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Egal ob in Rom, Paris oder London! Eine Berührung von Staranwalt Matt Edwards genügt, und DJ schmilzt dahin. Sich dem Millionär bedingungslos hinzugeben ist alles, was sie will - natürlich immer nur für eine heiße Nacht. Eine feste Beziehung hat keinen Platz in ihrem Lebensplan, denn ihre Karriere bedeutet ihr alles. Doch nach einem dramatischen Zwischenfall streicht DJ die Dates mit ihrem sexy Lover. Bis ihre Wege sich zufällig wieder kreuzen und DJ eine erschütternde Entdeckung macht …
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Seitenzahl: 207
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Joss Wood Originaltitel: „Hot Christmas Kisses“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2101 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Roswitha Enright
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733725419
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Weihnachten vor einem Jahr …
Dreitausend Meilen von ihrem Zuhause in Boston, USA, entfernt, in einer ländlichen Gegend von Devon in England, strich DJ Winston sorgfältig über ihr rot-silbernes Kleid und wandte sich seufzend ihrem Computer zu.
Sie skypte mit ihren besten Freundinnen, den Zwillingen Darby und Jules Brogan. Die beiden saßen in Jules’ Büro in Boston auf der Couch und hatten ihre Kaffeebecher vor sich stehen. Wie es bei ihnen üblich war, schlossen sie ihre Firma über Weihnachten für ein paar Tage und gingen zum Abschluss des Jahres mit den Angestellten zum Lunch.
„Grüßt alle und sagt ihnen, ich wünsche ihnen schöne Ferientage.“
Darby verdrehte die Augen, weil sie, DJ, es nicht fertigbrachte, allen fröhliche Weihnachten zu wünschen. Aber das war ihr einfach nicht möglich. Sie hatte es versucht, wirklich, sie brachte die Worte jedoch nicht über die Lippen. Sie hasste den Dezember. In der Weihnachtszeit, die die meisten Menschen doch so genossen, fühlte sie sich wieder wie eine Achtjährige, allein und verlassen, die nicht begriff, weshalb ihre Eltern sie nicht liebten.
DJ wusste, dass die Zwillinge gern mal mit ihr über dieses Trauma sprechen würden, aber sie konnte es nicht. Dieses Thema war tabu, das war allerdings nicht der einzige Grund. Sie hing an ihren Freundinnen, sie war jedoch davon überzeugt, dass eine gewisse Distanz zu Menschen, die sie liebte, besser war. Mit etwas Abstand fühlte sie sich wohler, sicherer, und da sie sich auf diese Weise schon als Kind und später als Teenager geschützt hatte, blieb sie auch als Erwachsene dabei.
Darby legte den Kopf schief und betrachtete sie prüfend. „Das Kleid steht dir super, DJ, mit deinem dunklen Haar und den dunklen Augen.“
Jules nickte. „Find ich auch. Kräftige Farben sehen gut aus. Na ja, bei deiner Größe und deiner Figur kannst du alles tragen. Das weißt du ja.“
Nein, eigentlich nicht. Die Zwillinge fanden sie attraktiv, aber DJ fühlte sich häufig wie ein lang aufgeschossener Teenager, der nicht wusste, wohin mit seinen Gliedern. Sehr zur Enttäuschung ihrer blauäugigen blonden Mutter. Fenella musste zwar zugeben, dass ihre Tochter intelligent war, fand sie jedoch zu groß, zu schlaksig und ohne Charme. Das war noch das Netteste, was Fenella für sie übrighatte. Was sie sagte, wenn sie auf ihre Tochter schlecht zu sprechen war, daran wollte DJ sich lieber nicht erinnern.
„Was für Schuhe ziehst du an?“, fragte Darby.
„Na, die teuren silbernen, die ich mir letzte Woche kaufen musste. Du hast mich ja geradezu dazu gezwungen.“
„Soso.“ Darby grinste. „Und wann kommt Matt?“
„Gar nicht.“
„Was? Er hat dich sitzen lassen? Das ist ja ein reizendes Weihnachtsgeschenk!“ Jules war empört.
DJ seufzte leise. Die Zwillinge verstanden einfach nicht, dass ihre Abmachung mit Matt Edwards für sie beide das Richtige war, und das schon seit sechs Jahren. Je nachdem, wie ihre Arbeitszeit es zuließ, trafen Matt und sie sich mal für eine Nacht, manchmal auch für ein Wochenende. Wenn sie mit Matt zusammen war, erlaubte DJ sich, all das, was sie tagsüber beschäftigte, Aktienkurse, Börsennachrichten, Profiterwartungen und Ähnliches, beiseitezuschieben und ein völlig anderer Mensch zu sein. Einfach nur eine junge Frau, die sich amüsieren wollte, die heiter und sinnlich war.
Weder sie noch Matt erwarteten mehr von dieser Beziehung. Und DJ war sich sehr bewusst, dass dieses Arrangement jederzeit beendet werden konnte, obgleich es nun schon eine ganze Zeit bestand. Sie fühlten sich einander nicht verpflichtet und entspannten sich bei gutem Sex und unbeschwertem Beisammensein ohne Verbindlichkeit.
Und genauso wollte sie es. Ein echter Freund, ein Partner, Verlobter oder Geliebter, der Ansprüche stellte, hatte in ihrem Leben keinen Platz. Vom Vater verlassen und von Fenella abgelehnt hatte sie früh genug erfahren, was passierte, wenn man sein Herz an einen Menschen hängte. Das wollte sie nicht noch einmal erleben.
So war ihr das lose Verhältnis mit Matt gerade recht. Allerdings hatte er ihr gestern doch einen ziemlichen Schlag versetzt, als er sie anrief, um ihr zu sagen, dass sie Weihnachten nicht zusammen sein würden. Er musste in Holland bleiben, denn ein wichtiger Klient brauche dringend seine Hilfe. Und als berühmter Anwalt für Menschenrechte konnte das nur bedeuten, dass es sich um einen politischen Häftling handelte oder um Menschen, die fälschlich des Terrorismus angeklagt waren und vor Gericht gestellt werden sollten.
Das kam sie hart an. Weihnachten allein sein, ein Albtraum! Außerdem hatte sie lange keinen Sex gehabt und war scharf auf Matt. Kurz überlegte sie, ob sie die Hochzeit ihrer Freundin hier sausen lassen und ihre Freundinnen in Boston besuchen sollte. Das würde jedoch bedeuten, Weihnachten unterm Tannenbaum mit allen Extras ertragen zu müssen. Nein, dann schon lieber eine Hochzeit an dem Tag, da kam man auf andere Gedanken.
Ihre Freundinnen sahen sie mit großen Augen an, da wurde ihr klar, dass sie deren letzte Frage noch nicht beantwortet hatte. „Nein, er hat mich nicht sitzen gelassen, wenigstens nicht in dem Sinne. Er kann arbeitsbedingt nicht weg, hat einen sehr wichtigen Fall. Und die Arbeit kommt immer an erster Stelle, da sind wir uns einig.“
Sie blickte auf die Uhr oben rechts auf dem Computerbildschirm. „Oh Gott, schon so spät! Ich muss mich schnell schminken, sonst komme ich nicht rechtzeitig in die Kirche.“
Darby runzelte die Stirn. „Dann zieh aber vorher das Kleid aus, sonst beschmierst du es noch mit Make-up.“
„Hast recht.“ Schnell schlüpfte DJ aus dem Kleid.
„Donnerwetter!“ Jules stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Was für sexy Dessous! Edwards weiß wirklich nicht, was ihm entgeht.“
„Stimmt.“
Diese Stimme … Hastig wandte DJ sich um und blickte zur Tür. Ihr Herz klopfte wie verrückt.
An den Türrahmen gelehnt stand Matt da und sah einfach sexy aus, ohne dass er es darauf anlegte. Groß, blond, grüne Augen und diese tiefe Bräune, als wäre er gerade an einem kalifornischen Strand vom Surfboard gestiegen. Man sah ihm nicht an, dass er als international gefragter Anwalt hart arbeitete.
DJs Mund wurde trocken, sie musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um nicht sofort auf ihn zuzustürzen und ihn auszuziehen. Wie gern würde sie ihm das helle Leinenjackett von den Schultern schieben, das blaue Hemd aufknöpfen, den Ledergürtel lösen! In ihrer Hand wäre er heiß und hart …
So war es immer. Matt brauchte sie nur anzusehen und die kühle selbstbewusste DJ war Wachs in seinen Händen. Nein, sie liebte ihn nicht, sie kannte ihn ja kaum. Doch sie sehnte sich nach seinen Küssen und seinen Händen, die sie überall berührten und – endlich – ihr heißes Verlangen stillten.
Halt. Reiß dich zusammen – und bleib cool.
„Ich dachte, du könntest nicht kommen“, sagte sie leise und zitternd vor Erregung. Von wegen cool. Sie warf einen kurzen Blick auf das Kleid, das sie auf das Bett geworfen hatte. Sollte sie es schnell überziehen? Aber warum? Matt hatte sie mehr als einmal nackt gesehen.
Er stieß sich vom Türrahmen ab und trat in den Raum. „Mein Klient hat sich verspätet.“ Er kam auf sie zu, blieb dicht vor ihr stehen, legte ihr eine Hand an die Wange und strich mit dem Daumen über ihre Unterlippe. Dann sah er auf sie herunter, und sie spürte seinen heißen Blick auf ihrem knappen BH und ihrem winzigen Slip, der kaum etwas bedeckte.
„Hübsches Outfit, Dylan-Jane“, sagte er mit leiser dunkler Stimme und sah ihr in die Augen.
Nur er – und ihre Mutter – nannten sie bei ihrem vollen Namen. Bei Matt empfand sie das als eine sanfte Liebkosung.
„Hallo …“ Mehr brachte sie nicht heraus.
Statt einer Antwort neigte Matt den Kopf. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten, zögerten sie beide, wie sie es immer taten, ohne eigentlich zu wissen, warum. DJ genoss die Vorfreude, obgleich sie sich nach seinem Kuss sehnte, denn der erste Kuss nach einer langen Trennung war etwas Besonderes. Dann, endlich, spürte sie seine Lippen, ein unglaubliches Gefühl, süß und sexy und so vertraut. Ihre Küsse würden später wild und hemmungslos sein …
Apropos später, oh Gott! Widerstrebend löste DJ sich aus Matts Umarmung und schob ihn von sich. „Wir müssen uns unbedingt fertig machen, sonst kommen wir zu spät zur Trauung.“
„Allerdings! Ihr habt ungefähr fünfzehn Minuten, wenn ihr vor der Braut in der Kirche sein wollt.“
Ach du Schreck! DJ hatte vollkommen vergessen, dass sie noch über Skype mit ihren Freundinnen verbunden war. Hastig warf sie einen Blick über Matts Schulter. Was für ein Glück, dass für Jules und Darby nur sein breiter Rücken zu sehen war. Die beiden blickten besorgt.
„Hallo, Matt“, sagte Darby.
Er sah sie leicht genervt an, dann drehte er sich um und lächelte. „Hallo, Ladys!“
„Da hast du es ja wohl gerade noch geschafft“, sagte Jules trocken.
„Sieht so aus.“ Er trat an den Schreibtisch. „Auf Wiedersehen!“ Entschlossen klappte er den Laptop zu und sah DJ an. „Ich habe mich so nach dir gesehnt.“
Sie betrachtete ihn skeptisch. Sagte er das jetzt nur, um sie möglichst schnell ins Bett zu kriegen? Sein Blick war allerdings ernst und aufrichtig. Außerdem hatte er es gar nicht nötig, irgendwelche Tricks anzuwenden. Wenn sie nicht vollkommen einverstanden wäre, würde er nie versuchen, sie zu überreden. In diesem Moment war ihnen beiden bewusst, dass sie sofort bereit gewesen war, mit ihm ins Bett zu gehen, als er in der Tür gestanden hatte. Sie konnte ihm einfach nicht widerstehen.
„Dich da halb nackt in den sexy Dessous stehen zu sehen, war mein erstes Weihnachtsgeschenk.“ Matt strich ihr zärtlich eine Locke aus der Stirn. „Leider habe ich mich so beeilt, meinen Flug zu kriegen“, fügte er mit einem halben Lächeln hinzu, „dass ich keine Zeit mehr hatte, Kondome zu besorgen. Du hast nicht zufällig welche in der Schublade?“
Mist! DJ schüttelte den Kopf. Matt bestand immer darauf, zu verhüten.
„Ganz schön blöd.“ Er seufzte schwer. „Dann bleibt uns wohl nichts übrig, als erst einmal zur Kirche zu gehen und uns das für später aufzusparen.“
Verdammt noch mal, nein! „Vielleicht könnten wir trotzdem …“ DJ legte eine Hand auf die harte Wölbung in seiner Hose und versuchte, den Reißverschluss aufzuziehen.
Matt stöhnte tief auf. „Nein, Dylan-Jane, das wäre nicht genug. Ich will dich ganz, will in dir sein. Ich kann schnell zur Apotheke fahren. Dann versäumen wir zwar die Trauung in der Kirche, aber zum Empfang sind wir rechtzeitig da.“
Bei seiner dunklen erregten Stimme brannten bei ihr alle Sicherungen durch. „Ich nehme doch die Pille, Matt.“
Er nickte hastig. „Okay.“ Er zog sie an sich, schob sie dann aber wieder von sich und blickte ihr ernst in die Augen. „Stimmt das denn, Dylan-Jane? Kann ich mich darauf verlassen? Nicht dass es nachher irgendwelche Überraschungen gibt.“
Er kannte sie tatsächlich nicht gut, sonst würde er nicht fragen. Sicher, wenn sie zusammen waren, war sie leidenschaftlich und wild und nicht gerade nüchtern und besonnen, aber im wirklichen Leben war sie vernünftig und hasste nichts so sehr wie Überraschungen. Und ein Kind, danach sehnte sie sich nun ganz bestimmt nicht. Im Gegensatz zu Darby, die sich dringend ein Baby wünschte.
„Keine Sorge, Matt.“ Sie zog den Reißverschluss an seiner Hose auf und schob sie zusammen mit seinen Boxershorts über seine Hüften. Dann legte sie ihm die Arme um den Nacken, schmiegte sich an seinen schlanken kraftvollen Körper und wisperte dicht an seinen Lippen: „Komm zu mir, Matt. Es ist so verdammt lange her …“
Er konnte nicht widerstehen. Mit einem Griff streifte er ihren winzigen Slip ab, hob sie hoch und drang in sie ein. Tief aufseufzend legte sie ihm die Beine um die Hüften und warf den Kopf zurück. „Oh ja, Matt, ja …“
Vorsichtig ließ er sich mit ihr zusammen auf dem Bett nieder. Wie immer wollte er es das erste Mal behutsam angehen lassen, küsste sie eher liebevoll als leidenschaftlich und fing an, sich langsam in ihr zu bewegen. DJ hielt es jedoch nicht länger aus. „Ich will dich, Matt, ich will dich hart und heiß“, brachte sie keuchend heraus.
„Soso.“ Er stand wieder auf, hob sie mit hoch und grinste sie an, unschuldig und unverschämt zugleich. Er umfasste ihren Po, hob sie an und stieß kraftvoll in sie, sodass DJ vor Lust laut aufschrie. „Ja, so … oh … Matt.“
Schöne Weihnachten für mich.
Fast ein Jahr später …
In der Schalterhalle des Bostoner Flughafens gelang es Matt Edwards, der Menge auszuweichen und dabei die letzten Nachrichten auf seinem Smartphone zu lesen. Die meisten kamen von seinem Büro, wenige waren privat. Keine von Dylan-Jane.
Vor einer Woche hatte er ihr geschrieben, dass er nach Boston kommen würde, aber bisher hatte sie ihm noch nicht geantwortet, wann und wo sie sich treffen könnten. Vielleicht ließ sie ihn absichtlich hängen, weil sie sauer war, dass er sich so lange nicht gemeldet hatte. In diesem Jahr hatte er jedoch fürchterlich viel zu tun gehabt, sodass ihr Kontakt sehr spärlich gewesen war. Nun war er hier in Boston und hoffte, dass sie ihre alte Beziehung wieder aufnehmen konnten.
„Matt!“
Er wandte sich um und sah seinen alten Freund Noah Lockwood auf sich zukommen. Was für eine nette Überraschung. Er ließ sein Telefon in die Manteltasche gleiten und streckte Noah die Hand entgegen. „Wie schön, dich zu sehen! Was machst du denn hier?“
Noah nahm seine Hand und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ich habe Jules zum Flughafen gebracht. Sie fliegt nach New York, um eine Kundin zu besuchen. Da ich wusste, dass du heute kommst und da deine Ankunftszeit so passend ist, dachte ich, dass wir ein Bier zusammen trinken könnten.“
„Gern.“ Seit Monaten, ja, wahrscheinlich schon seit über einem Jahr waren Noah und er nur in losem Kontakt. Im College waren sie dick befreundet gewesen, und irgendwie war Noah für ihn nach wie vor einer seiner engsten Freunde. Noah war es auch gewesen, der ihn mit Dylan-Jane bekannt gemacht hatte, und dafür war Matt ihm heute noch dankbar.
Die nächste Bar war nur wenige Schritte entfernt und gut besucht. Am Ende des Tresens waren einige Plätze frei. Beide setzten sie sich, und Matt stellte seinen Koffer neben sich. Kurz darauf standen zwei schäumende Biere vor ihnen.
„Prost.“ Noah hob sein Glas. „Warum bist du hier? Geschäftlich?“
Nein, eigentlich nicht. Eher aus privaten Gründen. Matt spürte wieder diesen dumpfen Druck im Herzen, wie immer, wenn er daran dachte, was vor ihm lag. „Mein Großvater muss in ein Seniorenheim umziehen und ich helfe ihm dabei.“
Noah sah ihn überrascht an. „Was? So plötzlich? Kann er nicht mehr in seinem Haus bleiben?“
Matt trank einen Schluck Bier und sah seinen Freund nicht an. „Nein. Er ist mental nicht mehr gut drauf und zeigt Anzeichen von Alzheimer.“ Er schluckte. „Er kann nicht mehr allein leben.“
„Das tut mir sehr leid“, sagte Noah leise. „Wie lange bist du in Boston?“
„Das weiß ich noch nicht genau. Aber da ich erst im neuen Jahr die nächsten Gerichtstermine habe, werde ich wohl über Weihnachten hier sein. Also bestimmt drei Wochen.“
Noah musterte ihn so eindringlich, dass Matt den Wunsch verspürte, ihm von dem anderen Grund zu erzählen. Es fiel ihm jedoch nicht leicht, darüber zu sprechen.
Noah fing wieder an: „Hast du vor, DJ zu sehen, solange du hier bist?“
Matt zuckte unmerklich zusammen. „Wer will das wissen? Du oder deine Verlobte?“
Noah lachte. „Gut geraten. Beim Abschied eben sagte Jules, ich solle unbedingt herauskriegen, warum ihr seit fast einem Jahr keinen Kontakt mehr habt, DJ und du.“
„Du tust wohl alles, was deine Jules will.“
Noah grinste nur.
„Ich dachte, Jules und Darby würden sich freuen, dass DJ und ich nicht mehr zusammen sind. Sie gehören nicht gerade zu meinem Fanklub.“
Noah lächelte verlegen. „Du musst verstehen, für mich ist die Situation nicht einfach. Ich sitze quasi zwischen zwei Stühlen. Zwar habe ich dich mit DJ zusammengebracht, doch ich hätte nie gedacht, dass eure Affäre so lange andauert. Den Zwillingen habe ich immer gepredigt, sie sollen euch in Ruhe lassen. Ihr seid schließlich erwachsen und könnt eure eigenen Entscheidungen treffen. Aber …“, Noah sah ihn beinahe Hilfe suchend an, „… sie lieben DJ und machen sich Sorgen um sie.“
„Warum das denn?“
Noah fluchte leise. „Ich hasse es, darüber mit dir zu sprechen, denn es ist allein deine Angelegenheit, aber ich habe es Jules versprochen.“ Er drehte das Bierglas nervös in seinen Händen. „Also …“, fing er dann wieder an, „… die Zwillinge machen sich Sorgen, weil DJ seit dem letzten Jahr so verändert ist. Sie ist sehr viel ruhiger, lacht selten und wirkt bedrückt.“
„Und sie meinen, daran sei ich schuld?“
„Nicht unbedingt. Aber sie würden gern wissen, warum sie nicht mehr glücklich ist. DJ schweigt zu dem Thema, und so hat Jules mich gebeten, dich zu fragen. Glaub mir, das ist mir sehr unangenehm.“
„Dann wolltest du also nicht nur mit deinem alten Freund ein Bier trinken?“
„Doch, schon. Aber nicht nur.“ Noah fühlte sich sichtlich unbehaglich. „Lass uns über was anderes reden. Was du machst, geht weder mich noch Jules etwas an, und es ist mir peinlich, das Thema überhaupt angesprochen zu haben.“
„Das braucht es nicht zu sein.“ Sicher, was ich mit meinem Leben mache, geht keinen was an, dachte Matt. Andererseits konnte er die Zwillinge verstehen. Denn er wusste, wie sehr die drei Frauen aneinander hingen. Diese Art der engen Freundschaft hatte er nie kennengelernt, und beinahe beneidete er die drei darum. Auch für eine wirklich gute Beziehung hatte er sich nie die Zeit genommen.
Er sah Noah lange an. „DJ und ich sind uns da völlig einig. Wir wollen uns beide nicht binden. Es tut mir natürlich sehr leid, dass sie ein hartes Jahr hinter sich hat, aber ich glaube nicht, dass das etwas mit mir zu tun hat. Wir haben uns nie was vorgemacht und uns immer vollkommene Freiheit gelassen, auch andere Kontakte zu haben.“
„Was meinst du damit? Hast du eine Freundin?“
Matt sah Noah irritiert an. Als ob er für so was Zeit hätte. Ein verdammt schwieriges Jahr lag hinter ihm, Frauen wären da nur eine Belastung gewesen. Er hatte mit sehr komplizierten Fällen zu tun gehabt, war überall in der Welt unterwegs gewesen. Eine frühere Freundin war plötzlich gestorben, was ihn hart getroffen hatte, und jetzt musste er für seinen Großvater schwerwiegende Entscheidungen treffen.
Etwas mit einer Frau anzufangen, wenn er gefühlsmäßig am Boden war, war keine Lösung. Das hatte er schon als sehr junger Mann erfahren müssen. Mit sechzehn hatte er sich unsterblich in Gemma verliebt. Er war wie besoffen vor Glück gewesen, stellte sich ein Leben mit ihr zusammen bis in alle Einzelheiten vor: Highschool-Abschluss, College, Hochzeit, Kinder … und immerwährendes Glück.
Mit siebzehn war Gemma schwanger, und obgleich er gemischte Gefühle hatte, freute er sich über die Nachricht. Sie würden ein Kind haben, und er hätte endlich die Familie, nach der er sich immer gesehnt hatte, die er beschützen und lieben würde. Aber nach zehn Tagen sagte Gemma ihm, dass sie eine Fehlgeburt gehabt habe und dass sie in eine andere Gegend ziehen und die Schule wechseln würde.
Sie liebte ihn nicht, sie hatte ihn wahrscheinlich nie geliebt.
Was war Liebe? Eine Fantasie, eine Taktik, um den anderen zu beeinflussen? Eine Lüge? Hatte er das nicht schon bei seinen Eltern und seinen Großeltern erfahren? Und dann Gemma? Bereits mit siebzehn war er davon überzeugt, dass so etwas wie Liebe nicht existierte. Und dabei war er geblieben, bis zum heutigen Tag. Sex ja, den hatte er reichlich, und wahrscheinlich hatte er auch viele Frauen enttäuscht, die auf mehr gehofft hatten. Aber mit Liebe hatte das alles nichts zu tun.
Wenn er an Sex dachte, dachte er sofort an DJ, denn sie war ebenfalls nicht an einer echten Beziehung interessiert. Wenn sie zusammen waren, hatten sie leidenschaftlichen Sex und genossen, was sie einander geben konnten. Und dann gingen sie wieder auseinander. Bis zum nächsten Mal. Ideal für beide.
Bisher.
Nun war er in Boston, in ihrer Stadt, und war entschlossen, sich mit ihr zu treffen. Warum auch nicht? Viel zu lange hatte er sie schon nicht mehr in den Armen gehalten, hatte sie nicht geküsst, nicht ihre duftende Haut liebkost, sie nicht lachen gehört … Sie war fröhlich und sinnlich und unbeschwert, und genau das brauchte er jetzt. Sie würde ihn ablenken und ihm helfen, mit der Nachricht fertigzuwerden, mit der er immer noch nicht zurechtkam.
Nachdenklich sah er seinen Freund an. „Ich habe wirklich keine Ahnung, was momentan in DJs Leben abläuft“, sagte er schließlich. „Aber ich bin sicher, mit mir hat das nichts zu tun.“
Noah trank sein Bier aus. „Werdet ihr euch sehen, solange du in Boston bist?“
„Ja. Hoffe ich wenigstens.“
„Dann soll ich dir von ihren Freundinnen ausrichten, dass sie dich erwürgen, falls du sie traurig machst.“
Matt hob abwehrend die Hände und grinste. „Um Himmels willen! Sag ihnen, sie sollen sich keine Sorgen machen. DJ und ich, wir sind uns vollkommen einig in dem, was wir tun.“
„Okay.“ Matt stand auf und legte ein paar Scheine auf den Tisch. „Wenn du die nächsten Wochen nicht im Hotel verbringen willst, kannst du gern zu uns ins Lockwood-Haus kommen. Das alte Kutscherhaus ist sehr bequem und für Gäste eingerichtet.“
Das Lockwood-Haus … Wenn Matt sich richtig erinnerte, war das das teuerste Haus auf der luxuriösen Golfanlage im Norden Bostons. „Danke. Das nehme ich gern an.“
„Das war Jules’ Idee. Sie meinte, so könnte sie dich ein bisschen unter Beobachtung halten.“ Noah lachte leise. „Ich weiß allerdings nicht, ob dir klar ist, dass Darby, DJ und Levi Brogan gleich nebenan wohnen. Levi liebt DJ wie eine Schwester und würde sie mit seinem Leben verteidigen, er hat aber keine Ahnung von eurer Affäre.“
Verdammt …
„Ich freue mich schon darauf, zu sehen, wie du um ihn herumschleichst.“ Noah lachte laut auf. „Bis später!“ Er schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter und verließ die Bar.
Matt zog sein Smartphone aus der Tasche, drückte auf das Fotosymbol und ließ Bilder von Dylan-Jane an sich vorbeiziehen. Er stoppte bei dem Foto, auf dem sie mit nacktem Oberkörper am Strand lag. Sie hatte sich zu ihm umgewandt und lächelte in die Kamera. Ihr schwarzes Haar glänzte in der Sonne, und sie sah hinreißend aus mit ihren dunklen Augen und den festen kleinen Brüsten mit den rosigen Spitzen.
Er erinnerte sich genau an die Situation. Er hatte sie auf beide Arme genommen und sie ins Wasser getragen, wo sie sich liebten … Der Sex mit ihr im türkis schimmernden Meer war sogar noch besser gewesen als der danach im Sand.
Er musste sie sehen.
Bei ihrem letzten Chat vor etwa einer Woche war sie allerdings eher unbestimmt geblieben, was ein Wiedersehen betraf. Er hatte ihr gesagt, dass er nach Boston kommen und sich gern mit ihr treffen würde. Ihre Antwort war ein erstaunt blickendes Emoji gewesen, mit dem er nichts anfangen konnte. War das nun ein Ja oder ein Nein? Es sah DJ gar nicht ähnlich, keine klare Aussage zu machen.
Sie war stets eindeutig und ehrlich ihm gegenüber gewesen, hatte ihm immer gesagt, was sie vorhatte, ob sie Zeit hatte oder nicht. In diesem Jahr hatte es nicht mit einem Treffen geklappt, aber so lief es eben manchmal. Sie hatte sicher viel mit dem Design-Unternehmen zu tun, das sie mit ihren Freundinnen führte, und er hatte vor Arbeit kaum gewusst, wo ihm der Kopf stand.
Und wenn sie sich nun verliebt hat?