Medizin und Gemeinwohl - Thomas Stockhausen - E-Book

Medizin und Gemeinwohl E-Book

Thomas Stockhausen

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Ohne Gesundheit ist alles nichts. Menschen können medizinisch, wirtschaftlich, sozial oder gesellschaftlich auf das Thema blicken. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ethik. Thomas Stockhausen stellt anhand ausgewählter Themen der Medizin die unterschiedlichen Aspekte der Patientenversorgung dar und diskutiert sie mithilfe lebensnaher Beispiele. Auch auf die Coronapandemie geht er ein.

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Seitenzahl: 342

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Thomas Stockhausen

Medizin und Gemeinwohl

Medizinwissen für Gesundheitsökonomie und -wissenschaft

UVK Verlag · München

Umschlagabbildung: baona | iStock

 

Autorenfoto: © privat

 

Name Autor ist Chirurg, Orthopäde und Unfallchirurg. Er lehrt im Fachbereich „Gesundheitsökonomie“ an der Business School Wiesbaden – Hochschule Rhein Main. Er ist Chefarzt am Klinikzentrum Lindenallee in Bad Schwalbach und leitet dort die Abteilung Orthopädie.

DOI: https://doi.org/10.36198/9783838558110

 

© UVK Verlag 2022— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

utb-Nr. 5811

ISBN 978-3-8252-5811-5 (Print)

ISBN 978-3-8463-5811-5 (ePub)

Inhalt

Was Sie vorher wissen sollten!1 Klinische Medizin1.1 Diagnostische MethodenGrundwissenDiagnostikAnamneseKlinisch-körperliche UntersuchungElektrokardiogramm (EKG)UltraschalluntersuchungRöntgenuntersuchungComputertomographieMagnet-Resonanz-TomographieSzintigraphieStellenwert der apparativen DiagnostikLerntheoretischer AnsatzEvidenzbasierte MedizinVerwendete und weiterführende Literatur1.2 Akutes AbdomenAnatomie des VerdauungstraktesPhysiologie des VerdauungstraktsAkutes Abdomen: mehr als akute BauchschmerzenSchockSepsisAnamnese, Diagnose und TherapieUrsachen für ein akutes AbdomenBedeutung des KrankheitsbildesVerwendete und weiterführende Literatur1.3 GallenblasensteinleidenDie Leber und das GallengangsystemDas GallenblassteinleidenKlinisches ErscheinungsbildApparative DiagnostikAkute GallenblasenentzündungTherapieKomplikationen der GallenblasenentzündungErgebnis der operativen TherapieVerwendete und weiterführende Literatur1.4 MagenerkrankungenAnatomie und PhysiologieHelicobacter-pylori-InfektionEpidemiologieTherapieObere gastrointestinale BlutungMagenkarzinomVerwendete und weiterführende Literatur1.5 Chronische WundeAnatomie der HautWundentstehungPhasen der WundheilungStörungen der WundheilungGrunderkrankungen und WundheilungsstörungBegleitfaktorenWundbehandlungVerwendete und weiterführende Literatur1.6 DemenzErkrankungsbildEpidemiologieMorbus AlzheimerAndere Formen der DemenzRisikofaktorenStadien der Alzheimer-DemenzVerwendete und weiterführende Literatur1.7 RückenschmerzHistorischer KontextAnatomieRückenschmerzEpidemiologieKrankheitsbildTherapieVerwendete und weiterführende Literatur1.8 AlterstraumatologieAnatomie des HüftgelenkesGesellschaftliche EinordnungVerletzungsformenBegleiterkrankungenSymptomeOperative VersorgungAkutversorgungRehabilitationVerwendete und weiterführende Literatur1.9 GelenkerkrankungenVersorgungsstrukturVerwendete und weiterführende Literatur2 Fachübergreifende Medizin2.1 StrahlenschutzHistorischer KontextStrahlenexpositionStrahlenschutzStreustrahlungStrahlenschutzRechtliche RahmenbedingungenVerwendete und weiterführende Literatur2.2 HämotherapieHistorischer KontextRechtliche RahmenbedingungenPraktische UmsetzungDas Rhesus-MerkmalTransfusionsreaktionenVerwendete und weiterführende Literatur2.3 InfektionskrankheitenInfektionskrankheitenÜbertragunsgwegeMikroorganismenSchutzmaßnahmenVerwendete und weiterführende Literatur2.4 Nosokomiale InfektionHistorischer KontextVerwendete und weiterführende Literatur3 Gesundheitsversorgung3.1 Struktur der NotfallmedizinProblemstellungDringlichkeit der BehandlungNeustrukturierung der NotfallversorgungEuropäischer VergleichVerwendete und weiterführende Literatur3.2 Öffentlicher GesundheitsdienstBundesebeneLandesebeneKommunalebenePakt für den Öffentlichen GesundheitsdienstVerwendete und weiterführende Literatur3.3 Public HealthHistorischer KontextGesundheitsberichterstattungenGeographische AnalysenDigital Public HealthVerwendete und weiterführende Literatur4 Ethik der Medizin4.1 AllokationsethikAllokationsproblemPriorisierungVerwendete und weiterführende Literatur4.2 Medizinische DilemmataVerwendete und weiterführende Literatur4.3 Ethik im GesundheitswesenVerwendete und weiterführende LiteraturStichwörter

Was Sie vorher wissen sollten!

Die Gesundheitsökonomie beschäftigt sich als fachübergreifende Wissenschaft mit den Fragen der Gesundheitsversorgung unter Beachtung der ökonomischen Rahmenbedingungen. Während medizinisches Handeln individuell ausgerichtet ist, adressiert die Ökonomie gesellschaftlich-wirtschaftliche Aspekte. Die Interessen können teils diametral auseinander liegen: Ist erkrankungsbedingt alles erdenklich Mögliche zur Lösung beizutragen, kann dies aus ökonomischer Sicht gesellschaftlich belastend sein. An ausgewählten Themen der Medizin werden in diesem Buch die unterschiedlichen Aspekte der Patientenversorgung dargestellt und diskutiert.

Aufbau des Buches

Der erste Abschnitt thematisiert medizinische Fragestellungen aus Klinik und Alltag. An ausgewählten Beispielen werden Erkrankungen vorgestellt und die Therapiemöglichkeiten erörtert. Der zweite Abschnitt adressiert fachübergreifende Themen. Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit den organisatorischen Rahmenbedingungen, in denen medizinisch Fragen gesellschaftlich zu beantworten sind. Der vierte Abschnitt geht auf ethische Fragestellungen ein, die sich in diesem Kontext ergeben.

Medizin versteht sich als evidenzbasierte Wissenschaft, die sich der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen widmet. Sie kann sich auch als klug ermessende, ratgebende Lehre der Heilkunde verstehen, die sich in die Gemeinschaft einfügt, sich mit ethischen Fragstellungen beschäftigt, ökonomische Aspekte zu berücksichtigen hat und nicht zuletzt sich der ökologischen Verantwortung bewusst ist. Die Denkweise der Humanmedizin unterscheidet sich womöglich von denen der ökonomischen Wissenschaften und der Rechtswissenschaften. Humanistische und zuweilen auch künstlerische Aspekte treten der Gesamtverantwortung hinzu.

Dieses Lehrbuch ist als eine Einführung in die Denkweise medizinischen Handelns im gesellschaftlichen Kontext zu verstehen. Als dynamisches Fach unterliegt die Medizin immer wieder neuen Interpretation, wie verantwortungsvoll mit medizinischer Evidenz umzugehen ist. Sind Kernaspekte bekannt und unverrückbar, ergeben sich bei neuen Erkenntnissen Unschärfen der Betrachtung. Die Coronapandemie stellte die Gesellschaft beispielsweise vor die Herausforderung, wie mit wechselnden Kenntnissen und Interpretationen medizinischen Handelns umzugehen ist.

Lesende und Lernende sollen in den dargestellten Themen ein Gefühl für die in der Medizin angestellten Überlegungen und einen Überblick über lang bewährte und aktuelle Fragen erlangen.

Idstein, Februar 2022

Thomas Stockhausen

Hinweis | Links im Buch

Die im Buch verwendeten Links waren zum Erscheinen des Buches abrufbar.

1Klinische Medizin

1.1Diagnostische Methoden

Der Begriff der MedizinMedizin ist ausgesprochen vielgestaltig. Er umfasst das professionelle Denken und Handeln im jeweiligen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Kontext ebenso wie das praktische und theoretische Wissen um Gesundheit und Krankheit. Medizinisches Wissen beruht sowohl auf empirische Beobachtung als auch auf philosophische Theorien.

Grundwissen

Der TherapieTherapie ist die DiagnoseDiagnose vorangestellt. In Kenntnis der Diagnose ist die jeweilige, dann diagnoseabhängige Therapiediagnoseabhängige Therapie angeschlossen. Insofern bedarf es der eingehenden Betrachtung. Genaues Hinschauen vor dem Hintergrund der Kenntnis. Krankheiten sind durch SymptomeSymptome und BefundeBefunde erkennbar und auch zu definieren. Das ist eine entscheidende Kompetenz, die der Medizin zuzuschreiben ist. Für die Angehörigen bedeutet Krankheit: Ungewissheit, Sorge und Angst, um das Befinden. Für die Betroffenen kommen körperliche und seelische Schwäche hinzu.

Praxis | Achim F., Helga K. und Helmut R. in der Notfallambulanz

In die Notfallambulanz kommt Achim F. (43) mit blassem Gesicht Kurzatmigkeit, Schweiß an der Stirn jedoch ohne Fieber. Er beklagt Übelkeit und hält sich die Brust.

Helga K. (58) ist absolut erschöpft, hat seit Wochen Husten und kann auch nichts Essen. Sie habe an Gewicht verloren. Heute Morgen war Blut im Taschentuch. Sie hat große Angst und kann nicht mehr.

Helmut R. (74) ist mit heftigen Kopfschmerzen erwacht und beklagt ein flimmeriges Sehen. Die Sprache sei verwaschen und der linke Arm sei schwächer geworden.

Die Menschheit hat über die vielen Jahrtausende ihrer Existenz Verständnis und Wissen über den Aufbau des gesamten menschlichen Körpers erlangt: u. a. das Wissen um Gestalt und Funktion der Haut, die der MuskulaturMuskulatur, über die VerdauungVerdauung und das SkelettsystemSkelettsystem, über das Gefäß- sowie Gefäßsystemlymphatische Systemlymphatischen System und das zentrale sowie periphere NervensystemNervensystem. Dabei wurden auch Irrwege gegangen. Insgesamt hat sich allerdings das Wissen um den menschlichen Körper sowie der Psyche erheblich verbessert.

Das Studium der MedizinMedizin befasst sich zu Beginn klassischerweise mit der Lehre von AnatomieAnatomie und PhysiologiePhysiologie des gesunden Menschen. Es wird also das NormaleNormale (das) betrachtet. Kenntnisse, die erforderlich sind, um Änderungen vom Gesunden zu erkennen. Damit ist es aber noch nicht entschieden, ob es noch normal ist oder schon krank. Die Abwesenheit des Normalen definiert noch keine Krankheit. Die Grenzlinie dahingehend, ob eine Änderung vom Normalen eine KrankheitKrankheit darstellt, unterliegt unterschiedlichen Konventionen, die teils wissenschaftlich, teils gesellschaftlich festgelegt werden. In dieser Grauzone ist es schwierig, sich zu bewegen.

Es erscheint sinnvoll und hilfreich, die Krankheit als solche zu definieren. Bei einem Knochenbruch mit deutlicher Fehlstellung, aufgerissener Wunde und sichtbaren Knochenbruchanteilen ist das relativ einfach und überschaubar. Bei einem seltenen Syndrom, was mit Minderwuchs, Sehstörung und vermehrten Gelenkverschleiß bereits in der Pubertät einhergeht, ist das schon schwieriger. Der Begriff der Krankheit definiert sich grundsätzlich nicht dadurch, dass eine Abweichung vom Normalen besteht. Diagnosen unterliegen Definitionen, die es zu erfüllen gilt, um als Erkrankung definiert zu werden (→ Abb. 1).

Abb. 1:

Anatomische Strukturen und physiologische Abläufe im Organismus sind komplex. Zahlreiche Variationen sind zu beobachten. Eine Änderung vom gesunden Organismus kann einerseits noch normal oder bereits Ausdruck einer Erkrankung sein. Der Krankheitsbegriff unterliegt einer Definition. Diagnostische Methoden erlauben eine Einordnung und grenzen sich von Differentialdiagnosen ab. Klassifikationssysteme erlauben eine Zuordnung zu Therapieprinzipien.

Diagnostik

Zur Detektion einer Ursache, also der DiagnoseDiagnose einer Erkrankung, ist eine gezielte DiagnostikDiagnostik durchzuführen. Erst mit Kenntnis der korrekten Diagnose kann die spezifische oder kausale (die ursachenbegründende) Therapie eingeleitet werden (→ Abb. 2). Diagnosen können mitunter auch nicht gestellt werden. Das ist nicht ganz so selten, wie man vermuten könnte. Dennoch bedarf es dennoch einer TherapieTherapie. Das kann auch ein aufklärendes Gespräch sein, in dem man erklärt, dass nach ärztlichem Ermessen und Kenntnis kein Hinweis auf eine Erkrankung zu finden ist. Zeitweilig kann es aber notwendig sein, schwerwiegende Symptome wie beispielsweise Fieber oder Schmerz zu behandeln, ohne zu wissen, was dieses Leiden begründet. Eine solche Therapie ist dann als eine symptomatische Therapiesymptomatische Therapie zu verstehen. Die Erkrankung selbst mag noch nicht verstanden sein und möglicherweise entwickelt sich die Diagnose bei weiterer BeobachtungBeobachtung. Möglich ist aber auch, dass es nicht zu klären ist, die Befunde unklar bleiben, zuweilen auch wieder verschwinden.

Abb. 2:

Symptom und Anamnese führen auf den Verdacht einer Erkrankung hin. Eine gezielte Diagnostik führt unter Beachtung der zu erwägenden Differentialdiagnosen zur Diagnose, aus der sich die spezifische Therapie ableitet.

Die durchzuführende DiagnostikDiagnostik hat einen strukturierten Ablauf. Hierzu zählen:

AnamneseAnamnese,

klinische Untersuchungklinische Untersuchung und

apparative Diagnostikapparative Diagnostik.

Auch bei einem geordneten Ablauf gibt es jeweils eigene Möglichkeiten und Grenzen. Insbesondere bei der apparativen Diagnostik erfolgt die genaue Untersuchung des Organismus in ihren jeweilig zu beurteilenden Organstrukturen. Diese Untersuchungstechniken sind unterschiedlich in ihrer Aussagekraft zu werten. AnamneseAnamnese und klinische Untersuchungklinische Untersuchung verlaufen interpersonell, haben also einen direkten Bezug von Untersucher und Untersuchtem. Zugleich ergibt sich die Ausgangssituation der ersten Hypothese. Bildlich wird der Bogen gespannt, für den Pfeil, der mit der apparativen Diagnostikapparative Diagnostik zum Ziel führt (→ Abb. 2).

Es erscheint sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass wir mit den technischen Untersuchungen konkrete Fragestellungen adressieren. Aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln und unter sich ergänzenden Aspekten wird das Subjekt bewusst zu einem Objekt geführt. Es ist gleich so, wie wenn man sich ein Haus mit unterschiedlichen Kameras anschaut. Die Farbfotografie wirkt anders als eine Schwarzweißaufnahme. Die Wärmebildkamera gibt andere Informationen als die radiometrische Tiefenmessung von Häusern zur Beurteilung von Feuchtigkeitsproblemen am Gebäude. Alle UntersuchungstechnikenUntersuchungstechniken beschreiben das gleiche Objekt in unterschiedlicher Weise und beantworten spezifische Fragen. Modulartig werden die einzelnen Ergebnisse der jeweiligen Untersuchungen zu einem Gesamtbild zusammengefügt, um schlussendlich die Diagnose stellen zu können. Diese objektorientierten, skalierbaren Denkmuster müssen dann aber auch wieder zum Subjekt der Betrachtung, zu den Patientinnen und Patienten zurückgeführt werden, um ein menschliches Miteinander zu schaffen, in denen Wertevorstellungen, individuelle Abwägungen aber auch Emotionen wieder Platz haben können.

AnamneseAnamnese

In erheblichem Ausmaß ist die Diagnose bereits durch die Anamnese zu stellen. Die Betrachtung der jetzigen Situation, der verspürten Symptome und der aktuellen Geschehnisabläufe wird als jetzige Anamnese bezeichnet. Das Vorliegen von Erkrankungen in der bisherigen Historie (EigenanamneseEigenanamnese) als auch möglicherweise die Beobachtungen des nahen Umfeldes sind hilfreich. Bei Kindern und bei Menschen mit eingeschränkten geistigen Möglichkeiten, wie bei Demenz, sind die FremdanamneseFremdanamnese und die damit gemachten Beobachtungen möglicherweise entscheidend. Die MedikamentenanamneseMedikamentenanamnese weist auf mögliche Vorerkrankungen hin, die beim Erstgespräch nicht vorgetragen wurden. Sie hat aber auch Einfluss auf die Therapie. Es muss bedacht werden, welche Medikamente ihrerseits Nebenwirkungen haben und wie sie mit anderen Medikamenten interferieren. Die Frage nach AllergienAllergien schließt unter Umständen spezielle Therapieverfahren aus. Die Frage nach dem sozialen Kontext (SozialanamneseSozialanamnese) erfüllt unterschiedliche Aufgaben. Das Geschehen ist in das Umfeld einzuordnen und – ganz einfach – ist das Gespräch auch nach Bildungsniveau und Sprachkompetenz unterschiedlich zu gestalten. Einer Personalsachbearbeiterin ist anders zu begegnen als einem Straßenwärter. Die FamilienanamneseFamilienanamnese gibt Hinweis auf eine mögliche familiäre Belastung oder genetische Genese einer Erkrankung.

Klinisch-körperliche Untersuchung

Zur anschließenden klinisch-körperlichen Untersuchung empfiehlt sich ein geordneter schematischer Ablauf. Der klassische Ablauf orientiert sich nach einem Schema: Bei der InspektionInspektion wird beispielsweise die Haut betrachtet, um zu sehen, ob sich Farb- oder Formveränderungen ergeben; also alles das, was sich mit bloßem Auge erkennen lässt. Bei der PerkussionPerkussion werden Organsysteme abgeklopft. Ein typisches Beispiel ist ein Abklopfen der Lunge oder eines geblähten Bauches. Viele Erkrankungen sind mit den Händen auch zu ertasten. Typisches Beispiel der PalpationPalpation ist das Betasten des Bauches bei Baucherkrankungen. Mit dem Stethoskop lassen sich unterschiedliche Hörgeräusche bestimmten Erkrankungen zuordnen. Das Abhören des Herzens oder auch der Lunge sind typische Formen der AuskultationAuskultation. Auch die frühere Untersuchung von Schwangeren mit dem Hörrohr stellt ein solches Verfahren dar. Die Allgemeine Funktionsprüfungallgemeine FunktionsprüfungFunktionsprüfung (allgemeine) zeigt, ob sich das zu betrachtende Organsystem so verhält, wie es sich verhalten soll. Typisch sei hier das Bewegungsausmaß von Gelenken erwähnt oder die Funktionsprüfung von Nervenreflexen.

Diese Systematik ist prinzipiell auf alle Organsysteme in unterschiedlicher Weise anwendbar. Sie erlaubt eine vollständige klinische EvaluationEvaluation, bei der man auch nichts vergisst. Es gibt auch noch andere Systematiken, wie ein klinischer Untersuchungsgang beschritten werden kann. Wesentlich dabei ist, dass man sich einer Systematik bedient, die so umfassend wie möglich viele Informationen liefert.

Ergänzend sind die sogenannten VitalparameterVitalparameter wie Blutdruck, Puls und Atmung sowie andere einfach zu erlangenden Befunde bereits beim Erstkontakt zu erheben. Sind wir an dieser Stelle der Untersuchung, so ist schon Vieles erreicht worden und möglicherweise ist auch die Diagnose bereits zu stellen. Mit der Anamnese und der klinischen Untersuchung ist zu diesem Zeitpunkt die VerdachtsdiagnoseVerdachtsdiagnose häufig zu stellen. Dieser Verdacht kann mit anderen Untersuchungsmethoden erhärtet bzw. bestätigt oder entkräftet bzw. widerlegt werden. Dieser Prozess der VerifikationVerifikation oder FalsifikationFalsifikation der Arbeitshypothese ist entscheidend für die Sicherheit der Diagnose.

Die laborchemischen Analysenlaborchemischen Analysen erlauben, die funktionellen Aspekte von Organsystemen einzuordnen und zu bewerten. Unterschiedliche Erkrankungen führen zu teils recht typischen laborchemischen Veränderungen. Sie können als Profil oder bei spezifischen Fragestellungen solitär erhoben werden. Auch hier ist ein einzelner Wert nicht immer maßgebend. Vielmehr kommt es auf die Gesamtkonstellation der Werte an, die ganz unterschiedliche Organsysteme und biochemische Funktionsweisen adressieren. Bei chronischen Erkrankungen wie dem Diabetes mellitus ist es erweiternd, hier den Verlauf auch mit in die Betrachtung aufzunehmen. Solche Systeme gibt mittlerweile auch app-basiertapp-basiert auf dem Markt und erlauben die Langzeitbeurteilung.

Elektrokardiogramm (EKG)Elektrokardiogramm (EKG)

Dem Physiker und Neurophysiologie Carlo MatteucciMatteucci, Carlo (1811–1868) gelang es, bereits Mitte des 19. Jahrhunderts elektrische Vorgänge an Taubenherzen nachzuweisen. Willem EinthovenEinthoven, Willem (1860–1927) ermöglichte 1903 die Ableitung von Herzströmen am Menschen, wofür er den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie 1924 erlangte. Die sog. ExtremitätenableitungExtremitäten-Ableitungen sind auch heute noch nach ihm benannt. Weitere EKG-Ableitungen haben sich entwickelt und sind etabliert. Die Systematik der Messung der HerzHerzströme über die Haut hat sich verfeinert. Sie ist bedeutsam in der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen oder Störung der Erregungsbildung und -leitung.

Das Elektrokardiogramm (EKG)Elektrokardiogramm (EKG) stellt ein schmerzloses, nicht invasives, jederzeit wiederholbares und nahezu überall durchführbares Verfahren zur Beurteilung der Herzfunktion dar. Spannungsänderungen des Herzens werden an der Körperoberfläche gemessen und zeitlich fortlaufend dokumentiert.

Ausgehend vom Sinusknoten im rechten Vorhof folgt die Leitung der elektrischen Aktivität über den Vorhof zum atrioventrikulären Knoten (AV-Knoten am Übergang des Vorhofes zur Herzkammer). Über die Herzscheidewand wird der Strom zunächst in die Herzspitze geführt und regt die Herzkammer zur Kontraktion an. Auf diesem Weg kann das Wechselspiel der Pumpfunktionen von Vorhöfen und Kammer optimal koordiniert werden. Diese elektrische Aktivität zeigt einen typischen zeitlichen Verlauf, der graphisch auch dargestellt werden kann. Bei einem Herzinfarkt ist eine solche elektrische Folge gestört bzw. typisch verändert. Je nach Lokalisation der Durchblutungsstörung des Herzens zeigt sich ein typisches elektrographisches Bild. Mit dieser Methode ist ein Herzinfarkt durch eine typische Veränderung der Herzstromkurve zu erkennen.

UltraschalluntersuchungUltraschalluntersuchung

Erstanwendungen von Ultraschall gehen auf die Ortung von Unterseebooten zurück. Der Impuls war jedoch so stark, dass die darüber schwimmenden Fische verstarben. Wurden in der weiteren Entwicklung der Technik zunächst Materialfehler von Werkstoffen detektiert, so widmete sich als erste medizinische Instanz das neurologische Fachgebiet den Untersuchungen von Ventrikeln des menschlichen Gehirns. Der Durchbruch gelangte mit der Untersuchung von Halsweichteilen und des Abdomens.

Prinzipiell wird über einen sog. TransducerTransducer ein Schallsignal wechselnd gesendet und empfangen. An den Oberflächen von Gewebe unterschiedlicher Dichte kommt es zur Reflexion von Schallanteilen, andere transmittieren weiter in das dahinter liegende Gewebe. Aus diesen Informationen lässt sich eine Bildfolge errechnen, welches ein zweidimensionales Abbild verschafft. In der EchokardiographieEchokardiographie lassen sich Organstrukturen, wie Muskulatur und Klappensegeln des Herzens darstellen. In der dynamischen Untersuchung können hier die Wandbewegungen analysiert werden. Störungen der Wandbewegungen weisen etwa auf das Vorliegen eines akuten oder alten Herzinfarktes hin.

Bei der akuten Gallenblasenentzündung lassen sich ebenso typische bildmorphologische Zeichen erkennen, wie eine Wandverdickung oder die entzündliche Oedembildung im Gallenblasenlager. Diese Oedembildungen sind mit der Entzündung einhergehende Ansammlungen von Flüssigkeiten in Geweben. Auch freie Flüssigkeiten in der Bauchhöhle lassen sich mit der Ultraschalluntersuchung nachweisen. Bei einem Darmverschlusssyndrom können Erweiterungen der Darmschlingen und ein sog. Strickleiterphänomen diagnostisch verwertet werden. Die dreidimensionale Darstellung erlaubt darüber hinaus die pränatale Beurteilung von Wirbelsäulenerkrankungen und lässt auch das Gesicht des Fötus erkennen.

Ultraschalluntersuchungen erlauben eine anatomische Beurteilunganatomische Beurteilung der Organstrukturen. Es werden virtuelle Schnitte durch den Körper gezogen, betrachtet und interpretiert. Aus den Veränderungen zum Normalen lassen sich Rückschlüsse auf mögliche zugrunde liegende krankhafte Veränderungen ziehen. Sie zeigen aber auch eine hohe inter- und intraobserver Varianz. Unterschiedliche Untersucher interpretieren die erstellten Bildfolgen unterschiedlich. Beim Untersuchenden ist das Ergebnis von der Tageszeit, den Untersuchungsbedingungen und vielen anderen Faktoren abhängig. Es ist eine dynamische Untersuchung mit hoher Aussagekraft. Die Ultraschalluntersuchung ist recht angenehm und schmerzlos durchzuführen. Das Verfahren ist jederzeit verfügbar sowie schmerzfrei durchzuführen und hat – soweit wir das derzeit beurteilen können – keinen schädlichen Einfluss auf den Organismus. In der alltäglichen Anwendung spielen die möglichen Gefahren praktisch keine Rolle.

Beispiel | UnfallchirurgieUnfallchirurgie

In der Unfallchirurgie hat sich die Focused Abdominal Sonography of TraumatologyFocused Abdominal Sonography of Traumatology noch im Schockraum gut etabliert. Hauptindikation ist die Untersuchung eines stumpfen Bauchtraumas. Ein standardisierter Untersuchungsablauf detektiert freie Flüssigkeit oder Parenchymschäden mit einer hohen Sensitivität bei einer nahezu gesicherten Spezifität. Es ist also mit einer hohen positiven Aussagekraft verbunden. Eine sonographisch nachweisbare Milzruptur ist zu erkennen, eine sichere Ausschlussdiagnostik ist damit nicht möglich.

RöntgenuntersuchungRöntgenuntersuchung

Aus den Kenntnissen von Wilhelm Conrad RöntgenRöntgen, Wilhelm C. (1845–1923) können elektromagnetisch erzeugte Gammastrahlen Gewebe durchdringen. Gammastrahlen werden dabei vom Gewebe teilweise adsorbiert. Hindurchtretende Strahlen werden mit einem Detektor aufgenommen. So entsteht ein kontrastiertes Bild vom Organismus. Knochensubstanz hat eine hohe Adsorptionsgröße, Fettgewebe eine geringere. Hiervon lässt sich eine Bildfolge erstellen. Es ist eine Untersuchungsmethode, die sich für das Skelettsystem besonders etabliert hat.

Prinzipiell wird ein geradliniges Bündel von Gammastrahlung, ausgehend von der Röntgenröhre, durch den Körper geführt. Es kommt zu Adsorptionen von Strahlung. Ein hinter dem Objekt liegender Film wird belichtet und es entstehen BildsequenzenBildsequenzen. Bei der Untersuchung des Abdomens spezifische Zeichen eines Darmverschlusssyndroms auf eine andere Weise darstellen können, als wir sie in der Ultraschalluntersuchung sehen. Hier zeigen sich erweiterte Darmschlingen und Spiegelbildungen der Flüssigkeit in den Darmschlingen.

Typischerweise lassen sich FrakturenFrakturen des SkelettSkelettsystems auf diese Weise sehr gut darstellen. Dies ist auch der häufigste Grund einer konventionellen Röntgenuntersuchung in der Humanmedizin. Erst in den 1960er- bzw. 1970er-Jahren konnte die kontinuierliche Röntgendurchleuchtung im Operationssaal etabliert werden. Die Positionierung von Osteosynthesematerial kann mittels eines C-Bogens während des Eingriffes beurteilt werden. Auch hier stehen mittlerweile dreidimensionale Darstellungsmöglichkeiten zur Verfügung.

ComputertomographieComputertomographie (CT)

Die Computertomographie (CT) zählt – wie auch die Ultraschalluntersuchung – zu den SchnittbildverfahrenSchnittbildverfahren. Hier wird Röntgenstrahlung angewendet. Sie stellt eine aufwändige Untersuchungsmethode dar, verfügt aber über eine hohe Informationsdichte. Sie erlaubt auch eine dreidimensionale Darstellung. Als kostenintensives Verfahren ist sie immer noch bei speziellen Fragestellungen vorzusehen.

Technisch erfolgt eine kreisrunde Führung der Röntgenröhre, aus der die Röntgenstrahlen ausgesendet werden und auf einen gegenüberliegenden Detektor treffen. Das zu untersuchende Objekt ist im Zentrum der kreisrunden Führung positioniert. Aus den Dichteunterschieden kann dann ein zweidimensionales Bild erstellt werden. Unter kontinuierlichem Transport kann – je nach Geräteeigenschaft – in kurzer Zeit auch ein ganzer Körper durchleuchtet werden, was bei polytraumatisierten Patienten eine besondere Bedeutung erlangt.

In der Skelettradiologie können Unebenheiten von Gelenkflächen nach einem Unfallgeschehen somit differenzierter dargestellt werden, als dies mit der konventionellen Röntgenuntersuchung möglich ist. Bei einem Bruch des körperfernen Speichenendes zeigt sich in der ergänzenden CT-Untersuchung die komplexe Gelenkbeteiligung.

Durch die Anwendung von RöntgenstrahlenRöntgenstrahlen lassen insbesondere starke adsorbierende Organstrukturen gut darstellen, so dass sie für die Skelettdiagnostik eine hohe Aussagekraft haben. Es lassen sich aber auch Fragen in Weichteilregionen beantworten, wie die Beurteilung eines Schlaganfalles im Gehirn. Die abgestorbene Hirnmasse stellt sich hier mit typischen Veränderungen in der Bildgebung dar. Größe und Ausmaß einer Lungenentzündung oder einer Lungenembolie können beurteilt werden. Auch bei der Differenzierung einer Blinddarmentzündung kann diese Untersuchung hilfreich sein. Statt einer Appendizitis zeigt sich eine Entzündung des unteren Anteils des Dünndarmes am Übergang zum Dickdarm (Ileitis terminalis). Diese Erkrankung ist eine Domäne einer konservativen, nicht-operativen Behandlung.

Die Computertomographie hat sich zu einer breit angewendeten Untersuchungsmethode etabliert, mit der sich viele Antworten finden lassen. Technische Verbesserungen haben zu einer höheren Auflösung geführt und dreidimensionale Rekonstruktionen sind möglich geworden.

Magnet-Resonanz-Tomographie

Die Magnet-Resonanz-Tomographie-Untersuchung (MRT)Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) zählt auch zu den Schnittbildverfahren, basiert aber auf einem anderen Prinzip. Elektronen von Wasserstoffatomen werden – extrem vereinfacht dargestellt – durch ein Magnetfeld mit hoher Feldstärke in eine bestimmte Richtung ausgerichtet. Wird das Magnetfeld ausgeschaltet, fallen diese sog. Elektronenspins in ihre ursprüngliche Richtung zurück und geben dabei ihrerseits ein elektrisches Signal ab. Diese Signale können aufgefangen und zu einem zweidimensionalen Bild zusammengefügt werden. Da Wasserstoffatome Hauptbestandteil von Wasser sind, lassen sich mit dieser Untersuchung im Unterschied zur CT-Untersuchung vornehmlich wasserreiche Organstrukturen, also Weichteilgewebe recht gut darstellen. Bei einer Veränderung der Bauchspeicheldrüse lässt sich die Lagebeziehung zu den begleitenden Gefäßstrukturen mit dieser Untersuchungsmethode abbilden. Dies hat Einfluss auf die Therapieplanung.

Die MRT-Untersuchung hat einen besonderen Stellenwert in der Beurteilung von Gehirn, Rückenmark, Gelenken, Tumorerkrankungen und Gallengangserkrankungen. Es ist ein aufwändiges, aber sehr risikoarmes und schmerzfreies Verfahren. Probleme sind ein Enge- und Angstgefühl in der engen Magnetröhre sowie Metallimplantate im Körper.

SzintigraphieSzinitgraphie

Bei der Szintigraphie wird radioaktives Materialradioaktives Material eingebracht, das sich in Organen anreichert. Dieses wird durch eine Infusion über die Vene appliziert. Mittels eines Detektors werden die Strahlen aufgenommen und zu einem Bild verarbeitet. Typisches Beispiel ist die funktionelle Untersuchung der Schilddrüse. Hierbei wird strahlenaktives Material in der Schilddrüse aufgenommen. Verteilungsunterschiede zeigen eine lokale Anreicherung des radioaktiv markierten Materials bzw. eine Auslöschung.

Stellenwert der apparativen Diagnostikapparative Diagnostik

Es stehen zur apparativen Diagnostik eine ganze Anzahl von unterschiedlichen Techniken zur Verfügung, von denen hier lediglich eine kleine und gängige Auswahl vorgestellt ist. Allen gemeinsam ist, dass sie jeweilige, in sich begrenzte Aspekte adressieren. Mit jeder diagnostischen Methode ist eine spezielle Fragstellung verbunden. Die ermittelte Antwort ist eng mit der verwendeten Methode verknüpft. Diagnostische Methoden sind Hilfsmittel, die einzelne Fragen beantworten. Um die große Frage der Diagnose, also die Frage nach dem Grund der Erkrankung zu beantworten, braucht es zuweilen mehrerer UntersuchungstechnikenUntersuchungstechniken. Dabei ist aber zu beachten, dass die Quantität an Untersuchungen nicht die Qualität der Betrachtung ersetzt. Es bedarf einer gezielten und effektiven Untersuchung (→ Abb. 3).

Abb. 3:

In Ergänzung zu AnamneseAnamnese und klinischer UntersuchungUntersuchung stehen apparative und invasive Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Sie adressieren spezifische Fragstellungen und sind als sich gegenseitig ergänzend zu interpretieren.

Praxis | HerzHerzinfarkt, Tuberkulose und Schlaganfall

Bei Achim F. (43) wurden laborchemische Untersuchungen angefordert. Hierbei zeigte sich eine Erhöhung der Herzenzyme. Das EKG zeigte typische Veränderungen der Minderdurchblutung des Herzmuskels. Ursache seiner Beschwerden ist ein akuter Hinterwandinfarkt des Herzens. Helga K. (58) bekam zügig eine Infusion, um ihren Kreislauf zu stabilisieren. Im Labor zeigten sich die Entzündungszeichen erhöht. In der Röntgenuntersuchung ist eine Verschattung zu sehen. Weitere Untersuchungen bestätigen den Verdacht einer Tuberkulose. Helmut R. (74) bekam eine CT-Untersuchung, in dem sich eine Minderdurchblutung am Großhirn zeigte. Er hatte einen Schlaganfall erlitten.

Lerntheoretischer Ansatzlerntheoretischer Ansatz

Beginnend mit dem Auftreten von KrankheitssymptomeKrankheitssymptomen, Erhebung der AnamneseAnamnese und klinische Untersuchungklinische Untersuchung, lässt sich unter Anwendung der apparativen Diagnostikapparative Diagnostik und unter Beachtung der Differentialdiagnosen bei Würdigung von Wissenschaft und Erfahrung die abschließende DiagnoseDiagnose stellen. Unsere vorangestellten Patienten erlitten einen Herzinfarkt, erkrankten an einer Tuberkulose und erlangten einen Schlaganfall. Diese Diagnose muss nach definierten Kriterien erarbeitet und bestimmt werden. Aus einer Diagnose entwickelt sich dann die spezifisch einzuleitende TherapieTherapie.

Ausgehend von einem Phänomen, das wir beobachten, kommt es zur Analyse, also zur Verknüpfung mit dem bisherigen Wissen. Daraus entwickelt sich eine HypotheseHypothese, die einem Beweis zugeführt wird.

Nach Jerome BrunnerBrunner, Jerome (1915–2016) lernen wir, indem wir aktiv Erfahrungen machen. Wir lernen durch eine aktive Teilhabe am LernprozessLernprozess. Das Wissen erwerben wir durch Denkprozesse, indem wir aus den uns zur Verfügung stehenden Informationen Bedeutungen ableiten. Das ist eine Form der Informationsverarbeitung. Wissen ist somit ein Prozess und kein Produkt. Dies ist Grundlage für lebenslanges Lernenlebenslanges Lernen. Dies gilt sowohl für ein Individuum in seinem eigenen Lernweg als auch gesellschaftlich. In der Humanmedizin ist eine konsequente Überprüfung des bisherigen Wissens der entscheidende Garant für den langfristigen Erfolg.

Ein solcher lerntheoretischer Ansatz in der Medizin lässt sich am Beispiel einer handgelenksnahen Verletzung im historischen Kontext nachverfolgen.

Praxis | Franz G.

Der 25-jährige Waldarbeiter Franz G. ist auf den linken Arm gestürzt und weist als Leitsymptome Schmerz, Fehlstellung und eine eingeschränkte Funktion (Functio laesa) auf. Es besteht der hochgradige Verdacht einer handgelenksnahen Verletzung.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, also zur Zeit der Entwicklung der Röntgenuntersuchung, ließ sich alleinig aus der zu erkennenden Verformung des Handgelenkes die mögliche Verletzungsfolge ableiten. Die Veränderung der Weichteilkonfiguration war der einzige Hinweis darauf, ob es sich um einen Knochenbruch oder um eine Verrenkung, eine Luxation in diesem Bereich handelte. Es gab Kenntnisse über den anatomischen Aufbau des Handgelenkes. Den Ärzten blieb damals nichts anderes übrig, als die normale Weichteilkonfiguration durch Zug und Gegenzug wiederherzustellen, um eine normale Funktion im weiteren Verlauf wieder erwarten zu können.

Mit Einführung der Röntgenuntersuchung konnte dann eine klare Abgrenzung von Fraktur und Luxation getroffen werden. Die Behandlung konnte also der Verletzung entsprechend genauer durchgeführt werden und war somit mit einer erhöhten Sicherheit der Behandlung verbunden.

Aus dem Wissen um die Anatomie des Skelettsystems und das Wissen um die Interpretation des Röntgenbildes haben wir eine Idee über die Verletzungsfolge: ein handgelenksnaher Bruch der oberen Extremität. Durch Vergleich mit ErfahrungErfahrung und dem erbrachten BeweisBeweis (erbrachter) wird die HypotheseHypothese geprüft. Sie wird verifiziert oder falsifiziert. In Kenntnis um Fraktur oder Gelenkluxation entwickelt sich die spezifische Therapie. Ein Knochenbruch, eine Fraktur hat andere therapeutische Konsequenzen als die Behandlung einer Verrenkung einer Luxation. Die Behandlung ist damit spezifischer und sicherer geworden.

Evidenzbasierte Medizinevidenzbasierte Medizin

Mit der Ideenwelt von PlatonPlaton, nach der alles Seiende ein „Schatten“ seiner idealen Form im Reich der Ideen sei, erklärte sich Aristoteles nicht einverstanden. Ausgehend aus seinen Studien der Natur erlangte er die Erkenntnis, dass wir diverse Beispiel in der Welt um uns sehen. Im medizinischen Aspekt entspricht dies der Lehre von Gesundheit und Krankheit. Ferner erkennen wir gemeinsame Eigenschaften, was der Krankheitslehre und der damit verbundenen Diagnose entspricht. Unter Verwendung der Vernunft lässt sich im Bereich der Medizin die Diagnose ermitteln und die adäquate Therapie bestimmen. Nach seiner Ansicht finden wir die Wahrheiten aus Evidenzen dieser Welt. Die klassische Schulmedizin verortet sich in eine nachweisorientierte Medizin und gliedert sich so in die naturwissenschaftliche Betrachtung ein.

Zugleich ist die praktische MedizinMedizin von Menschen gemacht und von Menschen gedacht. Neben der rational-naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise kommen Individualität, Irrationalität, Intuition und Erfahrung hinzu. Es ist auch zu hinterfragen, ob eine alleinige naturwissenschaftlich-mathematische Betrachtungsweise in der Begleitung von Menschen in Krankheit, Leiden und Tod die alleinig entscheidende Maxime darstellt.

Zusammenfassung | diagnostische Methodendiagnostische Methoden

Der Krankheitsbegriff unterliegt einer Definition. Symptom und Anamnese erlauben eine erste Einschätzung über die zu erwartende Diagnose. Diagnostische Methoden haben einen strukturierten Ablauf, um die Arbeitshypothese zu verifizieren oder zu falsifizieren. Die apparative Diagnostik hat ihre jeweilig spezifische Aussagekraft. Aus der Diagnose entwickelt sich die spezifische Therapie. Zunahme evidenzbasierter Erkenntnis führt zu einer Verbesserung medizinischen Handelns.

Verwendete und weiterführende Literatur

Drescher, R.; Freesmeyer, M. (2018): Szintigraphie/Positronenemissionstomographie. Notwendige und sinnvolle nuklearmedizinische Diagnostik bei Weichteiltumoren. In: Trauma und Berufskrankheit 20, S. 14–19. Online: doi.org/10.1007/s10039-017-0313-3.

Kremers, M. (2020): Teleradiologie und Telemedizin. In: MKG-Chirurg 13, S. 248–259. Online: doi.org/10.1007/s12285-020-00270-6.

Mauch, F.; Drews, B. (2016): Magnetresonanz- und Computertomographie. In: Unfallchirurg 119, S. 790–802. DOI 10.1007/s00113-016-0232-y.

Ruiu, A.; Stuppner, S. (2021): Ein Zyklus ohne Ende. In: Radiologe 61, S. 291–295. Online: doi.org/10.1007/s00117-020-00777-0.

Schimke, I.; Griesmacher, A. et al. (2006): Patientennahe Sofortdiagnostik (Point-of-Care Testing; POCT) im Krankenhaus – Ja oder Nein. In: Intensivmed 43, S. 143–155. DOI 10.1007/s00390-006-0666-5.

Walz, M.; Wucherer, M.; Loose, R. (2019): Was bringt die neue Strahlenschutzverordnung? In: Radiologe 59, S. 457–466. Online: doi.org/10.1007/s00117-019-0508-7.

1.2Akutes Abdomen

Praxis | Marco L. in der Notfallambulanz

Es ist Freitagabend so gegen 21:00 Uhr. Sommerhitze verteilt sich immer noch in den Fluren. Ein Rettungswagen kommt nach dem anderen. Der Internist stöhnt. Die Röntgenröhre glüht. Die Ambulanz ist zugelaufen. Hier ein Kind, das vom Klettergerüst gefallen, dort eine alte Dame, die im Hof gestürzt ist und mit schmerzender Hüfte eingeliefert wird. Ein junger Mann schreit laut auf bei Oberbauchschmerzen und ruft nach Schmerzmitteln. Ein anderer hat sich in den Finger geschnitten und die Blutung hört nicht auf.

Marco L. (28) wird mit dem Rettungswagen in die Notfallambulanz gebracht. Er beklagt seit etwa drei Stunden anhaltende, an Stärke zunehmenden Schmerzen im Unterbauch. Er habe Übelkeit und auch einmal erbrochen. Die Schmerzen hätten so etwa um den Nabel begonnen und seien dann nach rechts unten gewandert. Er fühle sich krank und habe auch Fieber.

In solchen Zeiten heißt es cool bleiben, Überblick bewahren und Hierarchien aufbauen: Wer muss zuerst drankommen und wenn ja, warum?

Um die Situation von Marco L. zu verstehen, bedarf es zweier wesentlicher Kernkompetenzen.

Im ersten Abschnitt widmen wir uns der Anatomie und Physiologie des VerdauungstraktVerdauungstraktes. Im zweiten Abschnitt werden die Aspekte des akuten Abdomenakutes Abdomens und die damit verbundenen DifferentialdiagnoseDifferentialdiagnosen betrachtet.

Zwischenzeitlich verschlechtert sich der Allgemeinzustand des Patienten. Er entwickelt einen septischen Schockseptischer Schock.

AnatomieAnatomie des VerdauungstraktVerdauungstraktes

Der erste Abschnitt des Verdauungstraktes stellt die MundhöhleMundhöhle dar. Über die SpeiseröhreSpeiseröhre gelangt der Speisebrei in den Magen. In der Speiseröhre werden drei funktionell bedeutsame Engen unterschieden. Diese Engen sind nicht unerheblich, denn hier können sich größere Speisebrocken einklemmen. Die erste Enge befindet sich am Übergang des Rachens zur Speiseröhre, was als Schlund bezeichnet wird. In Höhe des Aortenbogens findet sich eine weitere Enge. Der obere Magenpförtner stellt die dritte Enge dar. Diese physiologischen Engen haben in der klinischen Medizin Bedeutung. Ein Speisebrocken, kann hier verhaften und zu einem Verschluss führen. Hier ist eine zeitnahe endoskopische Entfernung des Speisebrockens erforderlich, um eine Druckschädigung der Schleimhaut und eine tiefe Infektion über eine Druckläsion der Schleimhaut der Speiseröhre zu vermeiden.

Der MagenMagen hat eine Beutelform und weist eine sichelartige Krümmung auf, die mit kleiner und großer Kurvatur bezeichnet werden. Es findet sich ein oberer SchließmuskelSchließmuskel zur Speiseröhre in Höhe des ZwerchfellZwerchfell und ein unterer SchließmuskelSchließmuskel zum ZwölffingerdarmZwölffingerdarm (Duodenum). Am Magen werden Fundus, Corpus und Antrum von oben nach unten unterschieden. Das DuodenumDuodenum macht einen C-förmigen Bogen nach rechts und nimmt die Gallensekrete aus dem Gallengang und die BauchspeicheldrüsensekreteBauchspeicheldrüsensekrete(PankreasPankreassekrete) aus dessen Hauptgallengang über eine seitliche Öffnung auf. Es folgt sodann der DünndarmDünndarm, der im oberen Abschnitt Jejunum und im unteren Abschnitt Ileum benannt wird, ohne dass es dabei eine anatomische Abgrenzung gibt. Dem Dünndarm folgt der DickdarmDickdarm(ColonColon) mit einem aufsteigenden, querverlaufenden und absteigenden Anteil, dem ein S-förmiger Abschnitt (Colon sigmoideum) folgt. Den Abschluss bildet der MastdarmMastdarm(RektumRektum), dem sich der AfterAfter(AnusAnus) angliedert.

Ferner befinden sich die NierenNieren mit ihren ableitenden Harnwegen im hinteren Teil des Bauchraumes. Anatomisch gesehen, befinden sie sich außerhalb des Bauchraumes. Die jeweiligen HarnleiterHarnleiter führen den Harn zur HarnblaseHarnblase. Hier wird der Harn gesammelt, der über die Harnröhre ausgeschieden wird. Das weibliche innere Genital wird von der Gebärmutter, den Eileitern und den Ovarien gebildet. Der Samenleiter des Mannes führt zu den Samenblasen an der Prostata und dann in die Harnröhre.

Physiologie des VerdauungstraktsVerdauungstrakt

Die Regulation der Nahrungsaufnahme ist zentralnervös gesteuert. Im Zentralen NervensystemNervensystem findet sich ein Hunger- und Sattheitszentrum im Hypothalamus. Vereinfacht gesagt, gibt es Feedbackschleifen, die uns das Gefühl von satt und hungrig vermitteln.

Die NahrungsbestandteileNahrungsbestandteile sind in die Hauptbestandteile von Fetten, Proteinen und Kohlenhydraten und verschiedener anderer Baustoffe wie Spurenelemente, Mineralien, Vitamine und Ballaststoffe zu unterscheiden.

Bereits in der Mundhöhle werden die Nahrungsbestandteile mechanisch zerkleinert. Sekrete der Mundhöhle und später des Magens lassen daraus eine breiig-flüssige Konsistenz entstehen. Die Nahrungspassage ist ein hochorganisierter, sich selbst regulierender Prozess, bei dem die Passagezeiten nach unten zunehmen und in den oberen Abschnitten durch vermehrte SekretionSekretion gekennzeichnet ist. In den unteren Abschnitten erfolgt die ResorptionResorption. Die Motorische Steuerung erfolgt durch das autonome NervensystemNervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) und durch das enterische Nervensystem. Im Zusammenspiel mit den Gallesekreten und den Pankreassekreten kommt es zur weiteren Fragmentation und Zerkleinerung der Nahrung in kleinste Bestandteile, welche letztendlich durch die Zellen des Dünndarmes aufgenommen werden können. Im anschließenden Dickdarm (Kolon) kommt es zur Rückresorption des Wassers und Eindickung des Stuhles. Durchfallerkrankungen (Diarrhoe) oder Entzündungen können hier zu erheblichen Flüssigkeitsverlusten führen. Der Enddarm (Rektum) dient als Reservoir, um den Stuhl dann geordnet absetzen zu können.

Akutes AbdomenAbdomen: mehr als akute Bauchschmerzen

Eine einheitliche Definition des akuten Abdomensakutes Abdomen (akuter Bauchschmerz) existiert nicht. Einerseits wird es als einen durch Zeitnot diktierten, vorläufigen Begriff für einen diagnostisch ungeklärten, lebensbedrohlichen abdominellen Krankheitszustand verstanden. Ebenso schließt es auch akute, nichtschmerzhafte abdominelle Erkrankungen ein. Es subsumiert Bagatellerkrankungen und vital bedrohliche Zustände. Akutes Abdomen beschreibt einen Symptomenkomplex mit akut auftretenden Schmerzen im Bauchbereich, der häufig mit Funktionsstörungen der Abdominalorgane und mit potenzieller Lebensgefahr einhergeht.

Zusammenfassend kann ein akutes Abdomen definiert werden als ein Symptomenkomplex, der mit akuten, teils sehr heftigen Abdominalschmerz (Bauchschmerz) eine vitale Bedrohung für Patienten darstellt. Wichtig ist hierbei, dass es sich um eine lebensgefährliche Erkrankunglebensgefährliche Erkrankung handelt und eine unmittelbare ärztliche BehandlungBehandlung, DiagnostikDiagnostik und TherapieTherapie erforderlich ist. Andererseits kann auch ein weiches Abdomen mit fehlenden Schmerzen einen vital bedrohlichen Zustand darstellen. Die Beurteilung einer schweren Erkrankung des Bauchraumes kann sehr tückisch sein.

Hier gibt es jedoch auch interpretatorische Unterschiede: So ordnet die Notfall- und Rettungsmedizin abdominelle Beschwerden als „akutes Abdomen“ ein, wenn sie plötzlich einsetzen – wie bei Marco L. aus dem Beispiel – oder dies von Patienten so berichtet wird. Die Viszeralchirurgie, also die Lehre der Bauchchirurgie ordnet das „akute Abdomen“ einem akut zu behandelndem Geschehen zu, was einer unmittelbaren Diagnostik und Therapie bei lebensbedrohender Situation bedarf.

Wissen | gesellschaftliche Kennzahlen

Epidemiologische Daten zum akuten Abdomen sind schwierig zu erheben. Bereits in der Initialphase der Behandlung lässt sich die Diagnose bereits einem spezifischen Krankheitsbild zuordnen. Insofern erscheint das akute Abdomen nicht in der Kodierung. Stimmt die Aufnahmediagnose zu weiten Teilen mit der Entlassungsdiagnose überein, so verbleibt jedoch auch ein nicht unerheblicher Teil in der Ursache unklar, die wir als funktionelle Störungen bezeichnen. Das akute Abdomen geht mit einer akuten Lebensgefahr einher. Die Sterblichkeitsrate (Mortalität) ist altersabhängig. Ältere Patientinnen und Patienten haben ein höheres Risiko zu versterben. Aber auch schwere Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) wie Adipositas, Diabetes mellitus, schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenfunktionsstörungen, Immunschwäche und viele andere mehr haben einen negativen Einfluss auf das Überleben.

Das akute Abdomen ist – wie bei Marco L. – ein ernst zu nehmendes Krankheitsbild und muss vom Gesundheitssystem jederzeit adressiert werden können.

Praxis | Marco L. in der Notfallambulanz (Fortsetzung)

Mittlerweile hat sich der Zustand des Patienten Marco L. erheblich verschlechtert. Er atmet schneller, zeigt aber eine gute Oxygenierung, d. h. die eingeatmete Luft wird gut verwertet. Seine Herzfrequenz ist deutlich über der Norm und der Blutdruck wird schwächer. Zudem hat er Fieber und schwitzt deutlich.

SchockSchock

Wenn Menschen im Alltag von einem bedrohlichen Ereignis betroffen sind, dann verfallen diese Menschen oft in einen Schockzustand als Ausdruck einer erheblich seelisch-emotionalen Belastung. Dieser psychische Schock wird als starke seelische Erschütterung verstanden, der durch ein plötzlich hereinbrechendes und belastendes Ereignis ausgelöst wird.

Doch die Medizin beschreibt einen Schockzustand anders: Zusammenfassend zeigt sich eine komplexe Einschränkung wesentlicher und das Lebenssystem erhaltender Organstrukturen, die eine Gefährdung für den Organismus darstellen.

Das betrifft unterschiedliche Organsysteme und es unterliegt unterschiedlichen Erkrankungsgründen. Volumenmangel durch schwere Blutungen führen zu einem Schock. Verbrennungen und Durchfallerkrankungen führen zu einem hohen Wasser- und Elektrolytverlust. Eine Unterzuckerung, ein plötzliches Herzversagen, schwere allergische Reaktionen können zu einem plötzlichen Kreislaufzusammenbruch und zu einer Bewusstseinsstörung führen. Der Schock im Rahmen entzündlicher Erkrankungen, die durch Krankheitserreger gekennzeichnet sind, wird hierbei als ein septischer SchockSchock bezeichnet.

Zur Beurteilung des Schweregrades dieses Schockzustandes, bei dem es zu einer Überschwemmung des Körpers mit Bakteriengiften kommt, sowie bei allen anderen Schockzuständen steht ein sog. Sequential Organ Failure Assessement ScoreSequential Organ Failure Assessement Score(SOFA-ScoreSOFA-Score) zur Verfügung. Dieser Score erlaubt es, den Schweregrad eines Schockgeschehens zu bestimmen. Der sogenannte Quick-SOFA-Score erlaubt die Ersteinschätzung nach rein klinischen Kriterien. Hierzu zählen die Erhöhung der Atemfrequenz, der Wachheitsgrad und der Abfall des systolischen Blutdruckes (→ Abb. 4) Der abschließende Sequential Organ Failure Assessment Score adressiert die weiteren Systeme Atmung, Gerinnung, Leberfunktion, Herz-Kreislauf-System, Zentrales Nervensystem und Nierenfunktion (→ Abb. 5).

Die Sensitivität des Quick-SOFA-Scores ist unzweifelhaft gering. Es wäre auch zu vermessen, wenn das komplexe Krankheitsbild sich alleinig auf drei Leitsymptome, nämlich auf die des Wachheitsgrads, des Blutdrucks und der Atemfunktion reduzieren lassen. Er ist eher als eine Art Ampel zu verstehen, als Warnsignal für ein bedrohliches Krankheitsbild, was dazu auffordert, hier nochmals ganz genau hinzuschauen und weitere Diagnostik einzuleiten. In der Praxis macht es also Sinn bei dem Vorliegen eines Punktes des Quick-SOFA-Scores auf eine Sepsis mit weiteren Untersuchungen zu screenen.

Abb. 4:

Der Quick-SOFA-Score erlaubt eine Zuordnung der Gefährdung auf einen Schock noch in der Notfallambulanz bzw. beim Erstkontakt nach allein klinischen Kriterien wie Blutdruck, Bewusstseinslage und Atemfrequenz. Sind zwei und mehr Kriterien erfüllt, ist zunächst von einem Schockgeschehen auszugehen (modifiziert nach Singer et al. (2016)).

 

 

0

1

2

3

4

ZNS

Glasgow Coma Scale

15

13–14

10–12

6–9

< 6

Herz-Kreislauf

MAP (mmHg)/Katecholamine (µg/kg/min)

> 70

< 70

Dopamin oder Dubutamin (< 5)

Dopamin (5–15)

oder

Adrenalin (< 0,1) oder Noradrenalin (< 0,1)

Dopamin (> 15)

oder

Adrenalin (> 0,1) oder Noradrenalin (> 0,1)

Lunge

paO2/FiO2

> 400

< 400

< 300

< 200

< 100

Leber

Bilirubin (mg/dl)

< 1,2

1,2–1,9

2,0–5,9

6,0–11,9

> 12

Gerinnung

Thrombozyten (/µl)

> 150.000

< 150.000

< 100.000

< 50.000

< 20.000

Niere

Kreatinin (mg/dl)

< 1,2

1,2–1,9

2,0–3,4

3,5–4,9

> 5

Abb. 5:

Der SOFA-ScoreSOFA-Score adressiert die unterschiedlichen Systeme, die im Schockgeschehen besondere Bedeutung haben (modifiziert nach Singer et al. (2016)).

SepsisSepsis

Die Medizin fragt bei entzündlichen Erkrankungen nach den Sepsis­kriterien.

Sepsis bedeutet dabei, die Entwicklung eines lebensbedrohlichen Zustandes, wenn die körpereigene Abwehrreaktion die eigenen Gewebe und Organe schädigen. Das ist die schwerste Komplikation von Infektionserkrankungen, die durch Bakterien, Viren, Pilzen oder auch Parasiten ausgelöst werden können.

Sepsis kann jeden Menschen treffen. Aber: Bestimmte Personengruppen haben diesbezüglich ein höheres RisikoRisiko