MESSALINA: Historisher Roman - Alfred Schirokauer - E-Book

MESSALINA: Historisher Roman E-Book

Alfred Schirokauer

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Beschreibung

In Alfred Schirokauer's roman 'MESSALINA', readers are transported to ancient Rome and introduced to the scandalous and ambitious Empress Messalina. The book delves deep into the political intrigues, power struggles, and carnal excesses of the Roman Empire during the reign of Emperor Claudius. Schirokauer's literary style is rich in detail, bringing to life the opulent palaces, debauched feasts, and treacherous court politics of the era. Written in a compelling and engaging narrative, 'MESSALINA' offers readers a dramatic portrayal of one of history's most infamous femme fatales. Alfred Schirokauer, a German author renowned for his historical fiction, brings his expertise and passion for ancient history to bear in this captivating novel. As a scholar and historian, Schirokauer's meticulous research and vivid storytelling combine to create a vivid and immersive reading experience. Readers interested in Roman history, political intrigue, and complex female characters will find 'MESSALINA' an enthralling read. Full of drama, intrigue, and deceit, this historical novel is a must-read for anyone fascinated by the tumultuous world of ancient Rome.

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Alfred Schirokauer

MESSALINA: Historisher Roman

Die skandalumwitterte Gemahlin des römischen Kaisers Claudius - "die den von ihr begehrten Männern Verderben bringt"

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0659-9

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch
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Zweites Buch
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Erstes Buch

Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

Rom! … das wie eine goldene Löwin majestätisch sich breitete. Die Krallen der allesbeherrschenden Pranken waren zwar eingezogen, doch bereit zu neuem Tatzenschlage, falls irgendwo aus dem Erdkreise ein Volk sich vermaß, gegen den Willen und die Macht des Cäsarenreiches sich aufzubäumen.

Gajus Cäsar Caligula war zur Zeit die Seele der Löwin. Jener Caligula, den man als Knaben im Soldatenwamse, die Kinderfüße bekleidet mit dem derben Schuhwerke des Söldners, der Menge zur Schau gestellt hatte, ihm schon frühzeitig Volkstümlichkeit zu werben.

Caligula erniedrigte das königliche Raubtier Rom zu einer Bestie mit blutbeflecktem Felle.

September mit wolkenlos blauem Himmelsdome – der Monat, in dem Rom die schwülsten Nächte und die schwelendsten Tage erduldet. Unerbittlich sengende Glut, grelles und heißes Hell. Fast körperlich greifbar wie ein unter riesiger Glaskuppel eingesperrter Vampyr – lastete die aussaugende Luft über den Dächern der Cäsarenstadt.

Hochauf wirbelte der Staub der ungepflasterten Straßen, in denen er als atembeengende Wolke graugelb stiebte, stieg und sank. Doch kein Windhauch, der erfrischend die Glut zeitweilig scheuchte, war Erzeuger dieser Wolke. Unzählbare Tausende von Füßen der Abertausende von Menschen scharrten diesen beizenden Dunst, der sich zusammensetzte aus Gassenstaub und dem Gestank der Gossen, vermählt mit der Ausdünstung schwitzender Menschenleiber und dem säuerlichen, verdorbenen Odem erregter Massen.

Das wälzte sich dahin in den Straßenschlünden zwischen den hochgetürmten Häusern Roms, quoll hervor aus den dichtbevölkerten Stadtteilen des italischen Babels am Tiberflusse; aus der Subura und dem Velabrum. Das stieß und drängte und hastete, mißachtete auch den Leib der Kleinsten und die Lenden schwangerer Frauen, drückte den gebeugten Rücken der Greise noch tiefer, warf rücksichtslos die Krüppel an die Hauswände, trampelte die Lahmen unter die erbarmungslosen Sohlen. –

Ein ungebärdiger Strom, der an die Ufer spült, was seinem gewaltsamen Dahinfluten widersteht und dem tollen Weiterwälzen nicht zu folgen vermag. So zog dem Forum zu, was Roms völkerverschlingender Bauch von sich gab: Menschenherden, Menschenknäuel, Menschenmassen.

Kaiser Caligula bot heute dem Volke ein Fest. Ave, Cäsar!

Kein Wunder, wenn der im Feuer solcher Verheißung brodelnde Kessel dieser zwischen ihren sieben Hügeln eingepferchten Stadt über seinen Rand siedete. Und was er zischend und fauchend von sich gab, ergoß sich auf den von Tempelgebäuden umsäumten Platz zu Füßen des heiligen Kapitols.

Hier dampfte kein Staub. Denn die Riesenfläche war gepflastert mit Platten aus Lava und Basalt. Doch sichtbar zitterte die Sonnenglut über dem Schachmuster des Bodens, der aus eng aneinandergefügten, grau und schwarz gewürfelten Vierecken gestaltet war.

Hier boten Kohorten der kaiserlichen Leibwache, die Prätorianer, einen Staudamm, gegen den das Heranfluten der Volksschar vergeblich anbrandete. Starr wie das Erz, das ihre Leiber umschloß, stand der Soldaten Wall. Inmitten lag der freigehaltene Platz, dessen Ummauerung sich aus den kräftigen Manneskörpern, dem Rüstzeuge und den Waffen der Prätorianer baute.

Hinter diesem Damm aus Blut, Fleisch und Bein und für den Kaiser schlagenden Herzen quollen, eingepreßt in eine schmale Rinne, die Menschen ineinander. Lebengefährdendes Gedränge, in dem keine Brust mehr Platz fand, sich in freiem Atem zu dehnen, kein Fuß sich regen konnte, den immer noch herzudrängenden Massen zu weichen, kein Arm sich zu heben vermochte, den Schweiß fortzuwischen, der über rote, hitzegedunsene Gesichter floß, in die Augen biß, den Blick trübte und die Gewandung tränkend durchsickerte.

Und doch ward nirgendwo Klage vernehmbar. Denn die Plebs der Tiberstadt, nicht minder nach Leben und Lebensbuntheit gierig als die Reichen Roms, war gewöhnt, in Glut und Glast und in heiß dunstendem Gedränge sich einen Blick zu erkämpfen auf die Pracht und Herrlichkeit des Kaiserhauses und seines parasitischen Gefolges.

Übertönte ein Schrei das brausende Gemurmel, dann war es gewiß kein Schrei der Not und Angst. Wer in Not kam im Getümmel, brach lautlos zusammen und erstickte, ohne zu Boden zu sinken, eingekeilt zwischen Leibern anderer, die solch eines Vorfalles nicht weiter achteten. Übergellte ein Ruf aus Menschenmunde das zum Himmel steigende Gedröhn, so kam er aus eines Weibes oder aus eines Mädchens Kehle. Die Sittenlosigkeit und Geilheit der Oberen Roms ward von der Plebs getreulich nachgeahmt. Das Gedränge der Leiber schuf übergenug Gelegenheit zu dreisten Griffen, frechen Berührungen, schamlosem Tasten. Was hier aufschrie, war nur selten die Ehrbarkeit. Weit öfter war’s die Wollust, die erregt ward, wo Mann und Mädchen, Jüngling und Weib eng in Berührung kamen, enger fast als im Ehebett, näher als bei verstohlenem Stelldichein.

So braute über den Köpfen der Menschen, die wie Trauben in einer Kelter ineinander gequetscht wurden, nicht nur der Glast des glühheißen Tages, nicht nur der Qualm schweißströmender Körper, nein, auch der Brodem erregten Blutes.

Rom war nicht nur die weltbeherrschende, es war zugleich auch die brünstige Löwin des Erdkreises.

Jetzt kam Leben in die Mauer der Kohorten. Irgendwo war das schmetternde Jauchzen eines metallenen Instruments erschollen.

Erzklirrend, speerdräuend und stumm befehlend teilte sich der Wall an einer Stelle, wo die Doppelreihe der Prätorianer plötzlich kehrtmachte. Die von Wettern aller Zonen gebräunten Gesichter der Soldaten starrten nun den Massen entgegen, hervor unter dem eisernen Helme. Harte Mienen, gnadenlos und ohne Erbarmen, zusammengebissene Zähne, fest aufeinandergepreßte Lippen. So mochten diese Legionäre dreinschauen, wenn sie durch die Höllenglut Afrikas oder im Eishauche der Alpengipfel wanderten, sich dahin kämpften durch die Sümpfe Galliens oder das Britanniens weiße Küstenmauer wild umheulende Meer überquerten, sturmumbrüllt, auf gebrechlichem Fahrzeuge.

Die Armmuskeln der Prätorianer schwellen zu steinharten Ballen. Weiß werden die Knöchel der den Speer umkrampfenden Fäuste. Die Waffenbarriere quergehaltener Lanzen wird zum unwiderstehlichen Grabscheit, das allem Gedränge zum Trotz eine breite Furche schaufelt in den aus lebendigen Schollen wogenden Menschenacker.

Das Spiel – ein Vorspiel zunächst – hebt an!

Schaulüstern hat die Menge nur noch Augen für das sich nahende Gepränge der Reichen, nur noch Sinn für die heranziehende Pracht der oberen Fünftausend Roms. Die Schmerzen des Getretenwerdens, die Folter unbeweglichen Stehens, die Qual sich steigernder Hitze, die Pein des Durstes – alles das ist plötzlich vergessen, nur die Schaulust lebt. Höchste Wonne der Gaffer, die sich berauscht an hundert Prächten: Pracht des Goldes und des Edelgesteins an den Sänften und der Gewandung – Pracht der Schönheit vornehmer Frauen und ihrer unter den neumodischen, durchsichtigen koischen Gewändern bloßgestellten Nacktheit.

Den Männern tritt der Speichel in die Mundwinkel. Sie werden unruhig und zittern.

»Sieh dort, Cordus, dort!« raunt ein Tagewerker seinem Nachbar zu, unruhig mit den Füßen trampelnd, soweit ihm das die Enge gestattet. »Sieh die da, die statt eines Gewandes ein Netz aus Goldgespinst anhat. Oh, all ihr Götter!«

Und er reißt die Augen auf und bleckt die Zähne im Eifer des Schauens und in der Gier, die ihn beim Anblick der entblößten Schönen wie ein eiliges Fieber durchrinnt.

Cordus lacht nur – das heisere Lachen heimlicher Erregung. »Beim Jupiter, Asthus,« flüstert er mit zitternden Lippen, »was ist meine alte Bettel gegen dieses Göttergeschenk!«

Dabei sucht der Listige sich noch fester anzuschmiegen an das Mädchen vor ihm, dessen schwellende Formen er seit dem langen Warten in dem Gedränge schon dicht an seinem Körper spürt. Als ob er Halt zu gewinnen trachte, umspannt er mit den verarbeiteten Händen lüstern die Hüften der kleinen Drallen.

Sie merkt nichts, denn sie muß schauen. Und es gibt immer wieder Neues zu sehen: berückende Gewänder der Damen … ach, wer sich auch so reich kleiden könnte! Und dort der Jüngling, dessen Toga noch der rote Saum ziert. Rot wie das Blut, das der Kleinen sehnsüchtiges Herz pochen läßt. Traf nicht des Knaben Blick absichtlich den ihren? Sie seufzt – – und gafft weiter, spürt nicht die schmutzigen Hände des Nachbarn Cordus, die schon kühn nach der Brust des Mädchens tasten.

Immer neuer Prunk reicher Ankömmlinge füllt den durch die Kohorten freigehaltenen Platz, auf dem sich der Adel Roms versammelt, die Ritter einfinden. Ruhebetten, pomphaft bemalt und mit Leisten aus purem Golde geschmückt oder mit Silberbeschlag plattiert, schwanken daher, getragen von acht herkulischen Sklaven. Schöne Frauen lagern auf den kostbaren Purpurdecken dieser Sänften, hochmütig auf die Menge herabblickend, aber doch voll Freude über die ihnen gespendete naive Bewunderung.

Eine thronartige Sella, ein Tragstuhl, ragt hoch empor über die Köpfe von sechs riesigen Liburnern. Es sind kräftige Männer aus Illyrien, die man mit Vorliebe als Sänftenträger bedienstet, als Boten bevorzugt.

Ein junges Mädchen hat den bequemen Sitz der Sella inne. Über der schneeigen, geräumigen Stirn teilt sich das ebenholzschwarze Haar zum Scheitel, dessen sanftes Gewell mählich in krauses Gelock übergeht. Dieses Gelock verdeckt die Schläfen und die Ohren. Die Haartracht betont den Blick – den Blick der großen, tiefdunkeln Augen, die von kräftigen Brauen überwölbt, von seidigen, zierlich gebogenen Wimpern beschattet sind. Und dieser Blick offenbart eine feurige, leidenschaftliche Seele, die noch im Schlummer der Unschuld dämmert. Denn nur in kindlich staunender Neugier haften die schönen Augen auf der starrenden Menge und trinken die tausend Herrlichkeiten der Adelsversammlung in sich hinein.

Das Volk verstummt, als man dieses junge Geschöpf herzuträgt. In schweigender Huldigung stieren die Gesichter zu dieser jugendfrischen Schönheit empor. Selbst die unbeweglichen Prätorianer richten ihre Aufmerksamkeit mehr auf das anmutige Geschöpf als auf ihre Pflicht, zumal die eben noch drängende, stoßende Menge durch den lieblichen Anblick der Keuschheit zur Ruhe gebannt ist.

Da scholl in die Stille eines Mannes kräftige Stimme: »Sehet die Tochter des Valerius Messala Barbatus und seiner Gemahlin Lepida!«

»Ist es nicht vielmehr die Göttin der Schönheit selbst?« rief in aufflammender Begeisterung ein junger Mensch.

»Mit nichten,« lachte der Mann. »Doch mag der Venus Schönheit die Stunde regiert haben, in der dieses Mädchen gezeugt ward.«

»Nenne uns ihren Namen, du Kundiger,« tönte es aus einiger junger Leute Mund. »Rasch den Namen! Wir wollen ihr huldigen!«

»Unterlaßt es lieber,« flüsterte vorsichtig ein gewitzter Dritter. »Man könnte dem Cäsar von dieser Huldigung berichten. Und dann – ihr wißt: sein Neid kann ebenso den Tod dieses Kindes bestimmen wie euern eigenen.«

»Dann sterben wir für einen schönen Augenblick unsers Lebens und für diese junge Göttin der Schönheit,« klang es übermütig zurück.

»So huldiget der Valeria Messalina!«

Der Name flog von Mund zu Mund.

»Heil, Valeria Messalina! Roms Jünglinge grüßen dich!«

Die Rufe pflanzten sich fort, schwollen durch die Menge und jauchzten gegen den glutenden Septemberhimmel auch dort, wo niemand wußte, wem die Huldigung galt und was sie bedeute.

Es schrie dasselbe Volk, das wenige Jahre später dieses junge Geschöpf dort auf der reich prangenden Sella die verbuhlteste Dirne Roms schelten sollte.

Valeria Messalinas üppig blühender Mund über dem sinnlich rund vorspringenden Kinn öffnete sich zu einem kindlich dankbaren Lächeln. Sie senkte die seidigen Wimpern über den Blick innerlichen Entzückens, beugte den Kopf in den Nacken, als wäre die Fülle der gleich einem Rabenfittiche schwarz glänzenden Haare ihr plötzlich zu schwer geworden.

Jubelte man ihr nicht zu, als wäre sie die Kaiserin selbst? Sie gedachte einer Weissagung, an deren stolzer Verheißung sie zweifelte. Dann öffnete sie die Augen und ließ deren tiefes, rätselhaftes Dunkel über die ekstatisch rufenden Menschen schweifen. In plötzlicher Wallung hob sie die rechte Hand und erwiderte mit fürstlicher Gebärde den Gruß.

Das hatte vor ihr nie eine der edeln Frauen Roms getan. Stets noch waren alle Huldigungen der Plebs Blicken des Hochmutes, der Überheblichkeit und des verachtenden Stolzes begegnet. Und dieses schöne königliche Mädchen erwiderte wie in einer Gegenhuldigung, als grüße sie ihresgleichen?

Rasender Begeisterungstaumel erfaßte die Menschen. Alle schrien und tobten in der Dankesfreude verachteter Geschöpfe, die sich plötzlich erhoben und geehrt fühlen. Gegen die lebendige Mauer der Prätorianer flutete die erregte Welle der Beglückten an. Man suchte Valeria Messalinas Sella zu erreichen. Wenn möglich, wollte man den Tragsessel von den Schultern der Liburner heben, selbst tragen dieses junge Götterkind, das durch die zierlich grüßende Hand mehr Glück in das tiefste Elend der Armut gestreut hatte als je die geldsäenden Hände des Kaisers und seiner Großen.

Da rollte die Straße herauf der Donner brausenden Stimmengewirrs: »Der Kaiser naht!«

Die Soldaten, eben noch lachend sich wehrend gegen die der Valeria Messalina huldigende Menge, machten rasch Ernst. Mit pressenden Lanzenschäften, mit Fußtritten gegen die empfindlichen Schienbeine der Vornstehenden stauten sie die in Bewegung geratene Menschenflut zurück. Bis das Gewoge starr stand wie die ragenden Tempelsäulen des Platzes.

Dabei zwangen die wilden, scharf achtenden Blicke der Centurionen den abertausend Kehlen der Plebs den Kaisergruß: ave Imperator! ab. Wehe dem, der zu schweigen wagte und ob seines Schweigens entdeckt wurde oder gar verraten ward von den Umstehenden! Er wurde zu einem neuen Opfer des Todeskampfes in der Arena, falls der Herr Roms nicht in gnädiger Laune der Milde dem frevelnden Schweiger sogleich den Hals abschneiden zu lassen geruhte.

Ein Menschenleben, ob hoch, ob niedrig, galt schon früher nicht allzuviel in der Cäsarenstadt. Jetzt, im Zeitraume der Herrschaft des Gajus Cäsar Caligula, war es nicht mehr als ein fallendes Blatt im Winde.

Todesqual war Augenweide nicht nur für den Kaiser, nicht nur für des Kaisers Umgebung. Nein, auch für den, der im Augenblicke des Sichweidens am Sterben eines Menschen nicht sicher war, ob er nicht wenige Stunden später selbst wieder zur Ursache ward, daß andere seine Todesqualen als gräßlich belustigendes Schauspiel bejubelten. –

Angeber sind unter der Menge, irgendwo entsteht Bewegung. Zwei bärenstarke Männer haben einen Alten gepackt und verstehen es, den Ertappten durch das Menschengeknäul nach vorn zu bringen. Dort übergeben sie ihn den Prätorianern.

»Was verbrach er?« erkundigt sich der Gardist, dem Gefangenen die Faust als Fessel ins ergraute Haar krallend.

»Er schwieg, als alle jubelnd des Kaisers Namen riefen,« erklären die Spitzel.

Der Prätorianer nickt nur und will den Alten abführen. Man wird Caligula den Vorfall melden. Dieser Bericht bedeutet qualvollen Tod. Der Greis sucht sich mit seltsam gelallten Lauten zu verteidigen.

Da ruft eines Weibes Stimme grell in die einen Augenblick herrschende furchtbeklommene Stille: »Laßt den Armen! Wie könnte er, der von Kindesbeinen an stumm ist, den Kaiser grüßen?«

Der Prätorianer überlegt kurz, dann lacht er gallig auf. »Buhlst du mit dieser Jammergestalt, Weib, die deine widerwärtige Unzucht nicht ausplaudern kann?« Und er schleppt den in gurgelnden Tönen klagenden Mann von dannen.

Der Jammer des Weibes, der Enkelin des Stummen, erstickt in den aufs neue aufbrausenden Rufen: »Heil dir, Kaiser – wir grüßen dich!« Ihre Klage verstummt unter den Füßen der Menschen, die über die vor Leid besinnungslos Zusammenbrechende nach vorn drängen. Was gilt eines Weibes Dasein, wenn der mit aberwitzigem Prunk nahende Caligula schon sichtbar wird!

Der Prätor Proculejus Gillo eröffnete den vom Kapitol kommenden Auszug. Ehrgebietend in Haltung und Miene, nicht wenig stolz auf sein Scheinamt und dessen fragwürdige Wichtigkeit, fuhr der stattliche Mann daher auf einem reich geschmückten Wagen. Ein Dreigespann von Maultieren in roter, geschmeidestrotzender Lederschirrung zog das Gefährt. Die beiden Räder des Fuhrwerks blinkten mit ihren silbernen Speichen und schwergoldenen Naben in der Form von Löwenhäuptern. Als Augen der grimmigen Löwenfratzen funkelten leuchtende Topase, in deren Mitte als Pupille ein schwärzlichgrün glimmernder Stein gefügt war. Auf den Basaltplatten des Platzes scholl das schrille Gekling des aus purem Silber gefertigten Hufbeschlages der Maultiere.

Purpurn leuchtete die Tunika des Prätors. Zu Goldstickerei strebten Palmenzweige vom Saume des Gewandes zum Gürtel empor. Von den Schultern Gillos wallte die Toga wie eine Wolke, die überhaucht ist von dem Glanze kampagnischer Abendröte. Es war, als hätte des Jupiters Statue im Kapitol sich vom Elfenbeinsessel erhoben, an der Pompa circensis teilzunehmen.

Ein Farbenrausch von Gewändern, getragen von den vornehmsten Männern der kaiserlichen Umgebung, folgte dem Wagen des Prätors. Jeden dieser Höflinge geleitete ein Schwarm seiner Sklaven, deren stattlichste und schönste man für die Teilnahme an dem Aufzuge ausgewählt hatte.

Schon füllte sich das von den Kohorten umsäumte Viereck des Platzes mit einem Strom von Adeligen und Rittern, Freigelassenen und Sklaven. Über ihren Häuptern schwebten die Sänften und Kathedren der erlauchten Frauen und Mädchen.

Nun schritten ernst und gemessen die Soldaten der Leibwache des Kaisers daher. Die Sonne flimmerte auf unzählbaren Lanzenspitzen, glitzerte auf Brustharnischen, flirrte zurück von gleißenden Helmen, funkelte wider von den Metallbeschlägen des Rüstzeuges. Die Garden umgaben wie ein Gatter aus Gold, Silber und Eisen die von sechzehn riesenhaften Sklaven getragene Lektika Caligulas. Auf diesem Ruhebette ein Berg von Kissen, über die Kissen gebreitet aus amethystfarbener Seide eine Decke; ihre Ränder waren rings beschwert von Goldplättchen, deren jedes einzelne in steter Abwechslung von Rot, Weiß und Grün einen Rubin, einen Diamant und einen Smaragd in sich faßte. Fransen aus Fäden schieren Goldes säumten die sybaritische Pracht der Decke.

Der dicke Mensch mit dem wachsbleichen, schrecklich häßlichen Antlitz, der bald bäuchlings, bald auf den Ellbogen sich stützend, auf dieser Lektika ruhend sich einherschleppen ließ, dieser Mann war des römischen Weltreiches absoluter Herrscher: Gajus Cäsar Caligula.

Hervor unter einer breiten Stirn, die zu massig und zu plump war, um edel oder gar geistvoll zu sein, hervor unter finsteren Brauen lugten die grünlich schillernden Augen. Wachsame, suchend ausspähende Augen, die trotz der schläfrigen und scheinbar teilnahmlosen Miene des Cäsars scharf achteten, ob nicht irgendein Vorfall in der Menge ihm Gelegenheit böte, sofort die Wollust seiner Grausamkeit zu befriedigen. Denn Caligula langweilte sich auf dem Wege durch die mit Menschenleibern vollgepfropfte Straße und gierte nach einer Sensation des Blutes.

Pfui, der Hauch dieser schwitzenden Plebs! War nicht der Gestank der Menge, war nicht der wüste Lärm ihres tollen Geschreis »Heil dir, Kaiser!« schon eine tödliche Beleidigung der empfindlichen Person eines Cäsars? Böte diese Belästigung der Nase, des Gehörs und der Nerven des wieder einmal von Schlaflosigkeit zermürbten Herrschers der Welt nicht den willkommenen Anlaß zu einer allgemeinen Niedermetzelung? Freilich, er hatte dem Pöbel ein Zirkusfest versprochen und mußte den Dank seiner lieben, innig gehaßten Römer geduldig über sich ergehen lassen. O Last der höchsten Würde!

Wie das Haupt eines Albs hob sich der große, glatzige Kopf auf dem lächerlich dünnen Halse, drehte sich hierhin und dorthin, lauernd vertierten Blickes. Und Caligula, der es liebte, sein wildes Gesicht durch das Einüben schauerlicher Grimassen noch mehr zu verzerren, noch furchtbarer zu machen, richtete sich langsam auf. Zurück streifte er die Ärmel seiner Tunika und entblößte die affenartig schwarzbehaarten, dürren Arme, als bereite er sich vor zu einer blutigen Schlächtertat. Und nun hob er an, dem gaffenden Pöbel fürchterliche Gesichter zu schneiden, mit seinem Ohre lauschend, ob jemand lache.

Das durch die Grausamkeiten seines Herrn gelehrig gewordene Volk wußte, daß dem plumpen, häßlichen Menschen auf der Lektika dort oben nur darum zu tun war, durch seines Irrsinns Gebaren zum Majestätsverbrechen zu reizen. So schrien die Menschen um so brausender ihr »Heil dir, Cäsar – Roms Bürger grüßen dich, deine Weisheit und Güte!«

Die Sänfte Caligulas hatte die Gasse der Prätorianer erreicht und bog nun ein auf den Platz. Da befahl ein kurzes Wort Halt. Der Kaiser ließ sich nahe herantragen an die Doppelreihe der Garden. Die zur rechten Seite der Lektika schreitenden Sklaven, zwei ungeheuere Neger, wußten, was nun ihres Amtes sei. Der eine hielt eilig seinem Herrn eine geöffnete silberne Schatulle hinauf, der andere hob einen schweren, goldverzierten Mahagonikasten auf das afrikanische Wollhaupt. So traten sie dicht unter die zugreifenden Hände des Kaisers.

Caligula langte in die Silberschatulle und warf Münzen über die Köpfe der Prätorianer hinweg unter das Volk. Während sich nach jedem Wurf die Menschen, die kaum sich regen konnten, um die Geldstücke rauften, traten die Sänftenträger stets ein paar Schritte weiter vor. Ein neuer Münzensegen – ein neues Gebalge.

Der Kaiser sah nun aufrecht und sah dem Toben zu. Da rann ein Grinsen des Wahnsinns um seinen breiten Mund. Die grausam heimliche Vorfreude an dem Erfolg eines nun zu vollbringenden Tuns, eine neue Ausgeburt seines kranken Hirns.

Er griff diesmal in den Mahagonikasten, dem er einen glitzernden Gegenstand entnahm. In prüfenden Fingern hielt er einen nach vorn zu konisch verlaufenden Pfeil von etwa Daumengröße und Griffeldicke, dessen Spitze nadelgleich verlängert war. Am Hinterende zeigte dieses winzige, stählerne Wurfgeschoß vier aus dem Metall herausgearbeitete Flügelchen. Dieser Pfeil mußte infolge seiner Form senkrecht niederfallen, einerlei wie man ihn warf.

Das Volk sah zu Caligula hinauf, erwartungsvoll schweigend, bereit zu neuem Jubelgeschrei. Denn was sollte das blitzende Ding in des Kaisers Hand anders sein als ein Schmuckgegenstand? Der große Mahagonikasten barg sicherlich noch mehr des Schatzes, den der wilde, aber gebefreundliche Cäsar nun an die Menge vergeuden würde. Es galt aufzupassen, daß man seinen Teil erwischte. Ein einziges der gleißenden Stücke war gewiß mehr wert, als eine Handvoll Münzen aus der Silberschatulle.

Caligula ließ die Plebs harren, indem er mit der Linken gemächlich Stück für Stück aus dem Mahagonikasten entnahm, blinkende Reihen in die Spalten zwischen seinen Fingern fügend. Hin und her über die zu ihm heraufstarrenden Gesichter glitt der lauernde Blick. Keiner der Erwartungsvollen las in der Begier der Gewinnsucht die Tücke in des Spenders Augen.

»So wirf doch, Cäsar!« rief endlich kühn eine hübsche junge Frau in ihrer Schmucklüsternheit und machte dem Kaiser vielverheißende Augen.

Caligula musterte die durch die Rauferei um das Geld aus dem zerrissenen Gewande hervordrängenden weißen, prallen Brüste der Ruferin. Er nickte ihr zu. Langsam hob er den Arm und die, von der bereitgehaltenen Gabe funkelnde Hand. Plötzlich die Finger öffnend, warf er.

Aller Blicke starrten dem in der grellen Sonne silberig niederflirrenden Regen entgegen. Dann mischte sich in das Heilrufen der Hintenstehenden das Jammergeschrei der Menschen, in deren Augen, Gesichter, Köpfe, Schultern sich die nadelscharfen Wurfgeschosse bohrten.

Der Kaiser trieb seine Sänftenträger vorwärts. Gierig griff er in die Silberschatulle und streute Münzen aus. Und wenn die sich bückenden Rücken der um die Geldstücke Kämpfenden ein bequemes, unfehlbares Ziel boten, scharrte er wie ein Rasender in dem Mahagonikasten und verschleuderte händeweise die von seinem blutrünstigen Aberwitz ersonnenen Pfeile.

Da hielten die Sänftenträger des Kaisers just neben einer Sella. Es war der Tragsessel der Valeria Messalina.

Etwas im Blicke des jungen Mädchens hinderte den Tyrannen an der Fortsetzung seines scheußlichen Vergnügens. Doch da er wußte, wie wenig Gewalt er über sich hatte, sobald der Hang zur Grausamkeit ihm die letzte Regung der Menschlichkeit aus dem Marke fraß, scheuchte er durch Hiebe mit der Stachelpeitsche die beiden Bewahrer der Silberschatulle und des Mahagonikastens fort. Ein befehlendes Wort, und Caligula war dicht genug bei Valeria Messalina, um ihr die Huld einer Ansprache zu gewähren.

»Wie alt bist du, meine Tochter?« fragte er mit schleimiger Freundlichkeit, während seine Blicke frech in die Verborgenheiten des jugendlichen Mädchenleibes einzudringen suchten.

Valeria Messalina, innerlich erschauernd unter dem schamlosen Anstarren des häßlichen Menschen, lächelte verängstigt und erwiderte: »Zu jung, hoher Cäsar, um deiner erhabenen Beachtung würdig zu sein.«

»Meine Schwester Drusilla – doch nein, Panthea Drusilla, die Allgöttin – war weit jünger als du, da ich, selbst noch ein Knabe, in ihrem Schoße dem Eros opferte,« gab Caligula geil grinsend zurück.

»Wie kannst du mich, o Cäsar, mit deiner Göttin Schwester vergleichen!« entgegnete zaghaft Valeria Messalina und suchte den Faunsaugen des Kaisers zu entrinnen.

Geruhsam weidete er sich an der bebenden jungen Gestalt, deren lieblichster Schmuck nicht die Schönheit war, sondern der Zauber der Unschuld.

»Du bist noch unberührt?« forschte Caligula mit geheuchelter Sachlichkeit. Zu tiefster Empörung errötend, warf sie den Kopf in den Nacken.

»Wärest nicht du es, Cäsar, der mich so verletzend fragt, ich würde in schweigender Verachtung meinen Trägern befehlen, mich aus deiner Nähe zu entfernen,« erwiderte sie in der Kühnheit gekränkter jungfräulicher Würde. Doch als sie sein von diesem Todesmute betroffenes, fast törichtes Gesicht bemerkte, setzte sie mitleidig stolz hinzu: »Man hat mir erzählt, es gebe in Rom kein unberührtes Mädchen. Das gibt deiner Frage ihr Recht. Aber wisse, Cäsar, seit ich, Valeria Messalina, erwachsen bin, strafe ich diese Behauptung Lügen.«

Caligula kaute in nervöser Wut an der Unterlippe. Leise, schneidend, unheildrohend stieß er hervor:

»Du wirst heute zum Gastmahl im Palatin erscheinen. In koischem Gewande.«

Angstgeladene Stille herrschte ringsum. Die Eltern des tollkühnen Mädchens standen steif in sich zusammengesunken. Sie wußten, der Tod schwebte über ihrem Kinde und ihrem eigenen Haupte.

Doch ahnungslos oder die Gefahr verachtend, rief Messalina erregt:

»In koischem Kleide? Im durchsichtigen Gewand der leichtfertigen Weiber? Niemals, Cäsar!«

Alles duckte die Köpfe. Jetzt mußte der zerschmetternde Blitz niederzucken auf das verwegene Geschöpf und seine Sippe.

Aber zu allgemeinem Staunen sprach Caligula gelassen:

»Wenn du nicht willst, daß ich dich auf der Stelle entkleiden lasse, so widerrufe deine Weigerung augenblicklich!«

Statt einer Antwort befahl Valeria Messalina mit fester, heller Stimme ihren Sellaträgern, den Ort zu verlassen.

Doch hier mischte sich der Vater Valerius Messala Barbatus endlich in die gefahrenstrotzende Debatte.

»Sie wird erscheinen, wie du es befiehlst, o Cäsar. Verzeih einem törichten, unmündigen Kinde!«

Er beugte flehend das Knie.

Der letzte Blutstropfen war aus dem Gesichte des Kaisers gewichen. Mühsam beherrschte er seine zuckenden Züge. Er hatte anderes mit diesem Mädchen vor als ihren blutigen Tod im Zirkus. Zunächst! Daher winkte er nachlässig gewährend Valerius Messala zu, warf sich auf den Rücken und gab sich wollüstigen Vorstellungen hin.

Die Pompa circensis setzte sich langsam wieder in Bewegung, dem Zirkus entgegen.

2

Inhaltsverzeichnis

Wagenrennen und kleinere Zirkusspiele waren beendet. Bis dahin hatte sich auf dem Sande der Arena nichts ereignet, was die verwöhnte Schaulust der Römer noch nicht gesehen hätte. Durch die Reihen der Sitze, die dem einfachen Volke dienten, lief ein vorsichtig leises Murren.

»Bietet Caligula uns nach diesen großen Verheißungen nicht mehr, als was er bis zur Stunde bot, so wollen wir lieber im Schatten des Sonnensegels ein Schläfchen halten,« sagte der Gerber Fufidius. Er sprach laut genug, auch von anderen verstanden zu werden.

»Schweig’ doch, Unseliger,« warnte ihn sein Freund Verres und versetzte dem gelangweilt Gähnenden einen heftigen Rippenstoß. »Willst du für deine unvorsichtigen Redensarten zu einem neuen blutigen Spiele auf dem Sande da unten dienen?«

»Ich bin ein fröhlicher Mensch und tauge nicht zu solch traurigen Possen,« lehnte Fufidius lustig die Warnung ab. »Sieh doch hinüber nach dem Podium, Freund Verres. Sitzt nicht der Cäsar unter dem Baldachin seiner Tribüne, als langweile er sich noch viel mehr als wir?«

»Vielleicht sinnt er auf neue Teufeleien,« raunte Verres nach einem Blick auf den in den Zirkus vorspringenden Raum. Das Podium mit der kaiserlichen Tribüne lag erhöht und war mit einer Brustwehr umgeben, zum Schutz gegen allzu grimmige Sprünge der gereizten Raubkatzen – der Löwen und Tiger.

»Nun, wenn seine Teufeleien spannende Spiele bringen und anderen gelten, sollen sie willkommen sein,« versetzte der vorlaute Gerber. »Aber sieh doch, Verres, was dort drüben geschieht! Wahrhaftig, das sieht nach etwas Neuem aus. Also harren wir in Geduld!«

Er reckte und dehnte sich. Dann kramte er einen Beutel hervor, den er bisher zu Füßen seines Sitzplatzes aufbewahrt hatte. Große, gelbe Zitronen holte er aus dem Sacke. Zwei Früchte zerteilte er mit einem Scherben und gab die eine dem Gefährten. Laut schmatzend sog er den ätzenden, bittersauern, aber köstlich erfrischenden Saft.

Verres nahm dankbar die durstlöschende Frucht. Sich dieser Labung armer Zirkusbesucher genießerisch hingebend, beobachtete er, wie in der Arena, der kaiserlichen Tribüne gegenüber, Zimmerleute ein wunderliches Gerüst aufbauten.

Sie schleppten auch Rollen, Seile und schwere Steine herbei. Diese Steine sollten offenbar als Gegengewichte dienen für eine bewegliche Plattform. Denn kaum waren die vorbereiteten Holzteile des Gerüstes von einigen Hundert eiligen Händen zum Bau gefügt, als die Zimmerer Versuche anstellten mit einem auf-und niederschwebenden Mittelstück der Maschine.

»Das sieht vielversprechend aus,« urteilte Fufidius mit kritischer Vorfreude. Er schabte behaglich mit den Zähnen das Fruchtfleisch seiner Zitrone aus, wobei er rücksichtslos die Kerne auf die Köpfe der tiefer Sitzenden spuckte. »Und dort,« – der schwatzhafte Gerber zeigte mit der Schale hinaus in die Arena – »dort scheint noch etwas ganz Besonderes zu kommen. Aber was bedeutet das? Will man einem der Fechter oder einem Wagenlenker ein Denkmal setzen?«

Wirklich schleppten etwa hundert Zirkushandwerker eine ungeheure Säule herbei. Zwar sah man, daß sie nur ein hohler Zylinder aus Holz war. Doch hatte man durch Bemalung der Außenseite den Eindruck erweckt, der wohl dreißig Manneshöhen lange Säulenschaft sei aus ligurischem Marmor gemeißelt. Das Kapitäl war reich vergoldet. Das Postament in der Höhe bot kaum zum Stehen für einen Menschen oder eine lebensgroße Statue Platz.

Schnell war die gigantische Säule aufgerichtet. Nur wenige Minuten nachdem die Handwerker das riesige Gebäu herbeigeschafft hatten, ragte in der gleißenden Sonne der schwindelnd hohe Pfeiler in die Luft. Dann grenzte man den Platz noch durch hohe Barrieren ein. Sie reichten bis zu den Raubtierkäfigen, doch so, daß die Maschinerie und die Säule außerhalb der Einhegung blieben. Ohne Gefährdung durch die Bestien konnten die Zirkusarbeiter an die beiden Bauwerke herangelangen.

Neugierig und erwartungsvoll verfolgte das Publikum diese unverständlichen Vorbereitungen.

»Nennt man auch das Zirkusspiele?« spottete der Gerber. »Na – rasch genug ist es ja gegangen, so daß man wenigstens den Fleiß und die Geschicklichkeit der Leute bewundern konnte.«

»Mit dem Denkmal scheinst du recht zu behalten,« bemerkte Verres. »Sieh, auf der Säule ist ein Galgen mit einer Rolle, deren doppelter Strick bis zum Boden reicht. Daran soll vermutlich die Statue aufgezogen werden.«

»Nun schweigt endlich mal mit euerm Geplapper, ihr blöden Schwätzer!« gebot ärgerlich einer der Umsitzenden. »Ist mit den Vorbereitungen dort eine Überraschung für uns geplant, so greift dem Kaiser nicht vor durch euer törichtes Orakeln. Verderbt Klügeren, als ihr seid, nicht die Freude.«

Der frohsinnige, plauderlustige Gerber warf einen Blick der Geringschätzung auf den mürrischen Patron.

»Ich würde auch dir eine Zitrone zur Erfrischung anbieten, Nachbar,« neckte er den Mann, »wäre dein Gesicht nicht ohnehin schon sauer genug.«

Die Zuhörer rings brachen in ein Gelächter aus. Fufidius frohlockte, die Lacher auf seiner Seite zu haben. Jetzt sog er mit demonstrativem Wohlbehagen die andere Hälfte der Zitrone aus. Dabei tat er, als käme sein greuliches Mienenspiel von der Säure des Saftes. In Wahrheit schnitt er dem Übellaunigen spottende Grimassen.

»Vielleicht bereust du es noch, mich gekränkt zu haben,« knurrte finster der Mann, indem er sich jäh erhob und rasch entfernte.

Sofort rückten alle ringsum von Fufidius und Verres ab. Ein tiefes Schweigen trat plötzlich ein. Man wollte mit den beiden nichts mehr zu schaffen haben. Ihre Nähe war mit einem Male vergiftet. Des Imperators Spione lauerten überall, nicht nur bei den Vornehmen und Reichen, die Caligula oft eines Verbrechens anklagen ließ, nur um sie zu töten und ihr Vermögen einziehen zu können. –

Der Prätor Proculejus Gillo erschien an den Stufen der kaiserlichen Tribüne und meldete dem Cäsar: die Aufstellung der von ihm befohlenen Maschinerie sei vollendet.

Caligula dankte durch eine lässige Handbewegung und verbarg ein Gähnen. Als der Prätor sich entfernen wollte, rief der Kaiser ihn zurück.

»Erweise mir den Gefallen –« hob der Cäsar an.

Gillo ward totenbleich bei dieser ungewöhnlich höflichen Anrede des Gefürchteten. Caligula bemerkte es und lächelte. Doch auch das Lächeln dieses Gorgonenantlitzes war eine Bedrohung.

»Erschrick nicht, mein Freund,« sprach er weiter. »Es handelt sich wirklich um eine Gefälligkeit, die du mir erweisen sollst. – Begib dich zu Messala Barbatus und sage dem Manne, ich ließe seine Tochter Valeria Messalina einladen, während des weiteren Verlaufes der Spiele an meiner Seite zu sitzen.«

Der Prätor verbeugte sich stumm und eilte, seinen Auftrag auszuführen. Doch bald kam er ohne das junge Mädchen zurück. Mit vor Furcht kalkweißem Gesicht und kaum seiner Stimme mächtig, berichtete er: »Herr, des Messala Tochter läßt dir für die hohe Auszeichnung danken –«

»Aber sie kommt nicht?« fiel ihm der Kaiser grimmig ins Wort.

»Sie fürchtet die Götter zu beleidigen, wenn allzuviel Glück sich an einem Tage auf sie niedersenkt. Denn dieser Tag hat ihr schon durch deinen eigenen Mund die Einladung zu deinem Gastmahle beschert.«

Caligula blickte sekundenlang mit unbeweglichen Augen vor sich hin. Dem Prätor schienen es Stunden.

Dann zog der Kaiser einen schweren Ring vom Zeigefinger. Ein schöner Sardonix zierte den Reif. Er reichte dem Prätor das Geschmeide.

»Du warst wirklich in Todesgefahr, Proculejus Gillo. Die kluge Ausrede der Kleinen hat dir das Leben gerettet. Nimm für die ausgestandene Angst den prächtigen Stein hin. Möge er dir das unverdiente Glück bringen, auch fernerhin dich meiner Gunst zu erfreuen.«

Dann lehnte er sich wohlgefällig im Sessel zurück, klatschte in die Hände und rief: »Los, los! Wer soll zuerst unsere neue Maschine erproben?«

»Es ist der Mann, der auf der Straße aufgegriffen wurde, als er dich beleidigte, Herr,« gab Gillo dienstbeflissen und furchterlöst Auskunft.

»Ah, ich entsinne mich! Beginnt!« Ein verschmitztes Lächeln war um seinen Mund. »Laß uns nicht warten, Prätor,« befahl er. »Und ihr, Freunde, gebet acht, was euer Kaiser ersinnt, euch eine heitere Unterhaltung zu bieten.«

»Heil dir, Cäsar!« riefen die Schmeichler.

Der gewaltige Zirkus nahm augenblicklich diesen Ruf auf. Fünfzigtausend Kehlen schrien den Segenswunsch für den blutrünstigen Herrscher Roms zum Himmel.

Auf der mit Statuen geschmückten Spina, einer die Arena in zwei Teile scheidenden Aufmauerung, erschienen nun Herolde und verkündeten dem Volke die Fortsetzung der Spiele. Das Rasseln der Ketten, mit denen die Gittertüren vor den Raubtierkäfigen aufgezogen wurden, vermischte sich mit dem Gebrüll der Bestien. Mit langen Stachelstöcken scheuchten die Wärter Löwen, Tiger, Panther und Leoparden auf. Die Tiere waren ausgehungert, ihre Wut und ihren Blutdurst zu erhöhen.

Aus der Dunkelheit ihrer Gefängnisse glitten in schmiegsamem, weichem Schleichen die majestätischen Katzen hervor in das grelle Tageslicht. Bald füllte sich der Raum zwischen den Einhegungen vor dem Pegma und der Säule mit den reißenden Großtieren Afrikas und Indiens. Rollend erscholl das Gebrüll zweier Löwen, die, sobald sie einander erblickten, zu einem Kampfe losbrachen. Das Geheul der durch Hunger und Helle aufs äußerste erzürnten anderen Tiere begleitete den Zweikampf der beiden Feinde.

»Hispo! – Hispo!« hetzte jubelnd die Menge den riesigen Berberlöwen.

Hispo war ein Liebling der Zirkusbesucher, ein alter Wüstling der Arena. Er hatte sich über seine Mitgefangenen eine Art Herrschergewalt angemaßt, die er immer wieder siegreich verteidigte. Auch diesmal wurde er seines Widersachers Herr.

Ein Tierwärter war auf die Maschinerie geklettert. Von dort aus warf er kleine Fleischstücke unter die Bestien. Die Aufmerksamkeit der Tiere sollte auf den Ort gelenkt werden, von dem her sie die Befriedigung ihres Hungers zu erwarten hatten.

Rasch sammelte sich der schnaufende, knurrende Haufen vor dem Pegma und der Säule und balgte sich mit kurz aufbrüllendem Fauchen um die Brocken. Aufgeregt wartend, sprangen die Großkatzen gegen die Umhegung, bleckten Zunge und Rachen zu der Maschinerie empor, nachdem der Wärter die kärgliche, nur anreizende Fütterung eingestellt hatte.

Jetzt schleppten Männer den Alten herbei, der sich vergeblich gegen die ihm angetane Gewalt zu wehren suchte. Man zwang ihn auf die bis zum Boden herabgezogene Plattform der Maschinerie. Immer wieder sprang er herunter und warf sich lallend vor Todesangst seinen Henkern zu Füßen. Sie stießen ihn wieder auf die Bretter, bis er sich in sein Schicksal ergab, in die Knie brach und erstickt lallend sein Antlitz verhüllte.

Die Tiere witterten ihr Opfer. Sie wußten, durch Erfahrung belehrt, Menschen in der Arena bedeuteten baldige Stillung des nagenden Hungers. So standen sie, mit glühenden Augen und gähnend knurrend, die Szene bei dem Pegma belauernd.

Auf den Sitzen des Volkes murmelte Fufidius: »Ewige Götter, das ist doch der Stumme Volusius. Was tat der arme Mensch, daß man ihn verurteilte?«

Verres flüsterte zurück: »Er hat den Kaiser beleidigt, indem er ihm den Heilruf versagte. Ich war in der Menge, als man den Alten gefangennahm.«

»Ein Stummer – den Heilruf!« –

»Schweig!« zischte Verres. Er sah besorgt um sich. Dieser Fufidius war zu unvorsichtig! Ob nur keiner seine Kritik des kaiserlichen Urteils gehört hatte!

Er konnte beruhigt sein. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer galt allein den Vorgängen bei der Maschinerie. Jetzt brach schmetternder Jubel los. Ein Handgriff des Werkmeisters hatte den Hebel gelöst – das ungeheure Gegengewicht der Steine riß die Plattform blitzschnell nach oben – ein Menschenkörper, der stumme Volusius, schnellte hoch empor, sauste gegen das knatternde Sonnensegel, prallte daran zurück, wirbelte durch die Luft und schlug inmitten der Raubtiere in den Sand der Arena. Die Bestien hatten den Flug der ihnen zugedachten Beute mit lauernden Blicken verfolgt. Als man sie endlich in ihre Gefängnisse zurückscheuchte, wurde ein armseliger Rest zermalmter blutiger Knochen auf den Kehricht des Zirkus geworfen. Alles, was von dem schuldlosen Volusius übriggeblieben war.

Während die Menge aus den Volkssitzen das Geschehene als etwas wirklich Neues eifrig lobend besprach, hatte der Gerber Fufidius die Ellbogen auf die Knie gestützt und drückte seine von der Lohe gebräunten Hände vors Gesicht. Er verbarg die Tränen des Mitleids, die ihm der schauerliche Tod des Stummen in die Augen trieb.

Auch auf der Tribüne Caligulas wagte es einer, sich des Schuldlosen anzunehmen. Der Kaiser hatte soeben das Lobgehudel seiner Kreaturen entgegengenommen.

»Nun, mein Abalanda, mein großartiger Einfall scheint nicht sehr tiefen Eindruck auf dich gemacht zu haben?« wandte der Cäsar sich an einen Fremden.

Es war ein Mann, der unfern stand und mit ernst zusammengezogenen Brauen in die Arena niederblickte, deren Sand geglättet und von den Blutspuren gereinigt wurde.

Ein hochgewachsener Recke von etwa dreißig Jahren, der Sohn eines angesehenen römertreuen Germanenfürsten. Obwohl Abalanda kein Römer war, hatte Caligula ihm die Gnade gewährt, sich in die Toga, das Ehrenkleid des römischen Bürgers, zu kleiden, die jedem anderen Fremden verwehrt war. Der Purpursaum am Staatskleide war ebenfalls eine Auszeichnung des jungen Germanen.

Doch trotz des Nationalgewandes erkannte man in Abalanda sofort den Nordländer an seinem hohen, stattlichen Wuchse und dem rötlich blonden Vollbarte. Die blonden Haare allerdings trug er, entgegen der Sitte seiner Heimat, verschnitten, da in Rom nur Stutzer oder Lustknaben sich das Haupthaar lang wachsen ließen.

Caligula fingerte ungeduldig an einer Kette, die aus seine Brust herabhing. Dieses Geschmeide bestand aus fingergliedlangen bläulichen Edelsteinen von glattem Schliffe, deren Enden in Goldkapseln gefaßt und durch seine goldene Kettchen miteinander verbunden waren. Leise klirrte der weibische Schmuck.

»Möchtest du dich herablassen, mir zu antworten, mein Freund?« knurrte endlich Caligula, heimlich drohende Blicke unter den gesenkten Lidern verbergend.

»Dein Einfall hat sogar sehr tiefen Eindruck auf mich gemacht, hoher Herr,« nahm Abalanda das Wort.

»Du sagst das mit seltsamer Betonung. Der Eindruck scheint nicht allzu günstig gewesen zu sein.«

»Nein, Herr.«

Der Imperator wollte auffahren, beherrschte sich jedoch. Nur das Beben des Kinnes verriet seine Erregung. Doch seine Stimme klang klar und ruhig, eisig.

»Du sprichst nicht nur sehr rein und ausdrucksvoll unsre Sprache, Abalanda,« warf er hin. »Du sprichst in dieser Sprache auch mit kühner Aufrichtigkeit.«

»Ich bin dein Gast, Cäsar, und soweit mir bekannt, ist auch in deinem Rom der Gast heilig wie in meiner Heimat. Mein Vater sandte mich, deiner Einladung folgend, zu dir, damit ich eure Sitten kennenlerne und das Gute an ihnen in unsere armen, unwirtlichen Gaue heimbrächte.«

»Die Gründe deiner Sendung kenne ich hinlänglich, mein nordischer Prinz,« höhnte der Imperator. »Warum führst du sie mir so weitläufig auf?«

»Um dir zu erläutern, o Cäsar, weshalb ich mich – wie du es nennst – einer kühnen Aufrichtigkeit befleißige,« versetzte Abalanda unerschrocken. »Oder ist dem, den du einlädst, eure Sitten zu studieren, verboten, sich ein Urteil über eure Bräuche zu bilden? Ist dem verwehrt, auf deine Frage ohne Scheu zu sagen, was er denkt?«

»Keineswegs. Also heraus mit der Sprache! – Was mißfällt dir an meinem Einfall?«

Abalanda sah den Imperator fest an. Caligula liebte es nicht, scharf betrachtet zu werden, weil er sich seiner frühen Glatze schämte. Er fürchtete den Spott über seinen kahlen Kopf und sah in eingehend musternden Blicken oft eine todeswürdige Beleidigung.

Ungeduldig rief er dem nordischen Fürstensohne daher zu: »Wende dich ab, wenn du mit mir sprichst!«

»Die Jugend in meiner Heimat ist dahin erzogen, offenen Blickes gerade mit jenen zu sprechen, denen am meisten Achtung und Ehrerbietung gebührt,« widersprach Abalanda, mit seinen klaren blauen Augen dem feigen Basiliskenblick des Kaisers begegnend. »Und was ich nun an deinem Einfall auszusetzen habe, o Cäsar: du erwähntest bei Beginn des Schaustückes selbst, wir würden den sehr listig ersonnenen Tod eines Menschen zu schauen bekommen, eines Menschen, den du zu diesem Tode verurteiltest, weil er dir den Gruß versagte. Nun erzählt man aber im Zirkus, dieser arme Alte sei stumm und in seiner Stummheit gar nicht fähig gewesen, dir den gebotenen Gruß zu bieten. Nennt ihr Römer das Gerechtigkeit der Strafe?«

Haßerfüllt betrachtete Caligula lange den unverletzlichen, mutigen Widersacher. Endlich sagte er: »Bist du fertig?«

Erregt über den grausamen Tod des Alten, fuhr Abalanda fort:

»Der Arme büßte nicht seine Schuld, sondern ein Verschulden der Natur, die ihm Stimme und Sprache vorenthielt.« Er sprach in scharfem Tone.

»Ich sehe keine Ungerechtigkeit,« lächelte Caligula boshaft, »und sehe keinen Grund zu der Empörung, die in dir brennt und aus dir lodert. Wenn der Mann stumm war – es mag sein – warum auch nicht? – so habe ich in diesem Menschen nicht meinen Beleidiger bestraft, sondern ich bestrafte in ihm die Natur selbst, die durch diesen Menschen die Gottheit Caligula zu beleidigen wagte.«

Abalanda war des Gespräches müde. Es hatte keinen Sinn, mit diesem Wahnsinnigen zu rechten. Er grüßte den Imperator mit edelm Anstande und bat um Urlaub.

»Ich darf meinen Gastfreund Valerius Messala nicht vernachlässigen,« entschuldigte er sich.

»Ein Mann, der wie du auf seine Ehrlichkeit pocht, sollte nicht so dreist lügen,« höhnte Caligula. »Nicht Valerius Messala lockt dich von mir, sondern seine schöne Tochter.«

Und als dem Germanen unter diesen Worten das Blut heiß in die Stirn wallte – vor Zorn und weil der Kaiser roh vor allen das tiefste Geheimnis seines Herzens besudelt hatte – lachte Caligula rachefreudig aus, zeigte auf den Prinzen mit dem langen, dünnen Zeigefinger und rief:

»Seht – seht – wie er errötet – der Heuchler! Aber ich warne dich, junger Freund. Die Aënobarbi haben nicht nur Eisenbärte und Eisenköpfe, sie haben auch Herzen von Erz. Etwas davon wird auch den Weibern dieses Geschlechtes anhangen.«

Dann aber, als der Nordländer sich schroff entfernt hatte, sprang die bis aufs letzte und äußerste beherrschte Wut des Imperators hervor – wie vorher die zu Henkern des stummen Volusius erkorenen Raubtiere aus ihren Käfigen gebrochen waren. In den Mundwinkeln Caligulas stand weißer Speichelschaum. Die grünlichen Augen mit den nadelspitzen Pupillen hasteten gierig durch die kaiserliche Umgebung hin. War da auf keinem Gesichte zu lesen, daß einer dem Kaiser die frechen Beleidigungen aus dem Munde des Barbaren gönnte?

Plötzlich schnellte Caligula von seinem Elfenbeinsessel empor. Dicht trat er vor einen Edeln hin. Sein Blick schillerte. Seine behaarten Hände zerrten an der klirrenden Geschmeidekette, in deren Edelsteinen die Sonne in fluoreszierenden Funken flirrte, als sprühe des Kaisers Wut sichtbar von seiner Gestalt.

»Ich hoffe, die Spiele gefallen dir besser als diesem Bärenhäuter, Menalippus?« zischte er den vornehmen, noch jungen Mann an. »Oder täusche ich mich, wenn ich meine, in deiner Miene strahle nicht übermäßiges Vergnügen?!«

Menalippus hätte nicht Römer sein, den Caligula nicht kennen und nicht Zeuge sein müssen der Unterredung mit Abalanda, um nicht sofort zu begreifen, um was es ging. Der ergrimmte Imperator suchte nach einem Opfer, an dem er seinen heißen Zorn kühlen konnte. Wie aller reichen Römer in der Umgebung des Kaisers spielte auch des Menalippus Dasein sich ab in einem Hinundherpendeln zwischen atemloser Jagd nach Lebensgenuß und dem Vorbereitetsein auf den plötzlichen Tod als Folge einer Laune des despotisch zürnenden oder vermögensgierigen Herrschers.

Menalippus wußte, seine Stunde hatte geschlagen, als Caligula ihn gerade jetzt anredete. Er war entschlossen, seinen Tod zu rächen, das Scheusal wenigstens in diesem letzten Augenblicke bis ins tiefste innere zu treffen.

»Du hast dich nicht getäuscht, Herr, wenn du Unfreude in meinen Mienen sahst,« sagte er nach einem starkem Atemzuge und verbarg weder seinen Ekel noch seine haßerfüllte Verachtung.

Caligula prallte förmlich zurück vor dieser Kühnheit.

»Willst du dem nordischen Sklaven nachahmen, diesem verlogenen Heuchler, dem ich in einer Anwandlung von Gnade die römische Toga zu tragen erlaubte?« stieß er hervor.

»Es ist keine Ehre mehr, unter deiner Regierung sich durch das Gewand des Römers zu kennzeichnen,« höhnte Menalippus. »Dieser Fürstensohn sprach wie ein Mann. Es ist besser, einem Manne nachzuahmen, als einem wahnwitzigen Schurken, der längst vergessen oder nie gewußt hat, was ein Mann ist. Und was die Gnade anlangt, die du dir zuschreibst: Gnade ist der Adel des Menschentums. Du aber stehst so tief, daß du kaum ahnen kannst, was Mensch und Menschenwürde ist.«

Dieser Mut hätte dem Frevler fast das Leben gerettet. Denn der Beherrscher der Welt war im Grunde seiner Seele ein jammervoller Feigling. Er wich weit zurück, in der Furcht, von Menalippus augenblicklich mit einem verborgen gehaltenen Dolche durchbohrt zu werden. Die Blässe seines Gesichtes hatte sich in ein fahles Grün verwandelt. Er zitterte mehr vor Angst als vor Empörung und war schon bereit zu einem Abbruch des Gespräches. Das Weitere würde sich später in aller Stille und Sicherheit finden.

Doch da fuhr Menalippus zu seinem Unheile fort:

»Du willst ein Gott sein! Du! Ein Narr bist du! Ein lächerlicher, aufgeblasener Narr, über den alle lachen, sobald er den Rücken wendet. Ich aber lache dir in dein fratzenhaftes, widerliches Tölpelgesicht. Denn lachte man nicht über dich, hätte man in deiner Umgebung das Lachen verlernt.«

Während des erzwungenen, aber schallenden Gelächters des dem Tode Geweihten gelang es dem Imperator, sich zu fassen. Er nahm beruhigt seinen Thronsessel wieder ein. Dieser Tor war ungefährlich – er dachte nicht an Meuchelmord.

»Mein Menalippus, du hörtest gewiß von dem Athener Dädalus?« begann Caligula ruhig mit erheuchelter Freundlichkeit.

»Er lebte in einer glücklicheren Zeit als der unsrigen,« antwortete Menalippus, dessen Züge nun erschlafften. Er hatte seinen Haß in Worten von der Seele geschleudert. Jetzt war er leer und fertig.

»Sprich endlich dein Urteil, Mörder!« rief er barsch. »Nur die Feigheit eines zahnlosen Katers ergötzt sich am erbärmlichen Katz-und Mausspiele.«

Caligula ließ sich nicht mehr beirren.

»Des Dädalus Sohn Ikarus flog der Sonne zu nah, die das Wachs seines künstlichen Gefieders schmolz,« fuhr er lehrhaft fort. »Nun wohl, mein Menalippus, auch du warst allzu kühn und kamst in deiner Verwegenheit der Sonne Caligula zu nahe. Wir wollen sehen, ob der Flug dir trotzdem besser glückt als dem Sohne des Dädalus. Begib dich in die Arena. Dort wird man dir Flügel verleihen. Man ist auf meine Wünsche vorbereitet. Fraglich war nur, wem dieser mythologische Flug vergönnt sein würde. Du hast dich wacker um diese Gunst beworben.«

Menalippus verabschiedete sich schweigend von seinen schweigenden Freunden. Dann trat er dicht an den Elfenbeinstuhl des Kaisers.

»Ein Verdammter mehr grüßt dich, Cäsar,« sprach er so laut, daß alle auf dem Podium ihn vernehmen konnten. »Der Gruß der Verdammten aber, die dir vor ihrem Tode fluchten – wird dir Verdammnis bringen. Vale!«

Menalippus verhüllte sein Haupt mit der Toga, denn er war ein Sterbender. So verließ er die Tribüne. Caligula lachte auf. Daß die kommende Vergeltung zum erstenmal offen ihr Haupt erhob, bemerkte Caligula nicht.

Unfern saßen die Tribunen Cornelius Sabinus und Cassius Chärea auf ihren gepolsterten Sitzen. Der alte Cassius flüsterte seinem Verbündeten Cornelius zu: »Die Stunde der Bestie ist abermals nähergerückt.«

»Schweig!« murmelte Cornelius mit kaum bewegten Lippen zurück.

Bald darauf sah das Volk, wie man einen geflügelten Menschen zu der schwindelnd hohen Säule führte. An dem Seile zogen die Knechte den Menalippus so hastig empor, daß es aussah, als flöge er gen Himmel. Toller Jubel der Menge durchbrauste den Zirkus. Man applaudierte dem Cäsar für diesen hübschen Einfall.

Ein Sonnenstreif umspielte das goldgleißende Kapitäl der Säule, auf dem der Verurteilte nun aufrecht stand. Er schloß die Augen, nicht schwindlig zu werden, und lehnte sich an den Galgen, der die Rolle trug.

Das Volk hatte den Zweck der gewaltigen, aus den Schwungfedern von Gänsen gefertigten Schwingen begriffen. Lachend, lärmend, mit schlechten Witzen und Anspornungen forderten die Schreier den Mann auf zum Sprung in die Tiefe. Und da Menalippus zögerte, wirbelten schmutzigste Schimpfreden zu ihm hinauf.

In einem langen Blicke trank der Unselige noch einmal den Sonnenzauber dieses Tages in sich hinein, die Farbenfreude des menschenwimmelnden Zirkus, alle Buntheit des Lebens, die ihn zum letztenmal grüßte vor der grauen Ode des Todes. Und Menalippus grüßte zurück. Dann aber – vielleicht in einer heimlichen Hoffnung, daß die Schwingen ihn doch tragen könnten – breitete er die mit den gewaltigen und gewaltig schweren Fittichen beschnallten Arme. Kopfüber sprang er von der Säule. Das Gewicht der Flügel riß ihn abwärts. An hörbarem, dumpfem Aufprall schmetterte der Körper zu Boden und brach das Genick.

Die weißen Federn färbten sich blutig. Sofort liefen zwei Knechte herbei; sie schlugen dem Leichnam einen Eisenhaken unter dem Kinn in den Kopf und schleiften den Toten hinaus. Andere Knechte gingen hinterdrein, die Blutspur mit frischem Sande zu verdecken und die triefende, breite Furche zu glätten.

Aber schon drang von einer andern Stelle der Arena her jauchzendes Geschrei von Weiberstimmen. Ein neues, fröhlicheres Schaustück hob an. Der kaiserlichen Tribüne gegenüber sammelte sich ein Gewimmel vollkommen nackter Frauen und Mädchen. Mit schamlosen Gebärden belustigten sie die Menschenmenge, während die Ordner des Spieles sich mühten, einzelne Gruppen abzuteilen.

Es sollte ein Wettrennen werden, dem dann ein Rennen zwischen den Siegerinnen der Einzelgruppen folgte. Fünfzig gänzlich entblößte, in der Sonne marmorn weiß leuchtende Leiber schoben sich durcheinander. Helles Kreischen und unzüchtige Redensarten schollen bis zu den Sitzplätzen hinauf. Kaum gelang es den Ordnern, sich der Zudringlichkeiten dieser entfesselten Mänaden zu erwehren und sie in bestimmte Gruppen zu bringen. Jede von ihnen wollte bevorzugt sein.

»Habe ich mir darum mit Harzpflastern und glühenden Nußschalen alle Haare vom Körper entfernen lassen, daß du mich nun so zurückstellst?« schrie eine in ganz Rom als ungeheuerlich ausschweifend bekannte Frau mit Namen Catulla den Ordner an. Dabei hob sie die Arme und zeigte ihre entblößten Achselhöhlen.

Cervia aber, eine sehr begehrte Hetäre, hing sich dem Ordner an den Hals und suchte ihn mit heißen Versprechungen zu gewinnen, auf daß er sie in die erste Gruppe nähme.

»Ich werde Siegerin sein in dieser Gruppe, und dann bleibt mir Zeit zum Ausruhen, damit ich auch im Endkampf der Siegerinnen siege,« flüsterte sie dem Manne zu. »Sei klug, Varillus! Dann sollst du mich einen Monat lang täglich besuchen dürfen und auch nicht die kleinste Münze, noch nicht ein As bezahlen für alle Freuden, die ich dir bereite.«

Ein hochgewachsenes, schönes Mädchen namens Polita löste sich aus dem Trubel. Sie trat näher an das Podium heran, zeigte ihren herrlichen Körper von allen Seiten und gab sich durch obszöne Stellungen allen Augen preis. Endlich die Hände unter die schneeigen Brüste legend, stand sie still und schrie zu Caligula hinauf:

»Achte auf mich besonders, Herr! Siehe diese Kugeln aus Marmor. Du wirst deine Freude haben, wie sie gleich weißen Lämmern vor mir herhüpfen, wenn ich renne.«

Der Kaiser lachte Tränen über diesen ihn köstlich dünkenden Witz. Zur Belohnung streifte er einen der Ringe ab, mit denen seine Finger über und über bedeckt waren. Er warf die Kostbarkeit der Polita zu. Doch das Mädchen verfehlte im Fange den funkelnden Ring. So verschwand er im Sande.

Einige der Gefährtinnen hatten den Vorgang verfolgt. Nun sprangen sie herbei, sich der kaiserlichen Gabe zum Nachteil der Polita zu bemächtigen. Kaum gewahrten die übrigen Rennerinnen, um was es sich handle, als auch sie die Ordner beiseitestießen und sich am Kampf um den Ring beteiligten.

So balgte sich unter schrillem Jauchzen und Lachen ein Gewirbel von nackten Weibern vor dem Podium, rollte in toller Lebensfreude auf dem Sande und stellte alle Geheimnisse entkleideter Glieder zur Schau.

Caligula vergaß den voraufgegangenen Ärger. Er selbst gab das Zeichen zu einem Beifall, wie er an diesem Tage im Zirkus noch nicht gehört worden war. Der Kaiser strahlte. Die Zufallsszene da unten in der Arena bedeutete einen großen Moment, die Krönung der Zirkusvorstellung. Die Stimmung des Volkes loderte auf gleich einem Freudenfeuer. Die Gunst der Massen war wieder einmal gewonnen.

Abalanda sah mit verfinstertem Gesicht auf diese Orgie der Leiber. Zwischen den Eltern hatte Valeria Messalina ihren Platz. Zu seinem Staunen gewahrte Abalanda, daß das junge Mädchen ohne jede Scham oder Scheu auf die Szene fesselloser Nacktheit blickte.

Valeria Messalinas dunkle Augen hafteten staunend, eindringlich die Einzelheiten verfolgend, auf dem Strudel der Lebenslust, an dessen Oberfläche blankes Fleisch und bloße Haut zusammenschäumte zu einem Wust schillernder Leiber, bald auseinander sprühte in Flocken einzelner wirbelnder Körper, um immer wieder zurückzuwellen zum jauchzend verknäulten Durcheinander nackter Glieder. Sie war zum ersten Male im Zirkus. Eine fatale Absicht der Eltern hatte ihr diesen ungewohnten Besuch gestattet. Den blühenden Mund zu einem unbewußten Lächeln geöffnet, atmete Valeria Messalina wollüstig unbewußt den Duft von Balsam und Wohlgerüchen ein, der durch die Erhitzung der Katzbalgerei sich von den parfümierten Körpern der Frauen dort unten löste. Zwischen der Elfenbeinreihe der schönen Zähne des Mädchens erschien hin und wieder die feuchte Zungenspitze, als genieße sie einen köstlichen Leckerbissen. Die Nüstern der edelgeschnittenen Nase blähten sich und bebten, als wolle der hastig gehende Atem das aufsaugen, was dem Sinne der Augen entging.

Betroffen senkte Abalanda das Haupt. Er war tief enttäuscht. Nicht Abscheu, wie er erwartet, sondern ein genußfreudiges Begehren durchzitterte das Mädchen, das er in der stillen, sich gern verbergenden Liebe verehrte, die den Männern seiner nordischen Heimat eigen war. Dort warb man um das Weib und mußte sich den Besitz erkämpfen. In diesem brünstigen Rom aber raste die Liebe nackt vor den Augen alles Volkes und warf sich jedem an den Hals, der ihrer, wenn auch nur flüchtig, begehrte.

Messala hatte den jungen Mann beobachtet. Er kannte das Leben genau, war zu sehr Menschenkenner, als daß er nicht längst bemerkt hätte, wie es um das Herz seines Gastfreundes stand. Der Aënobarbus strich sich über den rötlichen Bart, der sich seit Lucius Domitius den meisten Männern der Familie vererbte.

Man erzählte: zwei göttliche Jünglinge hätten vor Zeiten durch Berührung das dunkle Haupthaar und den Bart des Lucius zu rot schimmernder Erzfarbe verwandelt, um so ihre olympische Herkunft zu erweisen.

Nachdenklich seinen »Erzbart« krauend, beugte Messala sich vor und musterte das stille Antlitz Abalandas. Er sann. Gewiß war es besser, den Kaiser zu bitten, den jungen Nordländer einem andern Hause in Rom als Gast zu überweisen. Caligula hatte durch die Einladung Valeria Messalinas zum Gastmahle dargetan, welchen Gefallen er an ihr fand. Noch immer war die Gunst der Cäsaren ungesucht den Aënobarbi zugefallen. Nur Caligula hatte bis jetzt gezögert. Aber jetzt, da der Imperator das unüberlegte, jugendlich abweisende Verhalten des Mädchens nicht übelgenommen, ja auch die ungehorsame Weigerung, an seiner Seite den Zirkusspielen beizuwohnen, weder sonderlich beachtet noch geahndet hatte, blühte neues ungeahntes Heil der Familie. Er, der Vater, würde Messalina schon lehren, ihr Glück zu begreifen. Zwar war ihr starker Selbstwille – der ererbte »Eisenkopf« als Familieneigentümlichkeit – nicht leicht zu brechen. Offenbar gefiel ihr auch die in Rom nicht bräuchliche und als fremdartig um so anziehendere stumme Verehrung des Gastes aus Germanien. Ehe aber hieraus ernstere Zuneigung sich entwickelte, mußte ein Riegel vorgeschoben werden. Eine Römerin und ein Barbar – unmöglich! …

Glücklicherweise gab Caligula gerade jetzt das Zeichen zum vorzeitigen Aufbruch. Er hatte sich satt gesehen an dem mänadischen Gebaren der Weiber in der Arena und versprach sich vom Wettrennen der nackten Schar nun keine gesteigerte Belustigung. Bevor er die Tribüne verließ, verharrte er noch einen Augenblick neben seinem Elfenbeinstuhle. Er suchte mit den Augen die Reihen der ihn grüßenden Vornehmen ab, einen Blick auf Valeria Messalina zu erhaschen.

Messala trat rasch neben seine Tochter. »Dränge dich vor und grüße den Kaiser besonders zuvorkommend!« befahl er.

Das Mädchen, noch im Banne des Erlebten befangen, gehorchte, fast ohne zu wissen, was sie tat. Auch die Mutter Lepida schob sie an den Schultern vorwärts. So hob Valeria Messalina beide Arme und winkte in kindlicher Gebärde, noch im Rausche der Erregung über die ungewohnten starken Eindrücke auf ihr junges, kaum erwecktes Gemüt.

Befriedigt gewahrte der Vater, daß Caligula huldreich den Gruß erwiderte. Der Kaiser nickte mehrmals zu der Reihe hinauf und rief dann den Prätor zu sich, dem er eindringlich einen Auftrag erteilte. Unter den begeisterten Zurufen der Menge verließ er sodann den Zirkus.

Wenig später kam Proculejus Gillo und sprach den Messala an.

»Der Kaiser läßt dir sagen, du mögest es nicht als Ungnade auffassen, wenn er dich ersuchen läßt, statt dem von ihm gegebenen Gastmahle dem Gastmahle seines Günstlings Protogenes beizuwohnen,« bestellte der Prätor.

»Ich fasse es durchaus als eine Gunstbezeigung auf,« versicherte Messala Barbatus klüglich mit erhobener Stimme. Denn er erfaßte sofort den Grund dieser Ausladung. Caligula wollte Valeria Messalina zum Gaste, allein, ohne Gegenwart der Eltern. Die Wahl des neuen Gastgebers freilich war eine Kränkung. Denn der Grieche Protogenes galt in Rom als der widerwärtigste Speichellecker des Kaisers und als des Imperators Gehilfe im Ersinnen so mancher Greueltat.

»Der Kaiser läßt dir ferner danken, daß du mit den Deinen so vergnügt die heute von ihm dem Volke gebotenen Zirkusspiele verfolgt hast,« setzte Proculejus hinzu.

»Triffst du den Kaiser noch?« erkundigte sich Messala hocherfreut.

»Selbstverständlich, da ich ihn zum Palatin zurückgeleite.«

»So bitte ich dich, dem Kaiser folgendes zu sagen: ich hätte ihm gern selbst erzählt, daß ich mit meiner Tochter einen harten Auftritt hatte wegen ihres ungezogenen Auflehnens gegen seine geheiligte Person und Gnade. Valeria Messalina ist noch zu unerfahren, die Fülle dieser Gunst voll zu würdigen. Sie ist von uns, ihren Eltern, nunmehr belehrt und zurechtgewiesen und freut sich der ihr zuteil gewordenen Bevorzugung. Sie wird dem Kaiser Abbitte leisten. Und ich selbst, ich kann dem Kaiser meine Ergebenheit nicht besser beweisen, als daß ich Valeria Messalina gestatte, unbeaufsichtigt einem Gastmahle im kaiserlichen Palast beizuwohnen.«

Der Prätor lächelte verbindlich und meinte, die Stimme dämpfend: »Ich kenne dich als einen klugen Mann, Valerius Messala. Sei versichert, daß ich dem Kaiser getreulich deine Worte berichten werde. Doch ich nannte dich einen klugen Mann. Es wird dir also recht sein, wenn ich dem Kaiser vorenthalte, daß du besondere Betonung legst auf das ›Unbeaufsichtigtbleiben‹ deiner Tochter.«

Proculejus Gillo grüßte und eilte dem Kaiser nach.

In der Arena begann der Wettlauf der Weiber. Ihrem Jauchzen nach war ihnen jetzt, nach dem Scheiden des Kaisers, weniger um einen ehrbringenden Kampf zu tun als um eine eigene Belustigung und um Zurschaustellen ihrer körperlichen Vorzüge und ihrer geheimsten Reize.

Abalanda sprach finster zu seines Gastgebers Tochter: »Du hörtest, Valeria Messalina, was dein Vater sagte und was er von dir verlangt?«

Sogleich unterbrach sie ihn ärgerlich: »Du bist hier, um unsere Bräuche zu erlernen. Dann merke dir auch, mein Freund, daß es gegen römische Sitte verstößt, andere in ihrem Vergnügen zu stören.«

»Dir gefällt dieses tolle Gebaren?« wunderte er sich kopfschüttelnd.

»Du bist doch ein Mann,« erwiderte sie mit heißen Wangen. »Ich begreife nicht, daß es dir nicht Freude bereitet, diesem hübschen Spiele des Dahinstürmens schöner Glieder und weiblicher Formen zu folgen.«

»Du bist anders, als du noch gestern warst, Valeria Messalina,« raunte er vorwurfsvoll.

»Vielleicht bin ich so, wie ich fortan sein werde,« gab sie geheimnisvoll achselzuckend zurück.

»Auch wenn mich das sehr traurig stimmt?« fragte er verzagt.

»Wir haben in Rom nicht Zeit, traurig zu sein. So lehrte man mich.«

Damit wandte sie sich der Arena wieder zu, um sich nichts von dem aufwühlenden Bilde des Wettlaufes entgehen zu lassen. Schweigend harrte Abalanda neben ihr aus.

Er dachte, es gäbe für römische Gesinnung und Gesittung kein besseres Symbol als dieses Rennen dort unten auf dem Sande, den die Septembersonne in sprühendes Silber verzauberte. Was war dieses blinkende Dahinstürmen der nackten Frauenleiber mit dem bacchischen Jubelrufe der Lust aus den Lippen anderes als ein Abbild des von allem Höheren des Daseins gelösten tierischen Triebes nach einem vergänglichen, kurzen Glücke des Augenblickes?

3

Inhaltsverzeichnis

Die bläuliche Farbe des Marmors verlieh dem Badewasser ein durchsichtiges Türkisblau, als wäre die nach starken Essenzen duftende Flüssigkeit in der Wanne dem Meere entnommen. Von diesem Naß ließ Valeria Messalina behaglich den jungen Körper umfluten.

Wohlig regungslos lag sie in dem Bassin. Sie erfrischte sich von der Anstrengung des langen, staubigen Aufenthaltes im Zirkus, um vorbereitet zu sein auf die neuen Forderungen, die das Gastmahl im kaiserlichen Palaste an sie stellen würde.

Einmal erhob sie den Arm und beobachtete, wie klare Tropfen von den Fingerspitzen in die Wanne zurückfielen, wie die kristallhellen Wasserstreifchen auf der Haut des Armes dahinrieselten, ein Gefühl erweckend, als streichele kosend eine unsichtbare, linde Hand. Dann tauchte der Arm zurück in den blauen Schimmer.

Wieder unbeweglich rastete die Schönheit der Mädchenglieder in dem kühlenden Wasser, das die Haut so wundersam täuschend färbte, als leuchte die lebensgroße Gestalt einer Göttin aus Elfenbein durch einen sie umschließenden riesigen Aquamarin.

Valeria Messalina sann dem im Zirkus Erlebten nach.