Midnight Moon - Die Geliebte der Nacht: Zweiter Roman - Alice Borchardt - E-Book
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Midnight Moon - Die Geliebte der Nacht: Zweiter Roman E-Book

Alice Borchardt

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Beschreibung

Wird diese Liebe ihren Tod bedeuten? Der Romantic-Fantasy-Roman »Midnight Moon – Die Geliebte der Nacht« von Alice Borchardt als eBook bei dotbooks. Eine Liebe, die verflucht scheint: Seit die schöne Königstochter Regeane zum ersten Mal in die goldenen Augen des Kriegers blickte, hat sie ihr Herz an ihn verloren – jetzt und für alle Zeit. Doch dann kehrt Maeniel nicht von einer geheimen Mission in das albtraumhafte Land der Dämonen zurück. Regeane ist sich sicher, dass er verraten wurde – ihre Feinde sind zahlreich, und noch dazu hütet die Prinzessin ein gefährliches Geheimnis: Als Erbin einer magischen Blutlinie kann sie sich bei Nacht in eine Wölfin verwandeln. Wird Maeniel etwa als Lockmittel benutzt, um sie in eine tödliche Falle zu locken – oder hat ihr Geliebter mehr vor ihr zu verbergen, als die Wolfprinzessin ahnt? »Eine kühne Stimme in der ersten Reihe großer Frauenromane.« Bestsellerautorin Anne Rice »Hypnotisierend und immer wieder verblüffend – Alice Borchardt entfesselt eine neue Welt.« Romantic Times Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romantasy-Highlight »Midnight Moon – Die Geliebte der Nacht« von Alice Borchardt – das zweite Buch der »Moon«-Trilogie, deren Bände unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 780

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Über dieses Buch:

Eine Liebe, die verflucht scheint: Seit die schöne Königstochter Regeane zum ersten Mal in die goldenen Augen des Kriegers blickte, hat sie ihr Herz an ihn verloren – jetzt und für alle Zeit. Doch dann kehrt Maeniel nicht von einer geheimen Mission in das albtraumhafte Land der Dämonen zurück. Regeane ist sich sicher, dass er verraten wurde – ihre Feinde sind zahlreich, und noch dazu hütet die Prinzessin ein gefährliches Geheimnis: Als Erbin einer magischen Blutlinie kann sie sich bei Nacht in eine Wölfin verwandeln. Wird Maeniel etwa als Lockmittel benutzt, um sie in eine tödliche Falle zu locken – oder hat ihr Geliebter mehr vor ihr zu verbergen, als die Wolfprinzessin ahnt?

»Eine kühne Stimme in der ersten Reihe großer Frauenromane.« Bestsellerautorin Anne Rice

»Hypnotisierend und immer wieder verblüffend – Alice Borchardt entfesselt eine neue Welt.« Romantic Times

Über die Autorin:

Alice Borchardt (1939 – 2007) war eine amerikanische Schriftstellerin, die mit Vorliebe historische und fantastische Romane sowie Horror schrieb. Bereits während ihrer Kindheit in New Orleans liebte sie es, sich Geschichten auszudenken. Doch erst, nachdem sie über 30 Jahre als Krankenpflegerin gearbeitet hatte, entschied sie, dass es an der Zeit war, ihren ersten Roman zu veröffentlichen – und in die Fußstapfen ihrer berühmten Schwester zu treten, der Bestsellerautorin Anne Rice, die mit ihren »Chroniken der Vampire« Weltruhm erlangte.

Alice Borchardt veröffentlichte bei dotbooks ihre »Moon«-Trilogie mit den Romanen:

»Silver Moon – Das Herz der Nacht«

»Midnight Moon – Die Geliebte der Nacht«

»Shadow Moon – In den Armen der Nacht«

***

eBook-Neuausgabe August 2020

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2001 unter dem Originaltitel »The Tree of Life« bei Ballantine, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Der Gesang der Wölfin« bei Blanvalet.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2001 by Alice Borchardt

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2001 by Verlagsgruppe Random House GmbH.

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

This translation is published by arrangement with Del Rey, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Boiko Olha / Jef Wodniak / Standret / Outer SpaceeBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-371-1

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Alice Borchardt

Midnight Moon – Die Geliebte der Nacht

Roman

Aus dem Amerikanischen von Michaela Link

dotbooks.

Kapitel 1

Als er sie in der Schneeverwehung fand, war er davon überzeugt, sie müsse tot sein.

Diese Franken benahmen sich bei schlechtem Wetter wie die reinsten Narren. Nun gut, sie waren über den Rhein gekommen und hatten römisches Territorium erobert, aber das gute Leben, das sie seither geführt hatten, war ihr Ruin gewesen.

Er war überrascht und wütend. Aber sein Zorn galt nicht dem zarten Geschöpf, das diese Frau einst gewesen sein musste, sondern den Männern, die sie hätten behüten müssen. Denn eines stand für ihn fest: Die junge Frau war offensichtlich von edler Herkunft und hatte gewiss Menschen gehabt, denen sie teuer gewesen war. Es schien ein geradezu unmögliches Geschick für eine solche Frau zu sein, dass man sie mitten im Toben des letzten Schneesturms dieses Winters hier ausgesetzt hatte.

Im Namen Gottes! Nein, dieser Name hinterließ einen so bitteren Geschmack auf seiner Zunge. Diese Priester mit ihren Weiberröcken behaupteten, die Mächte, denen sein Volk huldigte, seien Dämonen, seien von Grund auf verderbt. Sie behaupteten, ihr Jesus sei der einzige Gott. Aber seine eigenen Götter – was auch immer man von ihrer Moral halten mochte – eigneten sich weit besser für die Art Leben, das sein Volk lebte, als Christus, dieser Narr.

Er strich der Frau hastig den Schnee vom Gesicht und fragte sich, ob sie wirklich tot war. Dann zog er seinen Handschuh aus; sein Zorn wärmte ihn genügend, um ihn vor dem Ansturm der Kälte zu schützen. Was waren das für Männer, in deren Obhut diese zierliche Schönheit gestanden hatte, dass sie sie zum Sterben hier liegen ließen? Er berührte erst ihre Wange, dann ihre Stirn. Kalt. Kalt und hart wie Marmor.

Sie trug ein mit Zobel besetztes Seidengewand und einen Umhang aus weißem Brokat. Der Wind heulte um ihn herum, und die Welt versank in ein kaltes Graublau, während irgendwo hinter den Wolken die Sonne unterging. Er hob ihre Hand auf. Eisig, aber noch immer beweglich, noch nicht steif. Sein Umhang bestand aus einem dicken Bärenfell und war ein wenig abgetragen und schmutzig. Nein, sehr abgetragen und sehr schmutzig, aber warm.

Er beugte sich über die junge Frau, hob ihren Kopf an und versuchte festzustellen, ob er ihren Atem auf seiner Wange spüren konnte. Die harten, windgepeitschten Hagelkörner, die sich nun mit den Schneeflocken vermischten, brannten auf seiner unbedeckten Nase und seinen Lippen.

Er konnte nichts spüren. Er hielt eine Sekunde lang inne und machte seiner Ohnmacht dann mit einem scharfen Fluch Luft. Natürlich hätte er eine Hand unter ihr Kleid schieben können, aber eine junge Frau an gewissen Stellen zu berühren, galt selbst mit ihrer Erlaubnis als eine besonders abscheuliche Sünde. Er zögerte, denn er wollte ihrer Familie keine Schande bereiten, nicht einmal wenn sie tot war.

Dann spie er ein weiteres Schimpfwort aus, diesmal gegen sich selbst gerichtet. Wenn sie nicht bereits tot war, könnte sie leicht sterben, während er hier stand und sich den Kopf über Sitte und Anstand zerbrach. Er schob eine Hand unter ihr Kleid und tastete nach dem Herzen, wo sich der Puls des Blutes am leichtesten ausmachen ließ, unter ihrer linken Brust. Jähe Wärme und ein langsames, aber stetiges Pulsieren waren sein Lohn. Danach verschwendete er keine Zeit mehr. Er zog seinen Bärenfellumhang aus und warf ihn auf die Schneeverwehung am Straßenrand; dann hob er die junge Frau vom Boden auf und hüllte sie fest in den schweren Pelz. Wahrscheinlich, so ging es ihm durch den Kopf, hatten sowohl er als auch der Umhang einige Flöhe, die er mit der Wärme seines massigen Leibs am Leben hielt. Die junge Frau war nicht annähernd so warm wie er; vielleicht würden die kleinen Bastarde bei ihr sterben. Wie dem auch sei, die Vernichtung seines Ungeziefers war der einzige Nutzen, den dieses Abenteuer ihm wahrscheinlich einbringen würde.

Ursprünglich hatte er das Kloster am Fuß des Passes meiden und sich ein geschütztes Plätzchen suchen wollen, wo er während des Schneesturms schlafen konnte, um seinen Weg dann unbeobachtet von den Franken fortzusetzen. Daran war jetzt nicht mehr zu denken. Wenn er die junge Frau nicht irgendwohin brachte, wo sie vor Wind und Kälte sicher war, würde sie bald sterben. Für ihn mochte es durchaus angehen, sich in seinem Umhang zusammenzurollen und sich mit seiner eigenen Körperwärme gegen die Kälte zu wappnen. Er konnte, in diesen Pelz gehüllt, Temperaturen überleben, bei denen das Wasser beinahe gefror. Das war schließlich der Grund, warum er den Bären überhaupt getötet hatte.

Er war dem Tier in den Bergen begegnet, als er gerade vierzehn Jahre alt gewesen war. Es war ein altes, buckliges Tier mit silbernen Strähnen um die Schnauze gewesen, aber wohlgenährt und mit einem dicken Winterpelz gesegnet.

»Wie es aussieht«, hatte er zu dem Bären gesagt, »bin ich dein Schicksal.«

Der Bär stellte sich auf die Hinterbeine und brüllte dem Jungen seine Herausforderung entgegen.

»Du kannst gehen, wenn du willst«, sagte der Junge zu dem Bären. »Ich werde dich nicht aufhalten.«

Aber der Bär ließ sich auf alle viere nieder und trottete auf den Jungen zu, um ihn in eine tödliche Umarmung zu ziehen. Der Junge wusste, dass er nur eine einzige Chance hatte, dann würde das Tier ihn töten. Er wich keinen Schritt zurück und rammte dem Bären seinen Speer in die Seite, als dieser sich abermals aufbäumte, um seinen menschlichen Gegner in Stücke zu reißen. Die spatenförmige Klinge versank bis zum Schaft im Fleisch des Bären, aber das Tier starb nicht.

Der Junge dachte: Ich habe das Herz verfehlt, und genau in diesem Augenblick riss der Bär ihm mit einer Klaue die Haut von den Rippen und unternahm mit der anderen einen ernsthaften Versuch, ihn zu entleiben. So, dachte er und erinnerte sich später noch daran, wie ruhig er diesen Gedanken gefasst hatte, das ist also der Tod.

Aber dann war es doch anders gekommen, denn der Bär starb und bescherte dem Jungen das größte und beste Fell, das er je gesehen hatte. Zumindest war es das Beste, nachdem er es gegerbt und das Loch gestopft hatte, wo die Speerspitze eingedrungen war. Seither hatte er auf den vielen Wegen und Pfaden seines Lebens an diesem Fell festgehalten und war dankbar dafür.

Jetzt mühte er sich mit der Frau über der Schulter den Hügel hinunter. Der eisige, grimmige Wind in seinem Gesicht versuchte mit beinahe bewusster Bosheit, ihn blind zu machen und ihn auszukühlen, aber er war zu stolz und zu wütend, um seinem Unbehagen nachzugeben. Sein eigener Zorn wärmte ihn. Ich hätte den Schnee, wo sie lag, durchsuchen können, ging es ihm durch den Kopf, als er daran dachte, dass sie vielleicht Gefährten oder eine Eskorte bei sich gehabt haben könnte. Aber ich habe es nicht getan. »Narren, ihr verdient es zu sterben«, flüsterte er in den Wind. Er sprach mit ihren Seelen, ihren Geistern, für den Fall, dass sie ihm folgten.

Franke bedeutet frei, so sagen sie. Wenn ihr mich fragt, bedeutet Franke verrückt, irrsinnig.

Hörst du mich, Frau? Er schüttelte den schlaffen Körper, der über seiner Schulter hing. Ich halte dein Volk für dumm. Ich halte dein Volk für schmutzig. Ich halte dein Volk für faul. Ich halte dein Volk für ... Aber dann konnten die Nacht und der Sturm die nächste Schmähung nicht mehr hören, weil der Mann mit dem Gesicht gegen die Klostermauer rannte.

Er taumelte einige Schritte zurück und setzte sich in den Schnee. Dann zog er die Frau von seiner. Schulter und wiegte sie in den Armen.

Sie atmete noch. Das Bärenfell hatte seinen Zweck erfüllt. Ihre Haut war jetzt wärmer als seine. Er trug nur sein Hemd, seinen Wollumhang, eine Hose und über Kreuz geschnürte Beinkleider. Und er war erschöpfter, als er selbst wusste oder zuzugeben bereit gewesen wäre.

Er hob sie hoch, stand auf und machte sich auf die Suche nach einem Tor.

Endlich fand er es, nachdem er sich an den Mauern entlanggetastet hatte, und seine schlimmste Angst war es gewesen, sich in der eisigen Dunkelheit zu verirren und zu erfrieren, bevor er das Gebäude wiederfand. Ja, er konnte sich in der Kälte niederlegen und den Umhang um sie beide wickeln, aber er glaubte, dass nicht einmal sein Bärenfell in einer Nacht wie dieser zwei Menschen würde warm halten können.

Frauen waren seiner Erfahrung nach zerbrechliche Geschöpfe, und es verlangte ihn nicht, im Dunkeln zu liegen und zu spüren, wie ihr Leben langsam erlosch, während ihr Körper immer kälter und kälter wurde. Als die fränkischen Sklavenhalter ihn über die Alpen getrieben hatten, um ihn an die Lombarden zu verkaufen, hatte er etwas ganz Ähnliches mit dem Mann erlebt, der in den Ketten neben ihm gegangen und hochbetagt gewesen war. Jenseits eines gewissen Alters verliert der Körper die Fähigkeit, sich selbst warm zu halten. An frostige Winter und heftige Schneestürme gewöhnt, hatte er die Sklavenhändler gewarnt, dass die älteren Männer in ihrer Schar den Aufstieg über den Pass vielleicht nicht überleben würden. Aber sein einziger Lohn für diese Mühe war ein Schlag ins Gesicht mit einem Peitschenstiel gewesen – ein Schlag, der ihm beinahe den Kiefer gebrochen hatte und dazu führte, dass es ihm in der folgenden Zeit schwer fiel, den Zwieback und das getrocknete Fleisch zu essen, die man ihnen alle paar Tage hinwarf. Als dann tatsächlich drei Sklaven auf dem Gipfel des Passes den Tod fanden, war er der Gegenstand wilder Flüche. Eines Morgens erwachte er und blickte in zwei von einer dünnen Eisschicht überzogene blaue Augen, in denen kein Leben mehr war. Er erinnerte sich, wie der ältere Mann in der Nacht zu wimmern und zu stöhnen begonnen hatte. Er sprach nicht ein einziges Wort von der Sprache des Alten; er war sich nicht einmal sicher gewesen, welche Sprache es war. Er konnte nur sein Bärenfell mit ihm teilen, mehr stand nicht in seiner Macht. Woran er sich weniger gern erinnerte, war der Umstand, dass er den Alten beschimpft und bedroht hatte, damit dieser endlich den Mund hielt; er hatte befürchtet, dass sein Gewimmer die Sklaventreiber verärgern würde und sie alle die Peitsche zu schmecken bekämen.

Endlich schwieg sein Nachbar. Er hatte geglaubt, der Alte sei eingeschlafen. Aber als das graue Licht hinter den wabernden Wolken langsam auf den hohen, felsigen Pfad gekrochen kam – weniger wie ein Sonnenaufgang, eher so wie Wasser eine Tasse füllt –, da hatte er begriffen, dass er an einen Toten gekettet war. Und nun war er es, der zu schreien und zu jammern anhob, und er war entsprechend bestraft worden. Und schlimmer noch, die Sklaventreiber hatten ihn ausgelacht, weil er sich vor einer Leiche fürchtete.

Er erinnerte sich noch gut, wie der steif gewordene Leib des Alten den Berg hinuntergerollt war, von einem Felsvorsprung zum Nächsten hüpfend, bis er schließlich in den dichten, bleichen Schneewolken verschwand, die die Täler unter ihnen füllten. Jetzt schlang er die Arme um die junge Frau und betete darum, dass er den Sklavenhändlern eines Tages wieder begegnen möge. Betete zu seinen eigenen Göttern, an denen er mit solcher Sturheit festhielt, dass er diesen Männern eines Tages wieder gegenüberstehen möge, wenn die Umstände ihn begünstigten. Er bat ja gar nicht um einen besonderen Vorteil, nur um Waffen und Bewegungsfreiheit ohne Ketten, die ihn lähmten. Er würde seinen Göttern danken und den Rest allein erledigen. Außerdem betete er, dass er die Tür in dieser Mauer finden möge. Mittlerweile war die Nacht so schwarz wie das Arschloch eines Schweins.

Er umrundete das Gebäude und klopfte mit der rechten Hand gegen den Stein. Endlich trafen seine Knöchel auf Holz – Eichenbretter, wie es sich anfühlte, beschlagen mit Eisen. Er ließ seine Faust dagegenkrachen, und die Tür schwang auf. Im nächsten Augenblick fand er sich in einem engen Innenhof wieder, der fast so dunkel war wie die Nacht, die er hinter sich ließ.

Es gab jedoch genug Licht, um etwa ein halbes Dutzend Männer zu erkennen, die in dem windgeschützten Säulengang saßen. Einer von ihnen schrie ihn an: »Mach die gottverdammte Tür zu, du vaterloser Knochenschädel. Es ist schon kalt genug hier, ohne dass auch noch ein Narr wie du den Sturm hereinlässt.«

Er war nicht in der Position, Einwände zu erheben. Er verpasste der Tür einen Tritt, so dass sie sich hinter ihm schloss.

In einem Eisenhalter, der aus der Wand ragte, hing eine Laterne mit einer sehr schwachen Flamme. In ihrem Licht konnte er die zusammengekauerten Gestalten sehen, die sich an die Mauern lehnten.

»Ist das die Art und Weise, wie man hier Gäste empfängt?«, fragte er verächtlich.

»Das ist die Art und Weise, wie die besonders Gewitzten empfangen werden«, kam die Antwort – es war der gleiche Mann, der ihn zuvor angeschrien hatte. »Du hast dir nicht den besten Ort ausgesucht, um Halt zu machen. Ebenso wenig wie der Herr Abt ein besonders freundlicher Mann ist. Zumindest werden wir hier überleben und können uns morgen früh auf die Suche nach bequemeren Unterkünften machen. Was hast du da?« Er zeigte auf das Bündel in dem Bärenfell.

»Eine ...« Er hielt inne. Die Männer hier schienen ihm nicht übermäßig vertrauenserweckend.

»Eine ... was?« Hinter ihm nahm jemand die Laterne von der Mauer, hielt sie in die Höhe und blickte in das Gesicht der reglosen Gestalt hinab.

»Eine Frau!«

Der Mann, der ihn angeschrien hatte, stand auf. »Eine was? Eine Frau! Du mutterloser Mistkerl. Wie kannst du es wagen, in einer Nacht wie dieser eine Frau ausgerechnet in dieses Haus zu bringen?«

»Ich habe sie gefunden.«

Irgendwo in der Finsternis wurde ein unangenehmes Lachen laut. »Mein Vetter hat acht Stücke Gold gefunden, zumindest hat er das behauptet. Aber der Richter des Königs hat ihm trotzdem die rechte Hand abgehackt.«

»Ist sie hübsch?«, fragte der Mann, der ihn einen mutterlosen Mistkerl genannt hatte. »Wenn ja, kannst du sie vielleicht für eine Hand voll Kupfermünzen, ein Nachtquartier und etwas zu essen verkaufen. Wenn sie sich entgegenkommend zeigt, erlauben die Männer dir vielleicht sogar, sie mitzunehmen, wenn du wieder gehst.«

Genau in diesem Augenblick traf ihn ein harter Schlag im Rücken. Er spürte, wie die Spitze einer Klinge seine Haut durchstach. Er ließ die Frau fallen und fuhr herum. Noch während er das tat, wurde ihm das Messer aus dem Rücken gerissen und entfiel den Fingern seines Angreifers. Die Talente, die ihn in den Sklavenpferchen der Lombarden am Leben erhalten hatten, taten ihm auch jetzt gute Dienste. Er versetzte dem Kinn seines Widersachers einen Schlag mit der Handkante, dass dem anderen der Kopf zur Seite krachte. Im nächsten Augenblick rammte er dem Burschen das Knie in die Lenden.

Sein Knie traf schmerzhaft auf einen mit Dornen bewehrten Sackschutz. Ein Berufssoldat, dachte er. Daher hatte er keine Skrupel, den Kopf des Messerstechers gegen eine der steinernen Säulen zu schlagen, die das Dach stützten. Der Schädel des Mannes brach wie ein Ei, das auf einen Pflasterstein fiel. Sein Gehirn spritzte in alle Richtungen.

Schreie. Er hörte Schreie. Sein Gegner hätte nicht mehr schreien dürfen. Er hätte schlicht und einfach mausetot sein müssen. Nein, die Schreie waren hinter ihm. Er wirbelte herum. Die Frau war aufgestanden. Sie hielt ein langes Messer in der Hand und bohrte es gerade in die Kehle des Mannes, der ihm befohlen hatte, die Tür zu schließen. Sie schien nicht besonders fest auf ihren Beinen zu stehen, aber die Hand, mit der sie das Messer führte, fand dennoch ihr Ziel. Die Stahlklinge war unterhalb des Adamsapfels eingetreten, und die Spitze kam auf der anderen Seite des Halses wieder heraus.

Die Schreie kamen jedoch nicht von der jungen Frau. Nein, es war einer der anderen »Gäste«, der schrie, der Mann mit der Laterne. Blut lief ihm übers Gesicht. Das Blut von vier langen Kratzern auf seiner linken Wange tropfte auf sein Hemd. Die Frau musste ihn mit ihren Nägeln erwischt haben. Er hob das Bärenfell vom Boden auf, warf es ihr um die Schultern, zog sie hinter sich her und rannte quer über den Hof auf die Tür zu, die in das Gebäude hineinführte.

Als sie direkt davor standen, öffnete sich die Tür. Ein Mann mit einem Wachslicht versperrte ihnen den Weg. Einer der Mönche, vermutete er. Der Mönch ließ sie beide eintreten, dann warf er die Tür ins Schloss und schob die Riegel vor. Der Mönch, wenn er denn wirklich einer war, gab ihnen Zeit, wieder zu Atem zu kommen.

»Wir bitten«, stieß er hervor, den Arm um die Frau gelegt; sie sackte an seiner Schulter zusammen.

Er konnte in der Dunkelheit einen schwachen Wohlgeruch ausmachen. Die Frau wurde langsam wärmer, und der Duft stieg aus ihren Kleidern und ihrer Haut auf. Es war ein Schock für ihn, ein zarter Duft wie der Weihrauch in den christlichen Kirchen, die zu besuchen seine lombardischen Herren ihn gezwungen hatten, aber dieser Duft erinnerte weniger an Moschus und mehr an Blumen.

»Wir bitten«, stieß er abermals hervor, »um Essen und ein Dach überm Kopf ...«

»Seid still«, flüsterte der alte Mönch. »Was habt ihr zwei da draußen für ein Spielchen getrieben? Wolltet ihr den Abt und seinen ganzen Haushalt aufwecken?«

Irgendjemand oder irgendetwas kicherte in der Dunkelheit. Der Mönch, wenn er denn einer war, murmelte etwas Unverständliches. »Nun, jetzt kann ich euch nicht mehr helfen«, flüsterte er.

Die Frau holte tief Luft und zog das Bärenfell fester um sich. »Mein Gemahl und ich ...« Sie deutete auf ihn. »... Wir haben uns verirrt ... Wir sind über den Pass gegangen ... und ...«

»Gemahl? Meine Güte, was für eine Vorstellung!«

Die Gestalt, die sie bisher nur gehört hatten, wurde nun sichtbar. Die Gestalt trug eine Fackel. Er konnte genug sehen und genug riechen, um zu wissen, dass sein Gegenüber schmutzig, verkrüppelt und alt war; wie alt, vermochte er nicht zu sagen. Die Gestalt humpelte und hatte volles, weißes Haar. Sie war in der Tat verkrüppelt: Der Rücken war ein verzerrter Buckel, die Schultern ragten über den Kopf hinaus. Und schmutzig: Der Gestank von ungewaschenem Fleisch erfüllte den gemauerten Korridor. Ihm war noch nie ein Mensch begegnet, der so stark roch, nicht einmal in den Sklavenbaracken, wo die Menschen sich monatelang nicht wuschen.

Die Kreatur kicherte abermals und griff mit einer schmutzigen Pfote nach der Frau.

Er kämpfte noch mit dem Schock zu hören, dass er ein verheirateter Mann sei, aber jetzt schob er sich instinktiv zwischen das Ding und die Frau. Die Kreatur wandte sich dem Mönch mit dem Wachslicht zu und stieß ein Grauen erregendes Kichern aus.

»Er sagt, er sei ihr Ehemann?«

»Jawohl, Hochwürden«, antwortete der Torhüter unterwürfig. »Als Christen sollten wir die Heiligkeit des ehelichen Bundes respektieren ...« Der Mann sprach leise und sehr langsam, als hätte er es mit einem Kind zu tun.

»Hochwürden?«, flüsterte die Frau. Er stellte fest, dass er ihre Hand hielt; jetzt klammerte die Frau an seiner Seite sich fester an ihn.

Die Kreatur wandte sich von dem Torhüter ab und versuchte, der Frau das Bärenfell vom Leib zu reißen. Ein dünner Speichelfaden hing dem Geschöpf aus dem Mundwinkel bis zum Kinn herunter. Der Sabber glitzerte im Licht – einem Licht, das irgendwo hinter ihnen brannte.

Plötzlich traf ihn etwas mit großer Wucht im Gesicht. Ihre Hand entglitt ihm, als er die Kontrolle über seinen Körper verlor und zu Boden ging. Er schlug mit dem Hinterkopf auf den Steinen auf, und grelle Lichter schossen vor ihm auf. Nein, dachte er. Nein. Er versuchte, die betäubende Nachwirkung des Schlags abzuschütteln und die Herrschaft über seine Gliedmaßen zurückzugewinnen.

Jemand schrie. Eine Frau.

Einen Augenblick lang durchzuckte ihn das Bedauern, dass er ihr keinen besseren Schutz hatte bieten können. Er wehrte sich noch immer, konnte aber seine Arme und Beine nicht mehr spüren; und als er endlich wieder Gefühl in seinen Gliedmaßen hatte, schienen nur wenige Sekunden vergangen zu sein – an Händen und Füßen gefesselt wurde er durch den Korridor geschleift, so dass sein Kopf unangenehm über die Pflastersteine holperte.

»Hochwürden, ich bitte Euch ...«

Die Welt um ihn herum war so schwarz wie der Grund eines Brunnens. Er fragte sich, ob der Schlag auf den Kopf ihm die Sehkraft geraubt hatte ... Aber nein. Es war einfach dunkel, denn er vermochte noch ein wenig zu sehen.

»Hochwürden!« Der alte Mann, der das Tor geöffnet hatte, versuchte noch immer auf die Kreatur, die sich seiner bemächtigt hatte, mahnend einzureden.

»Jagt diesen Narren davon!« Der Befehl kam von dem Mann, der als Hochwürden angeredet wurde. »Jagt ihn zurück in seine Zelle. Ich möchte nicht, dass der da mir entkommt.« Die Kreatur klang wie ein verdrossenes Kind.

»Ihr wisst doch, wie gern ich sie schreien höre. Man kann sie noch lange nachher schreien hören. Selbst wenn wir den Stein schon vorgeschoben haben, machen einige von ihnen die ganze Nacht weiter, und sie schreien und schreien und schreien.«

Sie war nicht so erschrocken, wie sie hätte sein sollen. Das war ihr erster klarer Gedanke. Sie war aufgewacht, als er seine Hand unter ihr Kleid geschoben hatte. Einen glückseligen Augenblick lang glaubte sie, er sei ihr Gemahl, der sich gewisse Freiheiten herausnahm, während sie aus einem Schläfchen erwachte. Aber dieser wunderbare, sorglose Augenblick war schnell verstrichen.

Die anderen Erinnerungen ließen sich kaum entwirren. Er trug sie irgendwohin, und es war kalt, oh, so kalt. Er sagte kränkende Dinge. Sie schleiften ihn davon, den Korridor hinunter. Jetzt erschienen drei Frauen vor ihr, sie kamen aus der Dunkelheit. Eine hielt eine Kerze in der Hand, aber sie konnte sie alle drei deutlich erkennen. Sie schien gut sehen zu können im Dunkeln, ging es ihr durch den Kopf.

Sie befragten sie, zerrten an ihren Kleidern, versuchten, sie zum Mitgehen zu überreden.

»Ist er wirklich dein Mann?«

Sie fühlte sich seltsam entrückt. Die Fragestellerin war eine ältere Frau und wirkte in ihrem braunen Umhang und dem leinenen Schleier durchaus achtbar. Sie roch nach Seife, Schweiß und Wein. Die anderen beiden stanken nur nach Schnaps, sie trugen keinen Schleier, und ihre Gewänder waren formlos und nicht allzu sauber. Insgesamt verströmten sie eine solche Wolke alkoholischer Ausdünstungen, dass sie sich fragte, wie um alles in der Welt sie sich aufrecht halten konnten. Wahrscheinlich hatten beide Frauen seit Monaten mehr oder weniger ohne Pause getrunken.

Eine von ihnen hatte glattes, fettiges dunkles Haar; die andere mochte eine Blondine gewesen sein, war aber so verdreckt, dass man über ihr ursprüngliches Aussehen kaum etwas sagen konnte.

»Ist er dein Mann? Wirklich dein Mann?«, fragte die ältere Frau noch einmal.

Nein. Der Gedanke allein war aus einer Vielzahl von Gründen lächerlich. Aber das würde sie diesen Frauen nicht erzählen. Sie hatte gelogen, weil sie hoffte, sie beide mit ihrer Lüge vor Angriffen an diesem Ort zu schützen, von dem sie inzwischen fest annahm, dass er eine Räuberhöhle war.

»Was denn nun?«, schrie die Frau mit schriller Stimme. »Bist du stumm, wie unsere arme Morgana?« Sie zeigte auf die armseligere ihrer beiden Gefährtinnen, die beinahe noch ein Kind war.

»Nein, ich bin nicht taub«, hörte sie sich antworten. »Ja, er ist mein Mann. Was machen diese Leute mit ihm? Wo bringen sie ihn hin? Wir erbitten nur ein Dach über dem Kopf für die Nacht, und morgen früh werden wir abreisen und euch nie wieder lästig fallen.«

Die blonde junge Frau, die Morgana genannt wurde, begann zu wimmern. Sie klang wie ein Hund, der allzu oft die Peitsche zu schmecken bekommen hatte.

Die Frau mit dem glatten Haar kam einen Schritt auf sie zu. »Sieh doch, sieh doch, Lavinia. Sie ... hat ... Schmuck.«

Die Frau streckte zögernd die Hand aus, um sich an ihrem Hals zu schaffen zu machen. Der Gedanke, dass eine dieser Frauen sie berühren könnte, war widerwärtig. Sie machte einen Schritt nach hinten.

»Du hast was gegen uns, was?«, höhnte die ältere Frau. »Keine Sorge. Wenn du erst mal so lange hier bist wie wir, wirst du nicht viel besser aussehen. Das heißt, wenn ich's recht bedenke, wirst du wahrscheinlich eher schlimmer dran sein. Die gute Sully hier ist wahrscheinlich nicht viel älter als du. Aber jetzt wird er erst mal für eine Weile mit dir beschäftigt sein. Vergiss deinen Mann und sei nett zu dem Abt. Er hat hier das Sagen.

Sully, Morgana, ihr beide begleitet sie. Und du, Mädchen, du kommst mit uns. Mach uns keine Schwierigkeiten, dann tun wir dir auch nichts. Wär doch eine Schande, wenn deinem hübschen Gesicht etwas passieren würde.«

Bei diesen Worten kamen die beiden verlotterten Frauen von zwei Seiten auf sie zu und begannen, sie durch den Korridor zu drängen.

Wieder dieses seltsame Gefühl des Entrücktseins. Ihre Erinnerung bestand aus einem Wirrwarr verschiedener Bilder, Bilder, denen sie keinen Sinn zu geben vermochte. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, wurde ihr schwindlig, und ihr Kopf schmerzte. Jeder Schritt ließ einen heißen Schmerz in die eine Hälfte ihres Gesichts fahren. Das Pferd bäumte sich auf. Sie sah den Kopf des Tieres vor einem mit roten, schwarzen und orangefarbenen Streifen durchzogenen Abendhimmel. Der Schnee schimmerte bläulich in dem schwindenden Licht. Sie war eine gute Reiterin. Irgendwie wusste sie, dass sie in der Lage hätte sein müssen, den Hengst zu beherrschen, aber das Tier war wahnsinnig vor Angst, und es stürzte. Stürzte. Und dann erinnerte sie sich noch an Schmerz. Schmerz, der zu jener Zeit genauso gewesen war wie jetzt, wie ein Dolch aus Eis, der sich in ihr Ohr und ihren Wangenknochen bohrte.

Dann machte der Mann sich an ihrem Kleid zu schaffen. Zuerst war sie überglücklich, weil sie glaubte, dies bedeute das Ende der Furcht, des Schmerzes, der Kälte. Es war keine passive Kälte, sondern ein scharfes Brennen in ihren Händen und Füßen. Eine Kälte, die erst durch ihre Finger und Zehen kroch, dann durch ihre Füße und ihre Hände. Sie hatte gewusst, dass sie erfrieren würde. Kein friedvoller Tod, aber ein Ehrfurcht gebietend qualvoller, während sich in ihrem Fleisch die ersten Eiskristalle bildeten und Lähmung mit sich brachten und Schmerz über Schmerz ... Während die Kälte sich immer tiefer in ihre Knochen grub.

Dann war sie sich sicher gewesen, das alles müsse ein Teil eines Albtraums sein und sie würde warm und geborgen in ihrem Bett aufwachen ... mit ... und dann verlor sie die Spur, überwältigt von Verwirrung. Aber er würde dort sein, und sie hatte nur geträumt. Sie brauchte nur Sekunden, um zu begreifen, dass Wärme und Sicherheit der Traum gewesen waren und dass der Albtraum ... Wirklichkeit war. Aber der Mann hatte sie tatsächlich auf die Schulter genommen, und er beschimpfte auf Sächsisch die Franken, ihr Volk. Er hatte sie in dieses Bärenfell gehüllt und schien ihr nichts Böses zu wollen.

Dann befanden sie sich in einem Raum, und o Gott, o Gott, dieser Gestank. Aber die ältere Frau, Lavinia, entzündete nun mit ihrem Wachsstock eine vielarmige Öllampe, die einen Augenblick lang aufloderte und den Raum, der nur Sekunden zuvor in völliger Dunkelheit gelegen hatte, in ein grelles Licht tauchte. Als sie wieder sehen konnte, bemerkte sie, dass in den Augen der älteren Frau so etwas wie Entsetzen stand. Morgana hockte zitternd vor einem Kamin in einer Ecke des Raums. Sully zeigte abermals auf ihren Hals.

»Schmuck, Lavinia ... Schmuck. Kann ich etwas davon haben?«

Lavinia schüttelte den Kopf, wieder und immer wieder. Sie schenkte Sully keine Beachtung. »Ich wusste, dass es eines Tages passieren würde«, sagte sie. »Sie würden einen Brocken abbeißen, der zu groß ist, um ihn zu kauen, oder ihre Zähne in etwas schlagen, das stark genug ist, sie zu fressen. Und wenn ich mir dich so ansehe, Mädchen, denke ich, dass genau das jetzt passiert ist. Wie heißt du, Mädchen, und zu welcher Familie gehörst du?«

Sie blickte an sich hinab und versuchte zu sehen, was in den Augen der älteren Frau solches Entsetzen hatte aufflammen lassen. Sie trug eine mit Zobel besetzte Dalmatika aus grünem Seidenbrokat über einem geteilten Reitkleid aus weichem, goldbesticktem Wildleder. Ihr Umhang war aus weißem Brokat, ein schwerer, mit Hermelin gefütterter Stoff. Sie griff sich an die Kehle. Sully hatte Recht. Sie trug Schmuck, mindestens ein halbes Dutzend Ketten; ihr Haar wurde von einem weichen Metallnetz gehalten, und an ihren Fingern zählte sie sieben Ringe. Sie waren allesamt aus Silber oder Gold und mit Edelsteinen besetzt.

»Das ist aber eine Menge Schmuck«, machte Sully sich von neuem bemerkbar. »Meinst du, er wird mir ein bisschen was davon geben?«

»Nein«, fuhr Lavinia sie an. »Was bist du, eine Halbidiotin wie die da?« Sie zeigte auf Morgana. »Möglich, dass du vor dir unser aller Tod stehen siehst. Glaubst du, Frauen, die so gekleidet sind wie sie, wandern des Nachts im Gebirge umher und warten nur darauf, dass jemand sie aufgreift? Nein, ihre Familie wird schon nach ihr suchen, und diese Leute werden nicht eher Ruhe geben, als bis sie sie gefunden haben.

Mädchen, bist du närrisch genug, dass du mit irgendeinem milchgesichtigen Schurken auf und davon gegangen bist? Hast du dich von zu Hause wegschleppen lassen?«

»Nein, ich würde mit niemandem davonlaufen.«

»Ehemann. Wahrhaft, Ehemann! Dieser Sklave ist niemandes Ehemann. Nein, du gehörst einem großen Herrn, sei er nun dein Ehemann oder dein Vater, und er wird außer sich sein, bis er dich wiederhat. Und wenn er dich bei uns findet, wird er wahrscheinlich jeden Einzelnen von uns umbringen.« Sie schlug sich auf die Stirn. »Was tun? Was tun? Wie heißt du?«

»Regeane.« Das Wort kam über ihre Lippen, und sie hatte das Gefühl, als gehörten diese Lippen einer anderen. »Regeane«, wiederholte sie zögernd. »Mein Name ist Regeane.«

Kapitel 2

Als Maeniel in seine Feste zurückkehrte, fanden sich nur wenige seiner Leute zu seiner Begrüßung ein. Gordo, ein hünenhafter, bärtiger Mann, überbrachte ihm die Neuigkeiten.

»Wie meinst du das, sie ist weggegangen? Vor zwei Tagen? Und niemand hat sie begleitet? Was habt ihr euch dabei gedacht? Was habt ihr euch bloß dabei gedacht?« Er schrie beinahe.

Gordo brachte es fertig, gleichzeitig gequält und verwirrt dreinzuschauen; es war selten, dass sein Anführer sich so starke Gefühle anmerken ließ. Maeniels gegenwärtiges Verhalten grenzte fast an Hysterie. In Gordos Sorge mischte sich nun ein gewisses Maß an Missbilligung. So konnte Maeniel sich einfach nicht benehmen. »Du vergisst die Würde deiner Position«, tadelte er seinen Herrn.

Maeniel fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Er hob die Hand und ließ sie gleich wieder sinken. »Wo ist meine Frau?«

Er klang gefährlich. Gordo zeigte sich ungerührt. »Das versuche ich doch gerade, dir zu erklären. Bitte hör zu.«

Maeniel holte tief Luft und stieß sie langsam und mit zusammengebissenen Zähnen wieder aus.

»Sie war besorgt wegen des Wetters«, fuhr Gordo fort. »Sie hat sich auch um dich Sorgen gemacht. Dass du vielleicht nicht rechtzeitig zurück sein würdest, um zum König zu stoßen. Sie hat sich um die Streitmacht des großen Karl gesorgt und gesagt, ein einziger anständiger Schneesturm könne für die fränkischen Krieger das Ende bedeuten. Wir haben erwidert, dass das für uns kein großer Verlust sei, dass diese königlichen Streitereien für uns einfachere Leute nicht mehr sind als ein lästiges Ärgernis. Wenn sie alle sterben würden, wäre das für uns nur umso besser. Das hat Matrona gesagt, nicht ich.«

Maeniel nickte. »Ich kenne Matronas Gefühle in diesen Dingen. Sprich weiter.«

»Das Wetter wurde immer schlimmer. Wir konnten den Sturm alle in den Knochen spüren, aber Matrona sagte, wenn die Franken sich beeilen, könnten sie es noch bis zum Fuß des Passes schaffen. Also hat sie sich auf den Weg gemacht.«

»Aber doch nicht allein!«

»Nein, nicht allein«, erklärte Gordo geduldig. »Sie hat Matrona mitgenommen. Gavin hat furchtbar gestöhnt, wegen der Kälte, aber er, Antonius und einige andere Männer haben sie begleitet. Der Sturm ist dann noch in jener Nacht ausgebrochen, und seitdem tobt er ohne Unterlass durch das Gebirge. Und ohne Matrona haben wir niemanden, der kocht.« Gordo klang untröstlich. »Mit deiner Erlaubnis gehe ich jetzt auf die Jagd«, sagte er, während er breitbeinig und träge zur Tür schlenderte.

Maeniel stürzte in sein Schlafgemach. Seine Frau konnte schreiben. Vielleicht hatte sie ihm einen Brief dagelassen.

Sein Zimmer war leer, aber nicht kalt. Über dem Kamin, einer flachen Öffnung in der Mauer, erhob sich ein gewaltiger, marmorner Rauchabzug. Selbst bei größter Kälte gab der Stein, wenn man ihn einmal erhitzt hatte, genug Wärme ab, um den Raum behaglich zu machen. Das heißt, vorausgesetzt, jemand kümmerte sich um das Feuer. Jemand hatte es getan.

Die Römer, die Erbauer dieser Festung, hatten diesen Raum ursprünglich nicht als Schlafgemach vorgesehen. Er könnte einst das Tablinum gewesen sein, die Amtsstube, die dem Kommandanten der Festung gehört hatte.

Hoch oben in einer der Wände waren drei große, runde Fenster eingelassen, die den Raum mit Licht versorgten. Jedes der Fenster war mit einer dicken Glasscheibe verschlossen, die den Wind und die Kälte draußen hielt. Man konnte nicht viel durch die Fenster sehen, aber sie sorgten für Helligkeit. Weiter unten gab es eine Tür und zwei zusätzliche Fenster. Jetzt hatte man schwere Eichenbretter vor sämtliche Öffnungen geschoben, zum Schutz gegen das schlechte Wetter.

Als er zum ersten Mal in die Festung gekommen war, hatte dieser Raum ihm sofort gefallen. Nicht nur wegen des Lichts, sondern weil sich die Fenster und Türen zu einem privaten Balkon mit Blick auf ein wunderschönes Tal und die dahinter gelegenen Gipfel öffneten. Im Laufe der Jahre hatte er diesen Raum zu einem Ort des Behagens und des Überflusses gemacht. Seidenteppiche aus dem Osten bedeckten den Boden und hingen an den Wänden, als Schutz gegen die Kälte, die durch die Steine drang. Das Bett war ein riesiges, geschnitztes Himmelbett aus Zedernholz und behaglich ausgestattet mit drei verschiedenen Vorhängen: Seidengaze für warme Sommernächte, Brokat für die frischen Nächte im Frühling und Herbst und schließlich schwere Gewebe aus Wolle und Seide zum Schutz gegen das schlimmste Winterwetter.

In dem Bettkasten darunter lagen kostbare, dicke Federbetten, Laken aus Seide und eine schwere zusätzliche Decke aus Pelz.

Regeane hatte keine Nachricht hinterlassen, aber ihr Nachthemd hing achtlos über einem der Stühle an der Herdstelle. Maeniel barg sein Gesicht in dem feinen Stoff und atmete tief ein; das Nachtgewand war durchdrungen von Regeanes Duft. Sie folgte einer sehr alten römischen Sitte und richtete besondere Aufmerksamkeit auf diese Dinge, weil sie wusste, dass sie ihn entzückten. Sie rieb sich verschiedene Teile ihres Körpers mit Ölen unterschiedlichster Düfte ein: Rosen für ihre Arme, Zitrone für die Hände, Myrre für Hals und Brüste, Lavendel aus den fränkischen Königreichen für Bauch und Schenkel, Salbei und Lorbeer für Beine und Füße. Es war eine betörende Mischung von Gerüchen: Sie duftete nach Speisen, Früchten und Kräutern gleichzeitig.

Vor der Feuerstelle standen vier Stühle, und auf einem Tisch lagen wild verstreut vier Spielbretter. Jeder von Regeanes Gefolgschaft hatte seinen eigenen Stuhl. Matrona saß auf dem gegenüber dem Feuer, Barbara saß Matrona gegenüber, und Antonius, Regeanes Kammerherr und Haushofmeister, wandte dem Feuer den Rücken zu. Auch von Gavin waren hier an der Feuerstelle deutliche Spuren zu erkennen. Maeniel betrachtete Gavin mit einem Anflug von Eifersucht. Er war ein brünstiger Bulle und würde alles nehmen, was sich ihm anbot, aber Matrona hielt ihn stets an einer kurzen Leine.

Maeniel konnte sie beinahe vor sich sehen, wie sie am Abend miteinander lachten und tranken, wie sie Schach oder Backgammon spielten. Gavin liebte Glücksspiele und hohe Einsätze, aber Antonius, der im Allgemeinen sein Geld kassierte, hielt ihn davon ab, auch bei den Frauen die Einsätze in die Höhe zu treiben. Es hatte einen unangenehmen Augenblick gegeben, als Antonius das erste Mal mit Regeane von Rom in die Feste gekommen war. Gavin bezichtigte ihn des Betrugs beim Kartenspiel und bedrohte Antonius mit einem Schwert. Maeniel verschwendete keine Zeit. Er packte Gavin mit beiden Händen und warf ihn durch das nächstgelegene Fenster.

Antonius war entsetzt gewesen. Aber Maeniel führte ihn gelassen zum Fenster – dem Fenster, durch das kurz zuvor Gavin geflogen war – und zeigte auf den roten Wolf, der sich soeben aus einer Schneewehe zu befreien suchte. »Es gefällt ihm gar nicht«, sagte Maeniel. »Sein Fell ist sehr kurz. Und er wird Stunden brauchen, um zum Tor zurückzukommen. Er wird dich nicht noch einmal bedrohen.« Dann schlenderte er davon, aber bevor er außer Hörweite war, drehte er sich noch einmal zu Antonius um und fragte: »Und? Hast du betrogen?«

»Natürlich«, antwortete Antonius.

»Tu es nicht«, sagte Maeniel.

Und soweit er wusste, hatte Antonius beim Spiel nie wieder betrogen. Aber er gewann trotzdem, da er – selbst an seinen müdesten Tagen – mindestens doppelt so intelligent war wie Gavin – doppelt so intelligent wie jeder andere von ihnen.

Maeniel ging noch einmal zum Bett zurück. Regeane und Matrona hatten die Laken und die Bezüge parfümiert. In ihrer Welt schliefen nur wenige Menschen allein. Wenn Regeane sich für die Nacht zurückzog, nahm sie, wenn Maeniel nicht da war, normalerweise eine ihrer Frauen mit.

Draußen rüttelte der Wind an den Fensterläden. Maeniel konnte sein kreischendes Wispern durch die anderthalb Meter dicken Mauern hören. »Nein«, flüsterte er. »Nein.« Es kümmerte ihn nicht, wer sie begleitet hatte. Er würde noch heute Abend aufbrechen und ... Er drehte sich um und sah Barbara in ihrem Sessel am Feuer sitzen.

Sein Körper wollte sofort reagieren; nur mit einer bewussten Willensanstrengung gelang es Maeniel, die Verwandlung zu verhindern.

»Barbara! Bist du nicht mit Regeane gegangen?«

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Du weißt doch, ich bin nicht in der Verfassung, mich diesem Wetter auszusetzen.

Antonius ist viel jünger als ich«, fügte sie hinzu. »Ich habe sie nach Kräften zu bewegen versucht, hier zu bleiben, aber niemand wollte auf mich hören, am wenigsten Regeane.« Sie verdrehte die Augen. »Und die anderen haben mich nur sehr merkwürdig angesehen, als ich vorschlug, man möge Regeanes Begeisterung für das Reisen bei heulenden Schneestürmen ein wenig dämpfen.«

»Es übersteigt ihre Vorstellungskraft, dass man sich in die Angelegenheiten eines anderen einmischen könne«, erklärte er, während er durch den Raum ging und sich in Regeanes Sessel fallen ließ, sodass er Barbara gegenüber saß.

»Dieser Gordo«, sagte sie nun, »dieser Narr hätte um ein Haar vergessen, mir von deiner Ankunft zu berichten. Er hat es rein zufällig erwähnt, als er durch die Küche kam, auf dem Weg Gott weiß wohin.«

»Er will auf die Jagd gehen«, sagte Maeniel.

»Bei dem Wetter?« Barbara zeigte auf die verriegelten Fenster.

»In den Tälern ist der Sturm wahrscheinlich nicht halb so schlimm. Und wenn doch, kann Gordo sich immer noch irgendwo zusammenrollen und schlafen.«

»Wenigstens hat sie sich Audovald als Reittier ausgesucht«, bemerkte Barbara.

»Das ist immerhin ein kleiner Trost«, sagte Maeniel. »Audovald ist ein sehr verantwortungsbewusstes Geschöpf. Die Stute, die ich ihr geschenkt habe, ist ein launenhaftes Ding, zu jung und zu nervös ...«

»Wenn sie kein Pferd wäre, würde ich sie Hure schimpfen«, sagte Barbara. »Sie hat überhaupt nur eins im Kopf ...«

»Ich habe ihr gesagt«, erwiderte Maeniel, »nicht vor dem Frühjahr.«

»Ähm, ja«, erwiderte Barbara langsam. »Du hast Regeane gesagt ...«

»Nein! Ich habe der Stute gesagt, dass sie es vergessen kann ... und dass sie ja nicht auf die Idee kommen soll, sich ihren Hals zu verrenken, um den Riegel hochzuheben. Vor allem habe ich ihr verboten, über die Halbtür zu springen.«

»Ja«, sagte Barbara versonnen. »Du hast der Stute gesagt ... erstaunlich. Ich wüsste zu gern, wie du das gemacht hast.«

»Ich werd's dir irgendwann mal zeigen«, antwortete er geistesabwesend. »Aber Audovald ist vernünftig. Er findet auch im Dunkeln durchs Gebirge. Ich bin froh, dass er bei ihr ist. Was ist eigentlich mit dem Fleisch passiert? Warum geht Gordo auf die Jagd? Und findest du es nicht beunruhigend, mit uns zu leben?«

»Ich weiß nicht, warum er auf die Jagd geht, und nein, im Allgemeinen finde ich dich und deine Freunde durchaus nicht beunruhigend. Verglichen mit dem Durchschnittsehemann bist du wie eine Brise frischer Luft. Jeder andere Mann würde seinen Zorn wahrscheinlich an uns Übrigen auslassen.«

»Nein«, sagte Maeniel. »Ich werde sie suchen. Sofort.«

»Bei diesem Wetter? Und wo sich bereits die Nacht herabsenkt?«, wandte Barbara ein.

»Egal«, erwiderte er.

Die Fensterläden ratterten und klapperten, als der Wind um das Gebäude peitschte.

»Ich hoffe, dass sich noch niemand über das Vieh hergemacht hat«, murmelte er, während er aufstand. »Sag ihnen, dass wir die Schafe wegen ihrer Wolle und ihrer Milch brauchen und dass dasselbe für die Bullen, die Kühe und die Ziegen gilt. Nicht, dass irgendjemand auf die Idee kommt, sich hier und da einen kleinen Imbiss zu genehmigen. Und wenn doch, werde ich sehr verärgert darüber sein. Hast du das verstanden?«

Barbara nickte. »Ich glaube, sie sind alle noch vollzählig vorhanden. Die Haustiere, meine ich. Was ich von deinen Gefolgsleuten nicht sagen kann.«

»Brauchst du Geld?«

»Nein«, antwortete Barbara. »Ich habe versprochen, hier zu bleiben, bis sie wieder da ist.«

»Gut. Sobald ich sie gefunden habe, bringe ich sie nach Hause.«

Barbara folgte ihm die Treppe hinunter, durch die große Halle und dann eine weitere Wendeltreppe hinab, bis sie ihm nur noch nachsehen konnte, wie er mit der Nacht verschmolz.

Es war schlimm, dachte er, während er sich den Pfad hinunterkämpfte, aber er hatte den Wind im Rücken, und er konnte ziemlich gut sehen. Als Wolf konnte er selbst inmitten eines heulenden Schneesturms – wie Barbara es ausgedrückt hatte – reisen. Aber dies war kein wirklich schlimmer Sturm. »Natürlich«, brummte er tief in seiner Kehle vor sich hin, »hätte es überhaupt keinen Sturm geben dürfen. Es ist Frühling. Der Himmel sollte klar sein und nicht ein Leichentuch aus brodelnden Wolken und Nebelschwaden. Tagsüber sollte die Sonne scheinen und die Luft wärmen und die gefrorenen Flüsse und Bäche schmelzen; sie sollte das Tal in ein grünes Meer wachsender Pflanzen verwandeln. Aber nein, dies ist das letzte Aufbäumen des Winters ...« Mit einem Mal verstummte er. Er blieb stocksteif stehen und wartete darauf, dass der Sturm abflaute. Der Wind blies ihm die dicke Pelzrüsche um seinen Hals um die Ohren und quälte mit seinem scharfen, bebenden Heulen Maeniels empfindliche Trommelfelle.

Da war es wieder, dieses Geräusch. Ein Schrei, der Schrei eines Pferdes, ein Schrei des Schmerzes, des Entsetzens und der Angst.

Über dem Wolf ragte der Berg auf, dessen Gipfel sich in Wolken verlor. An seiner linken Seite fiel eine kaum sichtbare Schlucht steil zu einem noch immer unter Schnee begrabenen Fluss hin ab. Ein Wolf kann noch in fast pechschwarzer Finsternis etwas sehen, aber jetzt gab es selbst für Maeniels Augen zu wenig Licht. Um nicht von dem schmalen Pfad abzukommen, musste er sich auf seinen Tastsinn verlassen: auf das Gefühl seiner Pfoten auf dem Schnee, auf seine Wahrnehmung der Windrichtung und auf die Neigung des Pfades unter seinen Füßen. Er konnte nicht schneller laufen, ohne sich in Gefahr zu bringen.

Er beschleunigte dennoch seinen Schritt. Er wusste, dass er ungefähr in die Richtung lief, aus der er das Geräusch gehört hatte. Das war alles, was er im Augenblick tun konnte.

Dies hier war sein Territorium. Sein Territorium im menschlichen Sinne, nach dem Gesetz der Menschen. Als der Mensch Maeniel hatte er es von Karl bekommen, dem König der Franken. Wer auch immer hier heraufkam und über den Pass ging, folgte seiner, Maeniels, Straße und seinen Regeln. Er hatte nicht gehört, dass Reisende in diese Richtung unterwegs waren, daher musste das Pferd seines sein und würde ihn zu seiner Frau, Regeane, und den anderen führen.

Audovald? Er glaubte nicht, dass es Audovald war. Nein, Audovald war nicht einfach ein Pferd, er war ein alter; bewährter Freund, und Regeane hatte auf seinem Rücken gesessen. Maeniel blieb stehen, während ein besonders heftiger Windstoß ihm das Fell an den Körper drückte und die Kälte sich bis auf seine Haut hinabbohrte. Er schüttelte sich kräftig, um den Schnee aus dem Pelz zu bekommen, und überlegte, dass er wahrscheinlich zu lange in Rom gelebt hatte. Das milde Klima dort hat mich verweichlicht. Wenn es Audovald ist, wird er meine Stimme erkennen. Maeniel hob den Kopf und heulte. Er legte alles, was er hatte, in diesen Ruf, beginnend mit dem dunklen Bariton des Jagdrufs, dann weiter mit den Zwischentönen der Einsamkeit, bis seine Stimme schließlich die höchsten Register von Trauer und unstillbarer Sehnsucht erreichte, immer höher und höher, bis sie für menschliche Ohren kaum mehr wahrnehmbar war.

Er bekam unverzüglich Antwort: ein Wiehern, das voller Angst und Furcht war.

Trotz Wind und Kälte und Dunkelheit begann Maeniel zu laufen. Der erste Sprung gelang gut, aber der Zweite trug ihn weit, zu weit, hinaus ins Nichts.

»Regeane«, flüsterte sie und wandte sich dem Bett zu.

»Dort würde ich an Eurer Stelle nicht hinsehen, edle Dame«, sagte Lavinia. »Sie war eine der Favoritinnen des Abts und hat Gift genommen. Ihm gefallen sie tot besser als lebendig. Deshalb liegt sie noch immer hier, aber sie riecht furchtbar, und jetzt fällt sie auch langsam auseinander.«

»Was?«, wisperte Regeane, obwohl sie sofort wusste, dass Lavinia die Wahrheit sagte. Ihre übernatürlich scharfen Sinne teilten ihr mit, dass sich eine Leiche in dem Zimmer befand und dass sie in dem Bett lag.

Regeane berührte mit einer Hand ihr Gesicht; ein Gefühl trunkener Verwirrung hielt sie umfangen, aber sie hatte nicht getrunken. Sie war einen Pfad entlang geritten, im Pass. Das Pferd scheute. Ihre letzte entsetzliche Erinnerung war die Erkenntnis, dass das Pferd Audovald sie unter sich begraben würde. Die Erde, die die schmale Straße bedeckte, musste ... musste ...

Regeane berührte ihre Wange. Ihre Hand war kalt, eisig. Der Schmerz ihrer eigenen kalten Finger auf ihrer Haut erschreckte sie und verscheuchte auch den letzten Rest Schläfrigkeit. Sie entfernte sich so weit von dem Bett, wie sie konnte.

»Gibt es hier keinen Raum, der sauberer und geeigneter ist als diese ... diese Totenkammer.«

»Nein«, flüsterte Lavinia. »Wir Frauen kommen hierher, weil wir hier sicher sind. Selbst wenn sie ...« Lavinia deutete auf das Bett. »Selbst wenn sie nicht die angenehmste Gesellschaft ist, die man sich vorstellen kann, so wird sie uns doch zumindest nicht schlagen und vergewaltigen. Etwas, womit ich bei den lebhafteren Gefährten des Abts immer rechnen muss.«

Ja, dachte Regeane. Das war ein Räubernest, wenn nicht gar Schlimmeres. Schlimmeres ... Diese Vorstellung machte ihrem umwölkten Verstand zu schaffen. Was konnte diesseits des Todes noch schlimmer sein? Aber vielleicht war sie nicht mehr diesseits des Todes. Vielleicht war sie gestorben, als das Pferd ... stürzte? Sie war sich nicht sicher, ob es gestürzt war, aber andererseits – nein. Doch, sie dachte nach und war sich am Ende sicher: Das Pferd war gestürzt. Wie weit ging es an dieser Stelle des Passes in die Tiefe? Irgendjemand, sie konnte sich nicht daran erinnern, wer, hatte gesagt, das Tal liege fast eine Meile weit unter ihnen. Nein, nichts konnte einen derartigen Sturz überleben. Also war sie tot. Aber wie war das möglich? Da sie doch immer noch fühlen, denken, sich bewegen konnte und, ja – sie atmete die eiskalte Luft in tiefen Zügen ein –, ja, sie konnte auch noch atmen.

Aber trotzdem war sie vielleicht tot, denn sie fror so furchtbar. Sie bewegte sich langsam auf die niedrige Feuerstelle zu, wo das Kind hockte, Morgana. Die Frau, Lavinia, nahm von einem Metallgerüst in der Nähe der Herdstelle ein Holzscheit und warf ihn auf die fast erstorbenen Kohlen. Das Holz zischte und knisterte. Die Borke musste noch feucht gewesen sein. Dann fing das Holz Feuer, loderte hoch auf und verbreitete eine jähe Hitze.

Regeane streckte dankbar die Hände aus, um die Wärme dieses neugeborenen Feuers zu genießen. Sie schloss die Augen und sah das rote Glühen hinter ihren Lidern. Der Holzrauch, der ihr in die Nase stieg und in ihre Kleider eindrang, verströmte einen saubereren Duft als irgendetwas sonst in dem verkommenen Raum um sie herum.

»Ahhh, das tut gut«, flüsterte Lavinia.

Regeane spürte, wie ihr Kopf langsam klar wurde. »Mein ... Gemahl?«

»Seid keine Närrin«, fuhr Lavinia sie an. »Ich wette, Ihr kennt nicht mal seinen Namen.«

»Das nicht, aber er hat versucht, mir zu helfen. Vielleicht hat er mir sogar das Leben gerettet. Also, wo hat man ihn hingebracht? Und was werden diese Männer mit ihm machen?«

»Pst. Seid dankbar, dass sie ihn haben, er wird sie bis morgen früh beschäftigen. Sollen sie ihn heute Nacht in aller Ruhe umbringen, und morgen werde ich ...« Sie drehte sich dorthin um, wo einen Augenblick zuvor noch Regeane gestanden hatte, und stieß einen scharfen Laut der Überraschung aus. Die junge Frau war verschwunden!

Der Sachse war von Natur aus kein Optimist, und in der Tat hatten sich seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Er hatte – selbst bei den Lombarden – düstere Geschichten über diesen Ort gehört, das so genannte Kloster am Fuße des Passes. Diese Geschichten hatten ihn nicht im Mindesten berührt, denn er wollte ohnehin den Würdenträgern des fränkischen Königs um jeden Preis aus dem Weg gehen. Er wusste nicht, ob sie ihn seinen lombardischen Besitzern zurückgeben würden, aber er hatte nicht die Absicht, ihre Barmherzigkeit auf die Probe zu stellen. Es war eine harte Welt, und nirgends durfte ein Mann ohne Freunde und Verwandte auf Zuflucht oder gar Mitleid hoffen. Das war seine unverbrüchliche Überzeugung, und nichts in seinem Leben hatte ihn auch nur im Mindesten vom Gegenteil überzeugen können. Erst recht nicht diese jüngste Erfahrung.

Es gelang ihm, seine Reflexe so weit zu beherrschen, dass sein Kopf nicht auf dem Fußboden zu Brei geschlagen wurde, aber er war nach wie vor gefesselt. Er wusste nicht, wohin sie ihn gebracht hatten, und auf dem Weg hierher hatte er sich ganz darauf konzentriert, seinen empfindlichen Schädel von den Pflastersteinen fern zu halten; ansonsten hatte er jede Gegenwehr aufgegeben und versucht, seine Glieder erschlaffen zu lassen. Gefesselt oder nicht, er war noch immer in das Bärenfell gehüllt, und der dicke Pelz sorgte dafür, dass er keine schweren Verletzungen von der rauen Behandlung seiner Peiniger davontrug. Das Ding brachte Glück – oder vielleicht auch nicht. Er war mit dem Pelz gefangen genommen worden, andererseits hatte der Pelz ihm wahrscheinlich das Leben gerettet, als man ihn an die Lombarden verkaufte. Aber in den Sklavenpferchen musste er mit drei Männern – oder waren es vier gewesen? – um das verdammte Ding kämpfen. Der Schlag auf den Kopf war sehr hart gewesen ... aber an dieser Stelle endeten seine Spekulationen, weil er sich in der Klosterkapelle wiederfand. Er wurde mit gestreckten Gliedern auf den Boden gelegt.

Das Ding – so nannte er es in Gedanken –, das Ding, das ständig kicherte, untersuchte ihn. Ein Finger stach ihm an mehreren Stellen in den Körper. »Seid ihr sicher, dass ihr nicht zu fest zugeschlagen habt?«, fragte das Ding die Knechte, die ihn hierher geschleppt hatten. »Er sieht tot aus.«

»Tot, dass ich nicht lache!«, knurrte eine Stimme, die er erkannte; sie gehörte einem der Männer, die am Tor gestanden hatten. »Mach die Augen auf, du Schwein.«

Irgendjemand, wahrscheinlich der Sprecher, trat ihm mit dem Stiefel in die Rippen.

Der Sachse flüsterte den übelsten Fluch, den er kannte, und öffnete die Augen. Sie hatten sich im Kreis um ihn herum aufgestellt. Noch nie hatte er eine schlimmere Horde von Halsabschneidern gesehen. Sie waren allesamt voller Narben, dem einen fehlte ein Auge, dem anderen eine Hand, einer hatte keine Nase, ein anderer hatte nicht einmal Lippen. Aber was ihn dann wirklich vor Entsetzen erbeben ließ, war der Anblick des Mannes, der am Tor gestanden hatte, der Mann, dem seine Begleiterin einen Dolch in die Kehle gerammt hatte. Und er war nicht nur lebendig, er schien auch recht gesund zu sein.

Das Ding, der Kicherer, lachte auf eine besonders widerwärtige Weise. »Odd, er kann nicht fassen, dass du lebst.«

Odd lachte schallend und bespuckte den Sachsen mit einer widerwärtigen Mischung aus Schleim und Blut. »Was ich ganz sicher nicht ihm und seiner hübschen Katze zu verdanken habe.«

Der Sachse wandte gerade rechtzeitig den Kopf zur Seite, um nicht mitten im Gesicht getroffen zu werden.

»Sie kann jedenfalls geschickt mit einem Messer umgehen, dieses Frauenzimmer, das bei ihm war«, sagte Odd. »Vielleicht bleibt sie ja ein Weilchen und leistet uns Gesellschaft.«

Ja, dachte der Sachse, er hat tatsächlich ein Loch im Hals, fast wie einen zweiten Mund, wo ihr Messer ihn durchbohrt hat. Jemand hatte die Wunde zugenäht. Sie war jetzt eine rote Linie, die sich von seinem Adamsapfel bis unter sein Ohr spannte. Nein, er hätte tot sein müssen. Wie kam es, dass er es nicht war?

»Wirklich ein Jammer«, sagte Odd. Seine Stimme klang belegt und rau, als hätte der Schlitz in seiner Kehle nur seine Fähigkeit zu sprechen ein wenig beeinträchtigt. »Wirklich schade, dass wir Gui nicht zurückholen konnten. Das Schwein hat zu viel von ihm vergeudet, als es ihn gegen den Pfosten schlug.«

»War Gui derjenige, dem ich den Schädel gespalten habe?«, fragte der Sachse.

Odd lachte, ein seltsames, gurgelndes Geräusch. Dann hustete er rasselnd und spuckte abermals aus. »Ich bin noch nicht wieder in Ordnung. Ich blute immer noch«, jammerte er.

»Schneidet mich los«, sagte der Sachse. »Ich bringe dich in Ordnung, wie ich es bei Gui getan habe. Dann wirst du schon aufhören zu bluten, du Bastard.«

Ein anderer Mann trat ihn. Es war ein guter Tritt, wohl gezielt und bösartig, und er raubte dem Sachsen den Atem.

»Bettle um dein Leben, Schwein«, sagte der Kicherer. »Die haben es auch getan.« Er zeigte auf die Chorstühle, die sich an der Wand der Kapelle entlangzogen.

Ja, der Sachse erkannte den Raum. Es war eine Kirche, eine Kirche, wie sie die Christen hatten. Er und die anderen Sklaven waren einmal die Woche in eine getrieben worden, dort, wo man sie gefangen hielt. Diese Gebäude erinnerten ihn stark an Kuhställe, nur, dass sie höhere Dächer hatten. Sie waren länglich und ziemlich schmal. Die Wände waren von Stühlen mit hohen Rückenlehnen aus geschnitztem Holz gesäumt. Diese Stühle waren für die Priester gedacht, die Einzigen, die sich setzen durften. Die Sklaven und die wenigen Bauern, die den Dienst der niedrigsten Feldarbeiter der Villa taten, knieten auf dem nackten Steinfußboden, während die christlichen Priester in ihren langen Röcken an einem Altar am anderen Ende des Raums einen komplizierten Ritus vollzogen.

Er hatte die ganze Zeremonie als eine elende Erfahrung empfunden: die Kälte, der Schmerz seiner nackten Knie und der Gestank der ungewaschenen Leiber seiner Leidensgefährten, ganz zu schweigen von der Anwesenheit der Zuchtmeister, die dafür bezahlt wurden, Aufstände unter den Sklaven zu verhindern. An bestimmten Stellen der Messe – er war sich nie sicher, wann genau – schlugen die Aufseher mit ihren Peitschen auf jeden Sklaven ein, der das Unglück hatte, auch nur das leiseste Geräusch von sich zu geben. Einmal hatte ein Sklave, dessen Verstand umwölkt war, den Christengott mitten in der Zeremonie laut verflucht. Der Sachse hatte mit angesehen, wie die Zuchtmeister dem Mann die Augen ausstachen und die Zunge abschnitten, und er hatte daraus geschlossen, dass dieser Gott übellauniger sein müsse als die Geister seines Volks, die Geister von Wind, Kälte, Sturm, Feuer, Begehren und Fruchtbarkeit. Sie zumindest scherten sich nicht um menschliches Leiden. Der Christengott dagegen war geradezu bösartig. Tatsächlich schien ihm dieser geistesstumpfe Abt mit seinen Spießgesellen, von denen er jetzt mit Sicherheit wusste, dass sie Tote waren, ein passender Diener für diesen Gott zu sein. »Bettle um dein Leben.« Diesmal war es der Abt, der ihn trat.

»Ich pisse auf euch«, sagte der Sachse.

»Betteln sollst du«, kreischte der Abt. Schnodder rann ihm aus der Nase und Sabber von den Lippen. Er schien enttäuscht zu sein. »An dieser Stelle«, wimmerte er, »haben sie immer alle gebettelt.«

»Ich scheiße auf dich«, sagte der Sachse. »Pisse würde ich dir nicht geben, die wäre noch zu schade für dich.«

»Ich weiß, ich weiß«, rief einer der Männer neben Odd. »Kommt, zeigen wir ihm unsere Gäste.« Er deutete auf die Chorstühle.

»Ja«, sagte der Abt.

Der Abt begann strahlend vor Begeisterung auf und ab zu springen, aber beim zweiten Hüpfer begriff der Sachse, wohin dies führen würde, und schaffte es, sich auf die Seite zu drehen. Der Abt landete auf seinen Rippen. Der Sachse bäumte sich unter ihm auf wie ein wütendes Pferd – trotz seiner Fesseln konnte er sich immer noch bewegen –, aber dann wechselten die Männer sich ab, um zu sehen, ob sie auf ihm stehen bleiben konnten. Er knirschte mit den Zähnen, er drehte und wand sich und versuchte, am Leben zu bleiben, während die ganze Meute nur das eine Ziel kannte: ihn zu Tode zu trampeln. Glücklicherweise besaßen nur wenige der Männer Stiefel, die schwer genug waren, um großen Schaden anzurichten, aber er hörte dennoch, wie erst eine Rippe brach, dann eine weitere; schließlich rutschte er mit dem Gesicht nach unten gegen den hölzernen Lettner vor dem Altar, erbrach sich und rang nach Luft.

Die anderen Männer zogen sich zurück, aber der Abt versetzte ihm noch ein paar Tritte dorthin, wo er seine Nieren vermutete. »Meine Güte, der ist aber unterhaltsam«, plapperte der Abt wohlgelaunt. »Wir hatten schon lange keinen mehr mit so viel Energie. Ja, zeigen wir ihm unsere Gäste.«

Zwei der Männer packten ihn an den Armen und zogen ihn zurück in die Mitte des lang gestreckten Raums.

»Die Fackel«, rief der Abt.