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Kennst du das? Da gehst du in die Buchhandlung deines Vertrauens, um die Angebote abzuchecken, und sackst on the fly den aktuellen Bestseller ein. Bingo! Wer dann aber an der Kasse befürchtet, übelst abgezockt zu werden, und so einen Hals kriegt, hat einfach nicht verstanden, dass er am Ende des Tages Geld in die Hand nehmen muss. Das Leben ist schließlich kein Ponyhof. Norbert Golluch deckt in seinem neuen Buch die Herkunft moderner Redewendungen auf und erklärt deren Entstehung und Bedeutung. Und das ist zum Glück kein Fail, sondern ganz großes Kino.
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Seitenzahl: 98
Norbert Golluch
Norbert Golluch
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen
Originalausgabe
1. Auflage 2020
© 2020 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
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Fax: 089 652096
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Redaktion: Petra Holzmann
Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt
Umschlagabbildung: shutterstock/Gal Amar, studiostoks, MicroOne
Illustrationen: Jan Buckard
Satz: Carsten Klein, Torgau
Druck: CPI books GmbH, Leck
eBook: ePubMATIC.com
ISBN Print 978-3-7423-1448-2
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1112-9
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1113-6
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Ohne Frage: Sprache ist etwas Lebendiges
Was man halt so macht
Business-Talk
Tierisches
Äußerst erfreulich
Äußerst unerfreulich
Gefühle und so
Beleidigungen
Unter der Gürtellinie
Floskelparade
Auf der Jagd nach neuen Redensarten?
Unsere Sprache hat kräftige Wurzeln in der Vergangenheit: Auch heute noch werden Hunde in der Pfanne verrückt und so manche Zumutung schlägt dem Fass den Boden aus. Die alten und überlieferten Redensarten sind erstaunlich zäh, aber die Neuschöpfungen unserer lebendigen Sprache sind ihnen auf den Fersen und erobern mehr und mehr von ihrem Terrain. Nutzer der alten Version unserer Muttersprache treffen immer häufiger auf Gesprächspartner, die ihnen und ihren alten Redewendungen nicht recht folgen können. Ihnen klappt angesichts einiger uralter Sprachwendungen der Kiefer runter und sie fragen ihren Gesprächspartner:
»Was? Wer ist denn überhaupt dieser Bartel? Und was holt der? Most? Was will er denn mit dem Zeug? Und auf was für einem Trip bist du denn? Ohne Scheiß jetzt, ich versteh kein Wort von dem, was du sagst!«
Umgekehrt sieht es nicht besser aus und genau deshalb will dieses Buch sozusagen die Altsprachler in die Lage versetzen, die lebendigen Neuschöpfungen jetztzeitlicher Menschen besser zu verstehen, damit jahrhundertealte Formulierungen mit Kreationen aus der sprachlichen Kinderstube zu einer neuen Muttersprache zusammenwachsen können. Das funktioniert – da kannst du einen drauf lassen!
Man nennt sie nicht nur »Redensarten« – oft meinen die Bezeichnungen »Phrase«, »Floskel«, »stehende Wendung« oder »Redewendung« dasselbe: ein sprachliches Bild bestehend aus immer denselben Wörtern, die eine Einheit bilden und einen gewünschten Sinn transportieren. Redensarten variieren zwar, doch schwankt ihr Sinngehalt, wenn sie abgewandelt oder einzelne Wörter ausgetauscht werden. »Da wird doch die Kuh im Bräter verrückt!« – Das klingt zwar lustig, benötigt aber eine Erläuterung, um wie gewünscht verstanden zu werden. Beim Original – »Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!« – bedarf es keiner Nachfrage, alle wissen, was gemeint ist. Umbasteln macht Spaß und in seltenen Fällen entstehen tatsächlich neue, allgemein gültige Sprachgebilde. Zum Beispiel: »Das schlägt dem Fass den Boden ins Gesicht!«
Wir brauchen Redewendungen und schaffen auch immer wieder neue, weil sie einprägsamer als die alltägliche Sprache sind und auch durch ihre Bildhaftigkeit länger im Gedächtnis haften bleiben. Außerdem geben sie der Sprache Farbe, wo sonst nur grau-in-grau gesprochen wird. Aber was grenzt alte von neuen Redensarten ab?
Sie unterscheiden sich von den alten in Alter und Herkunft und werden meist von einem jungen Sprecherkreis nahe am Zeitgeist verwendet. Wann und wo sie zum ersten Mal aufgetaucht sind, ist oft schwer zu sagen, manchmal gar nicht zu ermitteln, weil die Sprachwissenschaft sich ihrer noch nicht angenommen hat. Deshalb muss dieses Buch hin und wieder resignierend feststellen: Quelle unauffindbar, wir konnten die Herkunft nicht ermitteln. Immerhin kann herausgefunden werden, wo diese neuen Redewendungen verwendet werden und was sie bedeuten – das muss manchmal genügen.
Dieses Verb und damit verbundene Formulierungen bezeichnen die Neue Deutsche Faulheit (NDF), keineswegs mit der Neuen Deutschen Welle (NDW) zu verwechseln. Wer abharzt, genießt dank Vater Staat das Leben mit einer soliden finanziellen Basis, kann ohne Zukunftssorgen faul auf dem Sofa abhängen, chillen und herumgammeln – Hartz IV sei Dank. Womit auch klar ist, dass die korrekte Schreibweise des Verbs eigentlich abhartzen sein müsste, aber die abharzende Klientel hat es nicht so sehr mit der Rechtschreibung. Womit endlich das Maß der Stereotype voll ist, denn jedem sollte klar sein, dass cooles Abhängen mit Hartz IV nur Menschen mit dem Gemüt und Intelligenzquotienten eines Sofakissens ohne Beschwerden gelingen kann. So richtig wohl fühlt sich mit Hartz IV wohl kaum einer – außer vielleicht Kinder der zweiten oder dritten Generation, die es wie früher machen: Vaters (oder Mutters) Beruf erlernen: Hartzi. Sie kennen es nicht anders.
Ohne die gemütliche Vorsilbe ab- wird aus dem harzen sogar eine aktive Tätigkeit. Auf die Frage: »Und, was machst du beruflich?« erfolgt die Antwort: »Na was schon? Harzen!«
Bezeichnet ein aktuelles Thema, etwas ist modern, aktuell, im Schwange, in Mode oder zeitgemäß. Es ist der Zeitgeist, der eine Ansage macht, könnte man glauben, denn wer sonst könnte es sein? Allenfalls noch die Meinungsführer aus den Medien oder sogar die Schwarmintelligenz, die eine kollektive Ansage formuliert. Einer der Ansager oder Ansagerinnen aus Rundfunk und Fernsehen war es jedenfalls nicht – dann schon eher ein Blogger oder eine Influencerin, an deren Lippen die Trends hängen. Wir wissen, was die Redewendung bedeutet – woher die Formulierung kommt, ist noch ungeklärt.
Einfach nur sagen, dass man den Ort des Geschehens verlässt, ist nicht jedermanns Sache. Auf die Variante Ich bin dann mal weg! kommen wir noch, es gibt aber etliche andere Möglichkeiten im Bereich der Redensarten jenseits von Tschüss!, Auf Wiedersehen! oder Pfüat di!, um auf seine künftige körperliche Abwesenheit hinzuweisen: Ich mach die Fliege! beschreibt zum einen die hohe Geschwindigkeit des Abgangs, zum anderen vermuten manche Quellen eine Verbindung zu dem Verb fliehen. Bei der Variante Ich mach die Biege! könnte sich diese Vermutung weniger auf das Verb biegen als auf die erweiterte Form abbiegen beziehen. Wer die Biege macht,kratzt sozusagen die Kurve – er verschwindet vom Ort des Geschehens, um nicht angetroffen oder erwischt zu werden. Einbrecher zum Beispiel machen die Biege, wenn der Sicherheitsdienst erscheint. Noch schwieriger liegt die Erklärungslage bei der Variante Ich mach die Flatter!, denn weder erhebt sich der Sprechende tatsächlich in die Lüfte, noch zeichnet irgendetwas an ihm schmetterlingshafte Leichtigkeit aus. Und wenn man die ausführlichere Version Ich mach den Flattermann! zur Unterstützung der Deutungsversuche heranzieht, wird das Chaos nur noch größer: Flattermann ist in manchen Regionen die Bezeichnung für das Brathähnchen. In solchen Zuständen macht jede germanistische Logik die Flatter.
Ein schönes Bild aus der Jugendsprache: Wer sich zum Schlafen legt oder geistig abwesend ist, dreht die Pupille auf Null. Diese Floskel ersetzt so abgegriffene sprachliche Lösungen wie das lalldeutsche Bubu machen, das altväterliche an der Matratze horchen oder das bildungsbürgerliche in Morpheus’ Armen liegen. Einmal ausgesprochen, weckt es auch noch Interesse beim Zuhörer: Ich dreh mal die Pupille auf Null! Wie bitte?
Alle sind gestresst, leiden unter ihrer Arbeit, kämpfen mit dem Burn-out und würden nur allzu gerne eine Auszeit von ihrem Alltag nehmen – bis hin zum Sabbatical oder Sabbatjahr, der tarifrechtlich geregelten Superauszeit. Dass dessen Bezeichnung mit dem jüdischen Feiertag Sabbat zusammenhängt, liegt auf der Hand, aber woher kommt die Auszeit? Schuld ist vermutlich der Sport: Das englische timeout bezeichnet eine Unterbrechung eines Spiels, die von einer der beteiligten Mannschaften in Anspruch genommen werden kann. Deutsche Sportler übersetzen diese Regelung völlig korrekt mit Auszeit. Über viele Auszeiten in Basketball, American Football, Eishockey, Hockey, Handball, Tischtennis und etlichen anderen Sportarten bürgerte sich das Wort langsam ein und wurde zunehmend auch für andere Bedeutungsbereiche genutzt. Heute nehmen sich Menschen Auszeiten nicht nur im Freizeitsport, sondern vor allem im Arbeitsleben und in ihren persönlichen Beziehungen, und zwar aus den gleichen Gründen wie im Sport: Wenn es mal nicht so richtig gut läuft – nimm doch einfach eine Auszeit!
Es wird vermutet, dass diese Redensart norddeutschen Ursprungs ist, denn dort wird die Sitte praktiziert, das Heißgetränk Tee mit Rum »aufzuwerten«. Demnach müsste die Redewendung vollständig lauten: einen (Rum) im Tee haben. Das allerdings dürfte noch nie jemand irgendwo gehört haben, was aber nicht unbedingt gegen die Richtigkeit des Zusammenhangs sprechen muss. Wer sich darüber nicht den Kopf zerbrechen mag, kann auch einen in der Krone haben, sich einen auf die Lampe gießen, einen in der Kiste haben oder zu tief ins Glas schauen. Neuerdings kann man übrigens auch angehopft sein (Rausch durch Bier).
Viele Ethnien haben einen Platz in unserer Sprache gefunden, etliche davon werden sich – ironisch gesagt – dafür bedanken. Wer etwas türkt, der täuscht in böser Absicht etwas vor, und damit er nicht erwischt wird, macht er den Polnischen – er entfernt sich unauffällig – denn sonst drohen ihm schwedische Gardinen. Sie verstehen das nicht, das kommt Ihnen spanisch vor? Das wird schon.
Einen Polnischen machen oder einen polnischen Abgang machen benennt die polnische Sitte – so unterstellt man mit dieser Redewendung –, ohne Verabschiedung zu verschwinden, vermutlich noch unter Mitnahme von Teilen des Inventars. Diese Floskel könnte man als diskriminierend und rassistisch deuten (ist sie ja auch), aber wir bösen Deutschen sind damit nicht allein in der Welt. In den Vereinigten Staaten nennt man denselben Sachverhalt irish goodbye und die Briten umschreiben wenig freundlich das diskrete Verschwinden mit einen Franzosen machen. Dank Brexit kommt noch eine neue, hochaktuelle Variante hinzu: british goodbye – sich verabschieden, aber erst mal nicht gehen. Schließlich hat es ja aber doch noch geklappt mit dem britischen Abschied. Wer sprachlich politisch korrekt sein will, verschwindet unauffällig.
Das Ein- und Auschecken am Flughafen oder im Hotel hat mit der Redewendung, wie sie heute gebraucht wird, wenig zu tun, denn es geht nicht um das An- oder Abmelden in einem Datensystem, sondern um Übersicht und Kontrolle, und da kommt bestenfalls die Checkliste ins Spiel.
Abgehakt? Gecheckt!
Besonders in der Jugendsprache breitete sich das Wort checken oder auschecken als ein Synonym für die Verben überprüfen, kontrollieren und nachsehen aus. Heute checkt man die Lage, der Aufreißer checkt, ob bei der Schnitte etwas geht, und das Auto wird in der Werkstatt durchgecheckt. Alles eine Frage der Kontrolle.
Haben Sie das gecheckt?
Auf einer zweiten Bedeutungsebene ist checken also ein Synonym für verstehen, begreifen, ein Sinn, den das englische Verb to check nicht enthält.
»Hast du ihm das erklärt?«
»Ja, aber der Typ checkt es einfach nicht!«
Die Wurzeln des englischen, aber auch des deutschen Wortes liegen in Frankreich; eschacquier bedeutet Schach spielen und so heißt das Spiel im Englischen heute zwar chess, doch bedroht ein Mitspieler den König des anderen mit dem Ausruf: »Check!«
Diese Redewendung ist mit der Bedeutung etwas auch gegen Widerstände durchsetzen oder zu Ende bringen in Gebrauch. Eine Variante davon, seinen Stiefel durchziehen, hat etwa dieselbe Bedeutung, aber eine gute Portion Sturheit mehr. Ob ein Zusammenhang zur Drogensprache – einen (Joint) durchziehen – besteht, müsste in einer größeren sprachwissenschaftlichen Untersuchung erforscht werden.