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Vier Novellen von vier der besten Autorinnen der Romantic Fantasy entführen ins sinnliche Reich der Inkubi und Nephilim ...
Der Inkubus Sorin Ebarron ist es gewöhnt, stets zu bekommen, was er will. Als die schöne Nephilim Ashayla sein Kasino betritt, weiß er sofort, dass er sie für sich gewinnen muss. Ein verführerisches Spiel mit hohem Einsatz beginnt. Und Sorin und Ashayla entdecken dabei ein Geheimnis, welches das Gefüge von Himmel und Hölle erschüttern könnte.
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Seitenzahl: 427
Titel
Zu diesem Buch
PRICELESS – Haus Ebarron
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BOUNDLESS – Haus Drohas
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DAUNTLESS – Haus Trevanion
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Am nächsten Tag…
RECKLESS – Haus Furia
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Die Autorinnen
Die Romane von Lara Adrian bei LYX
Impressum
LARA ADRIAN · DONNA GRANT · LAURA WRIGHT · ALEXANDRA IVY
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Firouzeh Akhavan-Zandjani
Zu diesem Buch
Vier Novellen von vier der besten Autorinnen der Romantic Fantasy entführen Sie ins sinnliche Reich der Inkubi und Nephilim.
PRICELESS – Das Haus Ebarron
Der Inkubus Sorin Ebarron genießt die schönen Dinge. Als er auf die betörende Nephilim Ashayla trifft, will Sorin sie besitzen. Doch Ashayla spielt nach ihren ganz eigenen Regeln … und bald sind beide gefangen in einem Netz aus Sinnlichkeit und Verlangen.
BOUNDLESS – Das Haus Drohas
Als Kunsthändler hat der Inkubus Javan Drohas stets junge Talente im Blick. Seine neueste Entdeckung, Naomi, jedoch vermutet in Javan den Mörder ihrer Schwester. Als beide das erste Mal aufeinandertreffen, hebt diese Begegnung ihre Welt aus den Angeln …
DAUNTLESS – Das Haus Trevanion
Der Inkubus Casworon Trevanion ist kein Kostverächter gewesen – bis er eine arrangierte Hochzeit eingehen muss. Cas hat darauf allerdings so gar keine Lust! Sein Interesse gilt insgeheim einer bezaubernden Fremden, die sich als seine Bedienstete entpuppt. Können die beiden je zusammenfinden?
RECKLESS – Das Haus Furia
Nach dem Tod seines Bruders muss Tiege den sündigen Lebenswandel aufgeben. Zusammen mit der Nephilim Sloane soll er ein gefährliches Ritual vollziehen. Ein Ritual, das sich allein aus der dunklen Leidenschaft speist, die zwischen den so unterschiedlichen Wesen lodert …
LARA ADRIAN
PRICELESS – Haus Ebarron
Sorin, der Herr des Hauses Ebarron – eines Inkubus-Geschlechts – legte sich auf dem mit Samt bezogenen Divan in seinem privaten Arbeitszimmer zurück, während flinke Finger seine Seidenkrawatte lösten und danach die Knöpfe seines strahlend weißen Hemds zu öffnen begannen.
Ein weiteres Paar Hände glitt über Schenkel und Lenden, um sich mit begierigem Eifer der Erhebung zu nähern, die den Stoff seines teuren schwarzen Anzugs spannte. Hinter ihm stand eine dritte Frau, deren Finger mit seinem vollen goldenen Haar spielten, während sie sich über ihn beugte, sodass ihre nackten Brüste wie reife Früchte, die man nur noch zu pflücken brauchte, über seinem nach oben gerichteten Gesicht baumelten.
Er stieß einen langen Seufzer aus und gab sich der mühelosen Lust hin, die der Captain von Ebarrons Wächtern ihm für den heutigen Abend beschafft hatte. Sorin musste zugeben, dass Milo einen exquisiten Geschmack bei Frauen besaß.
Die drei Menschenfrauen, die sein persönlicher Leibwächter ihm in seine Penthousewohnung, die über Ebarrons elegantem Kasino lag, geschickt hatte, waren wunderschön, verführerisch und unzweifelhaft bestrebt, jeden, aber auch wirklich jeden von Sorins Wünschen zu erfüllen.
Sein Körper reagierte sofort, als sie ihn zu entkleiden begannen. Er war bereits hart wie Stein und nur der Reißverschluss hielt ihn noch im Zaum. Sein eigenes fleischliches Verlangen und das der drei liebreizenden Frauen, die um seine Gunst buhlten, überschwemmte seine Dämonensinne mit einer Woge der Lust.
Sex war für jeden heißblütigen Mann eine mächtige Droge, doch für einen Inkubus galt dies in noch viel größerem Maße. Die Inkubi lebten für den Sex … ja, es bedeutete sogar ihren Tod, wenn sie keinen bekamen.
Sorin und andere Inkubi, allesamt Dämonen, ernährten sich von der Energie, die beim Höhepunkt ihres jeweiligen Geschlechtspartners ausgeschüttet wurde … sie brauchten sie zum Lebenserhalt. Doch es war die pure Lust, die sie selbst der körperlichen Liebe frönen ließ.
Der Herr des Hauses Ebarron hätte in diesem Moment allerdings nicht gelangweilter sein können.
So reizvoll und verführerisch seine Gespielinnen auch sein mochten, waren sie doch lediglich drei weitere namenlose Gesichter in einer endlosen Folge von Frauen, die nur allzu erpicht darauf waren, im Bett des milliardenschweren Kasinobesitzers zu landen. Wie alle anderen Sterblichen hatten die Frauen keine Ahnung, dass Sorins Reichtum das am wenigsten Bemerkenswerte an ihm war.
Was Sorins Interesse an diesen Frauen betraf, würde es erloschen sein, sobald sie mit ihm fertig waren und den Raum verließen. Er würde sie einfach vergessen. Himmel, er hatte sie jetzt schon beinahe vergessen, während sie noch mit ihren Händen und Mündern alles taten, um ihn zu erfreuen.
Aber er war nicht richtig bei der Sache. Seine Gedanken waren ganz woanders. Sie beschäftigten sich mit dem Familienbetrieb und seiner Rolle als Oberhaupt des altehrwürdigen Geschlechts Ebarron. Eine Rolle, die mit dem nie erlahmenden Bewusstsein einherging, die Verantwortung für den Familienschatz zu tragen … ein geradezu unanständig hohes Vermögen, das sich aus seltenen Kunstgegenständen, wertvollen Geheimnissen und unbezahlbarem Schmuck zusammensetzte, die im Verlaufe von Tausenden von Jahren von den Männern seiner Familie gekauft, bei Wetten gewonnen oder gesammelt worden waren.
Genau wie der Greif, der das Wappenzeichen des Hauses Ebarron war, Sorins Familie mit unbändigem Stolz erfüllte, galt dies auch für das Vermögen … über das mit Argusaugen gewacht wurde.
Aber Sorins Gedanken waren auch mit anderen Problemen beschäftigt, die ihn im Moment belasteten; nicht zuletzt die Unruhe, die sich hartnäckig hielt, seit im ganzen Reich Gerüchte um den höchsten Sitz der Macht der Inkubi kursierten. Der Obsidianthron war das Einzige, was zwischen den Toren zu Himmel und Hölle stand. Die vereinbarte Waffenruhe, die zwischen den Inkubi und den Engeln herrschte, welche von einem Rat aus Nephilim-Priesterinnen – der Dreiheit – geleitet wurde, war schon immer fragil gewesen.
Über die Unfähigkeit des Oberhaupts, das auf dem Thron saß, war seit langer Zeit immer wieder getuschelt worden, aber die Berichte der vergangenen Wochen aus den Häusern Gravori, Romerac, Vipera und Xanthe ließen geheime Absprachen und verderbliche Einflüsse schlimmster Art vermuten.
Verfluchter Mist! Als wenn Langeweile angesichts dieser reizenden, aber leicht zu vergessenden Gespielinnen nicht bereits gereicht hätte, ihm jegliche Lust auf Sex und Nahrung zu nehmen, ehe er überhaupt richtig angefangen hatte, ließ die Vorstellung eines Kriegs zwischen Inkubi und Engeln seine Begeisterung, hiermit fortzufahren, zusammenschrumpfen.
So war seine Erleichterung fast grenzenlos, als es an der Tür zu seinem Arbeitszimmer klopfte. »Herein!«, rief er dem Wächter zu, der auf der anderen Seite der Tür stand.
Milo trat in den Raum. Ein ernster Ausdruck lag auf dem Gesicht des dunkelhaarigen Inkubus. »Ich bitte, die Störung zu entschuldigen. Aber, äh … gewisse Umstände machen ein Eingreifen im Kasino erforderlich.«
Mehr Grund brauchte Sorin nicht, um sich von den drei Frauen zu befreien, die wie hingegossen auf ihm lagen. Ungeniert wie jeder Dämon erhob er sich einfach, rückte seine Kleidung zurecht, zog den Reißverschluss hoch und knöpfte sein Hemd zu.
»Was für Umstände?« Sorin durchquerte den Raum, um zu seinem Captain zu treten, der nach wie vor in der Tür stand. Himmel, mehr Unbehagen konnte die Miene des erfahrenen Wächters wohl kaum ausdrücken. »Was zum Teufel ist da unten los?«
Milo räusperte sich und senkte die Stimme, damit nur Sorin ihn hörte. »Korda Marakel hat gerade das Kasino betreten.«
Sorin reagierte darauf mit einem deftigen Fluch. Dieser Mann gehörte einem anderen Inkubus-Geschlecht an und stand nicht als Herr einem Haus vor wie Sorin, sondern war lediglich einer von mehreren nicht ganz so hochrangigen Cousins des Gebieters des Hauses Marakel … welcher wiederum ebenjener Inkubus war, der gerade auf dem Obsidianthron saß.
Sorin hatte Korda Marakel mal als Freund angesehen, doch mittlerweile stellten sich ihm schon bei der Erwähnung seines Namens die Nackenhaare auf. »Wo ist der Mistkerl?«
»Im Roulettezimmer.«
»Allein?«
Der Wächter schüttelte den Kopf. »Nein, er ist in weiblicher Gesellschaft. Eine Nephilim.«
Wut brandete in Sorin hoch und brach auch gleich aus ihm hervor. »Du meinst doch nicht etwa, dass er mit …«
»Nein. Nicht sie.« Milos schnelle Erwiderung ersparte es Sorin, den Namen dieser treulosen Schlampe auszusprechen.
Obwohl der Verrat, den sein früherer Freund an ihm begangen hatte, indem er der Frau nähergekommen war, die Sorin vielleicht eines Tages hätte heiraten wollen, schon fünf Jahre zurücklag, brannte die Erinnerung daran noch immer wie Säure.
Nicht dass er Greta jemals zurückgenommen hätte … nachdem er erfahren hatte, dass sie sich von Korda hatte verführen lassen, war er eher wütend über seine Dummheit gewesen, die Nephilim jemals in sein Leben gelassen zu haben, als dass er unter seelischem Kummer gelitten hätte, weil sie abgehauen war. Sie hatte ihn zum Narren gehalten und sein Vertrauen missbraucht.
Und er würde niemandem jemals die Gelegenheit dazu geben, so etwas ein zweites Mal zu tun.
Was Korda Marakel anging, so waren im Reich der Inkubi Freundschaften zwischen den Geschlechtern ohnehin schon spärlich gesät, aber in besonderem Maße galt dies für die Beziehungen mit Abkömmlingen des Hauses, das derzeit den Souverän stellte. Das sollte nicht heißen, dass es nicht auch unter den Marakels ein paar ehrenwerte Männer gab, aber die Heimtücke schien bei Vertretern dieses Zweigs der Dämonen besonders tief verwurzelt zu sein.
Das Gleiche konnte man freilich über ihre Arroganz sagen.
Wenn Korda jedoch meinte, er könnte ungestraft erneut Sorins Revier betreten, dann würde er sein blaues Wunder erleben. »Wer ist die Frau in seiner Begleitung?«
»Hab sie noch nie gesehen.«
»Sicher?«
»Ganz sicher.« Ein Grinsen zuckte um Milos Mundwinkel. »Sie ist nicht der Typ Frau, den ein Mann schnell wieder vergisst.«
»Zeig sie mir!« Sorins Neugier war geweckt, und etwas verärgert deutete er kurz auf seine drei Gespielinnen, die sich schmollend auf seinem Divan räkelten. »Sorg dafür, dass einer von deinen Männern die Damen nach draußen begleitet, nachdem sie sich angezogen und ihre Sachen eingesammelt haben.«
Milo nickte. »Schon erledigt.«
Der Captain gab die Anweisung per Telefon weiter, während er mit Sorin den eleganten Flur entlang zum Fahrstuhl des Penthouse ging. Sie bestiegen den Lift aus Glas und glitten durch das Herz des Ebarron-Gebäudes, bis sie zwölf Stockwerke tiefer das Erdgeschoss erreichten, in dem sich das Kasino befand.
Das Kasino und die Festung der Familie Ebarron – hineingebaut in einen Berg tief in den rumänischen Karpaten – waren ein Muster an Exklusivität.
Inkubus-Magie schützte den Ort besser, als es alle Sicherheitsvorkehrungen der Welt vermocht hätten. Er war weder mithilfe von GPS-Koordinaten noch auf irgendwelchen Karten ausfindig zu machen. Auch wenn Außenstehende die genaue Lage der Festung gekannt hätten, wäre das Terrain, das sie umgab, ein unbezwingbares Hindernis gewesen, außer sie würden über die Gabe der Teleportation verfügen.
Dergestalt stand das Kasino vor allem Inkubi und anderen, niederen Dämonenartigen zur Verfügung, und es kam nur selten vor, dass Gäste ohne Wissen oder Billigung des Herrn des Hauses Ebarron kamen – oder blieben.
Milo ließ den Fahrstuhl im ersten Stock auf der breiten Empore anhalten, von der man auf die riesigen Spielsäle und Kartenzimmer hinabschauen konnte. Sorin wartete nicht darauf, dass sein Leibwächter ihn zu der Stelle führte, die einen Blick in das Roulettezimmer gewährte, sondern schritt wütend über den handgewebten persischen Teppich und die glänzend polierten Marmorfliesen vor zur Balustrade.
Unter ihm stand in einer kleinen, funkelnden Schar elegant gekleideter Gäste, die sich um den mit grünem Filz bezogenen Tisch versammelt hatten, an dem um hohe Einsätze gespielt wurde … Korda Marakel.
Der schwarzhaarige Inkubus im Smoking hatte gerade verloren und verzog finster das Gesicht, als sein Haufen mit Jetons vom Croupier eingezogen wurde. Grob geschätzt mussten eben wohl mehr als zehntausend Euro von Marakel an Ebarrons Bank gefallen sein.
Sorin konnte sein Lächeln kaum unterdrücken. Er brauchte das Geld nicht, aber die Genugtuung, die ihn erfüllte, weil er seinem alten Rivalen etwas weggenommen hatte, war Lohn genug.
Er beobachtete, wie Korda ungeduldig einen Kellner heranschnippte und zwei mit Champagner gefüllte Sektflöten von dessen Tablett nahm. Mit einem Glas in jeder Hand drehte er sich zu der Frau an seiner Seite um und reichte ihr eines. Sorins Blick folgte ihm.
Verdammt! Milo hatte recht gehabt, als er behauptet hatte, die Nephilim wäre etwas Besonderes.
Neben Korda Marakel stand eine große, langgliedrige platinblonde Frau mit herrlichen Rundungen an genau den richtigen Stellen, die eine eng anliegende schwarze Hose sowie ein passendes langärmeliges Oberteil mit einem tiefen V-Ausschnitt trug. Schwarze Lederstiefel mit Stiletto-Absätzen reichten ihr bis über die Knie. Das lange, strahlend helle Haar hatte sie aus dem Gesicht gekämmt und zu einem glatten Pferdeschwanz zusammengefasst, der wie hauchzarte Seide im weichen Licht des Kasinos schimmerte.
Milo trat neben Sorin an die Balustrade und warf ihm von der Seite ein wissendes Grinsen zu. »Ich gehe davon aus, dass du diese Nephilim auch noch nie gesehen hast?«
»Nein«, erwiderte Sorin und dachte, dass das wirklich eine Schande war.
Selbst aus dieser Entfernung konnte er sehen, dass sie schön war … atemberaubend schön. Seidige Haut, volle rosige Lippen und von dunklen Wimpern umrahmte Augen, die ihre Umgebung mit Intelligenz und unverkennbarem Selbstvertrauen musterten.
Während die anderen Nephilim und die Menschenfrauen im Kasino leuchtende Kleider in hellen Farben und teuren Schmuck trugen, um auch ja nur alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, brauchte diese in Schwarz getauchte Frau keine solchen Hilfsmittel, um den Blick jedes einzelnen Mannes im Raum einzufangen.
Sorin merkte, dass er sie eingehend musterte. Sein Blick hing mit einem Interesse an ihr, das er kaum hätte leugnen können.
Verlangen zuckte durch seinen Körper, als er verfolgte, wie sie das schlanke Glas an den Mund führte. Volle Lippen teilten sich und gaben den Blick auf perfekt geformte, schneeweiße Zähne frei, als sie einen kleinen Schluck nahm. Sie beim Trinken zu beobachten und zu erleben, wie sich ihr Mund und ihr Hals dabei bewegten, ließ auf einen Schlag alles Männliche in Sorin – den gefährlichen, lüsternen Inkubus – kribbelnd erwachen.
Korda Marakel schien ähnlich gebannt von seiner Begleiterin zu sein. Er sah sie mit unverhülltem Begehren an, als er sich nach vorn neigte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln, doch es hatte etwas Gezwungenes, sodass keine echte Erheiterung darin spürbar war.
Marakel schien das nicht zu bemerken. Aber vielleicht war es ihm auch egal. Er drängte sich am Roulettetisch noch enger an sie und streichelte ihr seidiges Haar, als wäre er ihr Liebhaber. Seine Finger glitten an ihre Wange, während er sie mit einem ruchlosen, ganz und gar anzüglichen Grinsen bedachte.
Ehe Sorin es unterdrücken konnte, kam ihm ein leises, missbilligendes Knurren über die Lippen.
Mit seinen nächsten Worten musste Marakel das arme Ding wohl entsetzlich schockiert haben, denn sie wich ruckartig vor ihm zurück und geriet wegen ihrer hohen Absätze ins Taumeln. Bei der unbeholfenen Bewegung entglitt ihr das Glas und zerschellte lautstark am Boden.
Champagner war in alle Richtungen gespritzt und hatte sowohl sie als auch Marakel getroffen. Der Inkubus stieß einen ganzen Schwall finsterer Flüche aus, während er versuchte, den vergossenen Alkohol von seinem Smoking und dem weißen Hemd zu wischen.
Sorin grinste. »Na, da hat es ja genau den Richtigen erwischt.«
Dem zornbebenden Marakel tropfte der Champagner sogar vom Kinn. Er fuhr einen Kellner an, damit dieser ihm Hilfestellung leistete bei diesem Fiasko, was seine reizende Begleiterin nutzte, um sich vorsichtig zurückzuziehen.
Sie wirkte freilich überhaupt nicht mehr unbeholfen, als sie sich vom Tisch entfernte. Und der Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht hatte nicht das Geringste mit Reue zu tun.
Nein, der leicht verächtliche Zug um ihre Lippen sprach von etwas ganz anderem.
»Soll ich die beiden aus den Räumlichkeiten entfernen lassen?«, fragte Milo, nachdem er neben Sorin leise gelacht hatte.
»Nein. Das wird nicht notwendig sein.« Sorins Blick hing an der faszinierenden Blondine, die gerade aus dem Roulettezimmer schlüpfte, um sich in den Hauptraum des Kasinos zu begeben. »Ich werde mich persönlich darum kümmern.«
Ashaylas Ärmel und ihre Finger waren noch ganz nass vom vergossenen Champagner, als sie aus dem vollen Spielzimmer floh. Was sie getan hatte, war ihr nicht peinlich. Und ganz bestimmt tat es ihr auch nicht leid. Denn schließlich hatte sie dem Dämon diese Dusche mit voller Absicht verpasst.
Schon den ganzen Abend über hatte er versteckte Anspielungen und anzügliche Bemerkungen gemacht, obwohl sie noch nicht einmal ansatzweise geneigt war, sich von ihm ködern zu lassen. Sein unanständiges Gerede und seine hyperaktiven Finger, die er einfach nicht bei sich behalten konnte, waren zwar lästig gewesen, aber sie hatte die Annäherungsversuche des Inkubus ohne große Mühe abwehren können.
Sie war immerhin eine Nephilim und konnte auf sich aufpassen. Aber sie hatte keine Lust auf irgendwelche Spielchen … weder auf seine, noch auf die im Kasino. Ashayla hatte etwas ganz anderes, viel Wichtigeres im Sinn und würde sich davon nicht von ihrem unerträglichen, aber leider notwendigen »Date« abbringen lassen.
Ganz anders hatte das allerdings ausgesehen, als der Sexdämon auf einmal zu glauben schien, er müsste sich über seine hohen Verluste beim Roulette dadurch hinwegtrösten, dass er sie an diesem Abend als Lustsklavin benutzte. Bei dem Gedanken stieg erneut die Wut in ihr hoch. Dieser elende Mistkerl konnte von Glück reden, dass sie in diesem Moment bloß ein Glas Champagner in der Hand gehalten hatte.
Die Aussicht, aufgrund der sexuellen Ausstrahlung eines Inkubus die Kontrolle über Körper und Verstand zu verlieren, fand sie nicht gerade verlockend. Schon ohne ihre Spezialfähigkeit, sich jede Frau gefügig machen zu können, waren diese Geschöpfe brandgefährlich. Kam aber auch noch ihre hypnotische Kraft dazu, gab es keine Frau auf Erden – ob nun ein normaler Mensch oder ein halber Engel wie sie –, die ihnen noch hätte widerstehen können.
Sogar der dunkelhaarige Dämon, der sie in Ebarrons Kasino mitgenommen hatte, besaß eine gewisse derbe Sinnlichkeit, die manche Frauen wohl attraktiv finden mochten. Ashayla gehörte definitiv nicht dazu.
Sie wusste nichts über ihn, außer dass sein Vorname Korda war. Aber mehr brauchte sie auch gar nicht zu wissen. Sie hatten sich erst gestern Abend kennengelernt, nachdem sie aus den Staaten kommend in Bukarest gelandet war. Ashayla hatte sich gleich in die Stadt begeben und war durch diverse Nachtklubs gezogen, um einen Inkubus aufzureißen, der ihr Zutritt zu diesem exklusiven Kasino verschaffen konnte.
Nachdem sie herausbekommen hatte, dass sich der festungsartige Wohn- und Geschäftssitz der Ebarrons in den Karpaten befand, mithilfe eines Reiseführers jedoch garantiert nicht zu finden war, hatte sie gewusst, dass sie einen Dämon benötigte, der sich zusammen mit ihr auf Inkubus-Boden teleportieren würde, wenn sie dorthin wollte.
Korda schien bereit, sie mitzunehmen. Er schien sogar fast zu bereitwillig, als wäre er erst nachträglich darauf gekommen, fünfhundert Euro für diese Gefälligkeit zu verlangen … eine Summe, die doppelt so hoch war als das, was sie dafür veranschlagt hatte.
Wenn sie für diese Reise – diesen Kreuzzug, um genau zu sein – nicht so hart gearbeitet und so lange gespart hätte, hätte es ihr wohl nicht so wehgetan, mit ansehen zu müssen, wie ihr gemieteter Begleiter ihr Geld samt einem hohen Anteil seines eigenen Vermögens am Roulettetisch buchstäblich wegwarf.
Aber dann rief sie sich wieder in Erinnerung, dass sie natürlich einen gepfefferten Preis dafür zahlen musste, bei Ebarron einzudringen … und ungefährlich war das Ganze auch nicht.
Im Sitz eines Inkubus-Hauses einen Diebstahl zu begehen – besonders in einem so eindrucksvollen wie diesem –, war wahrlich keine leichte Aufgabe.
Allerdings hatte der sture, arrogante Gebieter des Hauses Ebarron ihr keine andere Wahl gelassen.
Ashayla stieß die vergoldete Mahagonitür zur Damentoilette mit einem verärgerten Schnauben auf. Ebarrons unermesslicher Reichtum zeigte sich deutlich an jeder mit kostbarer Seide bespannten Wand sowie an den Originalgemälden, die überall hingen. Jeder Zentimeter des glänzend polierten schneeweißen Marmors unter ihren Stiefelabsätzen und die ausgeklügelte Beleuchtung, die selbst in den Toiletten des eleganten Kasinos installiert war, tat diesen Reichtum kund.
Das Vermögen, das dieses Inkubus-Geschlecht im Laufe der Jahrhunderte angehäuft hatte, war in seinem Ausmaß geradezu obszön. Was machte es da schon aus, wenn die Familie um einen unbedeutenden Gegenstand aus ihrem riesigen Schatz erleichtert würde?
»Gieriger Mistkerl«, brummte Ashayla, als sie die luxuriöse Damentoilette betrat.
Mehrere elegant gekleidete Frauen standen vor den Spiegeln und machten sich zurecht, während andere sich leise im angeschlossenen Ruheraum auf bequemen Samtsesseln und Sofas unterhielten. Die meisten waren Menschen, nur hier und da waren ein paar Nephilim zu sehen.
Alle Köpfe drehten sich ihr zu, als Ashayla hereinstürmte. Man konnte den verschütteten Champagner an ihr riechen und merkte ihr die Wut an, die sowohl wegen ihres Begleiters als auch wegen des Haupts des Hauses Ebarron in ihr brodelte.
Sie gehörte nicht hierher. Nephilim hin oder her … sie war eine Außenseiterin, die an einem vor Pracht überbordenden Ort gestrandet war, und diese Frauen wussten das. Konnten sie etwa erkennen, dass sie in Wirklichkeit eine neunundzwanzigjährige, am Hungertuch nagende Buchhalterin aus Chicago war, die gerade ihre letzten fünfhundert Euro ausgegeben hatte, nur um sich Zutritt zu diesem exklusiven Palast zu verschaffen?
Nahmen sie ihre Entschlossenheit wahr oder spürten sie einfach nur die pure Verzweiflung, die sie hierher getrieben hatte?
Voller Trotz erwiderte Ashayla die Blicke.
Diese Frauen und ihr missbilligendes, überhebliches Gehabe waren unwichtig. Denn nur die Meinung einer einzigen Frau spielte eine Rolle für sie, und das war ihre Großmutter. Die allmählich älter werdende Nephilim war die einzige Familie, die Ashayla noch hatte, seit ihre Mutter gestorben war, als sie selber noch ein kleines Kind gewesen war.
Zu Hause in Chicago war es jetzt Gran, die nach einem mehr als hundertjährigen Leben im Reich der Sterblichen auf den Tod wartete. Sie hatte wahrscheinlich nur mehr einige wenige Wochen, denn mit jedem Tag, der verging, wurde sie zarter und durchscheinender. Der Gedanke daran löste einen stechenden Schmerz in Ashaylas Brust aus, bestärkte sie aber auch in ihrer Entschlossenheit, ihren Plan heute Nacht in die Tat umzusetzen, egal, was da komme.
In all den gemeinsam verbrachten Jahren hatte Gran ihre Enkelin nie um etwas gebeten. Doch vor ein paar Monaten, als die alte Nephilim erkannt hatte, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleiben würde, hatte der Gedanke an einen Schmuckanhänger, ein Familienerbstück, das der Familie vor fast zwanzig Jahren abhandengekommen war, sie nicht mehr losgelassen.
Dass Ashaylas Mutter für den Verlust verantwortlich war – sie hatte den Schmuck ohne Grans Wissen im Pfandhaus versetzt –, machte Grans wachsenden Kummer noch schwerer erträglich.
Gran wollte den Schmuck zurückhaben. In letzter Zeit hatte sie von kaum etwas anderem gesprochen. Sie wollte ihn unbedingt wiedersehen, ihn noch einmal in der Hand halten, ehe sie starb, in dem Wissen, dass er wieder dort war, wo er hingehörte.
Entgegen allen Erwartungen war es Ashayla tatsächlich gelungen, den Anhänger mit dem Halbedelstein vom Pfandhaus quer durchs Land bis zu einem Juwelier zu verfolgen, der ihn an einen Antiquitätenladen in Kanada verkauft hatte. Von diesem war er dann mit anderen Klunkern und teurem Schnickschnack von einem privaten Sammler erworben worden. Bei diesem privaten Sammler handelte es sich, wie sie schließlich herausgefunden hatte, um das Haus Ebarron.
Ashayla hatte gedacht, ihre Suche wäre damit vorbei. Über Kommunikationswege der Nephilim hatte sie dem Herrn des Hauses Ebarron eine Nachricht zukommen lassen und ihm die Situation erklärt, doch ihre Bitte, den Anhänger zurückkaufen zu dürfen, war abgelehnt worden. Sie hatte ein weiteres, noch besseres Angebot unterbreitet, doch auch auf dieses war nicht eingegangen worden.
Im Verlaufe der letzten fünf Monate hatte sie es immer wieder versucht, doch jedes Mal war sie abgewiesen worden. Die Antworten von Sorin Ebarron liefen sinngemäß darauf hinaus, dass es sein Metier sei, interessante und wertvolle Gegenstände zu sammeln, und nicht, sie zu verscherbeln. In seiner letzten schriftlichen Erwiderung hatte er es kurz und bündig auf den Punkt gebracht: Schätze, die einmal in den Besitz des Hauses Ebarron übergegangen waren, wurden niemals wieder herausgegeben.
Wahrscheinlich hätte Ashayla lieber nicht auf diesen letzten Brief reagieren sollen, doch die Arroganz und Gleichgültigkeit des Gebieters des Hauses Ebarron hatte sie mehr in Rage gebracht als jemals zuvor etwas in ihrem Leben.
Wie konnte er es wagen, einer Sterbenden ihren letzten Wunsch abzuschlagen? Was für ein kaltherziger Mistkerl war der Herr des Hauses Ebarron eigentlich?
Er hatte ihr wirklich keine andere Möglichkeit gelassen.
Denn Gran würde diesen Anhänger in Händen halten, ehe sie ihren letzten Atemzug tat … egal, welche Risiken Ashayla eingehen musste, um ihn zurückzuholen. Nichts – und niemand – würde sie aufhalten.
Ihre Entschlossenheit gab ihr Kraft, und so trat Ashayla selbstbewusst an eines der Becken aus glänzendem Marmor mit goldenen Armaturen, um sich den Alkohol von den Händen und aus der Kleidung zu waschen. Als sie in den Spiegel schaute, musterte sie von dort ihr Gesicht mit einem festen Blick aus kobaltblauen Augen und einem entschlossen vorgeschobenen Kinn. Aber natürlich war sie innerlich trotzdem nervös.
Sie ging mit ihrem Plan, den Ebarrons ein Stück aus ihrem sagenhaften Schatz zu stehlen, ein enormes Risiko ein.
Aber sie war nicht mit leeren Händen hergekommen.
In einem ihrer hohen Stiefel war ein winziges Fläschchen mit einem Nephilim-Zaubertrank verborgen. Das auf dem Schwarzmarkt erworbene Elixier hatte sie fast ein ganzes Jahresgehalt gekostet … und damit all ihre Ersparnisse. Doch Geld könnte sie wiederbeschaffen, Grans Zeit dagegen war begrenzt. Und Ashaylas Aufgabe, die sie sich selber gesetzt hatte – ihrer Großmutter ein wenig Seelenfrieden zu schenken –, hatte sich ein sturer, unnachgiebiger Sorin von Ebarron in den Weg gestellt.
Deshalb hatte sie alles, was sie besaß, für eine einzige Dosis eines Zaubertranks ausgegeben, der sie unsichtbar machen konnte – völlig körperlos –, und zwar für volle acht Minuten, während der sie sich auf Dämonengrund befand. Nicht einmal der mächtigste Inkubus-Schutzzauber würde sie daran hindern können, Ebarrons Schatzkammer zu betreten.
Sie musste sich jetzt nur noch auf die Suche nach diesem geheimen Ort machen, den Zaubertrank zu sich nehmen und wie ein Geist in das Gewölbe eindringen.
Dann konnte sie nur noch hoffen, Grans Schmuck schnell zu finden, um gleich darauf in Windeseile zu verduften, ohne dass sie von Ebarrons Wächtern oder sonst jemand ertappt wurde.
Und das alles in weniger als acht Minuten.
Jedes Mal, wenn sie den Plan in ihrem Kopf durchgespielt hatte, war er ihr vernünftig erschienen. Verdammt riskant zwar, aber machbar. Doch jetzt spürte sie ein ungutes Gefühl in sich hochkommen, das stark an Angst erinnerte.
Wenn es ihr nun doch nicht gelänge, den Anhänger zu finden? Wenn man sie erwischte …
An beide Möglichkeiten mochte sie noch nicht einmal denken.
Und je länger sie jetzt mit der Durchführung zögerte, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Begleiter oder jemand anderes vom Tisch unruhig wurde, weil sie schon zu lange weg war.
Ashayla trocknete sich die Hände ab, atmete tief durch und verließ die Damentoilette. Statt jedoch zum Spielzimmer zurückzukehren, schlug sie die entgegengesetzte Richtung ein und begab sich tiefer in das Gewirr aus Gängen, die sie an prächtig ausgestatteten Räumen vorbeiführten.
Ihre eigenen Nachforschungen und die Gerüchte, die kursierten, ließen vermuten, dass das Haus Ebarron seinen Schatz irgendwo unter dem Kasino versteckte. Ashayla bewegte sich gemächlich, aber zielstrebig vorwärts, wobei sie gelegentlich stehen blieb, um einige der unbezahlbaren Meisterwerke, die an den Wänden hingen, zu bewundern, während sie sich verstohlen nach Dutzenden von dunkel gekleideten Wachtposten umschaute, die im ganzen Kasino postiert waren.
Sie glitt durch eine Promenade aus eleganten Bögen und gewölbten Decken, ohne drei hübsche kleine Monets auch nur eines Blickes zu würdigen, während sie sich ganz auf die Positionen von Ebarrons Wächtern konzentrierte. Die waren überall. Große, muskulöse Inkubi, die die Besucher mit Adlerblick im Auge behielten.
Während Ashayla tiefer in die Festung vordrang und sich den privaten Räumlichkeiten des Kasinos näherte, ging ihr allmählich erstmals die ganze Tragweite dessen auf, was sie da vorhatte. Jede kunstvoll verzierte Tür, jeder Gang schien über eine eigene, speziell dafür vorgesehene Sicherheitseinrichtung zu verfügen.
Verdammt!
Es würde nahezu unmöglich sein, unbemerkt an den Wachtposten vorbeizuhuschen.
Das bedeutete nichts anderes, als dass sie den Zaubertrank schon zu sich nehmen musste, ehe sie die Schatzkammer überhaupt gefunden hatte, was ihr noch weniger Zeit ließe, um den Schmuck an sich zu nehmen und damit zu flieh…
»Haben Sie sich verlaufen?«
Die ruhige, tiefe Stimme ließ sie wie angewurzelt stehen bleiben. Mist! So viel also zu den Wachtposten, die offensichtlich ihre Augen überall hatten …
Ashayla zwang sich zu einem Lächeln und drehte dann langsam den Kopf, um den Wächter anzuschauen. »Ich wollte gerade, äh …«
Gütiger Himmel! Der sah ja einfach umwerfend aus. Der über einen Meter neunzig große Mann hatte goldenes Haar, sonnengebräunte Haut und ein atemberaubend schönes Gesicht, das eher einem Engel angemessen gewesen wäre als einem von Dämonen abstammenden Inkubus.
Ashayla hatte plötzlich einen ganz trockenen Mund. In ihrem restlichen Körper breitete sich langsam Wärme aus, während sie ihn anstarrte. Ihre Weiblichkeit reagierte ohne ihr Zutun auf die Gegenwart des Sexdämons. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Hitze stieg in ihr auf und strömte von ihrem Busen hinab in tiefere Regionen ihres Körpers.
Sie versuchte, die sinnliche Wahrnehmung, die durch ihre Glieder bis in ihr Blut schoss, zu ignorieren, doch er übte eine überraschend starke Anziehungskraft aus.
Ihr war völlig klar, dass er sie gar nicht zu verlocken versuchte. Doch wenn der sexuelle Reiz, den er im Ruhezustand ausstrahlte, schon so stark war, welche Macht besäße er dann erst, wenn er auch noch seinen Dämonenzauber zu Hilfe nahm?
Das wollte sie gar nicht erst herausfinden. Da war sie sich ganz sicher.
Wie allen Inkubi sah man auch ihm sein wahres Alter nicht an. Rein äußerlich schien der Wächter mit dem schwarzen Anzug und dem strahlend weißen Hemd Mitte dreißig zu sein. Doch in Wahrheit konnte er auch viel, viel älter sein.
Als sie nicht in der Lage schien zu antworten, verschränkte er die Arme vor der muskulösen Brust und durchbohrte sie mit seinem argwöhnischen Blick aus topasfarbenen Augen. »Ich habe Ihnen eine Frage gestellt. Was haben Sie hier zu suchen?«
Sein souveränes Auftreten spiegelte sich auch in seinem Tonfall wider. Und seine tiefe Stimme faszinierte zusätzlich durch den Anflug eines rumänischen Akzents, der wie dunkler, roter Wein über seine Lippen floss.
Ashayla riss sich so weit zusammen, um mit einer glaubhaften Entschuldigung aufwarten zu können. Zwar wollte sie so schnell wie möglich von ihm weg, zugleich aber auch den Eindruck vermeiden, sie hätte etwas zu verbergen. Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen.
»Ich war gerade dabei, all diese herrlichen Kunstwerke zu bewundern.« Dabei zeigte sie beispielhaft auf ein stimmungsvolles spätimpressionistisches Gemälde, bei dem es sich offensichtlich um einen unbekannten Van Gogh handelte. »Ich habe noch nie eine derartig beeindruckende Sammlung aus solcher Nähe gesehen.«
Das Bild war wie all die anderen, die an den mit Seide bespannten Wänden im prunkvollen Kasino hingen, eindeutig ein Original, das in jedem Museum nur in einer Vitrine aus dickem Sicherheitsglas hinter meterlangen Absperrseilen ausgestellt worden wäre.
Nicht so bei den Ebarrons. Diese zeigten ihre Beute ganz offen, und jeder wäre in der Lage, so nah an das Meisterwerk heranzutreten, dass er es berühren könnte.
Doch sie schienen sich ganz sicher zu sein, dass keiner es je wagen würde.
Eine derartige Arroganz war überwältigend.
Ashayla zwang sich zu einem sanften Lächeln. »Ich hätte erwartet, dass so unbezahlbare Werke hinter Schloss und Riegel verwahrt werden … zum Beispiel in der Schatzkammer des Hauses, wo auch die anderen legendären Reichtümer der Ebarrons ihren Platz haben sollen.«
Das war ein ziemlich verzweifelter Versuch, an Informationen heranzukommen – ein kleiner Hinweis würde ihr ja schon genügen –, um endlich in Erfahrung zu bringen, wo dieses mysteriöse Gewölbe lag. Aber der Wächter schien nicht geneigt, ihren Köder zu schlucken.
Er näherte sich ihr jetzt mit geschmeidigem Schritt, der an die Bewegungen einer großen Raubkatze erinnerte. »Ist es nicht besser, sie nicht einfach wegzusperren? Hier draußen kann jeder ihren Anblick genießen.«
Ashayla schnaubte leise. »Vielleicht will das Haus Ebarron ja auch nur, dass alle vor Augen haben, was sie niemals besitzen werden.«
Die von dunklen Wimpern umrahmten Augen des Inkubus wurden schmal. Er trat ganz nah an sie heran und stellte sich neben ihr vor das Gemälde. Mit allen Sinnen nahm sie seinen Duft wahr … würzig, warm und absolut männlich. Sie merkte, wie sein prüfender Blick sich verstärkte, und verfluchte sich für die spitze Bemerkung, die ihr herausgerutscht war.
»Ich habe Sie noch nie hier gesehen, Nephilim.« Sein Blick ruhte wie ein deutlich spürbares Gewicht auf ihr. Durchdringend, hitzig und viel zu verlockend. »Sie sind Amerikanerin?«
Diese Unterhaltung wollte sie nun wirklich nicht mit ihm führen. Einen bleibenden Eindruck bei einem von Ebarrons Wächtern zu hinterlassen, konnte sie ja überhaupt nicht brauchen; ganz abgesehen davon, dass ihr Fragen gestellt wurden, die zu beantworten sie nicht die geringste Absicht hatte.
»Ich sollte ins Roulettezimmer zurückkehren. Mein Begleiter vermisst mich bestimmt bereits …«
Der durchdringende Blick des Wächters ließ sie nicht los. »Wie lange kennen Sie Korda Marakel schon?«
Ashayla erstarrte. Woher wusste er …? Ach ja, natürlich, reimte sie es sich selber gleich zusammen, die Überwachungskameras! Das Kasino war bestimmt mit unzähligen bestückt.
Noch eine Hürde, die sie nehmen musste.
»Ich habe ihn erst vor Kurzem kennengelernt. In Bukarest«, erwiderte sie, denn sie nahm an, dass es am sichersten war, wenn sie sich an die Wahrheit hielt. Oder zumindest an etwas, das den Tatsachen nahekam. Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ich mache hier Urlaub, und das berühmte Ebarron-Kasino ist etwas, das ich immer schon sehen wollte. Korda bot an, es mir zu zeigen.«
»Ach ja?« Der Inkubus legte den Kopf auf die Seite und schien noch faszinierter. Mit durchdringendem Blick musterte er sie auf eine Art und Weise, dass sich das sinnliche Vibrieren in ihren Gliedern bis in ihren Schoß ausweitete. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie hergekommen sind, um zu spielen, Miss …?«
So wie er die Frage stellte, wie er versuchte, ihr ihren Namen zu entlocken, entstanden auf einmal ungebetene hocherotische Bilder in ihrem Kopf. Sie konnte plötzlich nur noch an zerwühlte Laken denken, an leises Stöhnen und seinen goldenen Kopf, der sich zwischen ihre gespreizten Schenkel schob.
Allmächtiger!
Löste er das absichtlich in ihr aus, oder war das ihre eigene Fantasie, die sich da ungezügelt austobte?
Ashayla blinzelte verwirrt und trat zurück. Sie brauchte den Abstand.
Dieser Mann war mehr als gefährlich. Sie musste sofort von ihm weg und hoffte, dass er eine andere Frau auftrieb, die ihn ablenkte, während sie herauszufinden versuchte, wie sie ihr Vorhaben angehen sollte.
Beklommen fuhr sie sich mit der Zunge erneut über die Lippen und räusperte sich. »Wie ich schon sagte … ich muss zurück zu meinem Begleiter, äh, Korda. Wo geht’s zum Roulettezimmer?«
»Ich bringe Sie hin.«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf und wich vor dem Wächter zurück. »Das ist wirklich nicht nötig. Ich bin mir sicher, dass ich den Weg alleine finde.«
Sein Mund verzog sich zu einem unfreundlichen Lächeln. »Ich bestehe darauf.«
Ashayla blieb keine andere Wahl. Sie schloss sich ihm an und ging schweigend mit ihm zurück zum Spielzimmer, wo Korda bereits wartete. Ihr entging nicht, dass der Wächter alle Blicke – sowohl der Frauen als auch der Männer – auf sich zog. Alle Gäste im Kasino sahen ihn mit unverhüllter Neugier an.
Voller respektvoller Ehrfurcht.
Und plötzlich erfasste Ashayla eine schreckliche Furcht.
Es war ein Fehler gewesen, mit diesem Inkubus zu reden, sich an seiner Seite im Kasino sehen zu lassen.
»Korda«, sagte er leise, als er sie zum Roulettetisch führte. Es klang eher anklagend denn wie eine Begrüßung.
Ashaylas gemieteter Begleiter setzte ein spöttisches Grinsen auf, das sie nicht begriff. »Bist du hergekommen, um mich mit einem Fußtritt rauszubefördern, alter Freund?«
»Nein. Ich habe da eine viel bessere Idee.« Der Wächter, der offenbar gar kein Wächter war, gab dem Croupier ein Zeichen. »Ich habe beschlossen, ein paar Runden zu spielen.«
»Ja, Master Sorin. Selbstverständlich.«
Ashayla verharrte in fassungslosem Schweigen und wusste nicht einmal, ob sie überhaupt noch atmete.
Unbeweglich stand sie da und war hin- und hergerissen zwischen Verachtung und dem Eingeständnis ihrer Niederlage, als der Herr des Hauses Ebarron – ihr in den letzten fünf Monaten so verhasst gewordener Widersacher – sich neben ihr an den Tisch stellte.
Als Sorin sich neben die Frau stellte, sodass sie zwischen ihm und Korda am Roulettetisch stand, hätte er schwören können, zu spüren, wie die Raumtemperatur um ein paar Grad fiel.
Vorhin in der Galerie waren ihre faszinierenden dunkelblauen Augen voller Glut gewesen, als sie ihn angeschaut hatte. Die seidige Haut ihrer Wangen hatte eine zarte Röte aufgewiesen, und er hatte ihr Verlangen nach ihm wie eine zärtliche Berührung wahrgenommen.
Als Inkubus hatte Sorin so feine Sinne, dass er sexuelles Interesse und Erregung deutlich zu spüren vermochte. Noch vor Kurzem hatte die Nephilim vor beidem förmlich gefunkelt.
Doch jetzt hatte er das Gefühl, sie hätte eine Mauer aus Eis um sich errichtet. Er meinte sogar zu fühlen, dass sie sich mühsam beherrschen musste, um ihm nicht ihre Verachtung zu zeigen.
Interessant.
Die meisten Frauen hätten sich überschlagen, nur um in die Nähe des Gebieters eines der Inkubus-Häuser zu gelangen. Sie nicht. Er war sicher, dieser Frau noch nie begegnet zu sein, doch es war eindeutig, dass sie ihn verabscheute.
Warum? Das musste er unbedingt herausfinden.
Noch mehr erpicht aber war er darauf, wieder ihr Verlangen zu spüren … es zu kosten.
Von ihr zu kosten.
Das anerkennende Knurren, das unwillkürlich über seine Lippen kam, ließ sie ein paar Zentimeter vor ihm zurückweichen. Doch Sorin gewährte ihr diesen Abstand nicht, sondern rückte nach, als der Croupier das Rad drehte und die ersten Einsätze am Tisch entgegennahm. Korda spielte vorsichtig, indem er auf zwei nebeneinanderliegende Zahlen wettete. Sorin sagte eine einzelne Zahl an und schob die Hälfte seiner Jetons auf Schwarz.
Die neben ihm stehende Nephilim zog eine ihrer schmalen Brauen hoch. Er konnte sehen, wie sie im Geiste zusammenrechnete, dass er gerade wohl mehrere Zehntausend Euro gesetzt hatte, aber sie würdigte ihn keines Blickes … noch nicht einmal, als Sorin sein Bein an ihrem Schenkel entlangstreichen ließ.
Aber er merkte, wie ihr bei der kurzen Berührung der Atem stockte. Gleichzeitig spürte er, dass ihr Herzschlag sich beschleunigte, und es gelang ihm gerade noch, sich daran zu hindern, sie noch viel intensiver zu berühren, während die Kugel im langsamer werdenden Roulettekessel klapperte.
Oh ja, sie wollte ihn … sogar jetzt noch.
Aber sie war fest entschlossen, es zu ignorieren und es weder sich selbst noch ihm einzugestehen.
War es wegen des Inkubus, der an ihrer anderen Seite stand? Sorin bezweifelte das. Auch an Korda Marakel schien sie kein Interesse zu haben.
Was für ein Spielchen hatte sie also im Sinn?
Stocksteif stand sie da und sah stur geradeaus, während die Kugel in ein Nummernfach fiel und der Croupier den Gewinner ausrief. »Zwanzig, schwarz. Ich gratuliere, Master Sorin.«
Bei der nächsten Drehung gewann er ebenfalls, und alle Spieler außer Korda Marakel traten mit von Ebarrons Bank geleerten Taschen vom Tisch zurück.
Korda hatte nur noch ein paar Tausend Euro in Jetons. Der Inkubus lachte leise, während er mit dem schwindenden Häufchen spielte. »Worum geht’s, alter Freund? Ist das so eine Art Rache wegen der Sache mit Greta?«
Sorin grinste nur spöttisch angesichts der verbalen Spitze. »Wäre ich auf Rache aus, hättest du schon vor langer Zeit dafür bezahlt, alter Freund.« Jetzt sah die Nephilim ihn doch verwirrt mit ihren nachtdunklen Augen an. Sorin erwiderte ihren Blick, doch seine Worte waren an den Dämon an ihrer Seite gerichtet. »Du befindest dich in meinem Haus. Wenn du spielen willst, solltest du darauf gefasst sein zu verlieren.«
Es überraschte ihn, als sie leise schnaubte. »Zweifellos insbesondere in Ihrem Haus.«
Ihr Vorwurf kam so unerwartet, dass es ihn verdutzte. Sorin sah sie mit schief gelegtem Kopf an. »Wollen Sie damit andeuten, dass die Ebarrons sich dazu herablassen, zu betrügen?«
»Sagen Sie es mir.« Ihre entspannte Miene war völlig ausdruckslos.
Aufreizend ausdruckslos.
Als der Croupier das Rad wieder in Bewegung setzte und um die Einsätze bat, streckte Sorin den Arm aus und griff nach der Hand der Nephilim.
Erschrocken holte sie Luft, als seine Finger sich um ihre schlossen. »Was machen Sie …?«
Ohne eine Erklärung abzugeben, zog er ihre Hand zu sich, wobei er ihren rasenden Pulsschlag an den Fingerspitzen spürte. Bei der Berührung ging ein Ruck wie ein Stromschlag durch seinen Körper, und innerhalb von Sekunden war er hart.
Verunsichert sah sie ihn mit großen Augen an. Aber außer ihrer Verwirrung spürte er jetzt auch ihre Neugier. Die eisige Fassade, die sie ihm präsentierte, konnte die Glut nicht verbergen, die immer noch in ihr brodelte.
Ein gefährliches Lächeln glitt über Sorins Züge. Er war daran gewöhnt, zu bekommen, was er wollte, und in diesem Moment konnte er an nichts anderes denken, als diese kühle Blondine zu einem Orgasmus zu bringen, der sie in den Grundfesten erschüttern würde. Er könnte es gleich jetzt tun. Er brauchte nur seinen Dämonenzauber heraufzubeschwören, doch was hätte er davon?
»Sie scheinen zu denken, dass ich nicht fair spiele«, erklärte Sorin mit leiser Stimme, während er ihre Hand zu dem Stapel Jetons führte, der vor ihm lag. »Deshalb möchte ich, dass Sie diesmal für mich setzen.«
»Nein, ich …« Sie schüttelte den Kopf. Obwohl sein Griff um ihre Hand nicht sonderlich fest war, versuchte sie nicht, sich ihm zu entziehen.
»Wir wissen beide, dass es genau das ist, was Sie wollen.« Sein Lächeln verstärkte sich bei der doppeldeutigen Bemerkung, und er konnte sehen, dass sie intelligent genug war, um die versteckte Anspielung zu verstehen. »Na los«, forderte er sie auf. »Mein Vermögen steht ganz zu Ihrer Verfügung.«
Ihre zarten Züge verkrampften sich bei seinen Worten leicht, und als Sorins Hand sich von ihrer löste, schob sie den ganzen Haufen Jetons über den Tisch auf die rote Fünf.
Auf der anderen Seite von ihr lachte Korda leise. Dann setzte er die gleiche Summe auf eine schwarze Zahl.
Die schwarze Zahl gewann.
Sorin entging die Genugtuung nicht, die sich auf dem Gesicht der Frau abzeichnete, als seine Jetons vom Croupier mit dem Rechen eingezogen wurden. »Ich gehe davon aus, dass das Ihre Frage nach der Seriosität meines Hauses beantwortet.«
Sie bedachte ihn mit einem frostigen Blick. »Eigentlich nicht. Denn was haben Sie hier schon groß verloren? Sie haben Ebarron-Vermögen einfach nur von einer Tasche in die andere verschoben.«
»Das ist wahr«, brummte er. »Aber zu verlieren, egal wann oder wo, missfällt mir immer. Ich habe nicht die Gewohnheit, etwas aufzugeben, was mir gehört.«
»Das ist mir schon zu Ohren gekommen.«
»Ach ja? Wer hat Ihnen das erzählt?« Verdammt noch mal, die Frau war schon fast offen feindselig ihm gegenüber! »Kennen Sie mich? Ich habe Sie vorhin nach Ihrem Namen gefragt, aber Sie haben ihn mir nicht genannt.«
Als sie ihm nur mit eisigem Schweigen begegnete, antwortete Korda für sie. »Sie hat mir gesagt, dass sie Asha heißt.«
»Asha«, wiederholte Sorin und lauschte dem Klang, als er sich ihren Namen auf der Zunge zergehen ließ. »Asha, und weiter? Und von woher kommen Sie?«
Sie schluckte, doch sie sah ihn mit ihren dunkelblauen Augen weiter trotzig an. »Asha … Messenger«, erwiderte sie schließlich, doch ihre Antwort klang zu gestelzt, um wahr zu sein. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich bin aus New York.«
Sorin musterte sie. Höchstwahrscheinlich waren sie einander noch nie begegnet, und ob der Name nun stimmte oder nicht … er klang vage vertraut.
Gleichwohl hielt sie noch etwas anderes vor ihm zurück. Das spürte er. Als Spieler war er es gewohnt, nach den winzigsten Hinweisen zu suchen, mit denen seine Gegner sich verrieten, und er merkte es immer sofort, wenn sich jemand nicht in die Karten schauen lassen wollte.
Und Asha Messenger aus New York wollte er gerne Blatt für Blatt erkunden.
Er wollte allen Hinweisen nachgehen, jeden Zentimeter ihrer seidigen Haut erforschen … mit sengender, intimer Sorgfalt.
Mit anderen Worten: Es war an der Zeit, Korda Marakel loszuwerden.
Sorin sah zum Croupier und nickte ihm unmerklich zu. Eine unausgesprochene Anweisung, die das Rad wieder zum Drehen brachte. Als der Croupier die Kugel in den Kessel warf, beugte Sorin sich vor, um an Asha vorbei seinen Rivalen anzuschauen. Er deutete auf seinen riesigen Haufen Jetons, der den seines Gegners weit in den Schatten stellte. »Alles oder nichts. Bist du dabei?«
Korda sah ihn an und zögerte. Er war skeptisch. Doch wie erwartet überwältigte den Inkubus die Gier. Er nannte eine Zahl und schob seinen ganzen Haufen auf den Tisch.
Sorin tat das Gleiche und setzte all seine Jetons auf dasselbe rote Feld, das Asha eben noch ausgewählt hatte.
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. »Die Zahl hat bereits einmal verloren.«
Er legte den Kopf auf die Seite. »Machen Sie sich Sorgen um mich?«
Sie schnaubte wenig damenhaft. »Kein bisschen.«
Statt dem Lauf der Kugel zu folgen, die in dem langsamer werdenden Kessel von Feld zu Feld hüpfte, beobachtete Sorin völlig gebannt Asha. Sie hatte den Atem angehalten und biss sich auf die Unterlippe, während sie die zarten Brauen zusammengezogen hatte und der Blick ihrer dunkelblauen Augen an der Kugel hing.
»Na los. Auf Schwarz«, flüsterte sie. »Weiter … weiter.« Sie warf Sorin einen Seitenblick zu, und der lachte leise.
Wann war er eigentlich das letzte Mal einer Frau begegnet, die nicht nur den Mut gehabt hatte, bei irgendetwas gegen ihn zu setzen, sondern dann auch noch so offen zu sticheln? … und dieses Verhalten auch noch von einer Nephilim, die ganz genau wusste, dass er nicht irgendein niederer Cousin der Ebarrons war, sondern der Gebieter dieses mächtigen Geschlechts.
Dass sie es an Hochachtung fehlen ließ, hätte ihn verärgern sollen, doch stattdessen war er fasziniert.
»Fünf, Rot«, verkündete der Croupier.
Asha gab einen enttäuschten Laut von sich. Korda Marakel wurde deutlich lauter. Er fluchte und stieß sich vom Tisch ab, wobei er sich mit einer Hand durch das dunkle Haar fuhr. »An dem Kessel ist manipuliert worden. Anders kann es nicht sein.«
»In diesem Raum gibt es nur einen Betrüger, und das bin nicht ich. Du hast es auf einen Versuch ankommen lassen und verloren.« Sorin zuckte lässig mit den Achseln und erwiderte den Blick seines Rivalen. »Dieser Tisch wird für den Rest des Abends geschlossen.«
Korda ging vor Wut in die Luft. »Du elender Mistkerl! Ich will noch eine Chance, mein Geld zurückzugewinnen.«
Sein Ausbruch zog die Blicke vieler Gäste, die an anderen Tischen im Roulettezimmer standen, auf sich. Mehrere von Ebarrons Wachmännern verließen ihre Posten und rückten näher, ehe die Situation weiter eskalieren konnte. Milo führte die Schar der bedrohlichen Inkubus-Garde an.
Sorin nickte ihm kurz zu, und der Captain der Wächter legte seine Hand fest auf Kordas Schulter. »Es ist an der Zeit zu gehen.«
»Nur zu gern«, knurrte er. »Asha, lass uns gehen.«
Sie rührte sich nicht.
Sorin blickte sie an und wartete darauf, dass sie sich ihrem sogenannten Begleiter anschloss. Fragend zog er eine Augenbraue hoch. Ihr Zögern machte den Eindruck, als befände sie sich in einem Zwiespalt: Einerseits konnte sie gar nicht schnell genug von ihm wegkommen, andererseits vermochte sie ihre Füße nicht dazu zu bringen, sich in Bewegung zu setzen.
Sorin war nur zu gern bereit – da sie so unschlüssig war –, für sie einzuspringen. »Führt Marakel nach draußen. Die Dame wird so lange hierbleiben, wie sie möchte … als mein persönlicher Gast.«
Milo und die anderen Wächter gehorchten sofort und begleiteten den sich verwirrt beschwerenden Inkubus aus dem Roulettezimmer hinaus.
Als nur noch Sorin und Asha am Tisch standen, wandte er ihr seine ganze Aufmerksamkeit zu. Er stützte sich mit einem Ellbogen auf den großen Tisch und sah ihr in die dunkelblauen Augen. Unwillkürlich musste er lächeln, weil er diese faszinierende Frau jetzt ganz für sich allein hatte. »Es scheint so, als hätten Sie doch Interesse am Spielen.«
Ihr Kinn kam ein bisschen höher. »Ich mag keine Spiele.«
»Und doch sind Sie hier.« Er senkte die Stimme, sodass nur sie hörte, was er zu sagen hatte, während ein Lächeln um seine Lippen zuckte. »Auch wenn Sie es mir gegenüber nicht zugeben wollen, habe ich doch den Eindruck, dass Sie gern Risiken eingehen.«
Etwas blitzte in ihren Augen auf. »Ich habe definitiv keine Angst davor.«
»Nein«, sagte er und lachte leise. »Das kann ich sehen.«
Verflucht noch eins, sie war wirklich eine äußerst verführerische Frau! Das hatte er früher am Abend bereits auf den ersten Blick von der Empore aus gesehen und später auch in der Galerie.
Jetzt, wo er allein mit ihr war … nah genug, um sie zu berühren, nah genug, um den süßen, warmen Duft ihrer Haut einzuatmen, konnte Sorin den Blick nicht mehr von ihr losreißen. Er hatte sich bereits mindestens hundert verschiedene Arten einfallen lassen, wie er sie nehmen wollte.
Jetzt musste er sie nur noch davon überzeugen, dass sie ihn auch wollte.
»Wie wäre es mit einer kleinen Runde Roulette, Asha aus New York? Nur wir beide?« Er zeigte auf das Roulette und den Croupier, der auf Anweisungen wartete. »Hätten Sie Lust, es mit mir aufzunehmen?«
Sie überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Ich habe kein Geld. Ich habe alles dafür ausgegeben, um hierherzukommen.«
Sorin ließ sich nicht beirren. »Ich gewähre Ihnen Kredit. Es sind keine Bedingungen damit verknüpft.«
Auf sein stummes Zeichen hin häufte der Croupier Jetons zu mehreren Stapeln und schob diese vor Asha. Sie zog die Augenbrauen hoch, doch als sie Sorin ansah, lag Argwohn in ihrem Blick. »Warum tun Sie das?«
»Weil Sie mich faszinieren und ich noch nicht bereit bin, Sie einfach gehen zu lassen.«
»Ich fasziniere Sie«, wiederholte sie zurückhaltend, fast schon misstrauisch. »Was genau soll das bitte schön heißen?«
»Sie erregen mich.« Sorin rückte näher, sodass sein Mund nur noch wenige Zentimeter von ihren Lippen entfernt war. »Ich will Sie, reizende Asha, und ich überlege gerade, wie ich Sie am besten verführe. Ist das genau genug?«
Seine dreiste Freimütigkeit ließ ihr herausforderndes Auftreten etwas ins Wanken geraten. Sie war kein verhuschtes Etwas, aber seinem Blick schien sie jetzt auch nicht mehr standhalten zu können. Sie drehte den Kopf und sah das kleine Vermögen an, das aufgehäuft vor ihr lag. »Und wenn ich jetzt sage, dass ich gehen möchte?«
»Dann gehen Sie einfach … nehmen die Jetons und wechseln sie in Bargeld um. Keiner wird Sie aufhalten.«
Sie sah ihn mit großen Augen an. »Sie würden mich tatsächlich mit mehr als zwanzigtausend Euro hier einfach rausgehen lassen?«
»Das würde ich, ja.«
Sie schüttelte den Kopf und lachte kurz auf. »Dann sind offensichtlich Sie derjenige, der gern Risiken eingeht.«
»Nein, Asha.« Er streckte die Hand aus und unfähig, sich noch länger zurückzuhalten, strich er mit den Fingern über ihre seidenweiche Wange. »Ich gewinne gern.«
Er nickte dem Croupier zu, und der setzte das Rad in Bewegung. Asha rührte sich nicht. Himmel noch mal, soweit Sorin das erkennen konnte, atmete sie kaum, während er neben ihr darauf wartete, dass sie die Herausforderung annahm oder ihn unumwunden abwies.
Eine unausgesprochene, aber fast schon greifbare Spannung knisterte zwischen den beiden und verschärfte sich noch mit jeder Drehung des Rades. Ohne den Blick von ihr zu nehmen, setzte Sorin seine Jetons.
»Jetzt sind Sie dran«, forderte er sie leise auf. »Das ist Ihre letzte Chance wegzulaufen.«
Sie schluckte und sah ihn unverwandt an. Ein Tumult aus unterschiedlichen Emotionen tobte in ihren dunkelblauen Augen. Unsicherheit. Misstrauen. Wut. Verachtung.
Und, ja, auch Verlangen.
Sorin hatte in seinem Leben schon viel gewettet und gelernt, andere Leute auf einen Blick zu durchschauen. Und trotzdem war ihm diese Frau ein Rätsel. Dass sie blieb, war für ihn jetzt so überlebensnotwendig wie die Luft zum Atmen. Dennoch wappnete er sich für den Moment, in dem sie ihre Jetons zusammenraffte und genauso geheimnisvoll aus seinem Leben verschwand, wie sie aufgetaucht war.
Aber sie ging nicht.
Asha wollte schon nach einer großen Handvoll Jetons greifen, als sie zögerte und ihre schlanken Finger über den Stapeln verharrten. Der Blick, den sie ihm zuwarf, war nachdenklich, als würde auch sie irgendwelche Chancen durchrechnen. Dann schüttelte sie kurz ihren hellblonden Kopf. »Ich bin schon zu weit gegangen, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Ich bin drin.«
Sorin grinste, mehr als nur ein wenig erfreut. »Gut.«
Die Nephilim grummelte etwas vor sich hin und nannte dann ihre Zahl. Doch gleich darauf überraschte sie ihn, als sie die Hände von ihren Jetons nahm. »Ich bin drin, aber Ihr Geld will ich nicht.«