Meine Schuld 4 – Romanzeitschrift -  - E-Book

Meine Schuld 4 – Romanzeitschrift E-Book

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Beschreibung

Meine Schuld Nr. 4 Alle 14 Tage neu! Diese Storys gehen wirklich jedem unter die Haut! Viele packende Erlebnisse und berührende Familiendramen, spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Menschen wie du und ich berichten schonungslos offen und direkt aus ihrem Alltag. Kein Thema ist tabu! Geschichte 1: Ehedrama "Mein Mann hat eine Geliebte. – Ich wollte kämpfen, doch wozu?" Wenn man heiratet und einander die Treue schwört, glaubt man natürlich, dass es für immer und ewig ist. Dass die Versuchung überall lauert, ahnt man zwar, aber man verdrängt es. Doch das geht nur so lange gut, wie sich der Partner bedeckt hält… Als mich meine Freundin Tanja anrief und mir schließlich beichtete, dass sie glaubte, meinen Mann Ralf mit einer anderen Frau gesehen zu haben, stürzte für mich eine Welt zusammen. Nicht, dass ich bis dahin völlig naiv in einem Baumhaus in Wolkenkuckucksheim gehockt hätte, aber ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, dass Ralf auch so einer war. "Aber er hat doch noch nie nach anderen Frauen geguckt!", stellte ich, noch unter Schock stehend, fest. "Nicht mal, wenn sie halbnackt vor uns auf der Straße herumspazierten. Auch nicht im Sommerurlaub am Strand!"

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Inhalt

Geschichte 1

Geschichte 2

Geschichte 3

Geschichte 4

Geschichte 5

Geschichte 6

Geschichte 7

Geschichte 8

Geschichte 10

Geschichte 11

Geschichte 12

Meine Schuld –4–

Was Frauen Berichten: Schonungslos - Indiskret

Roman von Diverse Autoren

Geschichte 1

Ehedrama

Roman von Marlene W. (45)

»Mein Mann hat eine Geliebte. – Ich wollte kämpfen, doch wozu?«

Wenn man heiratet und einander die Treue schwört, glaubt man natürlich, dass es für immer und ewig ist. Dass die Versuchung überall lauert, ahnt man zwar, aber man verdrängt es. Doch das geht nur so lange gut, wie sich der Partner bedeckt hält…

Als mich meine Freundin Tanja anrief und mir schließlich beichtete, dass sie glaubte, meinen Mann Ralf mit einer anderen Frau gesehen zu haben, stürzte für mich eine Welt zusammen. Nicht, dass ich bis dahin völlig naiv in einem Baumhaus in Wolkenkuckucksheim gehockt hätte, aber ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, dass Ralf auch so einer war.

»Aber er hat doch noch nie nach anderen Frauen geguckt!«, stellte ich, noch unter Schock stehend, fest. »Nicht mal, wenn sie halbnackt vor uns auf der Straße herumspazierten. Auch nicht im Sommerurlaub am Strand!«

»Weißt du, vielleicht irre ich mich ja auch!« Tanja ruderte zurück.

Die Liebe! Sie ahnte, wie weh mir ihre vermeintliche Beobachtung tat, trotzdem hatte sie sich überwunden, mich anzurufen.

»Wir sind länger befreundet, als ihr verheiratet seid, und weißt du, wenn mein Steffen so was abziehen würde und du es mitbekämst, dann würde ich auch von dir erwarten, dass du mir einen Wink gibst! Noch kannst du nämlich kämpfen, denn Ralf weiß ja nicht, dass du etwas ahnst! Ihr seid doch schon so lange zusammen, fünfzehn Jahre verheiratet, das schmeißt man nicht so einfach weg! Besinne dich auf deine Stärken, Marlene!«, riet sie mir.

Als wir aufgelegt hatten, fragte ich mich besorgt, welche Stärken sie meinte. Meine Kochkünste? So toll war ich in der Küche nicht. Wobei mir schlagartig einfiel, dass Ralfs Frühjahrsdiät vielleicht doch keine medizinischen Gründe hatte, wie er mir weismachen wollte. Da unsere Jungs – Theo, 14 Jahre, und Lukas, 12 Jahre – bereits in ihren Zimmern verschwunden waren und mein Mann noch Überstunden schob, raffte ich mich auf und ging ins Schlafzimmer. Überstunden!, durchfuhr es mich da. Ha, da hätte ich doch schon längst misstrauisch werden müssen! Schließlich war er nur Abteilungsleiter in einer Behörde. Zudem hatte er jahrelang kaum welche gemacht. Aber seit ein paar Monaten kam er immer später nach Hause.

»Umstrukturierung!«, hatte er erklärt und über den immensen Arbeitsaufwand gestöhnt. »Du in deinem kleinen Lädchen kannst dir darunter natürlich nichts vorstellen!«, hatte er mir großspurig erklärt.

Mein Lädchen, wie er es nannte, war der von meinen Eltern ererbte Blumenladen. Der lief mal besser und mal schlechter; da ich ihn aber bereits in vierter Generation führte, machte ich mir da eigentlich weniger Sorgen. Die Zeiten änderten sich ständig; besonders wenn ich durch die alten Geschäftsbücher blätterte, wurde das überdeutlich. Und bislang hatte der Laden auch jede Krise überstanden. Aber in einem hatte Ralf natürlich recht: Umstrukturierung fand bei mir eher nicht statt, ich beschäftigte ja nur eine Halbtagskraft. Und die auch schon seit zehn Jahren.

Vor dem Kleiderschrank betrachtete ich mich kritisch im Spiegel. Eigentlich, so dachte ich immer, sah ich gar nicht mal so schlecht aus. Andererseits sah man mir die Mitte vierzig aber auch an. Besonders um die Augen herum hatten sich Fältchen eingegraben. Und die silbernen Fäden, die mein ehemals schwarzes Haar in inzwischen regelmäßigen Abständen durchzogen, waren auch nicht mehr zu übersehen. Bald, so stellte ich resigniert fest, würde ich wohl zu Haarfärbemitteln greifen müssen.

Ich richtete mich auf und musterte kritisch jeden Körperteil. Während meine Füße und Waden noch ganz gut wegkamen, war ich regelrecht entsetzt, was aus meinen Schenkeln geworden war! Wann hatte sich diese grässliche Zellulite eigentlich gebildet? Dass sie über Nacht einfach aufgetaucht war, hielt ich für recht unwahrscheinlich. Und erst mein Hintern und mein Bauch!

Ich fühlte mich plötzlich mindestens zehn Jahre älter. Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal kritisch in den Spiegel geguckt? Zu meiner Hochzeit vor fünfzehn Jahren? Ich war regelrecht fassungslos und schon fast davon überzeugt, dass Ralf irgendwie keine Wahl blieb, als sich eine andere zu suchen. So wie ich mich hatte gehen lassen, war es kein Wunder! Als ich dann den Inhalt meines Kleiderschrankes betrachtete, war ich nahezu vollständig desillusioniert. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Meine Minderwertigkeitskomplexe drückten mich fast zu Boden.

Ich schlich ins Wohnzimmer, fest entschlossen, meinen Mann fröhlich und gebührend zu empfangen und mir natürlich rein gar nichts anmerken zu lassen. Obwohl ich schon meine Zweifel hatte, ob mir zumindest Letzteres gelingen würde.

*

Ich musste gar nicht mit Schauspielkünsten aufwarten. Als Ralf endlich nach Hause kam, marschierte er, ohne mich eines Blickes zu würdigen, in Richtung Schlafzimmer.

»Ich bin hundemüde!«, ließ er mich nur wissen.

Wie lange verhält er sich eigentlich schon so lieblos? fragte ich mich. Und fand keine Antwort. Als ich eine gute halbe Stunde später selbst nach oben ging, lag er längst in seinem Bett und schnarchte vor sich hin.

Natürlich fand ich keinen Schlaf in dieser Nacht. Immer wieder fragte ich mich, warum ausgerechnet mir das passierte! Aber auch, wieso ich eigentlich nie auf den Gedanken gekommen war, dass Ralf anderen Frauen hinterherschaute! Wieso war ich mir nur so verdammt sicher gewesen? Hörte und las man nicht ständig davon, dass Fremdgehen praktisch schon zum guten Ton gehörte? Dass es kaum noch jemanden gab, der es nicht tat? Nun, ich tat es nicht. Und ich hatte Gleiches natürlich auch von meinem Mann erwartet.

Nun musste ich erst einmal mit der Enttäuschung fertig werden. Denn dass etwas dran war an der Sache, daran zweifelte ich keine Minute. Schließlich hatte Tanja die beiden miteinander gesehen. Und, so befürchtete ich, die Situation musste schon sehr eindeutig gewesen sein, wenn Tanja sich dazu durchrang, mir etwas davon zu sagen. Dass sie mich in vielen Dingen für reichlich naiv hielt, wusste ich. Deshalb konnte ich mir sicher sein, dass sie mir keine Märchen erzählte.

Doch was sollte ich nun mit dem Gehörten anfangen? Ich musste doch reagieren, oder? Deshalb hatte Tanja es mir ja erzählt! Damit ich noch gegensteuern konnte! Doch wie steuert man gegen etwas, das man nicht kennt und einschätzen kann?

Andererseits, überlegte ich, konnte ich auch genauso gut weitermachen wie bisher. Wenn Ralf mich verlassen wollte, würde er zwangsläufig irgendwann mit der Sprache rausrücken müssen. Doch noch bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, wusste ich, dass ich mit dieser Art ungewisser Bedrohungslage nicht würde leben können.

Erst im Morgengrauen rang ich mich zu einer Entscheidung durch: Ich würde um Ralf kämpfen! Wir hatten zwei Kinder, uns etwas aufgebaut! Bei unserer Hochzeit hatten wir uns etwas versprochen, und ich war fest entschlossen, Ralf an dieses Versprechen zu erinnern. Wir wollten zusammen alt werden, und ich würde nicht zulassen, so schwor ich mir, dass das jemand kaputtmachte. Zudem hatte mir schon meine Großmutter immer gepredigt, dass man schon verloren hat, wenn man nicht für seine Ziele kämpft.

*

Gleich am nächsten Morgen ging es los. Ich begann damit, ein besonders reichhaltiges Frühstück für uns vorzubereiten, mit frisch gepresstem Saft und French Toast. Zudem war ich deutlich früher aufgestanden und hatte mit Bedacht ein Kleid mit üppigem Blumendruck ausgewählt, weil ich mich erinnern konnte, dass es Ralf gefiel.

»Mensch, Mama, was hast du denn vor?« Theo, unser Ältester, musterte mich grinsend und genehmigte sich ein Glas frischen Orangensaft. »Habt ihr Hochzeitstag oder so?«, wollte er wissen.

Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Dann kam Ralf die Treppe hinunter gestürzt.

»Frühstück?«, empfing ich ihn.

Doch Ralf schob mich unwirsch beiseite. »Tut mir leid, ich bin spät dran, ich muss in ein Meeting!«

Wie enttäuscht ich war, nahm er nicht mal zur Kenntnis. Und ich hatte Mühe, mir vor den Kindern nichts anmerken zu lassen. Zum Glück ließen die sich recht schnell mit dem Frühstück beschäftigen, denn eine derart große Auswahl offerierte ich sonst natürlich nicht.

Als ich später Tanja von meinem Entschluss berichtete, um meinen Mann zu kämpfen, bestärkte sie mich darin. »Und denk dran!«, schärfte sie mir ein. »Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt!« Dass ich eigentlich im Grunde meines Herzens Pazifistin war, spielte keine Rolle mehr. »Zudem tut Veränderung bisweilen gut!«, erklärte sie mir dann.

Ich hatte Hilde gebeten, sich allein um den Laden zu kümmern, und so mitten in der Woche, fernab aller Feiertage, war das auch kein Problem.

»Wie wäre es mit einem Friseurbesuch?«, hakte meine Freundin nach. »Ach, was sage ich, wir stylen dich komplett um! Ralf wird Augen machen! Und mach dir mal keine Gedanken, das Outfit geht auf mich, als vorgezogenes Geburtstagsgeschenk!«

Ich ließ mich mitreißen, folgte Tanja erst zu ihrem Stammfriseur, einem der Topstylisten der Stadt. Sergio kam dann auch schon angesaust, drückte uns rechts und links ein Küsschen auf die Wange, wuschelte eine gefühlte halbe Minute in meinen Haaren und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

»Oje, Sweetheart, was hast du denn angestellt?«, fragte er, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.

Drei Stunden später hätte selbst meine Mutter Mühe gehabt, mich zu erkennen, zumal die Visagistin, die Sergio herbei zitiert hatte, Wert auf falsche Wimpern und knallroten Lippenstift gelegt hatte.

»Das passt prima zu dem Kastanienton in deinen Haaren!«, redete sie mir ein.

Ich fühlte mich total verkleidet und hoffte inständig, dass die Farbe sich irgendwann wieder herauswaschen würde.

Doch nun lief Tanja erst zur Hochform auf, es folgte der Besuch im Nagelstudio und dann der in ihrer Lieblingsboutique. Dort zwängte ich mich in Kleider, in denen ich mich kaum bewegen konnte, und ließ mich zu Pumps verleiten, von denen ich schon vorher wusste, dass sie ein trauriges Dasein in den Untiefen meines Kleiderschrankes führen würden.

»Du solltest Sport treiben!«, schlug Tanja vor.

Ich versprach ihr, es mir zu überlegen, doch Zeit zum Nachdenken ließ sie mir nicht.

»Am besten melde ich dich mal in meinem Tennisclub an!«, verkündete sie. »Früher konntest du doch ganz gut spielen! Das kommt alles wieder!«

*

Zu Hause stieß meine optische Veränderung auf großen Beifall – bei meinen Jungs. Da Ralf erst weit nach neun nach Hause kam, fiel es ihm gar nicht auf.

»Du, ich bin echt müde, lass uns ein andermal reden, ja?«, zog er sich aus der Affäre.

Schneller, als es mir lieb war, verschwand er tatsächlich im Bett und tat so, als würde er schlafen, als ich nachsehen kam. Warum machte er mir etwas vor? Ich war es zwar inzwischen gewohnt, dass er oft recht spät heimkam, aber dass er sich danach gleich ins Bett verzog, war neu. Vielleicht war er ja krank?

Auf meine besorgten Nachfragen am nächsten Morgen antwortete er nicht, er wich nur aus. »Lass mal, das ist nur der Stress. Ich habe halt gerade viel um die Ohren!«, erklärte er mir.

»Und wie lange wird das noch andauern?« Ich ließ nicht locker.

Ralf warf mir einen prüfenden Blick zu. Meinen veränderten Haarschnitt – ich hatte gut zwanzig Zentimeter bei Sergio eingebüßt – sowie die völlig andere Haarfarbe ignorierte er komplett.

»Ich habe keine Ahnung!«, brummte er dann, als ich meinen Blick nicht abwandte.

Dann machte er, dass er weg kam. Und ich blieb irritiert zurück.

*

Wenn schon Ralf nicht bemerkte, dass ich mich veränderte, meine Jungs fanden zumindest am Anfang toll, dass ich etwas Neues aus mir machte. Dass das allerdings dazu führte, dass ich weniger häufig daheim war, begeisterte sie jedoch weitaus weniger als gedacht.

»Du hilfst mir gar nicht mehr bei den Hausaufgaben!«, beschwerte sich mein Jüngster schon bald. »Und Papa hat auch nie Zeit!«

»Ja, und zum Fußballtraining muss ich mit dem Bus fahren!«, setzte Theo hinzu.

Als wäre er mit seinen vierzehn Jahren dafür nicht alt genug! Aber bislang war es ja immer so hübsch bequem gewesen. Mama richtete sich ihren Tag nach den Bedürfnissen der Familie ein und fiel am Ende selbst hinten runter. Das änderte ich nun radikal. Ich spielte Tennis und belegte einen Kochkursus für gesunde Ernährung. Und ich hatte Erfolg: Die Pfunde purzelten nur so! Auch wenn Ralf das wenig beeindruckte. Was vornehmlich daran lag, dass er immer seltener zu Hause war.

Also besorgte ich mir ein halbes Dutzend Beziehungsratgeber und studierte sie fleißig. Zum Glück widersprachen sie sich nicht komplett, es stand eher überall das Gleiche drin. Nämlich dass man miteinander im Gespräch bleiben soll, wenn sich eine Krise anbahnt, und sich auf die Gemeinsamkeiten konzentrieren sollte.

»Klar, das, was ich auch sage!«, bestätigte mir Tanja. »Lock ihn aus der Reserve! Stelle Fragen, die er nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten kann, verstehst du?«

Ja, ich verstand, nur biss ich damit bei meinem Mann leider auf Granit. Denn dem war mit den üblichen Tricks und Gesprächspraktiken einfach nicht beizukommen, egal, wie sehr ich es versuchte. Er war kaum noch zu Hause und wich so ziemlich jeder Frage aus. Ihn auf dem Mobiltelefon zu malträtieren wagte ich nicht. Anders als seine Söhne, die schon mal zu dem Mittel griffen, wenn keiner von uns für sie erreichbar war.

Allerdings, so steckte mir Theo recht schnell, reagierte er darauf recht unwirsch und meinst nicht im Sinne des Fragers. Also ließ ich das besser bleiben.

*

Dennoch wurde von Tag zu Tag klarer, dass es nicht so weitergehen konnte. Ich rieb mich auf, und das auch noch ohne Erfolg. Also stellte ich ihn eines Morgens zur Rede, indem ich ihm schlichtweg den Fluchtweg zu seinem Auto abschnitt. Wenn er aus dem Haus wollte, musste er an mir vorbei, und ich hatte mich in voller Größe im Flur zwischen Kommode und Badezimmertür vor ihm aufgebaut. Nein, leicht wollte ich es ihm nicht machen.

»Wir haben neue Projekte übernommen. Mensch, Marlene, das ist eine Riesenchance für mich!«, sagte er. »Du mit deinem kleinen Lädchen, du hast ja keine Ahnung, was da draußen in der Welt so vor sich geht! Schon mal was von Globalisierung gehört? Wir stecken mittendrin!«

Er übertrieb maßlos, und ich hatte keine Ahnung, warum eigentlich. Was wollte er mir damit sagen? Dass ich gefälligst die Klappe halten und nicht weiter fragen sollte? Auch wenn es begann, innerlich in mir zu brodeln, so zwang ich mich, Verständnis zu zeigen.

»Ich verstehe deine Karriereambitionen wirklich gut!«, versicherte ich ihm ganz ernsthaft. »Du möchtest weiter aufsteigen, mehr Verantwortung übernehmen und mehr Geld verdienen. Aber Ralf, du hast eine Familie! Uns geht es nicht ums Geld! Deine Kinder und ich möchten Zeit mit dir verbringen, kannst du das nicht nachvollziehen?«

Ralf schüttelte unwirsch den Kopf. »Die Jungs sind groß, und überhaupt: Was willst du eigentlich von mir? Ich habe einen dringenden Termin! Da kann ich nicht stundenlang mit dir über so einen Blödsinn diskutieren!«

Die Aggressivität, die zwischen den Zeilen durchschimmerte, machte mir fast schon Angst. Nicht nur Ralf hatte ich den Weg versperrt, auch die Jungs kamen nicht aus dem Haus, wie ich feststellte, als ich den Kleinen auf der Treppe sah. Ich gab den Weg frei. Das hatte ja doch keinen Sinn. Ralf wollte mich einfach nicht verstehen.

Ganz so, als hätte er nur darauf gewartet, stürmte Ralf an mir vorbei, während sich die Jungs nur zögerlich auf den Weg in die Schule machten.

Ich dagegen musste mich sputen. Der Kochkursus begann in einer halben Stunde. Und dann lief auch noch die Anmeldefrist für den Salsaabend ab, zu dem mich Tanja überreden wollte. Außerdem hatte ich Hilde versprochen, sie am Nachmittag im Laden abzulösen, damit sie endlich von ihren vielen Überstunden runter kam, die sie inzwischen angehäuft hatte, damit ich den Kampf um Ralfs Gunst aufnehmen konnte.

In der Stadt schnappte mir ein giftgrüner Mini den letzten freien Parkplatz vor der Nase weg. Damit war mein Kochkursus gelaufen. Ich fuhr ins nächstgelegene Parkhaus und sagte schnell ab, denn schaffen würde ich es nun auf keinen Fall mehr. Dann schickte ich schnell meiner Freundin eine Nachricht, dass Salsa momentan nicht so das Richtige für mich war. Worauf sie mir prompt antwortete, dass sie uns längst angemeldet hatte. Sei nicht böse, aber solche Rhythmen helfen immer! Garantiert und gegen jedes Problem!

Ich überlegte gerade, wie ich mich nun am effektivsten organisieren könnte, als ich Ralf aus dem Augenwinkel heraus sah. Ich bog schnell in ein Schuhgeschäft ein und blieb so unentdeckt. Neben Ralf lief eine junge Frau, die vom Alter her fast seine Tochter sein könnte: eine blonde Lockenmähne, dazu ellenlange Beine, und rank und schlank war sie auch. Welcher Art ihr Verhältnis war, lag auf der Hand, denn Ralf hielt sie eng umschlungen.

Mir war es, als würde sich der Boden unter meinen Füßen auftun. Mit einem Mal war es mir klar: gegen diese Frau hatte ich nicht den Hauch einer Chance!

*

Und eigentlich will ich auch gar nicht gegen eine höchstens Fünfundzwanzigjährige antreten!«, stellte ich Tanja gegenüber klar. »Da kann ich doch nur verlieren! Sie hat alles, was ich nicht mehr habe: Jugend, Schönheit, Lebensfreude und jede Menge Energie. Wie soll ich da mithalten?«

Ich fühlte mich auf einmal so leer, so erschöpft, dass mir selbst die Kraft zum Weinen fehlte. Wie ein geprügelter Hund machte ich mich auf den Heimweg. Daheim angekommen, schlich ich ins Schlafzimmer. So, wie ich mich fühlte, wollte ich niemandem begegnen, nicht mal meinen Kindern. Das tat ich auch nicht, jedoch kam ich nicht umhin, mich an ihren Zimmern vorbei zu schleichen. Und überraschenderweise waren auch beide zu Hause geblieben. Unwillkürlich blieb ich stehen.

»Früher hat Mama uns wenigstens zum Training gefahren!«, hörte ich Theo maulen.

»Ja, und da hat sie auch immer noch was Richtiges gekocht abends!«, setzte Lukas eins drauf. »Heute gibt’s nur noch dieses ganz gesunde Zeugs!«

»Mama will eben abnehmen!«, versuchte sich mein Großer an einer Erklärung.

»Warum? Sie hat doch schon so viel abgenommen! Außerdem sieht sie doch total hübsch aus, vor allem mit der neuen Frisur! Das sagt sogar Jorges Mama!«

Jorge war sein bester Freund, und dessen Mutter arbeitete bei einer Zeitschrift im Ressort für Mode, soweit ich wusste. Immerhin, es war also einigen Leuten durchaus ausgefallen. Obwohl meine Jungs weiterhin die Situation in all ihren Einzelheiten beklagten.

»Vielleicht hat Mama einen Freund?«, unkte mein Kleiner. »Wenn Paps so viel arbeitet!«

Nun wurde ich richtig hellhörig, zumal mein Großer auch nicht widersprach.

»Klar, sie ist hübsch, aber Mama würde Papa nie betrügen, so was macht Mama nicht!«, sagte er eine gefühlte Ewigkeit später. »Aber egal, weißt du, ich will Mama zurück. Unsere Mama! Vielleicht sollten wir mal mit Papa reden?«

Ich hatte genug gehört, und plötzlich spürte ich, wie meine Knie langsam ihren Dienst aufgaben. Die ganze Situation wuchs mir über den Kopf. Ich ließ mich aufs Bett fallen.

»Ich habe es versucht, wirklich!«, murmelte ich. »Aber ich kann nicht mehr!«

Das Eingeständnis meiner Niederlage tat nicht mal halb so weh wie erwartet. Plötzlich waren Gedanken an ein Leben ohne Ralf da. Und sie fühlten sich auch gar nicht so schlimm an. Es schien auf einmal möglich. Und ich stellte überrascht fest, dass ich ein Leben ohne Ralf ernsthaft in Betracht zog. Es erschien mir als Alternative immer noch besser zu sein, als weiter auf verlorenem Posten zu kämpfen. Nein, so weit würde ich mich nicht erniedrigen, schwor ich mir. Und ich würde auch nicht länger an mir herumschrauben.

Die fünf Kilo weniger, die neue Frisur und das Tennisspielen, das konnte ich ja beibehalten, aber ansonsten gab es noch wichtigere Dinge in meinem Leben, als mit einer sehr jungen Frau zu konkurrieren. Meine Söhne zum Beispiel. Denen ich noch irgendwie erklären musste, dass nicht Mama es war, die sich anders orientiert hat.

Aber das, so schoss es mir durch den Kopf, könnte eigentlich auch Ralf übernehmen. Wozu sollte ich ihn schließlich noch schonen! Er hatte auch eine Verantwortung, und ich nahm mir fest vor, dafür zu sorgen, dass er dieser auch gerecht wurde.

– ENDE –

Geschichte 2

Meine Schuld

Roman von Bettina H. (21)

»Weil ich behauptete, mein Stiefvater hätte mich geschwängert, verschwand meine Mutter spurlos.«

Als ich elf war, starb mein Vater. Vier Jahre später fand meine Mutter einen neuen Lebenspartner. Sie war bisher immer für mich da gewesen. Wir hatten eine sehr enge Bindung. Daher fiel es mir schwer, den neuen Mann zu akzeptieren.

Ich bin noch zu jung, um allein zu bleiben«, erklärte mir Mama. »Das musst du doch verstehen. Du bist ja kein kleines Kind mehr.« Da ich nur verstockt schwieg, meinte sie: »Wie auch immer, ich werde Herrmann heiraten. Es macht mich traurig, wenn du mir dieses Glück nicht gönnst. Aber mein Entschluss steht fest.«

Ich versuchte alles, um diese blödsinnige Beziehung zu stören, und benahm mich fürchterlich. Herrmann hatte nichts zu lachen. Ich spielte ihm einige sehr gemeine und hässliche Streiche. Mit allen Mitteln wollte ich ihn vertreiben.

Das gelang mir zwar nicht, aber der vertraute Umgang mit meiner Mutter litt darunter. Sie versuchte, meine Antipathie gegen Herrmann mit viel Liebe und Zuneigung zu überwinden. Doch es war vergeblich. Ich tat alles, um ihn zu vergraulen.

Im Grunde war ich schon viel zu alt für all die kindischen Streiche, die ich ausheckte. Bei Herrmann erzielte ich auch nicht den erwünschten Erfolg. Er lächelte nur nachsichtig und war nach wie vor sehr freundlich zu mir.

Trotz meines Widerstandes heirateten Mama und Herrmann. Ich war so wütend, dass ich zu meinem Großvater zog und kaum noch mit meiner Mutter redete. Doch dann starb Opa, ehe ich volljährig war, und ich musste zurück zu meiner Mutter und diesem Mann, den ich nicht als Stiefvater akzeptieren konnte.

*