Meine Wahrheit 5 -  - E-Book

Meine Wahrheit 5 E-Book

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Beschreibung

Alle 14 Tage neu! Hier sind die dramatischen Geschichten aus dem wahren Leben, authentisch und voller Emotionen! Jede Menge ergreifende Schicksale und aufregende Bekenntnisse – aktuell, ehrlich und persönlich. Jetzt wird endlich mal deutlich Klartext geredet! Geschichte 1: Ohne Gewissen "Weltmeisterschaft – für Fußballtickets gab mein Mann unser ganzes Geld aus!" Ich habe die Leidenschaft meines Mannes für Fußball noch nie verstanden. Als er in diesem Sommer, anstatt wie ausgemacht zusammen mit mir unser lang ersehntes neues Haus auszusuchen, sondern für drei Wochen nach Brasilien verschwand, war ich stocksauer. Aber es kam noch schlimmer… Toooor!", hörte ich aus dem Wohnzimmer und gleich darauf das unmissverständliche Klirren von Glas, als Rolf und Peter mit ihren Bierflaschen anstießen. "Großartig", sagte ich zu Peters Frau Carolin, die mit mir in der Küche saß. "Der Teppich hat bestimmt gerade ein paar neue Flecken bekommen. Nicht, dass es noch eine Rolle spielt, so schmuddelig, wie er ist."

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Inhalt

Geschichte 1

Geschichte 2

Geschichte 3

Geschichte 4

Geschichte 5

Geschichte 6

Geschichte 7

Geschichte 8

Geschichte 9

Geschichte 10

Geschichte 11

Meine Wahrheit –5–

50 Seiten Private Bekenntnisse

Roman von Diverse Autoren

Geschichte 1

Ohne Gewissen

Roman von Monika U.

»Weltmeisterschaft –

für Fußballtickets gab mein Mann unser ganzes Geld aus!«

Ich habe die Leidenschaft meines Mannes für Fußball noch nie verstanden. Als er in diesem Sommer, anstatt wie ausgemacht zusammen mit mir unser lang ersehntes neues Haus auszusuchen, sondern für drei Wochen nach Brasilien verschwand, war ich stocksauer. Aber es kam noch schlimmer…

Toooor!«, hörte ich aus dem Wohnzimmer und gleich darauf das unmissverständliche Klirren von Glas, als Rolf und Peter mit ihren Bierflaschen anstießen.

»Großartig«, sagte ich zu Peters Frau Carolin, die mit mir in der Küche saß. »Der Teppich hat bestimmt gerade ein paar neue Flecken bekommen. Nicht, dass es noch eine Rolle spielt, so schmuddelig, wie er ist.«

»Wenn ihr euer neues Haus gefunden habt, musst du ihn nicht mehr sehen«, munterte mich Carolin auf, und ich seufzte zufrieden.

Unser neues Haus! Rolf und ich hatten jahrelang monatlich einen kleinen Betrag dafür zur Seite gelegt. Wir verdienten beide nicht besonders gut, und manchmal war es uns ziemlich schwer gefallen, von dem wenigen noch etwas abzuzweigen.

Aber endlich waren auf dem Bausparvertrag genug Einlagen, dass der Kauf eines Hauses realistisch erschien, ohne dass wir uns dafür bis zu unserem Lebensende verschuldeten.

Unsere Mietwohnung, in der wir seit fünf Jahren lebten, war schäbig und hatte dünne Wände, durch die man viel mehr von den Nachbarn mitbekam, als man wissen wollte. Die Zimmer waren so klein, dass ich manchmal das Gefühl hatte zu ersticken, wenn sich mehr als drei Leute in einem Raum aufhielten.

Rolf und ich hatten die letzten Monate bereits auf dem Immobilienmarkt die Augen offen gehalten, aber in diesem Sommer würden wir es richtig angehen! Mir war klar, dass die Hauptorganisation der Suche und Besichtigungen an mir hängenbleiben würde, weil sich das Hauptaugenmerk meines Mannes auf etwas anderes konzentrieren würde.

Rolf hatte den Termin für seinen diesjährigen Sommerurlaub schon vor Ewigkeiten festgemacht. Er wollte während der Weltmeisterschaft freihaben, damit er kein einziges Spiel verpasste.

Meinen Mann als Fußballfan zu bezeichnen wäre untertrieben. Das Spiel mit dem runden Leder war mehr wie eine Religion für ihn. Er war zwar selbst kein aktiver Sportler, aber er liebte es, wenn er als Zuschauer mitfiebern konnte. Nichts begeisterte ihn mehr, als mit seinen Kumpels ein Match ausgiebig zu kommentieren und zu analysieren.

Wenn es in unserer Beziehung zu einem Streit kam, dann war immer der Fußball schuld. Manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, dass meinem Mann seine Bundesliga- und Champions-League-Spiele wichtiger waren als unsere Ehe. Die Wochenenden verbrachte er entweder auf den Tribünen eines Fußballstadions oder vor dem Fernseher.

Unseren letzten großen Krach hatten wir, als er aus heiterem Himmel plötzlich einen Riesenfernseher anschleppte, der kaum in unser Wohnzimmer passte und beinahe zwei Monatsgehälter gekostet hatte.

Ich war stocksauer gewesen, weil er, ohne sich mit mir abzusprechen, so viel Geld ausgegeben hatte für etwas, was in meinen Augen absolut unnötig war. Unser alter Fernseher hatte vielleicht keinen Breitbildschirm und keine High Definition Auflösung, aber er hatte noch einwandfrei funktioniert.

Obwohl ich auf hundertachtzig gewesen war, hatte Rolf sich geweigert, das Riesenteil zurückzugeben und sich das Geld wieder auszahlen zu lassen. Wir hatten über zwei Wochen nicht miteinander geredet.

Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass wir zwar das kleinste Wohnzimmer in unserem Freundeskreis haben, aber dafür den größten Fernseher.

»Ist Rolf eigentlich schon darüber hinweggekommen, dass Peter und Horst Tickets für die Weltmeisterschaft ergattert haben und er nicht?«, fragte Carolin, während nebenan zeitgleich die Menge im Stadion und die beiden Männer auf dem Sofa losbrüllten.

»Nicht wirklich«, sagte ich. »Ich glaube, er sucht in irgendwelchen Foren im Internet noch immer jemanden, der eine Karte übrig hat.«

Rolf hatte es sich in den Kopf gesetzt, mindestens ein Spiel der Fußball-WM live zu sehen. Dieser Entschluss hatte mir für einige Tage die Stimmung vergällt, denn die WM war in Brasilien. Die Reise dorthin würde nicht nur eine Stange Geld kosten, sondern genau in den Zeitraum fallen, in dem wir uns endgültig für ein neues Haus entscheiden wollten. Deshalb war ich heilfroh gewesen, dass Rolf keine Karte bekam, auch wenn ich versuchte, diese Erleichterung nicht allzu offensichtlich zu zeigen, denn seine Enttäuschung war riesengroß gewesen. Seine beiden Kumpel mussten ohne ihn fahren, und Rolf und ich würden dafür am Ende des Sommers ein wunderschönes eigenes Zuhause haben!

*

Hallo, Schatz!« Als ich ein paar Wochen später nach Feierabend zur Tür hereinkam, begrüßte mich nicht nur ein Ehemann, der übers ganze Gesicht strahlte, sondern auch der verführerische Duft von selbst gemachter Lasagne, meinem absoluten Lieblingsessen.

Rolf konnte hervorragend kochen, auch wenn er diese Aufgabe meistens mir überließ. Der Tisch im Wohnzimmer war mit unserem besten Geschirr gedeckt, und dazwischen standen ein Strauß frischer Schnittblumen und zwei brennende Kerzen.

»Nanu, habe ich etwa unseren Hochzeitstag vergessen?«, scherzte ich.

Rolf schüttelte grinsend den Kopf. »Es gibt was anderes zu feiern«, sagte er. »Setz dich hin und entspann dich. Das Essen ist in fünf Minuten fertig!«

Neugierig nahm ich Platz, während ich überlegte, worauf er hinauswollte. Ich wusste natürlich, dass unser Hochzeitstag erst im Herbst war und dass auch sonst kein Jubeltag ins Haus stand. Mein Blick fiel auf einen Stapel von Broschüren und Anzeigenblätter auf dem Beistelltisch, wo wir schon seit Monaten Infomaterial für unsere Immobiliensuche sammelten. Auf einmal wurde ich ganz aufgeregt. Hatte Rolf etwa ein vielversprechendes Haus gefunden? Unser Haus, das alle Kriterien erfüllte, die wir gemeinsam erarbeitet hatten?

Mit herzhaftem Appetit machte ich mich über das Essen her, während ich gespannt auf Rolfs Eröffnung wartete.

»Wegen dem Haus…«, begann er zögernd.

Ich nickte ihm aufmunternd zu und schob mir eine weitere Gabel mit Auflauf in den Mund.

»Ich habe mir gedacht… Eigentlich könnten wir uns doch auch erst im Herbst auf die Suche machen«, sagte er. »Ich meine, es ist ja kein feststehender Termin, der verfällt, wenn wir ihn nicht einhalten.«

»Was?«

Klirrend legte ich das Besteck auf den Teller und starrte ihn ungläubig an. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich neben freudiger Erregung noch andere Gefühle auf seinem Gesicht spiegelten: Nervosität und ein schlechtes Gewissen. Ich kannte diesen Ausdruck nur allzu gut. Ich hatte ihn schon mehrere Male gesehen, wenn Rolf eine unserer Verabredungen für ein Fußballspiel hatte sausen lassen. Ein furchtbarer Verdacht kam in mir auf.

»Die Sache ist die…«, redete er weiter. »Ich habe heute ein Ticket bekommen!«

Plötzlich schmeckte das Essen fade, und die leckere Lasagne quoll in meinem Mund zu einem riesigen, geschmacklosen Fladen auf, den ich kaum hinunterschlucken konnte.

Er begann, mir umständlich zu erklären, wie er im Internet jemand gefunden hatte, der eine Karte übrig hatte, und was für ein Glück er gehabt hatte, dass ausgerechnet er sie bekommen konnte, wo es doch so viele Interessenten gab.

Ich hörte kaum zu. Das Einzige, was ich klar und deutlich verstand, war: Rolf würde in unserem Sommerurlaub mit seinen beiden Kumpel nach Brasilien fliegen, während ich hier blieb und der Traum vom eigenen Haus wieder ein Stück in die Ferne gerückt war.

*

Als ich meinen Mann Mitte Juni zum Flughafen fuhr, hatte ich einen Plan B erarbeitet. Ich würde mich allein auf die Suche nach einem neuen Haus machen, eine Vorauswahl treffen und nach Rolfs Rückkehr gemeinsam mit ihm eine endgültige Entscheidung zwischen den infrage kommenden Kandidaten treffen.

Mein Mann hatte sich in den vergangenen Wochen enorm angestrengt, mich nach seiner überraschenden Ankündigung versöhnlich zu stimmen. Er hatte regelmäßig gekocht, freiwillig im Haushalt geholfen und an den Wochenenden sogar ab und zu auf ein Fußballspiel verzichtet, um mit mir kleine Ausflüge zu unternehmen, durch Möbelhäuser zu streifen oder erste Immobilien zu besichtigen.

Ich war immer noch enttäuscht und nicht besonders glücklich darüber, dass wir unseren Sommerurlaub auf verschiedenen Kontinenten verbringen und unser zukünftiges Heim nicht wie geplant gemeinsam suchen würden. Aber die euphorische Vorfreude, die mein Mann ausstrahlte, je näher die Weltmeisterschaft heranrückte, machte es mir unmöglich, weiter auf ihn sauer zu sein.

Er war zappelig und enthusiastisch wie ein kleines Kind kurz vor Heiligabend, und auch, wenn ich den Grund der Aufregung nicht wirklich verstehen konnte, weil ich Fußball total langweilig fand, gönnte ich ihm die Reise schließlich. Obwohl der Flug und die Übernachtung nicht billig waren und ein großes Loch in mein streng durchgeplantes Haushaltsbudget reißen würden. Und ich als Strohwitwe allein in unserer unansehnlichen Mietwohnung zurückblieb, während mein Mann ins sonnige Brasilien flog.

Ich kompensierte meinen Frust damit, dass ich mich mit Feuereifer in die Suche nach unserem neuen Haus stürzte.

Es war wirklich eine gute Idee gewesen, das Ganze im Urlaub anzugehen. So hatte ich Zeit, mit den Maklern Einzeltermine zu vereinbaren, und konnte mich in aller Ruhe den Besichtigungen widmen, anstatt am Wochenende oder nach Feierabend mit zig anderen Interessenten im Fünf-Minuten-Takt durch die Räume zu hetzen.

Trotzdem dauerte es eine Weile, ehe ich unter all den hässlichen Entlein den Schwan entdeckte. Die meisten Häuser waren zu groß, zu teuer, zu abgelegen oder nicht gut in Schuss. Außerdem stand ein Balkon und oder eine Terrasse ganz oben auf meiner Wunschliste. Ich durchforstete Zeitungen und Immobilienseiten im Internet und besichtigte so viele Gebäude, dass es mir irgendwann vorkam, als könnte ich damit eine eigene Stadt gründen.

Von Rolf hörte ich wenig. Wir telefonierten ab und zu, aber die Verbindung war nicht besonders gut, und um die Telefonkosten moderat zu halten, hielten wir uns kurz. Meistens schickten wir uns nur SMS.

Heute Viertelfinale, freu mich tierisch drauf!, schrieb er. Stimmung hier gigantisch, häng noch eine Woche dran! Bei dir alles in Ordnung?

Ich wunderte mich, weil er bereits zum dritten oder vierten Spiel ging und sein Aufenthalt sich immer mehr in die Länge zog. Ursprünglich hatte er nur eine Woche bleiben wollen.

Dachte, du hast nur Ticket für ein einziges Spiel, schrieb ich zurück.

Last-Minute-Angebote vor den Stadien!, kam die Antwort, und ich gab mich damit zufrieden.

Ab und zu schaltete ich den Fernseher an, wenn ein Spiel übertragen wurde, in der vagen Hoffnung, irgendwo in der tobenden Menge auf den Tribünen meinen Mann zu entdecken. Ich sah feiernde und schreiende Fußballfans aus aller Herren Länder, aber Rolf schaffte es nicht vor eine Kameralinse.

*

Ich entdeckte mein Traumhaus dann durch Zufall. Zusammen mit Carolin war ich an einem sonnigen Samstagvormittag im Juli unterwegs zum Baggersee. Ihr Mann Peter war zusammen mit Rolf in Brasilien, allerdings würde er morgen zurückfliegen, während meiner noch unbedingt für das Halbfinale bleiben wollte.

Wir hatten das Auto vollgepackt mit Badesachen, Sonnencreme, einigen Büchern und Zeitschriften und einem riesigen, gut gefüllten Picknickkorb. Carolin hatte von einer Kollegin von einem versteckt gelegenen kleinen Badeplatz erfahren, und wir hatten uns vorgenommen, ihn ausgiebig zu testen.

Am Stadtrand, auf einem der letzten Anwesen, kurz bevor es in die Natur hinausging, sah ich dann plötzlich ganz unverhofft ein schmuckes Häuschen, umgeben von einem kleinen Garten mit Obstbäumen. Das Gras im Garten stand kniehoch, und am Zaun waren einige Latten lose, gerade so, als hätte sich schon länger niemand mehr um das Grundstück gekümmert.

»Oh!«, schrie ich entzückt. »Das ist genau das, was ich mir vorgestellt habe!«

Ich war so aufgeregt, dass ich Carolin bat anzuhalten, damit ich mir alles genauer anschauen konnte. Nachdem auf mein Klopfen niemand reagierte, klingelte ich sogar bei einem Nachbarn, und dort erfuhr ich, dass das Haus tatsächlich seit ein paar Monaten leer stand.

Den nächsten Tag verbrachte ich damit, den Eigentümer ausfindig zu machen, um herauszufinden, ob das Haus zum Verkauf stand. Nach einigem Herumtelefonieren erfuhr ich, dass der Besitzer des Hauses Anfang des Jahres verstorben war. Seine Erben, eine Großnichte und ein Großneffe, lebten am anderen Ende von Deutschland.

Ich sprach über eine Stunde mit der Großnichte, die mir erzählte, dass sie noch keine Zeit gehabt hatte, sich um das Haus zu kümmern. Es würde aber auf jeden Fall auf einen Verkauf hinauslaufen, da niemand aus ihrer Familie es selbst bewohnen wollte.

Als ich mein Interesse signalisierte und den Wunsch äußerte, mir die Wohnräume und das Grundstück anzusehen, organisierte sie über einen Nachbarn, der einen Zweitschlüssel hatte, eine Besichtigung.

Das Häuschen war ein Traum. Es hatte genau die richtige Größe, die Räume waren hell und freundlich, und ich konnte keine offensichtlichen Mängel in der Bausubstanz entdecken. Natürlich würde ich vor einer endgültigen Kaufentscheidung noch einen Fachmann damit beauftragen, alles gründlich durchzuchecken, aber aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen war ich mir sicher: Ich hatte ein Goldstück entdeckt.

Ich wanderte mehr als zwei Stunden vom Keller bis hinauf in den Dachboden, machte Fotos, maß Wände aus und füllte die Zimmer in einem herrlichen Tagtraum mit neuen Möbeln.

Das Grundstück, auf dem das Haus stand, war geräumig, und auch wenn es etwas verwildert war, weil sich schon seit längerer Zeit niemand mehr richtig darum gekümmert hatte, würde es einen fantastischen Garten abgeben. In Gedanken sah ich mich bereits im Spätherbst auf der kleinen Terrasse sitzen und auf meinen eigene Apfelbäume blicken, an denen reife, saftige Früchte hingen! Und spätes-tens im nächsten Frühjahr konnte ich damit beginnen, mein eigenes Gemüse anzubauen.

Enthusiastisch schickte ich Rolf mit dem Handy Dutzende von Bildern und teilte ihm mit, dass wir meiner Meinung nach nichts Besseres mehr finden konnten. Als ich am Abend mit der Eigentümerin des Hauses telefonierte, schaffte ich es nicht, meine Begeisterung zu verhehlen, auch wenn mir bewusst war, dass es für einen Käufer kein besonders kluger Schachzug war, zu starkes Interesse zu zeigen. Aber ich war so glücklich über die Aussicht, unserer engen, lauten Mietwohnung endlich entfliehen zu können, dass ich mein Dauergrinsen nicht abstellen konnte.

Als ich wenig später den Fernseher einschaltete und die Bilder euphorisch jubelnder Fußballfans über den Schirm flimmerten, konnte ich ihre Glücksgefühle mit einem Mal nachvollziehen und zappte zum ersten Mal nicht weiter.

*

Eine Woche später war ich unterwegs zum Flughafen, um Rolf abzuholen, der endlich nach Deutschland zurückkehrte. Ich konnte es kaum erwarten, ihn endlich wiederzusehen. Nicht nur, weil ich ihn vermisst hatte, sondern auch, weil ich den Kaufvertrag für unser neues Haus endlich unter Dach und Fach bringen wollte.

Ich hatte im Kopf unser neues Zuhause bereits komplett eingerichtet, hatte Möbelhäuser und Internetseiten durchforstet, abgemessen, Stoffproben verglichen und Preise kalkuliert und eine lange Liste von Einrichtungsgegenständen zusammengestellt. Die abschließende Kaufentscheidung für Haus und Einrichtung hatte ich noch hinausgeschoben. Schließlich war unser gemeinsames Heim eine gemeinsame Entscheidung.

Mit der Hausbesitzerin hatte ich mich auf einen Stichtag geeinigt, bis zu dem wir spätestens eine verbindliche Zusage treffen würden. Nachdem sie sich durch mich mit der Erbschaft ausführlicher beschäftigt hatte, war ihr plötzlich sehr daran gelegen, den Verkauf zügig über die Bühne zu bringen.

Als erster Interessentin hatte sie mir ein exklusives Vorentscheidungsrecht eingeräumt sollten wir allerdings zum vereinbarten Termin nicht zugesagt haben, würde sie die Immobilie öffentlich zur Veräußerung ausschreiben. Ich hatte keine Zweifel, dass das Häuschen dann sehr schnell weg sein würde, deshalb brannte ich darauf, mit meinem Mann den Handel unter Dach und Fach zu bringen.

Rolf war bleich und wirkte übernächtigt und verkatert.

»Du siehst aus, als hättest du die letzten drei Wochen durchgefeiert«, scherzte ich.

So wie ich meinen Mann kannte, waren die Fußballspiele tatsächlich eine einzige große Sause für ihn gewesen. Glücklicherweise war ich wegen des Hauses immer noch bestens gelaunt, andernfalls hätte ich ihm gründlich den Kopf gewaschen. Er war schließlich kein unreifer Teen-ager mehr, der sich von einer Party zur nächsten soff.

Er lächelte mich nur etwas gequält an und war auf dem Weg nach Hause ungewöhnlich still. Ich schob es auf seine Übermüdung, aber als er sechzehn Stunden später ausgeschlafen aus dem Bett krabbelte, war er immer noch nicht gesprächiger.

Als ich, vibrierend vor Ungeduld, vorschlug, ihm mein Traumhaus zu zeigen, sackte er sichtlich in sich zusammen.

»Könnten wir den ganzen Hauskauf nicht auf nächstes Jahr verschieben?«, fragte er leise.

Ich fiel aus allen Wolken. »Warum sollten wir?«, rief ich entgeistert. »Der Zeitpunkt ist perfekt. Und so eine Gelegenheit wie diese bekommen wir ganz bestimmt so schnell nicht wieder. Was ist denn los mit dir? Hast du in Brasilien plötzlich Heimatgefühle für unsere alte Mietwohnung entdeckt? Oder graust es dir vor dem Umzug?«

Er druckste eine Weile herum, ehe er mit der Sprache herausrückte. Und als ich sein schuldbewusstes Gemurmel hörte, bekam ich ganz weiche Knie, sodass ich mich abrupt hinsetzen musste. Rolf hatte einen Löwenanteil des Geldes, das wir mühevoll für den Kauf des neuen Hauses angespart hatten, für die Weltmeisterschaft ausgegeben. Ich traute meinen Ohren nicht.

»Zwanzigtausend Euro?«, kreischte ich. »Für Fußballtickets? Wie ist denn das möglich? Hast du ein paar Großfamilien als Gäste eingeladen oder was?«

Schamerfüllt starrte Rolf zu Boden.

»Ich habe meine Karten auf dem Schwarzmarkt gekauft«, gestand er. »Zuerst nur die eine für das Viertelfinale, über eine Internetauktion, hier in Deutschland. Sie hat achthundertfünfzig Euro gekostet.«

Er schluckte schwer, während ich mit offenem Mund dasaß.

»Und als ich dann vor Ort war und andere Fans getroffen habe und diese grandiose Stimmung hautnah miterlebt habe… In dem Moment hätte ich mir eine Hand abgehackt und verkauft, nur um live mit im Stadion zu sitzen. Es war wie ein Rausch.«

Nach und nach erfuhr ich, dass vor den Stadien unter der Hand Tickets zu astronomischen Preisen verkauft wurden. Und dass Rolf in seinem Fußballdelirium nicht nur Karten für den Preis von mehreren gebrauchten Kleinwagen erworben, sondern anschließend mit anderen Fans in exklusiven Nachtclubs gewonnene Spiele gefeiert hatte.

Den Flug, die Hotelkosten und sämtliche anderen Ausgaben inbegriffen, hatte mein Mann in drei Wochen über zwanzigtausend Euro für die Fußballweltmeisterschaft ausgegeben.

*

Nachdem ich aus meiner Schockstarre erwacht war, hatte ich Rolf wortlos sitzen lassen, hatte hastig einen Koffer gepackt und war zu meinen Eltern gefahren. Ich war mir sicher: Der verdammte Fußball war ihm wichtiger als alles andere, unsere Ehe inbegriffen. Zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich ernsthaft über eine Scheidung nach.

Ich verkroch mich in meinem alten Kinderzimmer und reagierte weder auf Anrufe von Rolf noch von Carolin oder einem anderen aus unserem Freundeskreis.

Am Tag, bevor die gesetzte Frist für die Kaufentscheidung über das Haus zu Ende ging, riss ich mich zusammen und suchte Rolf auf. Und erlebte eine Überraschung.

Mein Mann hatte einen Plan erarbeitet, mit dem wir das Haus doch noch kaufen konnten. Der Kredit, den wir dafür bei der Bank aufnehmen mussten, würde größer ausfallen als ursprünglich geplant, und die neuen Möbel würden noch eine Weile warten müssen.

Rolf wollte sich für ein paar Stunden am Feierabend oder am Wochenende noch zusätzlich einen Minijob suchen, bis er das Geld, das er für die Weltmeisterschaft ausgegeben hatte, wieder hereingearbeitet hatte. Was bedeutete, dass er für mindestens zwei Jahre auf viele seiner Fußballspiele verzichten musste.

Zuerst war ich skeptisch, weil ich befürchtete, dass er seine guten Vorsätze nur bis zum nächsten wichtigen Match durchhalten würde. Aber als ich erfuhr, dass er seinen heiß geliebten Luxusfernseher an einen seiner Freunde verkauft und gegen ein bescheideneres Modell eingetauscht hatte, beschloss ich, ihm und unserer gemeinsamen Zukunft im eigenen Heim noch eine Chance zu geben.

*

Ich habe es bis jetzt nicht bereut. Das erste Jahr lebten wir mit einer spartanischen Einrichtung aus alten Möbeln vom Flohmarkt und von Freunden. Unsere Urlaube verbrachten wir mit Renovierungs- oder Gartenarbeiten.

Bis wir den Kredit für das Haus abbezahlt haben, wird es noch eine lange Zeit dauern, aber damit kann ich leben. Unser Häuschen ist es wert.

Rolf zelebriert nach wie vor mit Freunden wichtige Fußballspiele vor dem Fernseher, und mittlerweile setze ich mich sogar manchmal mit dazu. Zu einer Aktion wie bei der Weltmeis-

terschaft ist es nicht mehr gekommen.

– ENDE –

Geschichte 2

Verzweifelte Frauen

Roman von Jutta D. (56)

»Kurz vor der

Silberhochzeit verschwand mein Mann spurlos.«

Die große Liebe seines Lebens findet der eine früh, der andere spät und manch einer nie. Mein Mann Jürgen und ich hatten uns schon als Teenager ineinander verliebt, uns dann wieder aus den Augen verloren, waren aber inzwischen seit fast fünfundzwanzig Jahren unzertrennlich. Doch kurz vor der Silberhochzeit war er einfach weg!

An manchen Tagen denkt man hinterher: »Hätte ich doch bloß.« Aber man hat eben keine Glaskugel, in der sich die Zukunft sehen lässt. Und so ist man dem ausgeliefert, was das Leben für einen bereithält.

Heute rufe ich mir oft den Tag in Erinnerung, der mein Leben für immer verändern sollte. Und wenn es auch merkwürdig klingt, bis auf den furchtbaren Ausgang zähle ich ihn mittlerweile zu einem der schönsten Tage meines Lebens. Dabei war er normal, es lief alles seinen gewohnten Gang. Und vielleicht machte es ihn im Nachhinein gerade deshalb so besonders für mich. Er war etwas, woran ich mich klammern konnte, etwas, woran ich mich aufrichten konnte, wenn die Verzweiflung wie eine riesengroße Welle über mich hereinzubrechen drohte.

Wenn man es nicht selbst erlebt, dann kann man sich nicht vorstellen, dass sich jemals etwas ändern wird. Man beklagt sich vielleicht mal über den Alltag, aber im Grunde hängt man auch daran, hängt an den vielen Kleinigkeiten, die das Leben ausmachen, das man führt.