Mein Leben als Affenarsch - Oskar Roehler - E-Book

Mein Leben als Affenarsch E-Book

Oskar Roehler

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Beschreibung

"Ich gerate so in Rage, dass ich ausschere und erneut in den Landwehrkanal springe. Ich kraule, ja, ich schwimme sogar Butterfly, trotz des Wehrmachtsmantels. Ich spüre, die Wahrheit des Augenblicks besteht darin, dass ich der Ausdruck des gesammelten Wahnsinns von Westberlin bin – das Wahrzeichen sozusagen." Berlin in den 80er Jahren, Frontstadt im Spannungsfeld zwischen Paranoia und Stillstand. Graue Hinterhöfe, Kohlgeruch, alte Nazis, neue Büro kraten. Aber auch Größenwahnsinnige am Theater, Exzesse in Kreuzberger Clubruinen, Konzerte wie Alpträume von Maschinenmenschen, Nächte, die nicht enden. Mitten in diesem eingemauerten Flecken Freiheit Robert. Den mageren Körper in einen bodenlangen Wehrmachtsmantel gehüllt, einen Tornister voller Bücher auf dem Rücken, durchmisst er in endlosen Gewaltmärschen die Straßen, angetrieben von Wut und nervöser Energie taucht er ein in den Wahnsinn einer Stadt im Klammergriff von Ost und West. Ein wütender Monolog, brutal komisch und gnadenlos offen. Mit heftigen, unwiderstehlich rhythmisierten Sätzen und in unvergesslichen Bildern erzählt Oskar Roehler vom Berliner Underground.

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Das Buch

Berlin in den 80er Jahren, Frontstadt im Spannungsfeld zwischen Paranoia und Stillstand. Graue Hinterhöfe, Kohlgeruch, alte Nazis, neue Bürokraten. Aber auch Größenwahnsinnige am Theater, Exzesse in Kreuzberger Clubruinen, Konzerte wie Alpträume von Maschinenmenschen, Nächte, die nicht enden. Mitten in diesem eingemauerten Flecken Freiheit Robert. Den mageren Körper in einen bodenlangen Wehrmachtsmantel gehüllt, einen Tornister voller Bücher auf dem Rücken, durchmisst er in endlosen Gewaltmärschen die Straßen. Angetrieben von Wut und nervöser Energie taucht er ein in den Wahnsinn einer Stadt im Klammergriff von Ost und West. Ein wütender Monolog, brutal komisch und gnadenlos offen.

Mit heftigen, unwiderstehlich rhythmisierten Sätzen und in unvergesslichen Bildern erzählt Oskar Roehler vom Berliner Underground.

Der Autor

Oskar Roehler, geboren 1959, ist einer der renommiertesten deutschen Drehbuchautoren und Regisseure. Sein erster Roman Herkunft erschien 2011 bei Ullstein. Oskar Roehler ist verheiratet und lebt in Berlin.

OSKAR ROEHLER

MEIN LEBEN ALS AFFENARSCH

ROMAN

Ullstein

Das Gedicht im Kapitel »Immer noch Sommer, verregnet, sieht aus wie Herbst/Winter …«, »Stopping by Woods on a Snowy Evening«, stammt aus: Robert Frost, THE POETRY OF ROBERT FROST, edited by Edward Connery Lathem. © 1923, 1969 by Henry Holt and Company, © 1951 by Robert Frost. Used by arrangement with Henry Holt and Company, LLC, Publishers, New York.

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ISBN: 978-3-8437-1077-0

© 2015 by Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinUmschlaggestaltung: Sabine Wimmer, BerlinUmschlagmotiv: getty images/Steven Biver

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Gewidmet dem Schriftsteller und Freund aus alter Zeit, Harry Hass

München, Nov. 80

Bevor ich nach Berlin gehe, besuche ich meine Mutter. Sie empfängt mich in ihrer Münchner Wohnung in einem schlabbrigen schwarzen T-Shirt, das ihren Bauch nur mühsam kaschiert. Ihre Beinchen sind noch dünner geworden, das Gesicht aufgedunsen. Ihre Augen quellen aus den Höhlen. Sie sind dick mit schwarzem Kajal umrandet. Durch ihre dünnen, rötlichen Haare schimmert die Kopfhaut. Kaum hat sie mich reingebeten, zeigt sie mir einen sündhaft teuren Mantel aus Orang-Utan-Fell. Man kann ihn wenden und das Innenfutter aus Leder außen tragen.

Sie zieht ihn an, dreht und wendet sich vor mir und blickt dabei ab und zu in den Spiegel.

Ihre Augen glitzern boshaft und stolz, weil sie im Besitz einer solch kostbaren, verwegenen Rarität ist. Sie trägt immerhin ein echtes Affenkostüm. Es ist ihr achttausend Mark wert gewesen. Ein gefährlicher Leichtsinn treibt sie dazu, solche Dinge zu tun. Von dem Geld könnte sie achtmal ihre Miete bezahlen. Aber diesen Affen musste sie unbedingt haben. Es führte kein Weg daran vorbei. Immerhin. Wozu gibt es ihren Vater, der nicht lange fragt, sondern das Geld überweist, wenn sie ihm schreibt, dass sie sich in einer Notlage befindet.

Sie hat »den Affen« in einer ihrer kleinen Boutiquen in der Elisabethstraße gekauft, die ihre Einsamkeit ausnützen und ihr all diese Dinge andrehen, die sie überhaupt nicht brauchen kann, da sie nirgends mehr hingeht, außer zum Einkaufen in den Supermarkt.

Ich ziehe meinen Wehrmachtsmantel aus, der mir bis zu den Knöcheln reicht und dessen dickes Rindsleder sich mit Münchner Winterregen vollgesogen hat. Der Tornister mit meinem Schlafsack ist voller Bücher. Ich habe ihn durch ganz München geschleppt. Ich bin froh, als ich mich endlich setzen kann.

Schon beim ersten Drink erzählt sie mir stolz von ihrem hohen Captagon- und Rohypnolkonsum. Zum Einschlafen braucht sie sechs Rohypnol. Diese Menge kann für den Normalverbraucher tödlich sein. Wenn sie unterwegs ist und die Tabletten zu früh nimmt, kann es passieren, dass sie noch auf dem Weg einschläft. Neulich ist es ihr im Taxi passiert, auf dem Rückweg vom Hofbräuhaus, wo sie manchmal ein paar Gläser Weißwein trinkt, um unter Leuten zu sein. Der Taxifahrer bekam sie nicht mehr wach. Er musste überall klingeln. Schließlich schleppte er sie ins Treppenhaus. Sie lag auf den Stufen, bis jemand kam, der sie kannte und in ihre Wohnung verfrachtete.

Captagon schüttet sie erst mal eine ganze Handvoll in sich hinein, um überhaupt wach zu werden, erzählt sie. »Bei dieser Bilanz kannst du dir ja denken, wie viele Rezepte ich brauche«, sagt sie, »da macht kein Arzt mit. Aber ich habe vorgesorgt. Ich habe die Rezeptblöcke einfach aus dem Schreibtisch geklaut, als das Arschloch kurz draußen war.«

Sie hockt breitbeinig da, die dicke Wampe hängt ihr zwischen den Beinen. Ihre hervorquellenden Augen starren mich an.

»Hast du etwas dagegen, ein paar Rezepte auszufüllen?«

»Nein«, antworte ich.

Sie steht auf und trippelt mit unsicheren Schrittchen zu einer Kommode, aus der sie einen dicken Stapel Rezeptblöcke holt. Sie kann sich kaum bücken, ihr gesamter Körper ist steif wie ein Brett. Sie überreicht mir den Rezeptblock und lässt sich wieder auf ihr riesiges, weißes Ledersofa plumpsen, wo sie wie versteinert hocken bleibt und mich beobachtet, wie ich Rezept um Rezept ausfülle und die Unterschrift des Arztes fälsche, bis mir die Finger weh tun und ich zu schnaufen anfange.

»Jetzt bist du mein Komplize«, sagt sie endlich, als ich fertig bin. »Ich bin stolz auf dich. Vor drei Jahren, als wir uns das letzte Mal gesehen haben, warst du noch so ein Wohlstandsspießer. Ich hätte nicht gedacht, dass aus dir mal was wird.«

Sie nimmt ein paar Tabletten und schluckt sie mit Wodka-Orange herunter.

Ich will etwas als Entgelt für die Fälschung der Rezepte. Immerhin habe ich mich mitschuldig gemacht.

»Ich will nach Berlin«, sage ich, »aber ich habe kein Geld.«

Ihr Blick, der sich kurz aufgehellt hatte, wird sofort wieder starr.

»Wenn du Geld willst«, sagt sie, »musst du zu deinem Vater gehen. Er war schließlich der Kassenwart der RAF. Er behauptet, dass er das Restgeld von den Banküberfällen immer noch bei sich liegen hat.«

Ich erwidere nichts. Schweigend, rauchend, mich anstarrend, weidet sie sich an meiner Enttäuschung. Das will ich nicht auf mir sitzen lassen.

»Hast du nicht wenigstens hundert Mark?«, frage ich eisig.

Schließlich holt sie ihr Portemonnaie aus der Tasche.

»Na gut. Hier hast du hundert Mark«, sagt sie gnädig und überreicht mir den Schein. Ich stecke ihn ein. Die Stimmung ist feindselig.

Ich blicke mich um. Im Zimmer hängt dichter Rauch von den vielen Zigaretten. Überall liegen angebrochene oder noch ganze Stangen Benson & Hedges herum. Rechts im Regal türmen sich Tablettenpackungen neben den Büchern. Die Wohnung macht den Eindruck, als wäre schon lange niemand mehr hier gewesen. Ein Warenlager, das ständig nachgefüllt werden muss, um diesen Organismus am Leben zu halten, der mit der Welt da draußen abgeschlossen hat, die voller Häme, Lügen und Niedertracht ist.

Ich kenne diesen Menschen, zu dem ich Mama sage, eigentlich gar nicht.

Vor vier Jahren, als ich fünfzehn war, tauchte sie plötzlich bei den Großeltern auf.

Es hieß, sie sei wegen Steuerschulden aus London geflüchtet, ohne einen Pfennig Geld, nervlich völlig am Ende, aber mit Koffern voll eleganter Klamotten aus der Carnaby Street. Ich war schüchtern und fühlte mich spießig mit meinen halblangen Haaren und den C&A-Klamotten und beobachtete sie aus sicherer Distanz, wie sie im Wohnzimmer Anekdoten aus ihrem bewegten Leben im Ausland zum Besten gab. Ich hoffte, dass sie verschwand, ohne die Gelegenheit zu haben, mich genauer unter die Lupe zu nehmen, da ich wusste, dass sie von mir enttäuscht sein würde. Ich schämte mich für mich selbst.

Und dieses Minderwertigkeitsgefühl ist auch jetzt wieder da, trotz meines Irokesen, trotz meines Wehrmachtsmantels und meiner Springerstiefel. Aber diesmal regt sich, anders als damals, Trotz gegen die heimliche Verachtung, die bei der Begegnung mit meiner Mutter immer von ihrer Seite her mitschwingt. Ich schweige, ich überlege, ob ich gleich gehen soll, und sehe mich nach meinem Tornister um.

Ich muss daran denken, dass meine Großmutter inzwischen gestorben ist und meine Mutter nicht mal zur Beerdigung gekommen war, obwohl meine Großmutter damals, als sie übernächtigt und mittellos ankam, sofort bereit gewesen war, ihr zu helfen und zu vergessen, wie schlecht sie in ihrem ersten Roman über ihr Elternhaus geschrieben hatte. Meine Großmutter hatte meiner Mutter sofort eine Schlafkur bezahlt, die sie aufgrund ihres Drogenkonsums so bitter nötig gehabt hatte, und dafür Unsummen ausgegeben, da meine Mutter nicht mal versichert war.

Sie reißt mich aus meinen trüben Gedanken.

»Was willst du überhaupt in Berlin?«, fragt sie mich.

»Ich würde gerne irgendwas mit Film oder Theater machen«, antworte ich.

Es klingt so banal, dass ich am liebsten im Erdboden versinken würde.

Sie geht großzügig darüber hinweg.

»Ich kann den Bock fragen«, überlegt sie, »ich glaube, die inszenieren gerade ein Stück von dem in Berlin. Aber Alois Bock ist maßlos egoistisch und eitel. Er würde nie etwas für andere tun.«

»Kannst du es nicht trotzdem versuchen?«, frage ich fast euphorisch vor Hoffnung. Nie hätte ich damit gerechnet, dass sie den Versuch machen würde, mir zu helfen.

»Ich kann es versuchen«, sagt sie.

»Und Film?«, frage ich. »Ich würde noch lieber zum Film. Kennst du nicht jemanden beim Film?«

»Ich kenne einige sogenannte Filmleute hier in München«, erwidert sie, »sie haben ein paar Mal versucht, mir die Filmrechte meiner Romane abzukaufen. Man muss kein Einstein sein, um sehr schnell zu merken, dass sich diese Leute auf dem geistigen Niveau von Rotarschpavianen befinden. Aber wenn du unbedingt zum Film gehen willst … Du solltest allerdings aufpassen, denn die meisten von denen sind nicht nur dumm, sondern auch pervers. Wenn sie dir eine Rolle anbieten, heißt das in den meisten Fällen nur, dass sie dich in den Arsch ficken wollen.«

Ich zucke zusammen. Tatsächlich bin ich wenige Stunden zuvor, als ich am Bahnhof ankam, von einem Mann angesprochen worden, ob ich nicht in einem Film mitspielen wolle. Ich bin mit ihm in seine Wohnung gegangen. Erst verabreichte er mir Poppers auf seiner Couch und verlangte dann, dass ich ihm meine Eier und meinen Schwanz zeige.

Ich ließ die Hosen runter und zog das Hemd hoch. Er verlangte in breitem Münchnerisch, meinen Arsch zu sehen. Er hatte einen blonden, hochgezwirbelten Schnurrbart und knallte weiter Poppers in sich rein, um sich anzuturnen. Als er merkte, dass ich keinen hochbekam, verlor er schnell das Interesse. Ich fragte ihn nach dem Klo und machte einen polnischen Abgang. Es fühlte sich an wie ein kleiner Unfall.

»Was willst du eigentlich beim Film?«, fragt sie und reißt mich wieder aus meinen Gedanken.

»Hm«, meine ich lahm und ohne jede Überzeugung: »Vielleicht Schauspieler werden?«

»Du wirst nie ein guter Schauspieler«, erwidert sie, »dazu bist du viel zu ehrlich.«

Ich schweige beleidigt.

»Das meinte ich als Kompliment«, sagt sie. »Dir fehlt dieser widerliche Mangel an Identität, den diese Berufsklasse auszeichnet.«

Sie schlägt mir vor, Zivildienst zu machen, damit ich endlich etwas über die Gesellschaft lerne und darüber, wie dieser Staat mit denen, die er nicht mehr braucht, nämlich mit den Armen, Alten und Hilfsbedürftigen, umgeht.

Ich blicke zu Boden und versinke, völlig ermüdet, in Schweigen. Allmählich löst sich der beige Teppich in dem Nebel aus Zigarettenrauch auf. Wie soll ich es jetzt noch zum Bahnhof schaffen?

»Ich habe vielleicht doch eine Idee, was du machen könntest«, sagt sie. »Du könntest mir helfen, deinen Onkel umzubringen.«

Ich blicke auf und sehe hinüber zu dieser reglosen Gestalt auf der riesigen weißen Couch, deren Wahn etwas völlig Normales hat und die mir jetzt akribisch erläutert, welche Angst sie hat, ihre Erbschaft durch eine Intrige meines Onkels zu verlieren; ich begreife nun: Auf diese Erbschaft hat sie spekuliert, seit sie hier sitzt, Jahr für Jahr. Es gibt eigentlich gar nichts anderes als diese Erbschaft für sie. Alles läuft darauf hinaus, dass sie die Dinge unter Kontrolle bringen muss. In der Küche zeigt sie mir die Waffe, eine Walther, die ihr mein Vater bei ihrem letzten Treffen geschenkt hat. Es ist, wie er behauptet hat, die Waffe der Gudrun Ensslin, die er meiner Mutter schwer betrunken nach einem desaströsen Wochenende überreicht hatte, als wäre es der Iffland-Ring, nach einem sinnlosen Besäufnis, das damit geendet hatte, dass sie mit einem verstauchten Bein in der Badewanne aufgewacht war. Nun soll diese Waffe, deren Trommel sie vor meinen Augen klicken lässt, deren Patronen sie mir zeigt, dazu dienen, den Onkel hinzurichten. »Ein herrliches Klicken!« Ihre Augen leuchten vor Vergnügen.

Mir wird klar: Sie ist völlig übergeschnappt, dieser arme Mensch, auf den sie es abgesehen hat, hat niemandem etwas getan! Aber hier in der Wohnung, in diesen vom Zigarettenrauch wattierten, hermetischen Räumen entkommt niemand mehr ihrem Wahn, sie selbst am allerwenigsten, und das, was sie vorhat, ist sogar das Normalste, was hier geplant werden kann.

»Das Vermögen meines Vaters …«, fängt sie immer wieder an und verliert sich in Schätzungen, was das Haus, was die Konten plus der Schmuck ihrer Mutter alles in allem wert sind – und kommt auf eine Summe von über drei Millionen. Und ihre Augen leuchten wieder.

Der Abend neigt sich dem Ende entgegen, sobald wir wieder im Wohnzimmer sitzen. Sie nimmt ihre sechs Tabletten.

»Mein Vater«, sagt sie, »wird allmählich senil. Er hockt den ganzen Tag auf der Couch und liest seine Wirtschaftszeitungen. Er ist schon so verwirrt, dass er gar nicht merkt, dass überall Eigelb und Essensreste auf seinem Jackett kleben. So hochintelligent er als Wissenschaftler war, so gutgläubig ist er als Mensch. Und mein Bruder nutzt diese Situation schamlos aus. Er lädt ihn immer in sein spießiges Reihenhaus zum Essen ein, und da ködern sie ihn mit Klößen und Schweinebraten. Er sabbert vor Glück, wenn er die Enkel sehen darf, weil er so kinderlieb ist. Er ist bereits ein vollkommener Narr. Bald wird mein Bruder ihn so weit haben, dass er sein Testament umschreibt. Dann geht mir alles verloren, worauf ich all die Jahre gehofft habe. Endlich Sicherheit. Nach dem Hundeleben, das ich für meine Arbeit geführt habe.«

Ich nicke ab und zu.

»Es muss nach einem Raubmord aussehen. Man steigt in das Haus ein und knallt ihn einfach ab.«

Meine Mutter lallt schon. Das Kinn klappt hinunter, sie sackt nach vorn. Ich beobachte den ganzen Vorgang, hin und her gerissen, ob ich ihr helfen oder mir das alles nur anschauen soll. Schließlich kippt sie zur Seite, ihr Oberkörper fällt auf das weiße Lederkissen. Ich nehme meinen Tornister und gehe.

Es ist zwölf, als ich am Hauptbahnhof ankomme und den Typen entdecke, der mich am Nachmittag abgeschleppt hat, wie er um die Ecken schleicht und guckt, ob er noch ein paar Reste ficken kann. Ich verkrieche mich hinter den Schließfächern in eine Ecke und lege mich hin, bis die schwarzen Sheriffs mich mit ein paar unsanften Fußtritten wecken.

Darmstadt …

Um sieben Uhr abends komme ich bei meinem Vater an. Er öffnet die Tür einen Spaltbreit und starrt mich mit seinem stieren Säuferblick einen Moment an, bevor er mich erkennt und überrascht die Stirn runzelnd »Mein Sohn? Was machst du denn hier?« sagt.

Bevor er mich hineinlässt, wirft er paranoide Blicke ins Treppenhaus. Er ist der Meinung, der Verfassungsschutz überwacht ihn.

Er wankt zum Telefon. Die Wählscheibe ist völlig zertrümmert. Er sieht meinen Blick und sagt: »Dein Vater war gerade dabei zu telefonieren, aber es ist ihm wieder einmal nicht gelungen, weil er die Wählscheibe durchbohrt hat. Und warum hat er sie durchbohrt? Damit er abrutscht, wenn er betrunken versucht zu telefonieren. Es mag widersinnig klingen, aber so ist das Leben. Das wirst du selbst eines Tages begreifen.«

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