dem großen Krieg, der zu dem Abkommen zwischen Elfen und Menschen führte. Aber es fällt mir schwer, zu glauben, dass etwas so Altes noch bestehen könnte. Es ist viel wahrscheinlicher, dass er von den ersten Wächtern als Unterkunft für ihren Orden errichtet wurde.

Aus der Seite des Tempels schlängelt sich ein unscheinbarer Bogengang, auf dem ich noch nie spazieren gegangen bin. Selbst in der Begleitung eines Wächters ist es mir nicht erlaubt. Er ist der Menschenkönigin und den Elfen vorbehalten. Von Luke weiß ich, dass er sich bis in den dunkelsten Teil des Waldes am Fuß des Berges erstreckt.

Es ist der Weg, der zum Schattennebel führt – der Grenze zwischen der Welt der Menschen und der magischen Wildnis.

Capton ist so etwas wie ein Dazwischen, zumindest sehe ich es mittlerweile so. Die Stadt befindet sich auf der »menschlichen Seite«, der »nicht-magischen Seite« des Schattennebels. Aber unsere Nähe zum Nebel und der Fluss, der hindurchfließt, schenken unserer Insel eine mannigfaltige Fauna und Flora – und den Menschen hier ein äußerst langes Leben. Der Preis dafür ist die Menschenkönigin. Das ist Captons Opfer der gesamten Menschheit zuliebe.

Nicht zum ersten Mal frage ich mich, wie der Schattennebel aussieht. Würde ich vor ihm stehen, wüsste ich dann, dass ich mich an der Grenze zwischen Menschheit und wilder Magie befinde? Ist die Luft dort wie vor einem Sommersturm elektrisch aufgeladen? Würde sie mich schütteln, wie der heulende Wind hoch oben auf den Klippen? Oder könnte ich, wie die Legenden behaupten, über die Grenze stolpern und mich für immer verirren, ohne mir dessen überhaupt bewusst zu sein?

Solche Gedanken sind gefährlich, und ich verbanne sie aus meinem Kopf. Um den Schattennebel ranken sich unglaublich viele Rätsel. Aber eines wissen wir mit Sicherheit: Die Königin ist das einzige menschliche Wesen, das durch den Schattennebel auf die andere Seite gelangen und lebend zurückkehren kann.

»Was ist?«, fragt Luke.

»Nichts.«

»Hast du mir überhaupt zugehört?«

»Natürlich.«

»Was habe ich gesagt?«

»Äh …«

Schmunzelnd beugt er sich nach vorne. Seine Fingerkuppe streift meine Schläfe, als er mir behutsam eine widerspenstige Strähne hinters Ohr steckt. Ich habe ihn geküsst und gesagt, dass ich ihn liebe. Irgendwie bin ich jetzt sogar mit ihm verlobt, und doch werde ich immer noch rot.

»Du solltest es dir wieder lang wachsen lassen.« Sein Blick ruht auf der Stelle, wo er mir das Haar hinters Ohr gesteckt hat. Ich unterdrücke einen Schauer, als seine Finger dort innehalten. »Lang gefiel es mir besser.«

»Es bleibt beim Kräutersammeln im Gestrüpp hängen«, erkläre ich entschuldigend. Eigentlich weiß ich nicht, wofür ich mich entschuldige. Er weiß, warum ich es mir während meiner Ausbildung an der Akademie habe kurz schneiden lassen.

»Vielleicht für unsere Hochzeit.«

»Also …«

»Woran hast du eigentlich gedacht?«, fragt er, als wir den Waldrand erreichen. Ich fange an, kleine Blumen zu pflücken, die um die Rotholzbäume herum wachsen – Morgensterne nenne ich sie, weil sie im Morgengrauen blühen. Sie sind gut zur Stärkung von Körper und Geist, und ich verwende sie als Arznei für Emma und Mister Abbot.

Als ich ein Kind war, stellte ich mir vor, sie würden nur für mich wachsen. Doch damals wirkte der ganze Wald lebendiger. Das ist er zwar immer noch, aber auf eine gedämpfte und stille Weise. So muss es sich anfühlen, wenn man im Laufe der Zeit und mit dem Alter einen imaginären Freund verliert.

»Luella? Worüber hast du nachgedacht?«, wiederholt er ein wenig nervös – Unruhe hat sich in seine Stimme geschlichen.

Ich wünschte, ich könnte ihm sagen, dass mir bei der Vorstellung, verlobt zu sein, speiübel wird. Dass ich ihn gernhabe – ja, sogar liebe –, aber den Menschen von Capton versprochen habe, stets für sie da zu sein, und dass dieses Versprechen immer Vorrang haben wird. Vielleicht will ich einfach nur, dass er mir erklärt, was eigentlich in ihn gefahren ist.

»Ich habe an die Zeit gedacht, als wir als Kinder zu tief in den Wald gegangen und auf einen Wolf getroffen sind.«

Er war ein Koloss von einem Biest aus Dunkelheit und Schatten, dessen leuchtend gelbe Augen durch die unnatürlich dichte Luft des tiefen Waldes blickten.

Ich starre zwischen den Bäumen hindurch und stelle mir diese Augen vor. Seltsamerweise hatte ich an jenem Tag keine Angst gehabt – auch wenn ich Luke später erzählte, dass ich mich vor dem Tier mehr gefürchtet hätte als er. Er wäre nicht damit zurechtgekommen, dass ich furchtloser war als er.

In dem Blick des Biests lag Wissen. Wissen und Geheimnisse. Geheimnisse, die ich immer kurz davor war, zu ergründen, die sich aber stets meinem Zugriff entzogen.

»Nichts, weder Biest noch Mensch, wird dir jemals etwas zuleide tun, solange ich bei dir bin.« Luke kauert sich neben mich hin und lässt die Hand auf meinem Nacken ruhen. Er streicht die dunklen Glasperlen der Halskette, die er mir geschenkt hat, über meine nackte Haut. »Und solange du das hier trägst.«

»Ich habe sie noch nie abgenommen.« Ich berühre den Stein, der von den Perlen hängt. Er sieht wie ein in einem Fischernetz verfangener Regenbogen aus. Luke trägt ein ähnliches Schmuckstück am Handgelenk. Es ist ein besonderer Stein, der für gewöhnlich nur Wächtern und Wächterinnen vorbehalten ist.

Noch ein Grund, warum ich sein Geschenk stets unter meiner Kleidung verborgen halte.

»Gut. Trag es um den Hals, und geh nie ohne mich in den Wald.«

»Das tue ich nie.« Ich schüttele lachend den Kopf. »Du hast immer so große Angst davor, dass ich in den Wald gehe.«

»Es gefällt mir nicht, wenn du allein im Wald bist«, murmelt er. Luke steht auf und wendet sich nach Osten. Der Horizont versteckt sich hinter dem Berg. Aber wir können sehen, wie die ersten Sonnenstrahlen den Gipfel orange umranden. »Wir können immer noch von hier weggehen, weißt du«, flüstert er.

»Ich kann nicht«, sage ich noch einmal mit Nachdruck.

»Wir werden ein Ehepaar sein. Da ist es normal, seine Heimat zu verlassen.«

»Nicht für die Menschen von Clapton, und für mich ebenso wenig.« Ich stehe auf, weil ich alle Blumen gepflückt habe, die ich brauche. »Du solltest gehen. Die Wächter brauchen dich heute.«

»Ich begleite dich zurück zur Stadt.«

Fast bitte ich ihn, es nicht zu tun. Er verhält sich heute irgendwie merkwürdig, und ich erkenne meinen besten Freund kaum wieder.

Aber er ist müde. Ich glaube ihm, wenn er sagt, er hätte schlecht von den bevorstehenden Ereignissen geträumt. Den jüngsten Anfragen in meinem Laden nach zu urteilen, kann halb Capton vor lauter Nervosität kaum ein Auge zutun.

Luke handelt vorschnell, weil er wirklich glaubt, unser aller Leben würde bald enden.

Als wir wieder im Laden sind, küsst er mich noch einmal. Auch dieser Kuss fühlt sich leer an. Doch ich halte mich mit aller Macht an den Gefühlen fest, die ich ihm gegenüber haben sollte. Schließlich haben wir den Traum einer gemeinsamen Zukunft.

»Solltest du deine Meinung ändern«, flüstert er, »steht das Boot bereit. Bitte lass uns von hier verschwinden.«

»Luke, ich …«

Noch ehe ich irgendetwas erwidern kann, ist er weg. Ich sehe ihm nach, wie er die Straße hinuntereilt, ohne auch nur ein einziges Mal zu mir zurückzublicken. Mit einem Seufzen kehre ich ihm den Rücken zu und gehe hinein.

Als die Sonne ganz am Himmel steht, breche ich zu meinen Hausbesuchen auf. Die Elfen werden erst bei Einbruch der Dunkelheit erwartet. Die Hälfte der in meinem Korb klirrenden Tränke ist noch warm. Ich habe eine lange Liste aller meiner Patienten und Patientinnen im Kopf, werde an diesem Morgen aber nur diejenigen aufsuchen, die heute Nachmittag nicht zur Bürgerversammlung kommen können, weil sie zu schwach, zu verletzt oder zu krank sind.

Den Rest meiner Auslieferungen werde ich vor Ort tätigen, wenn alle praktischerweise auf dem Marktplatz versammelt sind. Hoffentlich schaffe ich es bis dahin noch, ihre verschriebenen Heilmittel zuzubereiten.

Als Erstes besuche ich Douglas, einen Fischer, der sich beim Speerfischen verletzt hat und seit zwei Wochen bettlägerig ist. Für gewöhnlich wäre eine solche Wunde bei einem Bad in den Wassern des Nebelflusses verheilt. Aber sie ist immer noch entzündet, feuerrot und eitrig. Heute hat er auch noch Fieber.

Danach ist Cal an der Reihe. Seine Tochter hat sich diesen Winter eine Erkältung eingefangen, die einfach nicht besser werden will. Dann kommen Amelia, deren Monatsblutungen extrem schmerzhaft sind, vor allem diese. Und Dan, der nicht die Kraft zu haben scheint, sein Bett zu verlassen und seinen Pflichten als Stadtzimmermann nachzukommen.

Ich gehe weiter von Tür zur Tür, sehe nach allen und vergewissere mich, dass sie alles haben, was sie brauchen. Oder zumindest alles, was ich ihnen geben kann. Es fühlt sich nicht so an, als wäre das genug. Jedem Patienten scheint es schlechter zu gehen als dem vorherigen – als würden sich die Krankheiten hartnäckig an sie klammern, nur um alle meine Bemühungen zu verspotten.

Ich wollte mein Wissen der Kräuterheilkunde vertiefen, um Leuten zu helfen. Aber in dem Jahr, seit ich nach Abschluss meines Studiums an der Akademie wieder in Capton bin, ist die Situation nur schlimmer geworden. Zwar bestätigen mir alle, ich würde gute Arbeit leisten, und sagen, dass die fehlende Menschenkönigin das Problem ist, doch ich frage mich trotzdem immerzu, ob ich nicht mehr tun könnte.

Der liebenswürdige Mr Abbot ist an diesem Morgen der Letzte auf meiner Liste. Zum Glück geht es ihm immer noch gut. Wäre das Gegenteil der Fall, würde ich höchstwahrscheinlich die Fassung verlieren.

»Komm herein, komm herein.« Mit kleinen, zittrigen Bewegungen winkt er mich zu sich.

»Mr Abbot, leider kann ich heute nicht lange bleiben. Aber ich habe Euch Euren Tee mitgebracht, damit Ihr ihn Euch selbst kochen …«

»Das Wasser ist schon heiß.« Er macht sich in der Küche zu schaffen. »Der Tee schmeckt nie wie bei dir, wenn ich ihn koche.«

»Das tut er bestimmt.« Dennoch stelle ich meinen fast leeren Korb auf seiner Arbeitsfläche ab.

»Er wirkt auch nicht so gut«, beharrt er wie immer.

»Ich glaube, Ihr habt einfach nur gerne Gesellschaft.« Ich lächele und mache mich an die Arbeit, während er sich an seinen Tisch setzt.

»Kannst du das einem alten Mann verdenken?«

»Nein.«

Mr Abbot ist nicht der Erste, der behauptet, er könne meine Tränke, Salben und Umschläge nicht selbst zubereiten – auch wenn ich den Leuten genau dieselben Kräuter verkaufe und ihnen detaillierte Anweisungen gebe. Vermutlich liegt es an meinem elfischen Wasserkessel. Die Wächter behaupten, dass ein wenig der wilden Magie der Elfen in den Dingen weiterleben würde, die sie anfertigen. Wenn das stimmt, beruhen meine Fähigkeiten als Heilerin möglicherweise zum Teil auf der Halskette, die Luke mir geschenkt hat.

Doch ganz gleich, was der Grund ist, ich bin froh, den Menschen mit meinen Begabungen helfen zu können. Wenn die Heiltränke von mir selbst zubereitet werden müssen, um zu wirken, dann ist das eben so. Noch ein Grund, warum ich in Capton bleiben muss.

»In der Stadt ist heute so viel los.« Mr Abbot blickt aus dem großen Fenster vorne. Er lebt unten beim Hafen, nicht weit von dem großen Marktplatz, wo die Bürgerversammlungen stattfinden.

»Die Elfen kommen«, rufe ich ihm in Erinnerung.

»Ach ja.«

»Ihr solltet lieber zu Hause bleiben, Ihr könnt so eine Aufregung nicht gebrauchen«, lege ich ihm nahe.

»Wenn meine Heilerin das anordnet, muss ich wohl auf sie hören.« Er lächelt, ehe er die Tasse, die ich ihm reiche, an den Mund führt. Seine Augen scheinen eine längst vergangene Erinnerung zu betrachten. »Sie werden eine weitere junge Frau mitnehmen, oder?«

»Leider.« Ich fahre mit dem Finger über den Rand meiner Tasse, während ich an die Unterhaltung beim Frühstück heute Morgen denke. »Aber keine einzige Frau aus Capton hat irgendwelche magischen Talente an den Tag gelegt.«

»Für gewöhnlich halten die Wächter und Wächterinnen doch nach irgendwelchen Anzeichen Ausschau.«

Ich erinnere mich an die drei Jahre – von meinem fünfzehnten bis zu meinem achtzehnten Geburtstag –, als Luke mir als Beobachter zugewiesen wurde. Bei jedem meiner Besuche in Capton behielten er und meine Eltern mich unentwegt im Auge. Luke kam sogar ein paarmal nach Lanton, um mich auf Schritt und Tritt zu begleiten.

Meine Mutter vermutete einmal, meine Begabung für Kräuterkunde sei ein Ausdruck magischer Fähigkeiten. Doch Luke versicherte ihr, sie sei allein auf die gute Ausbildung an der Akademie zurückzuführen.

»Das tun sie immer noch.« Ich trinke einen Schluck. »Aber sie haben kein Mädchen entdeckt, das die Menschenkönigin sein könnte.«

Er seufzt. »Diese ganze Sache ist eine Wunde, die nie verheilt.«

»Welche Sache?« Ich gehe davon aus, dass er von dem Abkommen spricht, aber ich irre mich.

»Ein Familienmitglied an die Elfen zu verlieren. Sie nehmen eine Tochter, eine Schwester für immer von uns.«

»Die Menschenkönigin kann zu jeder Sommersonnenwende nach Capton zurückkehren«, erinnere ich ihn überflüssigerweise. Er lebt schon sehr viel länger als ich in dieser Stadt. Mr Abbot ist fast einhundertzwanzig Jahre alt.

»Danach sind sie nie wieder dieselben – auch Alice war es nicht.«

Alice … So hieß die letzte Menschenkönigin. Das kann doch bestimmt kein Zufall sein …

»Wer ist Alice?«

Er wendet mir seinen milchigen Blick zu. »Meine Schwester. Und ehe du fragst, ja, sie war es.«

»Eure Schwester war die letzte Menschenkönigin?«, frage ich dennoch. Er nickt. Wie kann es sein, dass ich das nie wusste? Warum wurde es nie gelehrt oder erwähnt? Mr Abbot kommt seit einem Jahr jeden zweiten Tag in meinen Laden. Doch ich habe ihm, schon lange bevor ich eine ausgebildete Heilerin war, Umschläge und Tränke zubereitet. »Ich hatte keine Ahnung«, sage ich und habe deswegen ein schlechtes Gewissen.

»Du wirst sehr schnell lernen, dass der Name der Braut im Nu aus den Mündern der Leute verschwindet. Ganz gleich, welche junge Frau gehen muss, die Leute vergessen schnell, dass sie zu dieser Stadt gehört hat. Sie wird als ›Menschenkönigin‹ in die Geschichten eingehen, und das war’s.«

Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Wir lernen in der Volksschule über die Menschenköniginnen. Und selbst außerhalb der Schule gibt es niemanden in Capton, der die Geschichten nicht kennt. Die Verabschiedung der Königin ist der Übergangsritus einer ganzen Generation. Und erst bei dieser Unterhaltung mit Mr Abbot nimmt die letzte Menschenkönigin Gestalt für mich an, sie wird zu mehr als einer bloßen Idee. Mir wird klar, dass Alice zu allen Sommersonnenwenden zurückgekommen sein muss, ich sie aber kein einziges Mal gesehen habe.

»Ich glaube, dass die Leute es aus Freundlichkeit tun. Bewusst oder unbewusst«, fährt Mr Abbot mit einem müden Lächeln fort. »Als würde ihre Abwesenheit weniger schmerzlich sein, wenn man ihren Namen nicht so oft ausspricht. Als könnte die Erinnerung an eine Person so säuberlich aus einer Familie und einer Gemeinde ausgelöscht werden.«

»So habe ich nie darüber nachgedacht«, flüstere ich.

»Den Frieden zwischen zwei Welten zu bewahren, ist eine scheußliche Angelegenheit.« Mit zittriger Hand führt er seine Tasse zum Mund und nippt zaghaft daran. Als er sie wieder auf den Unterteller stellt, sind seine Bewegungen viel geschmeidiger. Ich bin erleichtert, dass der Trank die gewünschte Wirkung auf ihn hat.

»Habt Ihr Euch während der Sommersonnenwende mit ihr getroffen?«, will ich wissen. Ich versuche, mir vorzustellen, wie er mit einer Menschenkönigin am selben verschrammten und zerkratzten Tisch sitzt, so wie wir jetzt.

»Ja, und wir haben uns Briefe geschrieben.«

»Können Briefe den Schattennebel durchqueren?« Mir brennen tausend Fragen auf der Zunge, die in dem heißen Tee umherwirbeln.

»Nein, aber die Elfen schon. Sie brachten die Briefe zum Tempel. Meistens, wenn sie für die Sterberiten kamen oder um mit den Wächtern Handel zu treiben.«

»Was hat sie davon erzählt, wie es jenseits des Schattennebels ist?«

»Nicht viel.« Er schüttelt den Kopf. »Alice sagte, ihre Rolle als Königin bestünde lediglich darin, zu existieren.«

Ich blicke in meine Teetasse.

Die Elfen werden kommen und eine Frau ihrer Familie und ihrem Zuhause entreißen, um die Bedingungen eines Abkommens zu erfüllen, das sie genauso gut widerrufen könnten. Sie werden sie auf einen Thron setzen, um was zu tun? Um zu existieren? Ohne Macht oder Verantwortung?

Was ist der Sinn des Abkommens, dem die Elfen zugestimmt haben, wenn sie lediglich eine Marionette wollten? Warum nehmen sie überhaupt eine von uns mit?

Um uns daran zu erinnern, dass wir nichts sind, antwortet mein Verstand. Sie besitzen alle Macht. Wir sind hier, um den Elfen zu geben, was sie wollen. Bestimmt würden sie sagen, wir sollten einfach dankbar sein, dass sie in jedem Jahrhundert nur eine Frau von uns nehmen. Dass sie uns diese Freundlichkeit erweisen.

Mir dreht sich der Magen um, und ich muss gehen, weil ich sonst Gefahr laufe, etwas zu sagen, das den liebenswerten alten Mr Abbot aufbringen könnte.

Die Bürgerversammlung findet in vier Stunden, am späten Nachmittag, statt. Ich habe also genug Zeit, nach Hause zu gehen, meinen Korb aufzufüllen und mich frisch zu machen. Wie es aussieht, bin ich nicht die Einzige, die vor der Versammlung noch Geschäfte abwickeln möchte. Auf dem Marktplatz haben ein paar Fischer ihre Fänge ausgelegt. Ich sehe Leute aus der Stadt, die Gobelinstickereien zur Schau stellen. Alle sind mehr als froh darüber, sich auf etwas anderes als die bevorstehende Ankunft der Elfen zu konzentrieren – oder zumindest so zu tun, als ob.

Doch Gerüchte und Mutmaßungen schwirren wie Bienen auf einem Feld um mich herum. Ich höre das Flüstern und die Spekulationen. Was wird passieren? Wird die Königin gefunden werden?

Ich beachte das alles nicht und konzentriere mich auf meine Aufgaben. Nach dreitausend Jahren Frieden wird auf keinen Fall Krieg ausbrechen. Davon habe ich mich selbst überzeugt, damit meine Hände ruhig bleiben, während ich Gläser und kleine Beutel austeile.

»Hört, hört, Bürger und Bürgerinnen von Capton«, ruft der Stadtschreier von der Bühne am anderen Ende des Marktplatzes. Eine Gruppe müde aussehender Männer und Frauen reiht sich hinter ihm auf – unter ihnen befindet sich auch mein Vater. »Hiermit ist die Sitzung des Capton-Stadtrates eröffnet.«

Zusammen mit dem Rest der anwesenden Stadtbevölkerung halte ich inne und lausche den verschiedenen Ankündigungen. Zunächst müssen ein paar bürokratische Angelegenheiten geklärt werden: ein paar Streitigkeiten mit Lanton über Fischereireviere und eine Vereinbarung zum Abriss eines alten Lagerhauses. Aber alle warten nur auf den wichtigen Teil.

»Was die Menschenkönigin betrifft«, sagt mein Vater, der neben der Obersten Wächterin steht. »Der Stadtrat hat eure Bedenken gehört und beschlossen …«

Er kommt nicht bis zum Ende.

»Schaut, dort!«, ruft jemand.

Alle Köpfe drehen sich zur langen Treppe, die von der Stadt zum Tempel hinaufführt. Eine kleine Legion marschiert hinunter. Sie wird von einem Mann auf einem aus Schatten bestehenden Pferd angeführt, das sich mit jeder Bewegung wie Nebel windet und beinahe auflöst.

Das lange rabenschwarze Haar des Mannes breitet sich auf seinen Schultern aus. In dem schwindenden Sonnenlicht scheint es violett oder blau zu schimmern. Nahezu organisch schlängeln sich Eisenbänder um seine Schläfen und stellen sich dann – übergroßen Dornen gleich – als aufgefächerte scharfe Spitzen hinten an seinem Kopf auf, um eine Krone zu bilden. Seine Ohren laufen spitz zu und erinnern an die eisernen Zacken seiner Krone. Als er und seine Soldaten und Soldatinnen den Rand des Marktplatzes erreichen, sehe ich, dass die Augen des Mannes von einem funkelnden Himmelblau sind. Fast wie die Säulen des Tempels.

Er ähnelt kein bisschen dem uralten, krummen Monster, das ich mir durch all die Geschichten ausgemalt hatte. Das Einzige, was diese Geschichten genau wiedergegeben zu haben scheinen, ist die pure Macht, die dieser Mann ausstrahlt.

Das Gesicht des Elfenkönigs – ätherisch, stattlich, jugendlich, so hart wie ein Diamant – ist zugleich attraktiv und furchterregend. Er ist wie eine giftige Blume: atemberaubend schön und tödlich. Das, begreife ich, als seine Augen in einem noch strahlenderen Blau aufleuchten, ist das Gesicht des Todes.

DREI

Der Elfenkönig sieht von seinem Schattenross auf uns herunter, als wären wir bloße Ameisen. Hinter ihm steht eine Legion gepanzerter und bewaffneter Elfen. Überraschenderweise trägt er selbst jedoch keine Rüstung.

Als er absteigt, wird mir bewusst, dass ich noch nie eine perfektere Darstellung von Kontrasten gesehen habe. Sein Körper ist wie aus Marmor gemeißelt, aber seine Bewegungen sind so fließend wie der um seine Schultern drapierte Seidenstoff. Seine langärmelige und figurbetonte silberne Tunika ist so steif geplättet, dass man beinahe den Eindruck von gehämmertem Stahl hat. Und doch kann ich mir vorstellen, wie es sich anfühlt, mit den Fingern über den glatten seidenen Stoff zu gleiten, der seine breite Brust bedeckt.

Ich sehe schnell auf den Boden und wünsche mir, ich könnte den Zauber durchdringen, den er über sich gelegt hat. Aber mein Blick wird gegen meinen Willen erneut von ihm angezogen. Ich kann ihn nicht nicht ansehen. Weder, als er das Pferd fortschickt, als wäre es nicht mehr als Rauch in der Brise. Noch, als sich seine gepanzerten Krieger und Kriegerinnen in Bewegung setzen. Und erst recht nicht, als er hoch auf das Podest marschiert, auf dem die Oberste Wächterin, der Stadtrat und mein Vater warten.

»Eure Majestät«, begrüßt ihn die Oberste Wächterin mit zittriger Stimme und verbeugt sich tief. »Wir haben eine Delegation erwartet, einen Botschafter oder irgendeinen …«

»Ihr hattet ein Jahr«, sagt er langsam. Jedes Wort trieft vor Unmut. »Ich habe mich geduldig gezeigt und eine Delegation zum Tempel der Wächter geschickt. Und doch habe ich immer noch keine Königin.«

»Wir waren …«

»Seid still«, faucht er und beugt sich nahe an sie heran. »Habt Ihr etwa vergessen, wer ich bin? Ihr werdet nur sprechen, wenn ich Euch die Erlaubnis gebe.«

Die Elfenlegion marschiert um unsere Versammlung herum und umzingelt uns, als wären wir Vieh. Ich bemerke, wie einige in Zweiergruppen die Straßen entlangmarschieren. Wonach suchen sie? Nach Nachzüglern?

Ich beiße mir in die Wange, um dem Drang zu widerstehen, zu protestieren. Sie würden doch bestimmt niemanden aus dem Krankenbett zerren, nur um ihn einzuschüchtern … oder?

»Ich will jetzt auf der Stelle meine Königin. Wir können uns keinen weiteren Aufschub leisten«, fährt der König fort. Er wendet sich an die Bürger und Bürgerinnen von Capton. »Ich weiß, dass ihr sie versteckt und euch mit Mächten anlegt, die ihr nicht versteht.«

»Eure Majestät.« Aus dem Mund meines Vaters klingen die Worte merkwürdig. Ich wünschte, er würde schweigen. Ich will auf keinen Fall, dass sich diese gefühllosen Elfenaugen auf ihn legen. »Vielleicht gibt es dieses Jahr einfach keine Königin?«

»Sie ist hier, dessen bin ich mir sicher. Sie ist lediglich verborgen.« Er lässt einen Arm über die Menge schweifen. »Wenn ihr sie nicht an mich übergebt, werde ich jedes Haus auf den Kopf stellen, um sie zu finden. Händigt sie aus, sonst werde ich jede volljährige junge Frau mitnehmen und sie eine nach der anderen durch den Schattennebel schicken, bis ich meine Königin gefunden habe.«

Als Normalsterbliche durch den Schattennebel gebracht zu werden, würde für sie alle den Tod bedeuten. Er würde jede junge Frau hier töten, nur um die eine zu finden. Ich beiße so fest die Zähne zusammen, dass sie knirschen.

»Luella.« Lukes Finger schließen sich um meine. Ich sehe ihn überrascht an. Wo hatte er sich in der Menge versteckt? »Komm, wir können uns noch wegschleichen.«

»Bist du verrückt?«, zische ich.

»Es ist noch Zeit«, beharrt er. »Gehen wir. Als Wächter werden mich die Elfen durchlassen, das Boot wartet und …«

Ein Schrei unterbricht ihn.

»Emma, Emma!«, schreit Ruth. »Die Schwäche, sie hat sie umgebracht!«

Ich will zu ihr gehen, aber Luke hält mich fest. »Lass uns gehen. Jetzt ist unsere Chance, während alle abgelenkt sind.«

»Lass mich sofort los!« Ich reiße meine Hand aus seiner und versuche, mir so schnell wie möglich einen Weg durch die Leute zu bahnen, die mir keinen Platz machen. Ruth, Emmas Mutter, kniet heulend neben ihrer Tochter. Ihr Gesicht ist tränenüberströmt.

»Sie haben den Schattennebel über uns gebracht! Sie sind hier, um gegen uns in den Krieg zu ziehen. Wir sind verloren!«, kreischt sie.

»Ruth, Ruth, bitte.« Ich knie mich rasch hin und lasse meine Tasche und meinen Korb neben mich auf den Boden fallen. »Lass sie mich untersuchen.«

»Du hast gesagt, du wüsstest nicht, was die Schwäche für eine Krankheit ist. Was kannst du schon dagegen ausrichten? Du hast heute Morgen nicht einmal ihren Trank vorbeigebracht.« Ruth verletzt mich mit der Wahrheit.

»Du hast recht. Ich weiß nicht, was die Schwäche ist«, gebe ich leise und ruhig zu – in der Hoffnung, dass auch sie sich dann beruhigt. »Aber die Schwäche kann es nicht sein. Sie hat nur die Ältesten unter uns dahingerafft …« – bisher – »und das in einem Alter, in dem auch gewöhnliche Menschen sterben. Emma ist erst neunzehn.« So alt, wie ich es bin.

»Die Schwäche hat ihr Herz angegriffen, ihr Trank, sie … das ist alles seine Schuld!« Ruth zeigt mit dem Finger auf den Elfenkönig, während sie Emma mit einem Arm an ihre Brust drückt. Die goldenen Locken beider Frauen werden von Ruths ruckartigen Bewegungen in alle Richtungen geschüttelt. »Er hat das getan. Er hat sie zuerst getötet. Sie war nicht Eure Königin, und dafür habt Ihr sie umgebracht.«

»Ruth, hör auf«, sage ich streng und greife nach ihrem Arm. Doch es ist zu spät, der Elfenkönig ist bereits auf uns aufmerksam geworden. Was bei dem Geschrei kein Wunder ist. »Emma atmet, schau?« Ich lege Ruths Hand auf Emmas Mund. Sie spürt die langsamen und flachen Atemzüge, die mir schon vorher aufgefallen sind, und Erleichterung breitet sich auf ihrem Gesicht aus.

»Oh, gesegnet seien die alten Götter.« Ruth wiegt sich vor und zurück. »Was stimmt nicht mit ihr?«

»Es ist wahrscheinlich nur die Aufregung. Ohne ihren Stärkungstrank war das einfach alles zu viel«, sage ich nachdenklich. Hoffentlich ist es nicht mehr. Genau deswegen konnte ich nicht mit Luke davonlaufen. Da frühstücke ich nur einen Morgen mit ihm und meinen Eltern, und schon liegt eine meiner Patientinnen bewusstlos auf dem Boden. »Leg sie bitte hin.«

Emmas Herz ist schwach, und das schon seit unserer gemeinsamen Schulzeit. Sie war meine allererste Patientin, und jedes Mal, wenn ich sie behandle, kommen auch heute noch nostalgische Gefühle in mir hoch. Früher schlichen wir uns zusammen in den Wald, manchmal mit und manchmal ohne Luke. Damals bereitete ich immer Mixturen aus Beeren, Blättern, Flusswasser, Blumen und manchmal sogar Schlamm für sie zu, die sie artig trank.

Obwohl es nur zum Spiel war, wollte ich ihr immer helfen. Selbst damals schwor sie jedes Mal, ihr würde es durch meine Tränke besser gehen.

Zum Glück verlasse ich das Haus nie ohne meine Tasche. Mein Korb ist voller Arzneimittel, die ich immer speziell für jeden einzelnen meiner Patientinnen und Patienten zubereite. Aber in meiner Tasche trage ich stets alle wichtigen Kräuter, Zutaten und Notizen mit, die eine Heilerin braucht. Schließlich kann ich nie wissen, was für Mittel ich von jetzt auf gleich brauchen könnte – oder worum mich jemand aus einer Laune heraus bitten wird.

Schnell nehme ich verschiedene Kräuter heraus und zermahle sie in einer kleinen Holzschale. Ich bin so in meine Arbeit vertieft, dass ich nicht mal das Publikum bemerke, das ich angezogen habe. Ein Schatten verdeckt die Sonne und taucht mich in Dunkelheit.

Ruth murmelt weinend unzusammenhängendes Zeug und starrt in den Himmel. Als auch ich den Blick hebe, begegne ich den Augen des über mir aufragenden Elfenkönigs.

»Fahrt fort.« Seine Stimme ist wie ein seidenes Flüstern.

»Ich …«

»Fasst sie nicht an!«, schreit Luke und drängt sich an den eng beieinanderstehenden Menschen vorbei, die vor Ruth, Emma und mir zurückgewichen sind. »Wagt es nicht, sie zu berühren.«

»Luke, lass das.« Jegliche Zuneigung, die ich einmal für ihn empfunden habe, schwindet dahin. Es ist, als hätte er sich in den letzten vierundzwanzig Stunden in einen Fremden verwandelt. Jemand anderes hat sich des Körpers eines Mannes bemächtigt, den ich einst kannte.

Der König wendet sich langsam Luke zu. Er neigt den Kopf, als würde er eine Katze, eine Ratte oder gar eine Fliege betrachten. Für ihn sind wir vermutlich nicht mehr als das.

Plötzlich fühlt sich die Luft viel kühler an. Eine winterliche Kälte bringt meine Zähne zum Klappern und meine Hände zum Zittern. Ich kann mich kaum noch darauf konzentrieren, Emma zu helfen, da ich wissen muss, was mit meinem Freund passiert.

Luke berührt seinen Wächter-Armreif und drückt ihn an sich.

»Ja, Wächter des Schattennebels«, sagt der Elfenkönig mit seidener Stimme. »Greift nach Eurem Labradorit. Er wird Euch vor dem Erkennen beschützen, aber nicht die Welt um Euch herum.«

Das Erkennen? Davon habe ich noch nie gehört. Doch meine Gedanken werden unterbrochen, als die Steine unter Lukes Füßen auf einmal zum Leben erwachen. Sie steigen in die Höhe, krümmen sich unnatürlich und setzen sich um Luke herum zu einer Gefängniszelle zusammen. Entsetzt und ehrfürchtig beobachte ich dieses Schauspiel wilder Magie.

Der Elfenkönig blickt zu mir zurück. »Und? Heilt sie!«, befiehlt er ungeduldig.

Ich sehe hilflos zu, wie Luke gegen sein Gefängnis ankämpft, aber die Steingitter bewegen sich nicht. Angesichts der allen Naturgesetzen trotzenden Macht ist er ebenso wehrlos wie wir alle. Obwohl ich weiß, dass ich es nicht kann, wünschte ich, etwas für ihn tun zu können. Meine Tasche beinhaltet nichts, was einen wilden Zauber auch nur im Ansatz rückgängig machen könnte.

Emmas leises Wimmern lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf sie. In diesem Moment ist sie es, die mich am meisten braucht – und der ich helfen kann. Auch ohne den Befehl des Elfenkönigs ist es meine Pflicht, sie zu behandeln.

Ich stelle die Schale mit dem letzten Rest meiner Kräuter vorsichtig vor mir auf den Boden. Mit der kleinen Zunderbüchse aus meiner Tasche entfache ich einen trockenen Rotholzspan und lasse ihn in die Schale fallen. Er verbrennt schnell und flammt auf, wobei er die zermahlenen Kräuter in Asche verwandelt.

Ich schicke ein stummes Gebet an die alten Götter, dann stecke ich einen Finger in den Ruß und schmiere etwas davon unter Emmas Nase.

Emma atmet schwach den Geruch der Asche ein und kommt ruckartig wieder zu sich.

»Emma.« Ich beuge mich über sie, damit sie mich – und nicht den Elfenkönig – als Erstes erblickt. Sie braucht keinen weiteren Schrecken. »Emma, wie geht es dir?«

»Luella? Ich … Was ist passiert?«, murmelt sie.

Ich sehe Ruth an. »Bring sie nach Hause – sie braucht Ruhe. Ich komme später mit einem Stärkungstrank vorbei.«

»In Ordnung.«

»Verstehe.« Ein einziges Wort des Elfenkönigs lässt uns alle an Ort und Stelle erstarren.

Emmas Atmung ist schnell und flach. Und ich fürchte, dass sie bei so viel Aufregung gleich wieder ohnmächtig wird. Ich drücke mich vom Boden ab und stelle mich zwischen Emma und den Elfenkönig.

»Geht«, sage ich zu den beiden. »Geht nach Hause. Niemand wird euch aufhalten.«

Sie stehen langsam auf und wenden sich zum Gehen, als der König sagt: »Ihr sprecht nicht für mich.«

»Emma ist nicht Eure Königin.« Ich drehe mich zu ihm um. Mein Magen zieht sich zusammen. Aber ich habe gelobt, mich gut um meine Patienten und Patientinnen zu kümmern. Ich habe gelobt, dieser Stadt zu helfen. Und wenn ich dem Elfenkönig die Stirn bieten muss, um Emma zu helfen, dann gehört das eben dazu. »Sie muss sich ausruhen. Ihr müsst sie gehen lassen.«

»Es steht ihr frei, zu gehen.« Der König nickt seinen Soldaten zu, und sie lassen Emma und Ruth passieren. »Denn Ihr habt recht: Sie ist nicht meine Königin. Ich habe die Frau gefunden, die ich suche.«

»Gut, dann verschwindet«, murmele ich leise. Aber als ich den Blick hebe, stelle ich fest, dass seine Aufmerksamkeit ganz allein mir gilt. Die Schwere seines Blicks erinnert mich daran, wie kühn ich gerade gewesen bin, und mir wird ganz flau.

»Ihr habt Euch versteckt«, sagt er bedrohlich ruhig.

»Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr redet.«

Er macht einen großen Schritt nach vorne und kommt mir unangenehm nahe. Sogar so nah, dass ich seinen Duft einatme. Die Luft um ihn herum riecht nach Sandelholz, Moos und nach etwas lebhaft Frischem. Fast wie die Luft vor einem Sturm. Das Aroma ist lieblich erdig und berauschend – und steht im starken Kontrast zu seinem finsteren Blick.

Ich will vor ihm zurückweichen, bleibe aber wie gebannt stehen. Er streckt die Hand aus und fährt mit seinen Fingerspitzen an meinem Hals entlang. Mich durchfährt ein Schauer, und ich stehe wie angewurzelt da.

Die Finger des Königs haken sich unter die Halskette, die Luke mir vor vielen Jahren geschenkt hat. Dann bewegen sie sich weiter zu dem Anhänger hinunter, und er ballt seine Hand zu einer Faust. Eine nahezu unheilvolle Miene tritt in sein Gesicht, und ich frage mich, ob ich jetzt um mein Leben betteln sollte.

Er legt mir noch die andere Hand um den Nacken und umfasst meinen Kopf. Seine Finger bewegen sich. Wird er mir gleich das Genick brechen? Werde ich so sterben?

»Ihr werdet es früh genug herausfinden«, sagt er und reißt die Kette von meinem Hals.

Die Welt um mich herum wird weiß und ist dann mit Schreien erfüllt.

VIER

Mir ist schwindlig, und ich bin außer Atem. Energie rauscht zischend und knisternd durch meinen Körper. Eine unerklärliche Macht, die ich nicht besitzen sollte, droht mich auseinanderzureißen.

Wie Feuerwerksraketen schießt Magie stoßweiße aus mir heraus und trifft die Laternenpfähle um den Marktplatz herum. Die Glaskugeln zerschmettern, und die Scherben fallen als Kirschblütenblätter zu Boden. Wo gerade noch Eisenpfosten standen, befinden sich jetzt Bäume.

Ein üppiger Teppich aus Moos und Gras breitet sich über die Pflastersteine aus. Gestrüpp und Schlingpflanzen schießen aus der Erde und winden sich wie fühlende Tentakel die Gebäude hinauf, als würden sie sie zurückzuerobern versuchen. Die Welt um mich herum ist völlig verwandelt, alles, was von Menschenhand erbaut wurde, ist durch Natur ersetzt worden. Es ist, als wäre sie aus meinen Füßen herausgebrochen, um sich der Dreistigkeit menschlichen Hochmuts entgegenzustellen.

Ich sehe es jetzt. Es? Nein, alles. Ich sehe alles.

Meine Augen waren noch nie offener. In allen Menschen um mich herum sehe ich Magie – Leben – pulsieren. Ich sehe die rohe Essenz des Daseins, und es verschlägt mir den Atem und nimmt mir die Fassung.

Bittere, kalte Tränen laufen meine Wangen hinunter. Mir ist plötzlich heiß. Ich bin ein sengendes Feuer in einer Welt, die zu Eis geworden ist.

Als mich der König endlich loslässt, stolpere ich rückwärts und lande mit ausgestreckten Armen auf dem Boden. Das Moos wächst über meine Finger. Winzige Ranken springen aus dem Boden und umschlingen meine Handgelenke. Ich reiße meine Hand weg und packe keuchend das Hemd über meiner Brust. Mein rotes Haar fällt mir ins Gesicht, und ich nutze es, um mich dahinter zu verstecken, als ich die Augen fest zukneife.

Das kann nicht real gewesen sein. Sag mir, dass das alles ein Albtraum ist, will ich schreien.

Aber als ich mich aufrichte, sehe ich unwillkürlich, dass der Marktplatz sich verwandelt hat. Er ist zu einem Ort geworden, wie ich ihn nur aus Märchenbüchern kenne. Ein grünliches Licht pulsiert in Pflanzen und Menschen. Unbelebte Gegenstände sind grau.

Ich blinzele mehrmals, während die Auren sich in und aus meinem Bewusstsein bewegen. Alles um mich herum ist in dieselbe Farbe getaucht … außer ihm.

Der König ist hellblau. Die Aura, die ihn umgibt, ist anders als die stille und ordentliche Magie des Lebens. Seine Magie windet sich wütend und gewaltsam. Ähnlich seiner finsteren Miene. Die Vision, die mir gewährt wurde, verblasst, während ich ihn weiterhin mit großen Augen ansehe.

Er starrt auf mich herunter, sein Blick ist undurchdringlich, seine Stirn in Falten gelegt.

»Was …«, krächze ich, während ich versuche, meine Stimme wiederzufinden. »Wie?«