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"Ich komme gar nicht mehr zum Arbeiten" ist eine Aussage, die uns häufig begegnet. Minimalistisch Arbeiten ist eine Reise durch viele Bereiche der modernen Arbeitswelt: Hierarchien, Arbeitsorte, professionelle Rollen, Finanzen, Beziehungen, Innovationen u. v. m. – immer mit dem Blick darauf, ob es uns dient oder hindert. Ebenso führen wir viele Inspirationen für alternative Systeme, Methoden und Glaubenssätze auf und erzählen aus dem Arbeitsalltag der Working Evolutions, in dem die Praxis minimalistischen Arbeitens (fast) keine Utopie mehr ist. Minimalistisch Arbeiten enthält zudem methodische Anleitungen und Aufgaben: wie kann es uns gelingen, inmitten all des organisationalen Gerümpels das Wesentliche zu entdecken und zu schützen?
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Seitenzahl: 256
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Monia Ben Larbi & Anne Wilhelm
Minimalistisch Arbeiten
Von der kontinuierlichen Suche nach dem Wesentlichen
www.minimalistisch-arbeiten.org
Working Evolutions gGmbH
Pommritz 1
02627 Hochkirch
www.working-evolutions.org
Lektorat: Clara Mentzel
Satz, Layout, Design: Anne Wilhelm
Herausgegeben von: Working Evolutions gGmbH
ISBN Softcover: 978-3-347-89779-3
ISBN E-Book: 978-3-347-89772-4
Druck, Distribution und Publikation im Auftrag des Autors: tredition GmbH
An der Strusbek 10
22926 Ahrensburg
Diese Creative-Commons-Lizenz bedeutet, dass wir uns freuen, wenn Ihr kopiert, nutzt, weiterentwickelt, verteilt – solange Ihr nicht vergesst, uns zu erwähnen.
Die genauen Bedingungen der Lizenz findet ihr hier:
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode.de
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Gendergerechte Sprache
Dank
Vorwort
Einleitung
Zahlen
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Über dieses Buch
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgaben
Teil 1: Grundprinzipien des minimalistischen Arbeitens
Alles ist schon da
Aufgabe
Loslassen gehört zum Leben
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Alles braucht Raum
Fazit
Teil 2: Arbeiten aus Sicht des Minimalismus
Minimalistische Strukturen
Hierarchien
Zahlen
Aufgabe
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Bereiche
Zahlen
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Prozesse
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Fazit
Minimalistische Finanzen
Ausgaben
Zahlen
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Zahlen
Aufgabe
Einnahmen
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Gewinnansprüche
Fazit
Aufgabe
Minimalistische Regeln
Entscheidungen
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Verwaltung
Einblicke in die Working Evolutions
Zahlen
Aufgabe
Rituale
Einblicke in die Working Evolutions
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Fazit
Minimalistischer Umgang mit Zeit
Termine
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Aufgaben
Aufgabe
Arbeitszeit
Zahlen
Einblicke in die Working Evolutions
Fazit
Minimalistische Planung
Strategien
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Projekt- management-Methoden
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Innovationen
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Fazit
Minimalistische Arbeitsorte
Mobil
Büro
Zahlen
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Lärm/Stille
Zahlen
Fazit
Minimalistische Digitalität
Informationen online
Zahlen
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Projektmanagement-Tools
Zahlen
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Hightech
Einblicke in die Working Evolutions
Fazit
Minimalistische Beziehungen
Gespräche
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Versprechen
Fakten
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Professionelle Rollen
Zahlen
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Fazit
Minimalistische Innenwelten
Gefühle
Zahlen
Einblicke in die Working Evolutions
Ego
Aufgabe
Aufgabe
Glaubenssätze
Aufgabe
Aufgabe
Fazit
Zusammenfassung
Aufgabe
Teil 3: Methodik minimalistischen Arbeitens
Auswahlkriterien
Arbeitsfähigkeit
Freude
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
(Theoretisches) Gleichgewicht
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Werte
Aufgabe
Sinn
Fazit
Auswahlmethoden
Punktuelle Aktionen
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Bereich nach Bereich
Aufgabe
Auf null setzen
Einblicke in eine andere Organisation
Routinen
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Aufgabe
Täglich
Aufgabe
Ein Neues - zwei Alte
Sobald es stört
Zahlen
Aufgabe
Das Eingangstor beschützen
Freundliches Nein
Aufgabe
Einblicke in die Working Evolutions
Begrenzte Anzahl
Einblicke in die Working Evolutions
Fazit
Zusammenfassung
Das WWW des minimalistischen Arbeitens
Schlussgedanken
Über die Autorinnen
Literatur
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Gendergerechte Sprache
Literatur
Cover
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Gendergerechte Sprache
Wir wollen, dass unsere Sprache alle Menschen gleichermaßen repräsentiert und haben uns deshalb bewusst für gendergerechte Sprache mittels Genderstern (*) entschieden. Dieser verdeutlicht unserer Meinung nach am besten, dass wir nicht nur Menschen ansprechen, die sich als Frauen oder Männer identifizieren, sondern auch diejenigen, die sich in diese zwei Geschlechterkategorien nicht einordnen können oder wollen. Da wir gleichzeitig einen Lesefluss ohne Dopplungen mögen, haben wir uns an den entsprechenden Stellen für das generische Femininum entschieden. Auch hier meinen wir das genderübergreifend und die Verwendung der grammatisch femininen Bezeichnung bezieht sich nicht nur auf Frauen, sondern auf Personen aller Geschlechter(un)zugehörigkeiten.
Dank
Wir möchten uns ganz herzlich bei Clara Mentzel bedanken, die uns im Rahmen ihres Praktikums mit viel Recherche versorgt hat. Die meisten Zahlen, die ihr in diesem Buch vorfindet, habt ihr Clara zu verdanken.
Unser aufrichtiger Dank gilt ebenso den ehemaligen und gegenwärtigen Teammitgliedern der Working Evolutions Christoph, Flo, Heiko, Jenny, Jule, Reno und Sophie, dafür, dass wir so vieles ausplaudern durften.
Vorwort
von Monia & Anne
Mein Mann baut Messen auf und bringt immer wieder Pflanzen mit, die nur für die Messe gekauft und dann weggeschmissen werden. Ich habe alles andere als einen grünen Daumen. Mein Mann ist da ein bisschen besser, aber auch nicht super begabt. Wir geben uns aber große Mühe, diesen ungeliebten Wesen ein Zuhause zu geben. Doch eine Sorte Pflanzen fühlte sich bei uns nie wohl und so standen da viele halb tote, lilienartige Pflanzen und verströmten nicht wirklich Lebensfreude. Nach viel Recherche wechselten sie schließlich in die Hydrokultur. Es ging ihnen jedoch zunächst auch nicht viel besser. Bis ich entdeckte, dass das kleine Röhrchen, das den Wassergehalt anzeigt, nicht nur ein Minimum und ein Maximum hat, sondern auch ein optimales Minimum und ein optimales Maximum.
Und seitdem sie in diesem Bereich gegossen werden, geht es ihnen blendend. Und ich habe endlich verstanden, warum Anne die ganze Zeit von Minimalismus spricht, denn ich hätte das Optimum eher bei 80 % vermutet. Stattdessen ist aber der Bereich, an dem sie sich gesund entfalten können, eher bei 20 bis 40 %. Diese Formel ist für mich zum Leitsatz geworden. Nehme ich zum Beispiel meinen Tag, der aus vierzehn wachen Stunden besteht, dann steht das für drei bis fünf Stunden verplante Zeit als optimales Maximum. Nehme ich meinen Arbeitstag, eher ein bis zwei Stunden. Das entspricht tatsächlich ziemlich genau dem Maß, in dem mir verplante Zeit guttut. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich den Rest des Tages nichts mache. Ich muss aber nichts machen. Es entsteht Raum, um auf das zu reagieren, was in der Gegenwart wichtig ist. Es entsteht Raum für Wesentliches. So danke ich meinen empfindlichen Ladies Spathiphyllum für diese wichtige Lektion über das richtige Maß und widme ihnen dieses Buch, das hoffentlich auch für euch ein paar Aha-Momente bereithält. Eure Monia Minimalismus war für mich nie eine radikale Entscheidung, sondern hat sich durch verschiedene Einflüsse in mein Leben geschlichen. Mit Ende zwanzig merkte ich, dass mir die gutbürgerlichen Besitztümer mehr Arbeit bereiten als sie Freude versprachen. Das Auto, die große Wohnung, Küchengeräte, futuristische Staubsauger oder ein voller Kleiderschrank brauchten viel Zeitzuwendung für Reparatur, Pflege, Reinigung, Wartung und Neuanschaffung. Irgendwann war ich zunehmend genervt davon, wie viel Aufmerksamkeit mein Hab und Gut verlangt und begann, meinem Bauchgefühl freien Lauf zu lassen und nur noch das zu tun und zu behalten, was zu mir passt (und nicht zu dem gutbürgerlichen Ich, welches einmal mein Ideal war). Nachdem ich viel losgelassen hatte, war die Lebensrealität um mich herum natürlich immer noch die gleiche: Überfluss, unbegrenzter Konsum und ungesundes Wachstum, inmitten ziemlich unzufriedener Menschen. Ich bekam zunehmend Fluchtreflexe.
Ich haderte lange damit, wie ich in Zukunft in eine Welt passen sollte, die meiner Wahrnehmung nach im ständigen Überfluss lebt und kam zu dem Schluss, dass wir vielleicht nicht zusammenpassen müssen. Mir ist es zwischendurch egal(er), wenn Leute es komisch finden, wenn ich auch meine Schuhe Secondhand kaufe, mein Essen vom Fairteiler hole oder ich lieber teurer miete als billig kaufe. Inzwischen lebe ich auf einer kleinen Insel in Indonesien, habe nur meinen Rucksack und zwei Katzen als ständige Begleiter, miete ein kleines Haus und einen Roller und lebe ein sehr einfaches Leben, das unglaublich viel Freiraum bereithält. Mein Tag ist immer noch ziemlich normal und besteht aus Arbeiten, Spazieren, Kochen und draußen sein – aber ich fühle mich reicher als je zuvor in meiner Hängematte und vermisse nichts außer guter Schokolade. Ich glaube, das ist es, was mich am Minimalismus reizt: Man kann still und sanft und sehr individuell gegen das System rebellieren, das Glück durch endlosen Konsum verspricht. Ich hoffe, das Buch inspiriert euch zu einem Mittelweg, der gut zu euch passt – denn Minimalismus ist gar nicht so viel Verzicht, eher genug Raum für das Wesentliche. Eure Anne
Viel Freude beim Lesen dieses Buches – und tretet gern mit uns in Kontakt, denn wir wollen eure Meinungen, Vorschläge, Kritiken und Hoffnungen hören.
Einleitung
„Es kommt aus der Kunst“, sagen die einen. „Es ist eine philosophische Strömung, die mit Antisthenes begann“, sagen die anderen (GEO, 2022). „Am Ursprung steht die simplify-Bewegung hinter Joshua Becker“, sagen wieder andere. Einigen wir uns also darauf, dass die Frage nach dem richtigen Maß die Menschheit wohl schon immer beschäftigt hat und dass Menschen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind. Doch egal, wo wir auch ansetzen möchten: Im Mittelpunkt minimalistischer Strömungen stand nie der Verzicht, sondern immer die Suche nach dem persönlichen Glück. Autonomie und Freiheit sind zentral mit unserem Glück verbunden. Daher lohnt die ehrliche Untersuchung dessen, was wir tun und besitzen. Was macht uns frei, was unfrei? Für die Kyniker (5. JH v. Chr.) ging das sehr weit: „Ich besitze nicht, damit ich nicht besessen werde.“ Damals wie heute erleben Menschen Verstrickung im Zusammenhang mit einem Übermaß an materiellen Gütern. So wird Minimalismus politisch, versinnbildlicht den Ausstieg aus dem Turbo-Kapitalismus und stellt Werbeversprechen infrage, die uns Glück durch Besitz verheißen. Denn: Wer besitzt am Schluss eigentlich wen?
Als Organisation, die sich mit wertebasiertem Arbeiten befasst, warten wir also darauf, dass Minimalismus endlich auch die Arbeitswelt erreicht. Bücher wie “Die 4-Stunden-Woche” (Ferriss, 2015) stehen auf den Bestsellerlisten und spiegeln die große Sehnsucht nach weniger wider. Doch so richtig entsteht kein einheitliches Bild von minimalistischem Arbeiten. Die vielen Beiträge hierzu konzentrieren sich auf das Individuum, das mit klaren Listen arbeitet, Pausen macht und seinen Schreibtisch aufräumt. Joshua Becker als Begründer der aktuellen minimalistischen Bewegung hat inzwischen sogar das Gefühl, seine Liebe dazu, viel zu arbeiten, verteidigen zu müssen. Für ihn steht minimalistisches Arbeiten primär dafür, die Arbeit dem gesellschaftlichen Wohl und nicht dem persönlichen Gewinn zuzuführen (Becker, 2022).
Der Besitz erzeugt nicht nur Pflichten, er schafft so viele, dass eine Fülle davon Qual ist. - Oscar Wilde
Less is more. – Ludwig Mies van der Rohe
Doch wie kollektives minimalistisches Arbeiten und wie eine minimalistische Organisation als Ganzes aussieht – diese Fragen bleiben vorerst offen. Sicher ist, dass die meisten Organisationen unter einer großen Schicht wohlgemeinter Aktivitäten begraben liegen:
• Meetings, um alle zu beteiligen
• Prozesse, um die Effektivität zu gewährleisten
• Formulare, um Gerechtigkeit u. Rechtssicherheit zu schaffen
• Strategien, um die Zukunft zu planen
• Tools, um die Chancen der Digitalität zu nutzen
• Arbeitsgruppen, um Neues zu etablieren
• …
All diese peripheren Aktivitäten nehmen so viel Raum ein, dass in unseren Gesprächen mit Organisationen immer wieder dasselbe herauskommt: Die Leute haben kaum noch Zeit für ihre eigentliche Arbeit, für das, was als Inhalt in ihren Jobbeschreibungen steht. Hinzu kommt, dass moderne Räumlichkeiten und digitale Tools für so viele Unterbrechungen sorgen, dass die Menschen eher den Zug als das Büro als einen geeigneten Arbeitsort angeben. Laut Befragungen wird das Wochenende oder die Stunden vor und nach der Kernarbeitszeit als geeignete Arbeitszeit angegeben (Fried, 2014).
Oftmals fühlt es sich an, als müssten diese ganzen störenden Dinge und dieses organisationale Gerümpel als gegeben angesehen werden, als gehörten sie eben einfach zum Arbeitsleben dazu. Doch all das sind Entscheidungen, die irgendwann mal in der Organisation getroffen wurden, und wenn sie nicht durch uns entschieden wurden, werden sie zumindest von uns getragen. Unsere Überforderung damit ist nicht nur das Ergebnis unserer getroffenen, sondern besonders der nicht getroffenen Entscheidungen.
Zahlen
• Alle vier Minuten bzw. 15-mal pro Stunde werden wir bei der Arbeit unterbrochen (Starker et al., 2022).
• Die Top 3 der Arbeitsunterbrechungen sind E-Mails, Aufs-Handy-Schauen und Online-Chats mit Kolleginnen (Starker et al., 2022).
• Kurze Arbeitsunterbrechungen erhöhen das persönliche Stresslevel und reduzieren die kognitive Leistungsfähigkeit um 20 bis 40 % (Haufe Online Redaktion, 2019).
• Kurze Unterbrechungen von wenigen Sekunden reichen schon aus, um die Fehlerquote zu verdoppeln (Haufe Online Redaktion, 2019; Michigan State University, 2013).
Einblicke in die Working Evolutions
Anne war die erste Mitarbeiterin der Working Evolutions. Sie war der Jobausschreibung mit einer so minimalistischen Bewerbung gefolgt, dass nicht einmal klar war, welche Ausbildung sie hatte oder welche Jobs sie bisher gemacht hatte. So kam das Wesentliche glasklar rüber: Sie teilte die Werte und die unbedingte Sehnsucht, sich in der Region einzubringen und war in der Lage, zu designen und zu texten. Annes Kennenlerngespräch war das erste und noch heute sprechen wir immer wieder darüber, dass einer ihrer ersten Sätze war: „Ich will einfach nur arbeiten!“. Die Sehnsucht hinter diesem Satz war eine Arbeit, die auf eigenen Entscheidungen, Flexibilität, Potenzialentfaltung und Wirksamkeit beruht. Sie hatte keine Kraft und Geduld mehr dafür, immer auf die Erlaubnis warten zu müssen, etwas tun zu dürfen. Und die Working Evolutions brauchte Anne.
Nicht alle Menschen in ihrem Umfeld verstanden ihre Entscheidung, die Arbeitsstelle zu wechseln. Aber schließlich tauschte sie den heiligen Gral der festen Stelle ein gegen eine befristete Teilzeitstelle in einem Start-up, welches thematisches Neuland betrat.
Aufgabe
Arbeiten bedeutet für jeden Menschen etwas anderes. Für Joshua Becker bedeutet es die Herstellung von Gemeinwohl. Für Anne bedeutet es die Möglichkeit, das eigene Können sinnvoll einzusetzen. Für die, die Anne damals nicht verstanden haben, bedeutet es, eine sichere Anstellung zu haben. Was bedeutet es für dich?
Schreib hier ein paar Stichpunkte auf:*
*Ihr könnt jeden freien Platz in diesem Buch nutzen, wie ihr wollt, könnt Seiten herausreißen, falten, verschenken, bemalen, markieren, bekleben - also einfach genau das tun, was für euch Sinn ergibt. Es ist ein Arbeitsbuch – also scheut euch nicht, damit zu arbeiten!
Über dieses Buch
Dieses Buch besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil geht es um die drei Grundprinzipien minimalistischen Arbeitens, die die Basis für alles bilden, was ihr im Buch findet.
Der zweite Teil des Buches führt durch neun arbeitsbezogene Bereiche, die aus unserer Sicht für die meisten Organisationen relevant sind. In 27 Themen aufgeteilt beschreiben wir, an welchen Stellen wir „Maximalismus” erleben und welche Möglichkeiten das minimalistische Arbeiten diesem entgegenstellt. Hierbei wird es nur sehr wenig um materiellen Minimalismus gehen, da die meisten Arbeitsprozesse eher ideell sind. Wir vermuten, dass deshalb, auch zu unserer Überraschung, noch niemand dieses Buch geschrieben hat, denn wir übertragen hierbei die bekannten minimalistischen Prinzipien und Methoden auf eine modeme(re) Arbeitswelt. Die neun Bereiche sind nicht als vollständig anzusehen, sondern sollen euch tief genug in die Logik des minimalistischen Arbeitens einführen, damit ihr sie dann auch auf andere Bereiche, die in euren Organisationen einzigartig sind, übertragen könnt.
Wir wissen, dass dieses Buch aus Sicht der Wissens- und Kreativarbeit geschrieben ist und in anderen Berufen möglicherweise nicht vergleichbar viel Freiheit möglich ist, wie bei uns. Wir glauben jedoch, dass eine Grundlogik überall anwendbar ist: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Im dritten Teil gehen wir auf die methodische Ebene und führen Minimalismus als übergeordnetes Konzept ein, unabhängig davon, um welchen Themenbereich es geht. Hier stellen wir euch zunächst die leitenden Prinzipien des minimalistischen Arbeitens aus unserer Sicht vor. Der nächste Abschnitt befasst sich mit Kriterien, die ihr zugrunde legen könnt, wenn ihr auf schwierige Entscheidungen stoßt. Zuletzt übertragen wir Methoden des Ausräumens auf den Arbeitsalltag, um euch eine Bandbreite von Möglichkeiten aufzuzeigen, damit ihr mit Freude und Abwechslung das Loslassen etablieren könnt.
Clutter is postponed decisions. - Barbara Hemphil
Ihr findet in diesem Buch zudem:
Einblicke in die Working Evolutions
Hier erzählen wir euch ein wenig von den schönen, schwierigen und absurden Dingen, die uns bei unserem andauernden Selbstversuch mit minimalistischem Arbeiten passieren. Spätestens an dieser Stelle werdet ihr merken, dass wir uns eher als Lernende anstatt als Expertinnen verstehen.
Aufgaben
Dieses Buch wird erst durch eure eigenen Gedanken, Meinungen und Erlebnisse vollständig. Daher findet ihr immer wieder themenspezifische Aufgaben und Platz für eure Notizen und Kritzeleien.
Teil 1: Grundprinzipien des minimalistischen Arbeitens
Minimalistisch Arbeiten ist kein festgeschriebenes Modell. In jeder Organisation wird minimalistisches Arbeiten ihre ganz eigene Form annehmen.
Alles ist schon da
Bezeichnenderweise ist eine der ersten Bemerkungen in vielen Minimalismus-Ratgebern, dass man für den Einstieg nichts Neues anschaffen muss. Während Anne dieses Prinzip gut verinnerlicht hat, startet bei Monia tatsächlich fast alles, was neu beginnt, mit ein wenig Shopping, bei dem sie sich zudem gut disziplinieren muss. So erscheint auch eine Organisation immer zunächst so, als müssten wir etwas hinzufügen, damit es weniger wird: Ein neues, spannendes Tool, neue Mitarbeitende für neue Stellen, neue Büroeinrichtung oder doch mindestens ein schönes neues Notizheft, um die Termine zu entwirren. Doch minimalistisches Arbeiten steht dafür, die Spirale der ständigen Optimierung durch Neuanschaffung, - besetzung oder -organisation zu durchbrechen. Im Minimalismus gehen wir davon aus, dass bereits alles da ist, das gebraucht wird. Falls doch etwas fehlt, lassen sich Lösungen dafür finden. Habt ihr erst
einmal einen Überblick über das gewonnen, was schon da ist, kann der Kreis erweitert werden, in dem gesucht wird. So kann beispielsweise getauscht oder im Sinne von sharing economies gemeinsam mit anderen angeschafft und geteilt werden (Sundararajan, 2017). Ziel ist, dass alles einer regelmäßigen Nutzung zugeführt wird, und das ist sehr viel wahrscheinlicher, wenn mehrere Menschen darauf zugreifen können.
Die Überzeugung, dass alles schon da ist, macht Freude, denn sie motiviert uns, mit kreativem Blick auf das Bestehende zu schauen. Es gibt kaum etwas, das wirklich nur dem Zweck dienen kann, wofür wir es einmal angeschafft haben oder wofür es entwickelt wurde. Der kreative Blick auf das Bestehende erschafft Bewegung in Organisationen, macht wacher, verspielter und kreativer. Genau da liegt die Basis von Innovation: scheinbar Unverbundenes zusammenzuführen (Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung, 2018).
Aufgabe
Nimm dir irgendeinen Gegenstand aus deinem Umfeld, der eine ganz klare Nutzungszuschreibung hat. Ein Stift ist beispielsweise zum Schreiben da.
Nun betrachte den Gegenstand genau, fühle die Beschaffenheit, baue ihn gegebenenfalls auseinander. Lass dich wirklich auf den Gegenstand ein. Vergiss seinen gedachten Zweck so vollständig du kannst. Dann schreibe mindestens drei alternative Nutzungsformen auf. Was kann – gegebenenfalls mit etwas Umbau – dieser Gegenstand noch? (Ein Stift entpuppte sich z.B. als exzellente Pipette, um Küken in Monias Hof zu füttern.)
Lass dich von dieser Aufgabe durch den Alltag begleiten, um diese Form des Denkens zu üben und halte die besten Alternativ-Nutzungen von Gegenständen fest:
Loslassen gehört zum Leben
Die widersprüchlichste Tätigkeit im Minimalismus ist das Loslassen, denn es steht nicht nur für den Abschied von Unangenehmen, sondern auch für die Trennung von Liebgewonnenen. Der Hauptgrund, weshalb Organisationen sich selbst durch Überfluss lähmen, ist, dass kontinuierlich Neues hinzugefügt wird, ohne Abschied von Altem zu nehmen. Was fehlt, wird in der Systemtheorie negative loop genannt. Dies sind Schleifen, die dafür sorgen, dass wenn es an einer Stelle mehr wird, es auch an anderer Stelle etwas weniger wird (Meadows et al., 2004).
Gibt es in einem System genug negative Schleifen, reguliert es sich von selbst. Doch die meisten Organisationen haben sich (versehentlich) mit Systemen ausgestattet, die fast ausschließlich aus positiven Schleifen bestehen. Aus mehr wird immer noch mehr. Hinzu kommt, dass das Neue nicht immer unbedingt zum Alten passt, sodass nicht nur die Quantität zunimmt, sondern auch die Qualität abnimmt. So wird deutlich, dass es nicht nur um Innovation geht, sondern im gleichen Maß auch um Exnovation, also das Abschaffen dessen, was uns nicht mehr guttut (Arnold et al., 2015).
Jeder Mensch sucht nach Halt. Dabei liegt der einzige Halt im Loslassen. - Hape Kerkeling
Aufgabe
Dir fallen sicher Dinge ein, von denen du dich in deinem Arbeitsleben verabschieden solltest – einige freudig, andere eher schweren Herzens.
Nutze den Platz hier, um deine Impulse festzuhalten. Das steht im Moment noch für keine Entscheidung, sondern ist nur für dich, damit du später erinnern kannst, was deine ersten Eingebungen zu dem Thema waren bzw. die Gedanken zu sichern, die dir beim Lesen des ersten Teils gekommen sind.
Loslassen ist etwas anderes als Wegwerfen.
In dem Akt des Loslassens stecken Würdigung und Dank. Alles, das wir irgendwann in die Organisation geholt haben, ist aus den Gründen geschehen. Irgendjemand hat viel Mühe in die Auswahl und Einführung investiert, vielleicht sogar viele Hürden gemeistert, damit es umgesetzt werden kann. Irgendjemand hat es geliebt und liebt es vielleicht immer noch. Es hat eine Geschichte, die es verdient, erinnert zu werden. Vielleicht sind die Menschen, die Teil der Geschichte sind, schon gar nicht mehr da, aber die Geschichte selbst ist Teil der Organisation. Loslassen steht demnach nicht nur für Abschied, sondern auch für die Verbindung aus Dank und Abschied, die das Vergangene in Würde entlässt. Hierzu gehört auch die Überlegung, wohin es entlassen wird, denn vieles, das wir nicht mehr benötigen, ist für andere ein Geschenk. So birgt jedes Loslassen, so schwer es uns auch fällt, immer auch die Gelegenheit, Freude zu verschenken.
Einblicke in die Working Evolutions
Unser erster Auftrag war die Erstellung einer Plattform, die die New Work Organisationen in der Oberlausitz sichtbar macht. Etwa 80 % aller Ressourcen waren dafür im Einsatz, mit Organisationen in der Region über ihre Arbeitsweisen zu sprechen und ihr Wissen für die Öffentlichkeit aufzubereiten. Es war uns ein Genuss, zu beweisen, dass die vielen kritischen Stimmen Unrecht hatten, die behaupteten, dass es keine New Work Bewegung in ländlichen Regionen gibt. Als das Projekt abgeschlossen war und neue, vollständig andere Aufträge ins Haus kamen, waren wir verwirrt. Wir versuchten irgendwie weiter an New Work Oberlausitz zu arbeiten. Unsere organisationale Seele empfand den Auftrag, New Work im ländlichen Raum sichtbar zu machen, noch immer als essenziell. Es fiel uns schwer, uns auf Aufträge auszurichten, die sich diesem Ziel nicht unterordneten. Wir überlegten sogar, unseren Zweck insgesamt dahingehend zu ändern, so wichtig war es uns. Wir ließen nicht los. Nach und nach wandten wir uns zwar immer mehr ab, doch ein Rest schlechtes Gewissen blieb. Wir haben uns den Moment des Loslassens nie gegönnt und es nicht geschafft, die Plattform in die Welt zu entlassen. Jetzt wissen wir, dass uns mit dem Loslassen die Arbeit an etwas Neuem wesentlich leichter gefallen wäre.
Aufgabe
Schenk dir einen Moment, dich an eine Geschichte des Loslassens zu erinnern, in dem Abschied und Dankbarkeit zusammengeflossen sind. Es darf etwas Kleines oder Großes aus deiner Geschichte sein. Wichtig ist lediglich, dass du dich nochmal mit den Gefühlen verbindest, die du damals empfunden hast.
Schreib hier ein paar Stichpunkte auf:
Gefühle vor dem Loslassen: Gefühle beim Loslassen: Gefühle nach dem Loslassen:
Ich habe große Sehnsucht nach dieser ganz besonderen Art von Welt, in der man arbeiten und atmen und sich manchmal wie verrückt freuen kann. - Anna Seghers
Alles braucht Raum
Manchmal erscheint es uns so, als würden Menschen morgens vor Eintritt in den Arbeitsmodus einmal tief einatmen und erst nach Abschluss des Tages wieder vollständig ausatmen. Dieses Ausatmen und Spüren, wie sich dabei die Schultern entspannen. Den kurzen Moment genießen, in dem wir leer sind. Der Leere zusehen und mitkriegen, dass irgendwann der Körper von alleine wieder Luft holt und das Leben ohne aktives Zutun weitergeht. Dieser Moment des Freiraum-Genießens scheint nicht Teil unseres Arbeitsverständnisses zu sein. Wir sind es gewohnt, freigewordene Lücken wieder zu schließen. Jede Minute Zeit, die wir gespart haben, wird einem anderen Nutzen zugeführt. Freiraum zu genießen, erkennen wir als Zweck nicht an. Deshalb füllen sich Lücken in Organisationen nach dem Loslassen schnell wieder. Genauso wie Monias radikal ausgeräumter Kleiderschrank.
Und doch ist es scheinbar der leere Raum, der im Kem des Minimalismus steht. Der Raum, um zu atmen. Der Raum, in dem Unvorhergesehenes passieren darf. Der Raum, der das Wesentliche umgibt und es erst damit erkennbar macht. Der Raum, der es uns ermöglicht, uns zu bewegen.
„Das japanische Konzept von Ma wurde als eine Pause in der Zeit, ein Intervall oder eine Leere im Raum beschrieben. Ma ist die Zeit und der Raum, die das Leben braucht, um zu atmen, zu fühlen und sich zu besinnen. Wenn wir keine Zeit haben, wenn unser Raum begrenzt ist, können wir nicht wachsen.” (Canning, 2022). Das Zeichen des Ma setzt sich aus der Tür (die Zeichen rechts und links) und der Sonne (das Zeichen in der Mitte) zusammen, es ist demnach eine Öffnung, die das Licht einlässt. In den westlichen Sprachen haben wir hierfür keinen Begriff, doch diese Öffnung herstellen und beschützen, das ist das eigentliche Ziel von minimalistischem Arbeiten.
Paradoxerweise wird dieser Raum auch als negativer Raum bezeichnet, obwohl wir ihn so positiv finden. Hier wird der Raum um das Wesentliche herum benannt: Die Leere des Raumes im Museum, in dem nur ein Bild hängt oder der Rasen um einen großen Baum herum, der diesen erst in voller Pracht erscheinen lässt. Wenn alles gefüllt wäre, wären wir zu überwältigt, um das Wesentliche sehen zu können (Thomas, 2017). Alles Aus- und Aufräumen im Minimalismus zielt darauf ab, so viel leeren Raum herzustellen, dass das Wesentliche stets sichtbar bleibt und wir unsere Ressourcen genau dort einsetzen können, wo sie wirksam sind.
Musik ist die Stille zwischen den Noten. - Claude Debussy
Fazit
Wären wir echte Minimalist*innen, würde das ganze Buch nur aus diesem Abschnitt bestehen, denn genau genommen ist alles Wichtige gesagt: Es geht darum, leeren Raum herzustellen und zu erhalten, damit unser Blick auf das Wesentliche nicht getrübt werden kann.
Hierzu steht ein kontinuierlicher und wiederholter Prozess des würdigenden Loslassens im Zentrum. Und immer wieder vergegenwärtigen wir uns, dass alles, was wir benötigen, schon da ist. Wir würdigen demnach das, was da ist, genauso wie das, was gehen darf.
Teil 2: Arbeiten aus Sicht des Minimalismus
Auch wenn jede Organisation einzigartig ist, vereinen uns die gleichen Dinge: Wir alle teilen Aufgaben auf, finanzieren uns irgendwie, führen ein paar Regeln ein, nutzen die Digitalisierung und gestalten unsere Beziehungen. Über die Jahrzehnte und teilweise Jahrhunderte haben sich bei diesen Prozessen jedoch ein paar Dinge etabliert, die sich so sehr mit der Definition von Arbeit verbunden haben, dass wir gar nicht mehr anders können, als sie als unumstößliche Gesetze zu akzeptieren. Deshalb machen wir im ersten Teil dieses Buches eine Reise durch all die (scheinbaren) Gesetze, die Organisationen nur deshalb existieren, weil “man” es eben so macht und stellen anschließend die Frage, ob diese wirklich notwendig und zielführend sind. Die Suche nach dem, was wir ausräumen könnten, um Platz für Wesentliches zu schaffen, schwingt dabei immer mit.
Minimalistisches Arbeiten ist kein vorgegebenes Modell. Es sieht in jeder Organisation anders aus und zu verschiedenen Zeitpunkten in derselben Organisation wird es sich ebenso unterscheiden. Es bildet immer das ab, was in der momentanen Phase wesentlich ist und verzichtet auf alles andere. Daher werdet ihr unter den folgenden neun
Überschriften keine Anleitung vorfinden, sondern eher Beschreibungen von dem, was Menschen in vielen Organisationen vom Wesentlichen abhält. Ebenso haben wir ein paar Ansätze zusammengetragen, wie man es radikal anders machen kann – falls sich doch eine Stimme in euch meldet, die behauptet, dass es anders gar nicht geht.