Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen - Jan Frölich - E-Book

Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen E-Book

Jan Frölich

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Beschreibung

Was macht Medienkonsum mit Kindern und Jugendlichen? Welche Folgen hat der Medienkonsum für die psychische und körperliche Gesundheit von Kindern und Jugendlichen? Wann kann man von einem Suchtverhalten sprechen? Dieses Buch beschreibt aus klinisch-psychiatrischer Sicht die veränderten Sozialisationsbedingungen, die durch die Nutzung digitaler Medien ausgelöst werden, und deren Folgen für Kinder und Jugendliche. Die Autoren gehen dabei detailliert auf die Gefahren exzessiver Mediennutzung ein. Psychopathologische Risikokonstellationen werden anhand von Fallbeispielen praxisnah erörtert. Die Diagnosekriterien werden eingehend behandelt. Auf die zentrale Frage, wie eine effektive und nachhaltige Therapie geplant und durchgeführt werden kann, wird ausführlich eingegangen. Thematisiert werden aber auch Nutzungsmöglichkeiten digitaler Medien vor allem im Bereich von E-Learning.

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Seitenzahl: 415

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Cover for EPUB

Jan Frölich | Gerd Lehmkuhl

Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen

Risiken und Chancen

Schattauer

Impressum

Priv.-Doz. Dr. med. Dr. päd. Jan Frölich

Zentralinstitut für seelische Gesundheit (ZI)

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters

Postfach 12 21 20

68072 Mannheim

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Gerd Lehmkuhl

Stübbenstraße 10

10779 Berlin

E-Mail: [email protected]

Besonderer Hinweis:

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Das vorliegende Buch ist die komplett überarbeitete und erweiterte Neuauflage von:

Frölich, J. & Lehmkuhl, G. (2012). Computer und Internet erobern die Kindheit. Vom normalen Spielverhalten bis zur Sucht und deren Behandlung. Stuttgart: Schattauer.

Schattauer

www.schattauer.de

© 2023 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Gestaltungskonzept: Farnschläder & Mahlstedt, Hamburg

Cover: Bettina Herrmann, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von © istock/patat

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

ISBN 978-3-608-40068-7

E-Book ISBN 978-3-608-11951-0

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20587-9

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

1 Prolog: Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen – eine kontroverse Diskussion

2 Medien bestimmen die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen

2.1 Besitz und Zugang zu Medien

2.2 Mediennutzung bei Jugendlichen

Die schulische Nutzung von Medien

Die Nutzung von Medien in der Freizeit

2.3 Stellenwert von Medien im Alltag Jugendlicher

Nutzungszeiten

Nutzungsinhalte

2.4 Mediennutzung bei Kindern

Themeninteressen

Genutzte Medien, Medienkompetenz und Freizeitverhalten

Nutzungsdauer von Medien

Die Haltung der Eltern

Empfehlungen für Bildschirmzeiten

Mediennutzung im Langzeitverlauf

2.5 Computer-, Konsolen- und Online-Spiele

Spiele bei Jugendlichen

Spiele bei Kindern

2.6 Internationale Studien zur Mediennutzung

Europäischer Forschungsverbund EU Kids Online

Großbritannien

Vereinigte Staaten

3 Auswirkungen auf kognitive und sozio-emotionale Prozesse

3.1 Vorbemerkung

3.2 Einfluss digitaler Mediennutzung auf das Gehirn

3.3 Auswirkungen spezieller Medienaktivitäten

Computerspiele

Fernsehen

3.4 Spezifische kognitive Auswirkungen

Aufmerksamkeitsprozesse

Gedächtnis

3.5 Sozio-emotionale Auswirkungen

4 Mediales Multitasking

4.1 Häufigkeit von Multitasking

4.2 Definition, Einflussgrößen und Modelle

4.3 Neurologische Strukturen

4.4 Kognitionspsychologische Faktoren

4.5 Entwicklungspsychologie und Lernprozesse

4.6 Folgen für das psychische Befinden

5 Mediennutzung und schulische Leistung

5.1 Allgemeine Nutzung von Bildschirmmedien

5.2 Einfluss von Computerspielen

5.3 Einfluss sozialer Medien

6 E-Learning differenziert betrachtet

6.1 Digitale Bildung in der Schule

6.2 E-Learning – Pro und Contra

6.3 Methoden und Einsatzmöglichkeiten

6.4 Digitale versus analoge Lernmedien

6.5 Die Sicht der Lehrer und der Schüler

7 Mediennutzung und Schlaf

8 Mediennutzung und körperliche Gesundheit

9 Gewaltbezogene Computerspiele und aggressives Verhalten

10 Cybermobbing

11 Pornografie im Internet

12 Computerspiele und Internetnutzung unter rechtlichen Aspekten

12.1 Jugendschutz versus Gestaltungsfreiheit

12.2 Rechtliche Bestimmungen

12.3 Neues Jugendschutzgesetz

Mehr Schutz

Mehr Orientierung

Mehr Durchsetzung

12.4 Prüfung der Alterseignung am Beispiel von Computerspielen

13 Persönliche Daten und missbräuchliche Nutzung des Internets

13.1 Spezielle Gefahren und Risiken

13.2 Verstärkung selbstgefährdenden Verhaltens

13.3 Medienschutz vom Kind aus denken

14 Pathologische Nutzung und psychische Störungen

14.1 Internet-/Computerspielsucht und internale Störungen

Depressionen

Soziale Ängste

14.2 Internet-/Computerspielsucht und ADHS

Pathogenetische Faktoren bei ADHS und Suchtverhalten

Psychosoziale Bedingungsfaktoren

Spezifische Befunde zu Computerspielsucht und ADHS

15 Computerspiel- und Internetsucht

15.1 Spielimmanente Besonderheiten und psychosoziale Risikofaktoren

15.2 Risikomodelle für die Entstehung

15.3 Parallelen zu stoffgebundenen Süchten

15.4 Neurobiologische Befunde

15.5 Epidemiologie

15.6 Klinische Befundbeschreibung

15.7 Diagnostik

15.8 Verlauf Internetsucht-bezogener Störungen

16 Prävention und Behandlung der Computerspielstörung/Internetsucht

16.1 Allgemeine Voraussetzungen

16.2 Beratungs- und Behandlungsalgorithmen

16.3 Prävention und Frühintervention

Prävention

Frühintervention

16.4 Konkrete Inhalte einer qualifizierten Suchtberatung

16.5 Ambulante und stationäre therapeutische Maßnahmen

16.6 Konkretes therapeutisches Vorgehen bei manifester Computerspielstörung/Internetsucht

16.7 Klinisch-therapeutische Arbeit mit dem Jugendlichen

16.8 Behandlungsmodule der klinisch-therapeutischen Arbeit

16.9 Wirksamkeit von Behandlungsverfahren

17 Materialien für Eltern und andere Bezugspersonen

17.1 Zehn Tipps zum Umgang mit digitalen Medien

17.2 Acht Entscheidungshilfen zur Erkennung einer Computerspiel- und Internetsucht

17.3 Anlaufstellen und Materialien zum Thema Mediensucht

18 Epilog: Neue Kompetenzen für das digitale Zeitalter!

Literatur

Vorwort

Die Frage, ob digitale Medien die Entwicklung unserer Kinder negativ beeinflussen und einen relevanten Risikofaktor für die seelische Gesundheit darstellen, beschäftigt eine breite Öffentlichkeit. Die Stellungnahmen und Ansichten sind ebenso kontrovers und polarisiert wie die Ergebnisse empirischer Studien und die Darstellungen in unzähligen Ratgebern und Fachbüchern. Die Flut der Publikationen in der Fach- und Tagespresse reißt nicht ab, denn die Online-Zeit von Kindern und Jugendlichen wächst ständig. Gefordert wird deshalb, die notwendige Medienkompetenz von frühauf zu fördern. Hierzu sind eine altersadäquate Anleitung und Begleitung notwendig, denn wir sind in unserem Alltag immer mehr auf die Nutzung von ganz unterschiedlichen Medien angewiesen.

So sieht ein Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kulturministerkonferenz (SWK) den dringenden Bedarf für eine intensive Medienbildung bereits in den Kitas und verlangt, ein nachhaltiges pädagogisches Konzept zu verankern. Darüber hinaus sieht der Beirat Handlungsnotwendigkeit, um das Bildungssystem erfolgreich und zukunftsfähig für die dauerhaften Anforderungen einer digitalisierten Welt aufzustellen (SWK 2022). Auch die Nationalakademie Leopoldina fordert eine bessere Infrastruktur in Schulen, um einen Wechsel von Präsenz- und Online-Betrieb besser bewerkstelligen zu können, wenn, wie in der Pandemie, auf Homeschooling umgestellt werden muss (Leopoldina 2020).

Und natürlich gibt es Mahnungen, dass diese Transformation und zunehmende Digitalisierung neben Chancen auch weitreichende Risiken mit sich bringt. Dabei gilt es auch, die langfristigen Auswirkungen bei den sogenannten »digital natives« in den Blick zu nehmen. Neben einer Gefährdung der individuellen Freiheit durch gespeicherte Daten bis hin zu »kommerzieller Überwachung« ergeben sich Probleme für die politische Meinungsbildung und öffentliche Diskussion. Jürgen Habermas (2022) wies in diesem Zusammenhang auf die »Gefahr der Fragmentierung in Verbindung mit einer gleichzeitig entgrenzten Öffentlichkeit hin« (S. 47).

Um sich in diesem Dschungel konträrer Argumente, Risiken und Erwartungen orientieren zu können, bedarf es nicht nur einer wie auch immer erworbenen Medienkompetenz, sondern auch der Fähigkeit, die Vielfalt von Umfrageergebnissen, Warnungen, Empfehlungen und wissenschaftlichen Fakten zur Digitalisierung kritisch zu reflektieren und zu gewichten.

Es scheint verlockend, nach einfachen und beständigen Wahrheiten zu suchen, doch dieses Buch soll dafür sensibilisieren, dass diese z. T. keinen Bestand haben können, durchaus flüchtig und widersprüchlich sind und ein rasches Verfallsdatum aufweisen. Es kommt also darauf an, eine Form der Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der Medienkultur zu entwickeln, die es uns erlaubt, eine unaufgeregte, abwägende Haltung einzunehmen und ständig »nachzubessern«.

Aus stilistischen Gründen und zur besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum als geschlechtsneutrale Formulierung verwendet.

Unser Dank gilt Frau Dipl.-Betriebsw. Helga Banhart, die mit großer Kompetenz und hohem Engagement bei der Manuskriptgestaltung und Fertigstellung dieses Buches entscheidend mitgeholfen hat.

Stuttgart und Berlin im Oktober 2022

Jan Frölich

Gerd Lehmkuhl

1 Prolog: Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen – eine kontroverse Diskussion

Warum ein weiteres Buch zum Thema der Nutzung digitaler Medien von Kindern und Jugendlichen?

Die Monografien, Ratgeber und Beiträge in der Tagespresse und in wissenschaftlichen Zeitschriften sind kaum noch zu überblicken. Eine Orientierung fällt schwer, denn die Meinungen und Argumente umfassen ein breites Spektrum: Während die einen davon ausgehen, dass wir uns und unsere Kinder durch den Medienkonsum um den Verstand bringen und dement werden (Spitzer 2012), meinen andere, dass Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen und sprechen von einer digitalen Hysterie (Milzner 2016). Wer hat nun Recht, wie lassen sich die jeweiligen Positionen begründen, gibt es für sie eine ausreichende empirische Evidenz? Und wie kann es Eltern und Pädagogen gelingen, sich im Dschungel ganz unterschiedlicher Einschätzungen zu orientieren?

Es liegt in der Natur der Sache, dass wenig Einigkeit besteht, da die vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen sehr unterschiedlich interpretiert werden können, ihre Relevanz für die Praxis nicht immer eindeutig ausfällt und die Kombattanten alle Register ziehen, um ihre jeweiligen Standpunkte zu untermauern. Die Vielfalt der Argumente und Interpretationen ist für die Nutzer verwirrend. Welchen Argumenten soll Glauben geschenkt werden, und wie kann es vor allem gelingen, eine eigene Einstellung und Haltung zu finden?

Dabei geht es sowohl um Konsum und Genuss als auch um Informationen, Wissensvermittlung und soziale Kontakte. Die neuen Kommunikationswege eröffnen faszinierende Freiräume, können aber auf der anderen Seite auch einengen und in Abhängigkeiten führen. Es kommt also auf ihre vernünftige Handhabung, Kontrolle und Nutzung an. Doch wie sieht der richtige Umgang mit den neuen Medien für Kinder und Jugendliche aus, wie viel Zeit sollten sie in virtuellen Welten verbringen, welche Folgen sind zu befürchten? Die empirischen Daten hierzu belegen übereinstimmend, dass ein hoher Medienkonsum in Zusammenhang mit psychischen, physischen und sozialen Auffälligkeiten steht (Grund & Schulz 2017). Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Einflussfaktoren, die hinsichtlich der negativen Auswirkungen zu beachten sind. Hierzu gehören u. a. das Alter, das zeitliche Ausmaß der Beschäftigung, die konsumierten Inhalte, der sozioökonomische Status der Familie, vorhandene sozio-emotionale Kompetenzen sowie das Erziehungsverhalten der Eltern, also ein komplexes Bedingungsgefüge, das im Einzelfall nicht immer leicht zu beurteilen und zu durchschauen ist. Dabei existieren durchaus differenzielle Effekte. So besteht z. B. für Jugendliche mit Migrationshintergrund ein erhöhtes Risiko für eine Internet- und Computerspiel-Abhängigkeit. Überraschenderweise scheint die frühkindliche Gesamtmediennutzung nur eine geringe Vorhersagekraft für einen späteren auffälligen Medienkonsum zu besitzen.

So genannte nicht substanzgebundene Abhängigkeiten durch Internet, Computerspiele und soziale Medien stellen zunehmend ein Problem dar, mit dem sich Eltern, Pädagogen, Psychologen und Kinderpsychiater auseinanderzusetzen haben (Geisel et al. 2021). Dabei zeigt sich, dass die Vermittlung von Medienkompetenz ein lebenslanger Prozess ist, der möglichst früh beginnen sollte. Denn digitale Geräte prägen heute von klein auf den Alltag, und ihr Gebrauch ist nicht mehr wegzudenken. Die mediale Jugend ist digital schon immer einen Schritt voraus, sie wurde bereits in eine digitale Welt hineingeboren und musste sich diese nicht erst aneignen und erschließen (Hurrelmann & Albrecht 2020). Die Generation Greta handhabt den Umgang mit Internet & Co. souverän, sie trainiert ständig den Umgang damit, weiß bestens, was medial ankommt, TikTok-Auftritte belegen dies millionenfach. Auch wenn mobile Kommunikation und soziale Medien scheinbar an absoluter Faszination verloren haben, kommt niemand mehr ohne sie aus und setzt sie in großem zeitlichem Umfang ein. Digital Natives wachsen mit der Gefahr des Binge Watching auf – des so genannten »Koma-Glotzens« –, sodass der richtige Umgang mit Smartphone und Internet eine ständige Herausforderung darstellt. Doch welche Aktivitäten werden mit den neuen Medien am häufigsten durchgeführt? Ganz vorne, das zeigen empirische Untersuchungen, stehen soziale Netzwerke, die Kommunikation mit Freunden, aber auch die Internetsuche sowie Musikhören und die Nutzung von Streaming-Angeboten. Hurrelmann und Albrecht (2020) bemerken aber auch eine wachsende Skepsis und Übung in Selbstdisziplin beim Umgang mit digitalen Geräten: Knapp ein Drittel der Befragten wünscht sich, in Zukunft weniger online zu sein, kritisieren fehlenden Datenschutz, Cybermobbing und Fakenews. Allerdings gelingt es vor allem denen, ihren Konsum zu reduzieren, die über einen guten Bildungshintergrund und familiäre Ressourcen verfügen. Hintergründe und Motivation für den Medienkonsum dürfen bei der Einschätzung von Risiken und Nebenwirkungen nicht vernachlässigt werden und stellen ein wesentliches Anliegen dieses Buches dar. Denn ihre Kenntnis ist die Voraussetzung für die Entwicklung adäquater Beratungskonzepte und Präventionsmaßnahmen.

Diese erscheinen deswegen dringend notwendig, weil immer wieder darauf hingewiesen wird, dass Smartphones eine Gefahr für das kindliche Gehirn darstellen und die digitale Übersättigung vielfältige Wunden schlägt (Müller-Jung 2019). Allerdings ergeben die methodisch z. T. sehr aufwendigen Untersuchungen, u. a. mit Hirnscannern, kein einheitliches Bild, sodass zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen über mögliche Intelligenz- und Entwicklungseinbußen belegt sind.

Dagegen weist eine Reihe von Medienstudien auf die Gefahr für Gesundheit und Bildung hin (Spitzer 2018). In der Folge mangelnder körperlicher Aktivität könne es zu Übergewicht und Herz-Kreislauf-Problemen sowie einer geringen motorischen Fitness kommen. Außerdem sei mit Verhaltensproblemen wie Schlafstörungen, erhöhter Ablenkbarkeit, sozialen Ängsten und Lernstörungen zu rechnen. Dabei rückt jedoch nicht nur das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen in den Blickpunkt, sondern auch dasjenige ihrer Eltern. Demnach können Säuglinge Fütter- und Einschlafprobleme entwickeln, wenn die Bezugspersonen während der Betreuung parallel digitale Medien nutzen, als Hinweis für eine beginnende Bindungs- und Interaktionsproblematik (Füßler 2017). Und bei Kindern vor dem 6. Lebensjahr verzögere sich sowohl die sprachliche als auch motorische Entwicklung. Die Überflutung mit digital generierten Reizen könne sich – so die Befürchtung – auf die Hirnreifung auswirken. Auch wenn bislang die Evidenz der Schädlichkeit eines problematischen Smartphone-Gebrauchs von Kindern nicht vorliegt, sollten die vorliegenden Befunde gesichtet und auf ihre Relevanz hin überprüft werden.

Neben den negativen Effekten eines unkontrollierten Computer- und Internet-Gebrauchs auf Verhalten und Befindlichkeit werden weitere Risiken und Auswirkungen von Videospielen und Netflix-Serien diskutiert. In seinem Beitrag Glück aus der Überraschungskiste fragt Boris Hänssler (2020), ob so genannte Lootboxen süchtig machen, wobei sich schon 7-Jährige in vielen Videospielen virtuelle Vorteile für echtes Geld erkaufen. Dank der rasanten technologischen Entwicklung kommen immer neue problematische Spieldesigns auf den Markt, deren Regulierung für die Eltern häufig ein Problem darstellt. Auch wenn das Abdriften in virtuelle Welten nicht unbedingt mit einer Verarmung oder reduzierten Wahrnehmung der Realität verbunden sein muss, können hierdurch die Interessen und Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen bestimmt werden. Andererseits ist nicht alles, was in den Spielen und Filmen auf die Kleinen einströmt, bloßer Konsum. Vieles regt auch Kreativität, Fantasie und Teamgeist an (Makowsky 2017), sodass sich auch hierin das Janusgesicht des Medienkonsums zeigt.

Seit Längerem wird intensiv diskutiert, ob Gewalt, Kriminalität, Bedrohung und Rache, die in Videospielen eine zentrale Rolle einnehmen, aggressives und dissoziales Verhalten begünstigen bzw. verstärken. Sebastian Herrmann (2020) kommt zu dem Fazit, dass, nach mehr als 40 Jahren Forschung hierzu, die Angstwahrscheinlich stark übertrieben ist. Diese Ergebnisse differenziert zu betrachten und dabei differenzielle Einflussfaktoren zu erkennen, sehen wir als eine wichtige Aufgabe dieses Buches. Gut belegt ist jedoch, dass Gewaltfantasien, -handlungen und -androhungen im Internet in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben (Kliem et al. 2020). Diese Erfahrungen hinterlassen häufig deutliche Spuren bei den Betroffenen. Sie können Hilflosigkeit, Stimmungsschwankungen und Selbstwertkrisen hervorrufen. Die erfahrenen Verletzungen und Beschämungen verlangen spezifische Interventionsstrategien und langfristige Therapieprogramme sowie einen kompetenten Umgang mit den Problemen und dessen Auswirkungen durch Lehrer und Eltern (Scheithauer et al. 2020). Bislang fehlt jedoch eine flächendeckende Strategie für Schulen, und es bleibt unklar, ob und in welchem Umfang bisherige Maßnahmen wirken, auch wenn das »Medienheld-Programm« vielversprechend erscheint (Schultze-Krumbholz et al. 2014 a; b). Bislang wurde eine ganze Reihe von Pilotprojekten angeschoben, aber nicht konsequent weiterentwickelt und ihre Implementierung in die Praxis nicht vorangetrieben.

Als Manfred Spitzer (2018) postulierte, dass die digitale Informationstechnik der Bildung schade, dachte noch niemand an die Herausforderungen durch die Corona-Krise für Schule und Familien. Der Notwendigkeit einer besseren Digitalisierung der Schulen und entsprechende Anstrengungen, diese zu erreichen, wird jetzt eine große Priorität eingeräumt. Andererseits zeigt sich, dass Homeschooling nicht für jedes Kind eine gute Lösung darstellt, insbesondere nicht für Jüngere, Lernschwache und sozial Benachteiligte. Sie geraten hierdurch eher noch weiter ins Abseits. Dabei machen digitale Medien Schüler keineswegs schlauer, vielmehr bedarf es entsprechender Lernprogramme und intelligenter Tutorensysteme. Insgesamt scheint das Lernen mit digitalen Medien die Motivation einiger Schüler zu erhöhen, jedoch können auch sehr gut entwickelte multimediale Lerninhalte die Lehrkraft nicht ersetzen. Und wenn insbesondere bei jüngeren Kindern Anleitung und Unterstützung durch die Eltern beim Homeschooling fehlen, besteht die Gefahr, dass auf Videospiele und andere mediale Inhalte ausgewichen wird. Zudem würde der Unterricht, so Kritiker, nicht besser, wenn jeder Schüler und Lehrer über ein Tablet verfüge. Digitalisierung sei per se für »unsere Kultur, für unsere Bildung« nicht nur positiv zu bewerten (Zierer 2019 a; b). Vielmehr habe die Corona-Krise das Dilemma zwischen Gesundheit und Bildung offengelegt und die Notwendigkeit eines besseren E-Learnings deutlich gemacht. Corona hat die Schüler gezwungen, ihr Lernen stärker selbst zu organisieren. »Lehrer mussten lernen, digital zu unterrichten, Kollegien, dass gemeinsames Handeln besser funktioniere als Einzelkämpfertum.« Wenn von alledem etwas erhalten bliebe, könne sich die Krise für die Schulen »sogar als Gewinn erweisen«, sagt Prenzel, der einst für die PISA-Studie in Deutschland verantwortlich war (Füller & Spiewak 2020).

Wenn Google Deutschland feststellt, dass viele Anwendungen für Smartphone, Tablet oder Computer beim Lernen und Arbeiten nützlich sein können, trifft dies sicherlich zu, jedoch sollte eine ausreichende Förderung sozialer Kompetenzen dabei nicht vernachlässigt werden. Es gilt, die Chancen und Risiken der digitalen Informationstechnik für Bildung, Schule und soziale Entwicklung hinsichtlich ihrer Chancen und Risiken genau abzuwägen.

Um den inhärenten Gefahren, die mit einer intensiven Mediennutzung und den möglichen negativen Auswirkungen verbunden sind, früh begegnen zu können, werden entsprechende Aufklärungskampagnen, Handlungsempfehlungen und Präventionsmaßnahmen konzipiert und angeboten. Das Bundesfamilienministerium unterstützt u. a. die Veröffentlichung von Informationsmaterialien im Internet. Die Initiative »Schau hin! Was Dein Kind im Internet macht« klärt über die Mediennutzung von Kindern auf und will Eltern in ihren Medienkompetenzen unterstützen. TV-Spots zu Themen des sexuellen Missbrauchs im Netz und des Cybermobbings tragen dazu bei, eine breite Öffentlichkeit mit dieser Problematik vertraut zu machen. Ob dies zu einem kritischeren und bewussteren Umgang mit Smartphone und Netzgeräten beiträgt, ist jedoch keineswegs erwiesen.

Das Schlüsselwort heißt »Medienkompetenz«. Diese soll verbessert werden, was angesichts der umfassenden Thematik und der stetigen Zugriffsmöglichkeiten ein schwieriges Unterfangen darstellt. Es ist nicht leicht zu vermitteln, dass die Digitalisierung einerseits in der Schule und in der Arbeitswelt dringend vorangebracht werden muss, aber andererseits die Nutzung sozialer Medien im Alltag und ihre Nutzung für die Freizeit kritisch gesehen wird. Da sind gute Begründungen gefragt, wobei Handlungsempfehlungen und -strategien sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch ihre Eltern erreichen sollten. Denn, wer eine kluge Smartphone-Nutzung lehren und vorleben soll, muss sie zunächst selbst beherrschen (Füßler 2017). Das Ziel einer bewussten Mediennutzung für die ganze Familie setzt jedoch eine hohe Bereitschaft und Motivation aller Beteiligten voraus und verlangt von jedem eine Veränderung seines digitalen Alltags. Über alle Generationen und über alle sozialen Kontexte hinweg sollten Nutzer darauf achten, in ihrem Medienhandeln das richtig Maß zu finden (Zurstiege 2019). Dies bedeutet auch, dass Medienbildung zwar im Kindesalter begonnen werden muss, aber eine Aufgabe des lebenslangen Lernens ist. Dann kann Papa nicht mehr jederzeit rasch WhatsApp-Nachrichten bearbeiten und sich nebenbei mit dem 3-jährigen Sohn beschäftigen, der vor dem Schlafengehen noch schnell ein YouTube-Video auf dem Tablet anschaut.

Wenn technische Begrenzungen Kinder vor Gefahren im Netz schützen können, ist es durchaus möglich, dass andererseits ihre sozialen und technischen Kompetenzen hierdurch eingeschränkt werden. Begrenzungen mag ein einfaches und häufig erkämpftes Mittel für Eltern sein, um die Internetnutzung des Kindes zu regulieren, allerdings wird es deren Internet-Nutzungskompetenz eher behindern (Glüer & Lohaus 2018).

Dass Medienkompetenz nicht »einseitig auf technische und instrumentelle Fertigkeiten« beschränkt sein sollte, zeigt nach Hartmut von Hentig (2002) eine fast 20-jährige Debatte, wenn er ausführt: »Aber statt die Menschenbildung so weit auszulegen, dass sie die Meisterung auch dieser Lebensschwierigkeit einschließt, erfindet man eine ›Medienbildung‹ als eine ›reduzierte Medienkompetenz‹« (S. 197). Eine Bestimmung der Medienkompetenz als eine Art Computerführerschein verfehlt nach von Hentig nicht nur das mit dem Wort bezeichnete Problem, sondern »sie bleibt vor allem der Pädagogik die erwartete Orientierung schuldig, ja, sie schwächt sie durch ihre Enge, in der breiten Hauptaufgabe: den jungen Menschen helfen, der technischen Zivilisation gewachsen zu sein. Die uns in der Regel empfohlene Medienkompetenz beschränkt sich auf die Fähigkeit, das Gerät zu bedienen, Computer und Internet für jeweilige typische Zwecke einzusetzen, einen vernünftigen und kritischen Gebrauch vom Fernsehen zu machen. Sie beschreibt – und beschwichtigt damit – die Unruhe über erkennbaren Widersinn und schädliche Folgen, die Ohnmacht gegenüber den ›Entwicklungen‹, die Kritik an den gebrachten oder noch zu bringenden Opfern« (S. 194).

Über die widersprüchlichen Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit elterlicher Medienerziehungsmethoden wird später noch ausführlich zu berichten sein. Denn um mögliche Risiken der Mediennutzung abzumildern, bedarf es neben medienerzieherischer Kompetenz auch eines verbesserten Problembewusstseins. Darüber hinaus haben Video-Plattformen wie TikTok Möglichkeiten eingerichtet, die Nutzung sowohl zeitlich wie inhaltlich zu kontrollieren und zu begrenzen. Diese restriktiven Methoden verbessern allerdings nicht die Selbstkontrolle der Kinder und Jugendlichen, sondern lässt sie eher nach Auswegen suchen, die einschränkenden Maßnahmen zu umgehen.

Bedroht oder zerstört sogar das World-Wide-Web die Individualität jedes Einzelnen (Lanier 2010) und verändert das Internet unser Denken in ungeahnter und einschneidender Weise (Carr 2010)? In dieser generellen Diskussion, welchen Preis wir für den digitalen Fortschritt zu zahlen haben, stehen sich die gegensätzlichen Meinungen und Haltungen unerbittlich gegenüber. Wird die Kultur des Dialogs und des individuellen Lebens bedroht oder erweitern die sozialen Medien unser kollektives Wissen, schafft sie neue Bildungsangebote und eröffnet neue Kommunikationswege zu unserem Wohl? Die Einschätzungen hierzu könnten konträrer nicht sein. Für Zadie Smith (2019) braucht es eine Revolution, die uns vom Internet befreit. Der jungen Generation würde Zeit, Kreativität und Energie durch Social Media genommen, die eine massive Ablenkung vom eigentlichen Leben darstellt. Die Informationsgesellschaft käme nie zur Ruhe, sie münde in einen Konformitätszwang, und es gelänge nur schwer, sich »gegen die von digitalen Programmen gesteuerte Lenkung und Überwachung seiner Aktivitäten zur Wehr zu setzen« (Hüther 2020).

Die warnenden und kritischen Stimmen überwiegen bei Weitem, und sie untermauern ihre Bedenken mehr oder weniger mit stichhaltigen empirischen Befunden. Auf diese alarmistischen Perspektiven soll im Folgenden ebenso näher eingegangen werden wie auf die ermutigenden und bereichernden Möglichkeiten, die das Internet mit sich bringt. Das »Wunder der modernen sozialen Netzwerke« bestünde darin – so Christakis und Fowler (2010) –, dass sie den Kontakt zu anderen Menschen in neuer Weise ermöglichen und dazu beitragen, für Probleme kreative Lösungen zu finden. Eine Bewegung wie »Fridays for Future« wäre ohne digitale Plattformen nicht denkbar. Wir müssen vielmehr Strategien einer sinnvollen Nutzung entwickeln und steuern, »was wir in unsere Köpfe lassen« (Baker 2010). Wir müssen uns eine angemessene Daten-Diät verordnen, um das Übermaß an Informationen, Sozialkontakten und Zerstreuungen zu reduzieren (Spiewak 2017). Es gehe darum, gegen die Welt der Computer Instanzen des Einspruchs zu etablieren und »den Widerspruch, der sich einzig und allein aus Empirie und Intuition speisen kann, als Aufgabe moderner Gesellschaften zu erkennen« (Schirrmacher 2010).

Zurzeit lässt sich die Frage nicht beantworten, ob die digitale Dauerpräsenz mehr Vorteile oder Nachteile mit sich bringt. Es ist nicht zu erwarten, dass sich diese Entwicklung aufhalten lässt. Voirol (2010) plädiert dafür, weder in eine radikale Kritik der Internet-Technologie zu verfallen, die darin ausschließlich ein Ort des Untergangs der Kultur und der wachsenden Entfremdung sieht, noch im Gegenteil einen technologischen Optimismus zu verkünden, der nur die Ausweitung von Handlungsspielräumen feiert.

In diesem Sinn wollen wir versuchen, die vorliegenden empirischen Daten zum Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen mit seinen Auswirkungen auf Verhalten, Leistung und Freizeit in ihrer Aussagekraft für die Praxis darzustellen.

2 Medien bestimmen die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen

2.1 Besitz und Zugang zu Medien

Während dieses Buch geschrieben wurde, veränderten sich die damals noch aktuellen Mediennutzungsdaten von Kindern und Jugendlichen unter der Corona-Pandemie ganz erheblich. Der Einfluss auf das Schul- und Privatleben war massiv. Über längere Phasen hinweg waren die Schulen geschlossen, oder Unterricht fand nur teilweise statt. Normalerweise wahrgenommene Freizeitaktivitäten, sei es, sich mit Freundinnen und Freunden zu treffen oder Vereinsaktivitäten nachzugehen, waren ebenfalls nur in sehr eingeschränktem Maße oder sogar gar nicht möglich. Selbst nach Ende des ersten Lockdowns fand in diesem Coronajahr nur bei 12 % der Schülerinnen und Schüler regulärer, täglicher Präsenzunterreicht statt. Hybride Unterrichtsformen mit einem Wechsel von Präsenz und Homeschooling überwogen für 69 % der Befragten, 16 % waren ausschließlich zu Hause (mpfs 2020a).

Eine aussagekräftige Datengrundlage für dieses Buch sind u. a. die repräsentativen JIM- und KIM-Studien. Für die Studien werden seit 1998 bzw. 1999 Kinder- und Jugendliche und deren Haupterzieher zum Besitz und Umgang mit Medien und deren Auswirkungen befragt. Die langangelegten Studien geben zum einen ausführlich den aktuellen Stand der Situation wieder, zum anderen aber auch einen tiefen Einblick in die Entwicklung der letzten 20 Jahre des Medienkonsums. Sie erlauben dadurch Rückschlüsse, wie Medien von Kindern und Jugendlichen in unserer Zeit genutzt werden und was sie mit ihnen »machen« (mpfs 2020a, JIM-Studie; mpfs 2020b, KIM-Studie).

Für die JIM-Studie 2020 fand deutschlandweit telefonisch oder online von Juni bis Juli bei 1200 Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren (52 % Jungen/junge Männer, 48 % Mädchen/junge Frauen) eine Befragung statt. 77 % der Befragten waren Schüler und Schülerinnen, 8 % Auszubildende, 9 % Studierende. 18 % der Befragten hatten einen Migrationshintergrund.

Erwartungsgemäß besteht bei der Medienausstattung in vielen Haushalten ein weit gefächertes Medienrepertoire. U. a. finden sich WLAN-Anschluss und Handy/Smartphone in 99 % der Haushalte, Computer/Laptop in 98 %, Fernseher bei 95 % der Familien. Mittlerweile werden auch Streaming-Dienste für Musik und Videos von ca. 70 % der Haushalte in Anspruch genommen, was einen deutlichen Zuwachs bedeutet.

Von den Jugendlichen besitzen 94 % ein Smartphone, knapp 75 % einen Computer/Laptop, bei 50 % der Kinder und Jugendlichen befindet sich ein Fernseher im eigenen Zimmer. Der Bildungshintergrund scheint hierbei eine erhebliche Rolle zu spielen: Während Gymnasiasten deutlich häufiger einen Computer/Laptop im eigenen Zimmer haben als Haupt- oder Realschüler, kehrt sich dies um für den Besitz eines eigenen Fernsehers. Auch geschlechtsspezifische Unterschiede existieren: Mädchen besitzen seltener einen Computer als Jungen (21 % gegenüber 45 %), aber häufiger einen Laptop (62 % gegenüber 50 %). Dafür besitzen 51 % der Jungen eine feste Spielekonsole gegenüber 32 % der Mädchen.

Jugendliche wählen als häufigsten Zugang zum Internet das Smartphone (73 %), erheblich seltener den stationären Computer bzw. den Laptop (jeweils 10 %). Es gibt deutliche geschlechtsbezogene Unterschiede, bei den Mädchen wird das Smartphone als Zugangsweg favorisiert, bei den Jungen dagegen der stationäre Computer. Erklärt wird dies damit, dass Jungen häufiger PC-Spiele spielen. Im Jahr 2020 wurde in deutlich stärkerem Ausmaß auch das Tablet als Zugangsweg zum Internet genutzt gegenüber dem Vorjahr (Anstieg von 17 auf 34 %). Auch bei der Nutzung von Smart-TVs ergibt sich ein erheblicher Zuwachs von 12 % innerhalb eines Jahres.

2.2 Mediennutzung bei Jugendlichen

Die schulische Nutzung von Medien

Während der Corona-Pandemie gab es große Herausforderungen für die Schulen bezüglich der Kontaktaufnahme mit den Schülern und der Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien. Diese wurden den Schülern in 57 % per E-Mail zugesandt, 55 % nutzten eine Schul-Cloud oder Online-Plattformen der Schule. Knapp ein Drittel lernte klassisch mit gedruckten Büchern, 27 % nutzten Videokonferenzen und knapp 15 % WhatsApp zum Austausch von Unterrichtsmaterialien.

60 % der Schülerinnen und Schüler geben an, sich außerhalb des klassischen Unterrichtsrahmens schlecht für das Lernen motivieren zu können, 12 % vermissen einen geeigneten Ort zum Lernen. Bis zu einem Drittel der Schülerinnen und Schüler beklagt sich entweder über technische Probleme oder Probleme bei der Übersicht über unterschiedlich genutzte Lernplattformen. Insgesamt wird das Online-Lernen im Jahr 2020 als durchschnittlich zwischen gut und befriedigend eingeschätzt, von 46 % der Jugendlichen sogar als sehr gut oder gut. Im zweiten Lockdown 2021 nahm allerdings die Zufriedenheit auf 35 % ab, was eventuell auch damit erklärt werden kann, dass die Schüler trotz besserer technischer Voraussetzungen in der Schule insgesamt durch die Coronalage mehr belastet waren. Besonders die 18- bis 19-Jährigen litten unter den Bedingungen mit nur 2 % hoher Zufriedenheit, wahrscheinlich beeinflusst durch die speziellen Anforderungen für die Abiturvorbereitungen (JIM 2021).

Die Nutzung von Medien in der Freizeit

Während der Corona-Pandemie hat sich durch die Beschränkungen schulischer und sozialer Aktivitäten das Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen stark verändert. Im Hinblick auf die nicht medialen Aktivitäten sind weiterhin das Treffen von Freunden, sportliche Aktivitäten, Familienunternehmungen und Musik selbstständig machen von großer Bedeutung. Gerade im Hinblick auf das Treffen von Freunden bzw. auf sportliche Aktivitäten ist allerdings ein erheblicher Rückgang zu beobachten (täglich oder mehrfach in der Woche haben sich 2019 noch 75 % mit Freunden getroffen, 2020 nur noch 61 %; beim Sport ging der Anteil von 66 % auf 60 % zurück). Familiäre Aktivitäten und selbst Musikmachen haben demgegenüber zugenommen. Bei den nicht-medialen Aktivitäten gaben in der JIM-Studie von 2011 (mpfs 2011) noch 67 % der Jugendlichen als Freizeitaktivität Ausruhen/nichts tun an, ab 2012 wurde dieser Aspekt in den JIM-Studien nicht mehr erhoben.

35 % der Jugendlichen, das ist eine leichte Zunahme gegenüber 2019, geben an, täglich oder mehrfach in der Woche ein gedrucktes Buch zu lesen, wobei der Durchschnitt der letzten Jahre bei ca. 40 % lag. Hervorzuheben ist die längere Lesedauer mit 74 Minuten durchschnittlich gegenüber 53 Minuten 2019. Das Lesen von Büchern ist stark geschlechtsspezifisch geprägt: Während 42 % der Mädchen regelmäßig lesen, tun dies nur 28 % der Jungen täglich oder mehrfach in der Woche. Der Anteil der Nicht-Leser ist bei Jungen doppelt so hoch wie bei Mädchen (20 % gegenüber 10 %). Auch der Bildungsgrad spielt eine Rolle: Gymnasiasten lesen fast doppelt so häufig Bücher wie Haupt- oder Realschüler (40 % gegenüber 26 %). Je älter die Jugendlichen werden, desto seltener lesen sie regelmäßig (Rückgang von 42 % im Alter von 12–13 Jahren auf 26 % im Alter von 18–19 Jahren). Hinzuzufügen ist, dass das Lesen elektronischer Publikationen (E-Books) weiterhin keine besondere Wichtigkeit in all diesen Altersgruppen hat.

2020 waren das Internet und das Smartphone die allumfassenden täglichen Medienbegleiter der 12- bis 19-jährigen Jugendlichen. Ungefähr 90 % der Befragten geben an, diese beiden Medien täglich zu nutzen, gefolgt von Musik hören, das mit 80 % deutlich vor den anderen Medien wie Videos und Fernsehen liegt. Abbildung 2-1 zeigt die regelmäßigen, also die täglich oder zumindest mehrmals in der Woche stattfindenden medialen Aktivitäten. Wie man in der Abbildung sieht, unterscheidet sich das Nutzungsverhalten zwischen Jungen und Mädchen teilweise erheblich (z. B. digitale Spiele und Lesen).

Abb. 2-1: Medienbeschäftigung in der Freizeit – täglich/mehrmals pro Woche. Angaben in Prozent, Basis: alle Befragten, n = 1.200; *egal über welchen Verbreitungsweg (mpfs 2020a, S. 15)

Im Corona-Jahr 2020 zeigen gegenüber 2019 fast alle Medien eine erhöhte Nutzungshäufigkeit auf, bis auf das Radio und das Fernsehen. Der größte Zuwachs war bei der Nutzung von Tablets und bei Videostreaming-Angeboten (jeweils +15 %) festzustellen. Auch bei digitalen Spielen zeigte sich ein Zuwachs von +5 %, etwa der gleiche Zuwachs war bei den Online-Angeboten von Tageszeitungen und Zeitschriften zu verzeichnen.

2.3 Stellenwert von Medien im Alltag Jugendlicher

Nutzungszeiten

89 % der Jugendlichen nutzen täglich das Internet, 8 % nutzen es mehrfach in der Woche. Differenziert man nach Altersgruppen, so liegen die zugehörigen Prävalenzzahlen bei den 12- bis 13-Jährigen bei 81 %, bei den 18- bis 19-Jährigen bei 93 %. Gymnasiasten nutzen häufiger täglich das Internet als die Jugendlichen der anderen Schulformen. Die tägliche Internet-Nutzungsdauer ist 2020 erheblich gestiegen um 26 % von durchschnittlich 205 Minuten auf 258 Minuten. Es kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dies eine Folge der Corona-Pandemie ist aufgrund der geringeren nicht-medialen Aktivitätsmöglichkeiten von Jugendlichen sowie der Verlagerung von schulischen Aktivitäten in das Homeschooling mit der Notwendigkeit zu täglicher Internetnutzung. Mädchen beschreiben eine zehn Minuten längere Online-Nutzungsdauer als Jungen, des Weiteren gibt es eine klare Altersabhängigkeit mit 212 Minuten bei den 12- bis 13-Jährigen und bis 306 Minuten bei den 18- bis 19-Jährigen. Die gesamte Nutzungsdauer des Internets ist im Übrigen mit 247 Minuten bei Gymnasiasten deutlich geringer als die von Jugendlichen anderer Schulformen mit 281 Minuten durchschnittlich.

Mittlerweile liegen die Daten einer weiteren JIM-Studie aus dem Jahr 2021 vor (mpfs 2021). Dabei nutzen die Jugendlichen nach eigener Einschätzung an einem durchschnittlichen Wochentag 241 Minuten das Internet. Damit ist nach dem sehr starken Anstieg der Internetnutzungszeit um 53 Minuten im Jahr 2020 zwar wieder ein Rückgang um 17 Minuten zu beobachten, trotzdem liegt dieser Wert weiter deutlich über dem Vor-Corona-Niveau.

Nutzungsinhalte

Die Nutzung des Internets für unterschiedliche Inhalte bezieht sich nach Auskunft der Jugendlichen bei 34 % der Befragten auf den Bereich Unterhaltung, gefolgt von Spielen und Kommunikation (28 und 27 %). 11 % der Befragten geben der Informationssuche den Vorrang. Im Kontrast zu den Jahren zuvor erhält der Bereich Unterhaltung (Musik, Videos, Bilder) eine größere Bedeutsamkeit gegenüber dem Bereich der Kommunikation. Dieser Trend besteht bereits schon seit fünf Jahren, hat sich allerdings während der Corona-Pandemie nochmals verstärkt. 2010 gaben noch 46 % der Befragten als hauptsächliche Internetnutzung die Kommunikation mit anderen Personen an und nur 23 % den Bereich Unterhaltung. Es gibt auch hier geschlechtsbezogene Unterschiede: 33 % der Mädchen nutzen das Internet zur Kommunikation, dies tun nur 23 % der Jungen. Des Weiteren ist bei der Online-Nutzung die Unterhaltung bei Mädchen stärker vertreten als bei Jungen (37 % gegenüber 32 %). Umgekehrt verhält es sich bei Computerspielen (Jungen 34 %, Mädchen 19 %). Über die Altersgruppen hinweg unterscheiden sich die Bereiche Kommunikation und Informationssuche nur geringgradig voneinander, Computerspiel-Aktivitäten lassen dagegen im Altersverlauf nach (33 % bei den 12- bis 13-Jährigen, 26 % bei den 18- bis 19-Jährigen). Jugendliche Gymnasiasten nutzen gegenüber Schülern anderer Schulformen häufiger das Internet zur Unterhaltung, diese wiederum mehr für Spiele. Im Bereich der Kommunikation und Informationssuche gibt es keine schulspezifischen Unterschiede.

Als liebstes Online-Angebot wird von den Jugendlichen am häufigsten YouTube angegeben (57 %), Instagram folgt auf dem zweiten und WhatsApp auf dem dritten Platz. In deutlich geringerem Ausmaß werden Netflix und Google genannt, nachfolgend Snapchat. Die größten Steigerungsraten erzielte TikTok, welches nun von 10 % der Jugendlichen als liebstes Internetangebot angeführt wird. Spotify und Facebook geben jeweils 5 % der Jugendlichen als Favoriten an. Es fällt auf, dass mit zunehmendem Alter TikTok und YouTube seltener als Lieblingsmedium genannt werden, dafür öfters Instagram und Twitter. Auf dem Smartphone hat das benötigte Datenvolumen wohl mit eine Auswirkung auf die Beliebtheit von Apps: Hier wird an erster Stelle sowohl von den Mädchen als auch von den Jungen WhatsApp von insgesamt 82 % genannt, gefolgt von Instagram (46 %), YouTube folgt mit größerem Abstand mit 31 %. Instagram wird vor allem von Mädchen favorisiert, für Jungen ist YouTube wichtiger (→ Abb. 2-2).

Abb. 2-2: Wichtigste Apps. Angaben in Prozent, es waren jeweils bis zu drei Nennungen möglich. Basis: die Befragten, die ein Smartphone besitzen, n = 1.150 (mpfs 2020a, S. 38)

94 % der Jugendlichen nutzen WhatsApp mindestens mehrfach in der Woche zum Austausch mit anderen, 86 % täglich. Die Befragten geben an, im Durchschnitt 22 Nachrichten am Tag zugesendet zu bekommen. WhatsApp-Gruppen sind bei Mädchen stärker verbreitet als bei Jungen. Bezüglich der Nutzung von Gruppen im Klassenverband ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr zu beobachten (insgesamt 87 % gegenüber 69 %). Auch hier dürfte die Corona-Pandemie mit eine wichtige Ursache darstellen. Insgesamt gesehen wird, mitbedingt durch die Corona-Pandemie, Online-Kommunikation immer bedeutender, und es gewinnen auch neue Angebote an Marktanteilen, so wird z. B. das Live-Streaming-Videoportal Twitch von 14 % der Jugendlichen mindestens mehrmals pro Woche genutzt. Hier liegen keine Daten zu den Vergleichsjahren vor, da sie zum ersten Mal erfasst wurden.

Die Nutzung des Fernsehers ist bei den bewegten Bildern – Filmbildern – stark angestiegen, vor allem durch Fernsehgeräte mit Internetzugang. 34 % der Befragten sind im Besitz sogenannter Smart-TVs. Die Nutzungsdauer an Werktagen hat sich um 30 Minuten gegenüber dem Vorjahr erhöht von durchschnittlich 107 auf 137 Minuten. Am beliebtesten sind Comics/Zeichentrick/Animes, danach folgen Scripted Reality und Krimi/Mystery. Sitcoms und Comedy haben dagegen in den letzten vier Jahren um mehr als 50 % an Attraktivität verloren. Die Ursachen für diese Entwicklung sind unklar. Es wird vermutet, dass die gestiegene Nutzung von Streaming-Diensten eine erhebliche Rolle spielt, da hier andere Angebote favorisiert werden (mpfs 2020a). Nachrichten und Wissensmagazine werden im Übrigen deutlich seltener in der Beliebtheitsskala genannt (8 % bzw. 7 %).

YouTube und Netflix erweisen sich als am relevantesten für die Nutzung von Serien und Filmen, bei Mädchen häufiger Netflix, Jungen dagegen YouTube. Als beliebteste YouTube-Genres liegen Musikvideos auf dem ersten Platz, gefolgt von lustigen Clips, Let’s-Play-Videos und Videos mit Alltagsberichten von Jugendlichen. Aber auch Wissensformate werden auf YouTube häufig genutzt (26 %). 24 % der Jugendlichen schauen Videos mit Nachrichteninhalten und Ereignissen auf der Welt. 21 % der Jugendlichen nutzen Lehr- und Ausbildungsfilme. Vor allem Jüngere nutzen außerdem YouTube zum Thema Beauty und Mode. Fremdsprachliche Videos werden mittlerweile sehr regelmäßig von Jugendlichen genutzt, 43 % der Befragten sehen sich mindestens mehrmals pro Woche YouTube-Videos in Englisch oder in einer anderen Sprache an, Jungen häufiger als Mädchen (46 % gegenüber 39 %), eher die Älteren als die Jüngeren mit 54 % gegenüber 32 % und häufiger Gymnasiasten gegenüber Jugendlichen anderer Schulformen (45 % gegenüber 33 %).

In der JIM-Studie 2020 geben die Jugendlichen an, dass sie im Durchschnitt 11 % ihrer Online-Zeit mit der Suche nach Informationen verbringen, am häufigsten wird Google als Suchmaschine verwendet (88 %). Zwei Drittel der Jugendlichen nutzen YouTube als Medium, 40 % arbeiten mit Online-Enzyklopädien, Nachrichtenportale von Zeitschriften oder Magazinen werden von 20 % der Jugendlichen aufgesucht. 2020 wurden Suchmaschinen zur Informationssuche häufiger eingesetzt gegenüber dem Vorjahr, vermutlich erneut pandemiebedingt. Jungen weisen insgesamt eine höhere Affinität zur Informationssuche auf, besonders ausgeprägt ist die Differenz bei der Nutzung von YouTube (72 % der Jungen, 57 % der Mädchen). Altersbezogen haben vor allem die 12- bis 15-Jährigen ihr Informationsverhalten verstärkt, die Diskrepanz zu den 18- bis 19-Jährigen ist jetzt weniger ausgeprägt. Dies hat durchaus Vorteile, da visuell vermittelte Informationen bedeutsam schneller verarbeitet und im Gedächtnis verankert bleiben als Textstellen.

Die Forsa Politik- und Sozialforschung GmbH hat 2020 unter dem Eindruck der ersten Welle der Corona-Krise eine Eltern-Kind-Befragung durchgeführt zum Thema »Game- und Social-Media-Konsum im Kindes- und Jugendalter«. Hierbei wurden 824 Elternteile bzw. Erziehungsberechtigte sowie jeweils ein Kind im Alter zwischen 10 und 18 Jahren zum Nutzungsverhalten sozialer Medien, einschließlich der Kontrollen seitens der Eltern, befragt (Forsa Politik- und Sozialforschung GmbH 2020).

75 % der 10- bis 18-Jährigen nutzten während der Lockdown-Phase ab März 2020 an 7 Tagen soziale Medien, 8 % an 5 bis 6 Tagen. Mit zunehmendem Alter stieg die Nutzungshäufigkeit unabhängig von der besuchten Schule an, am meisten ausgeprägt bei Mädchen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren (→ Abb. 2-3). Die durchschnittliche Nutzungsdauer in der Gesamtgruppe betrug unter der Woche 193 Minuten gegenüber 116 Minuten im Vorjahr. Auch hier wurde ein altersabhängiger Trend beobachtet mit durchschnittlich 140 Minuten bei den 10- bis 12-Jährigen und 216 Minuten bei den 16- bis 18-Jährigen. Eine kürzere Nutzungsdauer wurde beobachtet bei Jugendlichen, die das Abitur anstreben oder schon erreicht hatten. An den Wochenenden war die Nutzungsdauer erwartungsgemäß höher, durchschnittlich über alle Altersgruppen 241 Minuten gegenüber 185 Minuten im Vorjahr, 169 Minuten bei den 10- bis 12-Jährigen und 284 Minuten bei den 16- bis 18-Jährigen.

Abb. 2-3: Häufigkeit der Nutzung von sozialen Medien im letzten Monat (in Prozent), Basis: n = 824 Kinder (Forsa Politik- und Sozialforschung GmbH 2020, S. 4)

Als Hauptmotiv für die Nutzung sozialer Medien geben 89 % der Befragten an, soziale Kontakte aufrechterhalten zu wollen, und 86 %, ihre Langeweile zu bekämpfen (→ Abb. 2-4). Weitere, nicht so häufig genannte Motive waren: Sorgen zu vergessen (38 %), Informationen über Corona zu erhalten (37 %), der Realität zu entfliehen (36 %) und um Stress abzubauen (36 %). Die letztgenannten Motive wurden häufiger von Kindern und Jugendlichen genannt, die nur bei einem Elternteil wohnen.

Abb. 2-4: Nutzung sozialer Medien als Emotionsbewältigungsstrategie (Forsa Politik und Sozialforschung GmbH 2020, S. 10)

2.4 Mediennutzung bei Kindern

Für die Mediennutzung bei Kindern veröffentlicht der mpfs ebenfalls regelmäßig die Ergebnisse seiner Befragungen bei Kindern und den Haupterziehern. Im folgenden Abschnitt soll ausführlich auf die Ergebnisse einer Erhebung aus dem Jahr 2020 eingegangen werden. Sie sind unter den Bedingungen der Pandemie zu betrachten, wobei zum Zeitpunkt der Datenerhebung von August bis Oktober 2020 gerade eine relativ entspannte und reguläre Situation sowohl in den Schulen als auch bei den Freizeiteinrichtungen herrschte.

Die KIM-Studie 2020 (mpfs 2020b) mit 1216 Deutsch sprechenden Teilnehmern auch mit Migrationshintergrund gibt einen aktuellen Überblick zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger im Rahmen einer computergestützten persönlich-mündlichen Befragung im häuslichen Rahmen. Parallel erfolgte eine Befragung der Haupterzieher mit Hilfe eines Selbstausfüllerfragebogens. Die Ergebnisse sind repräsentativ für Deutschland.

Themeninteressen

Die Kinder wurden nach Themeninteressen befragt. Dabei landete das Motiv Freunde/Freundschaft mit 93 % weit vorne. Über 70 % interessierten sich für die Inhalte Schule und Handy/Smartphone, ca. zwei Drittel für Sport, Spielsachen, Musik und Internet/Computer, ca. 60 % zeigten Interesse an Tieren sowie Computer/Konsolen- und Online-Spielen.

Trotz Corona im Jahr 2020 sind die Themengebiete Computer/Internet/Smartphone relativ stabil geblieben. Zugenommen hat das Interesse am aktuellen Weltgeschehen, wahrscheinlich bedingt durch die weltweite Corona-Pandemie, an Umwelt/Technik, Spielsachen und fremden Ländern.

Genutzte Medien, Medienkompetenz und Freizeitverhalten

Wie die Jugendlichen wachsen auch Kinder in Haushalten mit einem vielfältigen Medienangebot auf. Gegenüber der Voruntersuchung von 2018 wird eine deutliche Zunahme der Nutzung von Streaming-Diensten, Computer/Laptops, Smart-TVs und Tablets angegeben, womit sich die Zunahme dieser Geräte der letzten Jahre im Corona-Jahr noch verstärkt hat. Nur der klassische Computer war vor der Pandemie auf dem Rückzug, aber zu Corona-Zeiten wieder gefragt. Allerdings besitzen die Kinder eine weit geringere Anzahl von Mediengeräten selbst. Am häufigsten haben sie Zugriff auf ein Mobiltelefon (50 % Smartphone oder konventionelles Handy), Spielkonsolen (41 %) oder einen CD-Player (38 %). Immerhin 34 % der Kinder verfügen über einen eigenen Fernseher, 22 % einen Internetzugang im eigenen Zimmer, 18 % über einen eigenen Computer bzw. Laptop, 9 % über ein Tablet. 7 % der Kinder haben sogar einen eigenständigen Zugang zu Streaming-Diensten. Tendenziell besitzen Jungen mehr Mediengeräte. Wie bei den Jugendlichen besteht auch bei den Kindern mehrheitlich die Tendenz zur Nutzung von tragbaren gegenüber fest installierten digitalen Geräten.

Abbildung 2-5 gibt einen Überblick über die selbst in diesem Alter schon hohen technischen Kompetenzen der Kinder bei der Handhabung von Medien, 86 % der 12- bis 13-Jährigen können z. B. allein ins Internet gehen oder Nachrichten verschicken und auch schon ca. 10 % der 6- bis 7-Jährigen sind dazu in der Lage.

Abb. 2-5: Technische Kompetenzen der Kinder, eigene Einschätzung »Ich kann das gut …«. Angaben in Prozent; Basis: alle Kinder n = 1.216 (mpfs 2020b, S. 69)

In der Befragung nach den Freizeitaktivitäten steht Fernsehen (70 % täglich/fast täglich) an erster Stelle, gefolgt von Hausaufgaben/Lernen, Freunde treffen sowie drinnen oder draußen spielen. Digitale Spiele oder die Nutzung des Internets (egal über welchen Verbreitungsweg) liegen erst an neunter und zehnter Stelle hinter Sport treiben. Vor allen Dingen Fernsehen und Freunde treffen erwiesen sich über alle Altersgruppen hinweg als äußerst stabil. Zum ersten Mal wurde 2020 die Nutzung der Geräte bei den mediengebundenen Freizeitaktivitäten getrennt abgefragt, hier liegt das Handy/Smartphone weit vorne und ist mit knapp 50 % ein täglicher/fast täglicher Begleiter (→ Abb. 2-6).

Abb. 2-6: Freizeitaktivitäten der Kinder. Angaben in Prozent; *egal über welchen Verbreitungsweg; Basis: alle Kinder n = 1.216 (mpfs 2020b, S. 14)

Zugleich steigt die Beschäftigung mit digitalen Medien bei gleichzeitigem Rückgang von nicht-digitalen Spielaktivitäten mit zunehmendem Alter erheblich an. Jungen interessieren sich neben sportlichen Aktivitäten häufiger für digitale Spiele, Mädchen zeigen ein höheres Interesse für Beschäftigungen mit Tieren, Malen/Basteln und Bücher lesen. Wichtig ist zu beobachten, dass die Mediennutzung, vor allen Dingen die Nutzung des Smartphones, Internets und digitaler Spiele, häufiger allein stattfindet (Smartphone-Spiele eher allein bei 6- bis 7-Jährigen: 18 %, bei 12- bis 13-Jährigen 67 %; im Internet surfen: 6 bis 7 Jahre: 8 %, 12 bis 13 Jahre: 74 %).

In der KIM-Studie 2020 wurde bei der Befragung nach der Nutzungsdauer von den Bewegtbildern das erste Mal unterschieden zwischen den Möglichkeiten klassisches Fernsehen, Streamen, Mediatheken oder den YouTube-Kanälen der Fernsehsender. Gegenüber der KIM-Studie 2018 ist die durchschnittliche klassische Fernsehzeit rückläufig von 82 auf 68 Minuten, 2016 waren es sogar noch 88 Minuten.

Wie oben angegeben, besitzt die Hälfte der Kinder bereits ein eigenes Mobiltelefon. Als wichtigste Handyfunktion wird die Kommunikation per Textnachricht genannt (42 % Versenden und 43 % Empfangen), gefolgt von Anrufen der Eltern oder bei den Eltern. Zugleich nutzt bereits mehr als jedes dritte Kind täglich Apps oder das Internet. Als häufigste App wird WhatsApp angegeben (52 %), YouTube an zweiter Stelle mit 24 %. Bereits bei 53 % der WhatsApp-Nutzer existiert eine entsprechende Gruppe für die gesamte Schulklasse, wobei aber 45 % der Kinder angeben, dass sie mindestens ein Kind in der Klasse haben, das nicht in der WhatsApp-Gruppe ist, entweder weil es kein Handy hat (65 %) oder weil es unbeliebt ist (23 %).

Zu der Mediennutzung im Tagesverlauf gibt knapp die Hälfte der Kinder an, dass sie den Tag mit Medien (Musik und Radio hören) beginnen, beim Frühstück sind es sogar über 50 %, und auch auf dem Schulweg findet in erheblichem Maße Medienkonsum statt, am häufigsten werden hier WhatsApp-Nachrichten ausgetauscht und Radio oder Musik gehört (18 bzw. 14 %). Wiederum ca. ein Drittel der Kinder greift auf die Medien sowohl während des Mittagessens als auch beim Lernen zurück. Beim Abendessen wird Fernsehen/BluRay-/DVD-sehen als dominierende Medienaktivitäten angegeben (28 %). Erst vor dem Einschlafen steigt die Bedeutung des Lesens von Büchern (17 %).

Lesen zum Vergnügen wird als tägliche oder fast tägliche Freizeitaktivität von 16 % der Kinder genannt, ein gutes Drittel gibt an, mehrfach in der Woche zu lesen, wobei hier eine eindeutig geschlechtsbezogene Präferenz vorliegt. 63 % der Mädchen sind regelmäßige Leserinnen, dagegen lesen nur 48 % der Jungen regelmäßig. 14 % der Befragten lesen überhaupt nicht. Am häufigsten wird in der Gruppe der 8- bis 9-Jährigen gelesen. Etwas mehr als die Hälfte der 6- bis 13-Jährigen teilt mit, zumindest selten Hörspiele oder Hörbücher zu hören, über ein Viertel regelmäßig.

Das Internet wird von 12 % der 6- bis 7-Jährigen täglich oder fast täglich genutzt, bei den 12- bis 13-Jährigen sind es 65 % (+ 7 PP gegenüber 2018), wobei mit 97 % quasi alle Kinder dieser Altersgruppe zumindest selten im Internet sind. Bei der inhaltlichen Nutzung des Internets geben 56 % der Kinder an, Zugang zu Informationen zu erhalten. 39 % beschreiben bestimmte Anwendungsgebiete wie z. B. Spiele, Filme und Fotos, Musik oder Einkaufen, ein Drittel räumt der Kommunikation subjektive Bedeutsamkeit ein (Austausch mit anderen). Ca. ein Viertel der befragten Kinder machte allgemeine Angaben, was sie mit dem Internet verbinden: Einerseits finden sie es z. B. lustig, andererseits aber auch gefährlich. Nachdem fast alle Kinder uneingeschränkten technischen Zugang zum Internet haben, nutzen dieses tatsächlich insgesamt 71 % der 6- bis 13-Jährigen, die Jungen 4 % mehr als die Mädchen (→ Abb. 2-7).

Abb. 2-7: Entwicklung der Internetnutzer 2014–2020. Angaben in Prozent; Basis: alle Kinder jeweils in den entsprechenden Jahren (mpfs 2020b, S. 37)

Abbildung 2.8 gibt einen Überblick über die täglichen Internetaktivitäten der Kinder. Am dynamischsten ist altersbezogen die Nutzung der WhatsApp-Funktion (28 % der 6- bis 7-Jährigen, 90 % der 12- bis 13-Jährigen). Interessant ist die Information, dass 93 % der Befragten mindestens einmal in der Woche zu ihren Freunden persönlichen Kontakt zu haben, 47 % jeden/fast jeden Tag (2018: 54 %). Verabredungen finden zu 21 % über das Versenden von Textnachrichten statt (zunehmend mit höherem Alter), 13 % gehen persönlich bei ihren Freunden vorbei (2018: 25 %), 8 % rufen auf dem Festnetz an, um sich zu verabreden, 7 % auf dem Handy. 5 % der Befragten treffen sich einfach an einem festen Treffpunkt ohne Verabredung, spontane Besuche zu Hause machen 13 %.

Abb. 2-8: Internet-Tätigkeiten. Angaben in Prozent; Basis: alle Internetnutzer, n = 863 (mpfs 2020b, S. 39)

Suchmaschinen werden von 97 % der 12- bis 13-Jährigen genutzt, bei den 6- bis 7-Jährigen sind es aber auch immerhin schon 62 %. Betrachtet man genauer die von Kindern getätigten Recherchen und Informationssuchen im Internet, so geht es inhaltlich am häufigsten um Musik, Gaming, Informationen für die Schule, Promis, Sport oder Angaben über Dinge, die sie gerne kaufen möchten. Ca. ein Viertel erkundigt sich über Nachrichten oder Themen zu Mode und Beauty, Letzteres mehr die Mädchen, Jungen dagegen mehr über Themen rund um Computerspiele und Sport.

Nutzungsdauer von Medien

Wie in Abbildung 2-9 dargestellt, liegt insgesamt bei der durch die Haupterzieher geschätzten Nutzungsdauer der Medien das Fernsehen vorne, bei den 12- bis 13-Jährigen aber bereits vom Internet überholt. Durchschnittlich kommt die Internetnutzungsdauer auf 46 Minuten mit starker Entwicklungsdynamik im Altersverlauf: Bei den 6- bis 7-Jährigen sind es noch 14 Minuten, bei den 12- bis 13-Jährigen dann 84 Minuten. 2016 waren es durchschnittlich noch 39 Minuten, 2018 aber schon 45 Minuten. Diese etwa gleichbleibende Nutzungszeit zum Vorjahr trotz der Pandemie erklärt sich wohl dadurch, dass zu dem Zeitpunkt der Befragung im Spätsommer/Anfang Herbst gerade wieder ein relativ normaler Alltag für die Kinder herrschte.

Die Mediennutzungszeiten sind abhängig vom Bildungshintergrund der Eltern mit dem am meisten feststellbaren Kontrast beim klassischen Fernsehen. Kinder von Haupterziehern mit Abitur oder Studium sehen im Durchschnitt 58 Minuten am Tag fern, Kinder von Haupterziehern mit Hauptschulabschluss 79 Minuten am Tag.

Abb. 2-9: Geschätzte tägliche Nutzungsdauer verschiedener Medien durch die Kinder. Angaben der Haupterzieher in Minuten (Mittelwert); Basis: alle Haupterzieher, n = 1.216 (mpfs 2020b, S. 79)

Bezüglich problematischer Medieninhalte geben insgesamt 7 % der Kinder, die das Internet nutzen, an, dass sie bereits auf für Kinder ungeeignete Inhalte gestoßen sind, viermal häufiger bei den 12- bis 13-Jährigen gegenüber den 6- bis 7-Jährigen. Sowohl bei den unangenehmen als auch bei den ungeeigneten Inhalten liegen erotische und pornografische Darstellungen auf dem ersten Platz, gefolgt von Gewalt- und Prügelszenen.

Die Haltung der Eltern

Bemerkenswert ist, dass das Thema Kinder und Medien nur bei 45 % der Haupterzieher auf ein mittleres Interesse stößt, häufiger, wenn ein höherer Bildungsabschluss vorliegt. Einen hohen Stellenwert weisen die Haupterzieher dem Lesen von Büchern für Bildung/Schulerfolg und für die Förderung von Fantasie zu. Zugleich wird von 44 % der gefragten Erwachsenen angegeben, dass die Nutzung des Internets für Konflikte in der Familie sorgt, besonders durch das Handy mit 51 %. Etwa ein Viertel der Haupterzieher ist der Meinung, dass ihre Kinder zu viel Zeit mit dem Smartphone verbringen, 83 % geben an, dass sie das Internet für gefährlich halten, aber noch mehr, nämlich 88 % meinen, dass die Kinder durch den Umgang mit dem PC auch viel Neues lernen können.

Die Haupterzieher wurden auch dazu befragt, ob es in der Familie fest etablierte Mediennutzungsregeln und -zeiten gibt. Bezüglich der Nutzungsdauer bestätigten dies drei Viertel der Befragten für die tägliche Fernsehzeit, 55 % für die Nutzung von Videos, Filmen und Computerspielen sowie 51 % für die Nutzung des Internets. Am geringsten reglementiert sind das Spielen auf dem Handy/Smartphone (46 %) sowie die Nutzung der sozialen Medien (43 %). Bei der inhaltlichen Nutzung von Medien werden ebenfalls Regeln vorgegeben: 76 % der Kinder müssen fragen, welche Fernsehsendung und 57 % welche Videos und Filme im Internet sie anschauen dürfen, 56 % welche Computerspiele sie spielen dürfen und 54 % müssen bezüglich der erlaubten Internetseiten nachfragen. Im Vergleich zu 2018 haben die Kinder mit teilweise + 20 PP deutlich mehr Freiheiten bezüglich der inhaltlichen Absprachen bekommen. Beim Handy geben um die 45 % der Eltern Regeln für die Spiele, Apps und Internetnutzung vor, auch hier deutlich weniger als 2018.

Abbildung 2-10 verdeutlicht, dass in vielen Familien Mediennutzungsregeln etabliert sind. Aber selbst für das Internet, das Smartphone und die sozialen Medien trifft dies in weniger als bei der Hälfte der Familien zu. Für die sozialen Medien gilt meist ein Verbot für die Altersgruppen unter 12 Jahren.

Abb. 2-10: