Möchten Sie mit mir darüber sprechen? - Michaela Huber - E-Book

Möchten Sie mit mir darüber sprechen? E-Book

Michaela Huber

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Beschreibung

Wie läuft eigentlich so eine Psychotherapie ab? Michaela Huber, international erfahrene und vielfach für ihre Arbeit ausgezeichnete Psychotherapeutin, gibt Antwort darauf. Die Leser erleben die ersten Sitzungen einer Therapie. Sie erfahren, wie es sein könnte, sich aufrichtig mit sich selbst zu konfrontieren und werden mit überraschenden Anregungen und vielleicht völlig neuen Erkenntnisse über sich selbst belohnt. Dabei greift Huber typische Anliegen aus realen Therapiestunden auf, jeweils mit genauen Hinweisen, wie damit allein zu Hause weitergearbeitet werden kann. Wer sich darauf einlässt, kann herausfinden, ob Therapie das Richtige für ihn ist und nebenbei mit quälenden Fragen schon mal ein paar wichtige Schritte weiterkommen.

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Seitenzahl: 288

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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

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Projektleitung: Anja Schmidt

Lektorat: Anne Nordmann

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, München

eBook-Herstellung: Teresa Klocker

ISBN 978-3-8338-9545-6

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Illustrationen: Janina Röhrig

Syndication: Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr. 32, 80337 München www.imageprofessionals.com

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GRÄFE UND UNZER VERLAG

Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten therapeutischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Wichtiger Hinweis

Die Lektüre dieses Buches ersetzt keine Psychotherapie. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Ärzte oder Apotheker.

Gendern

Die Autorin hat sich dazu entschieden, zum Vorteil der allgemeinen Lesbarkeit ihres Textes diesen nicht zu gendern, sondern da, wo es möglich war, eine neutrale Formulierung zu wählen, ansonsten aber das generische Maskulinum zu verwenden.

Für D. – Rose und Schwert

Für Janina Röhrig, die Hilfreiche. Sie hat auch die meisten meiner Grafikideen in diesem Buch umgesetzt – herzlichen Dank!

»Nothing is more important than empathy for another human beings suffering. Not a career. Not wealth. Not intelligence. Certainly not status. We have to feel for one another if we’re going to survive with dignity.«

AUDREY HEPBURN

WAS IST EIGENTLICH EINE PSYCHOTHERAPIE – UND WAS NICHT?

Diese Frage engt es ein aufs Wesentliche, könnte man scherzen. Was hilft aus der Misere, was pusht mehr: Koffein oder eine Psychotherapie? Nun, wenn Sie mich fragen, ich würde es erst einmal mit der Tasse Kaffee versuchen. Wenn die aber zum wiederholten Male nicht (genug) hilft, würde ich Ihnen raten, dem Gedanken nachzugehen, ob es nicht doch eine Therapie sein soll.

Übrigens versteht ja jeder, der die Frage liest, dass hier mit »Therapie« nicht eine Physio- oder irgendeine andere, sondern eine Psychotherapie gemeint ist, nicht wahr?

Nur – was ist denn eigentlich eine Psychotherapie? Viele glauben, es zu wissen, und dann bin ich immer wieder überrascht, wenn mich Leute fragen, ob sie sich bei mir auf die Couch legen sollen. Nein, ich bin keine Psychoanalytikerin, sage ich dann, bei mir wird zwar manchmal aus Entspannungsgründen die Couch zum Liegen verwendet, sonst aber findet eine Therapie bei mir im Sitzen statt. »Ach, und ich dachte, bei Psychotherapeuten muss man auf die Couch?« Wie Sie sehen, gibt es Unterschiede, was für »’ne Therapie« jemand macht. Vielleicht sollte man daher besser verstehen, was das eigentlich ist, eine Psychotherapie, also eine Seelenbehandlung.

Eines ist schon einmal deutlich: Es gibt einen Unterschied zwischen der Psychoanalyse, die eine sehr spezielle Psychotherapierichtung verfolgt, und anderen Formen der Psychotherapie. Bei den Psychoanalytikern finden manche – auch nicht alle – Therapiesitzungen im Liegen statt. Bei anderen Psychotherapeuten gewöhnlich im Sitzen.

»Und verschreiben Sie mir dann auch Medikamente und können mich krankschreiben?«

Da haben wir den nächsten Unterschied. Ärztliche Psychotherapeuten und Psychiater können das, psychologische Psychotherapeuten und andere, etwa Heilpraktiker für Psychotherapie, können das nicht, Medikamente verschreiben und Krankschreibungen ausstellen.

Beratung, Coaching, Psychotherapie – all das ist keineswegs dasselbe.

»Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Beratung, Coaching und Psychotherapie?« ist auch so eine wichtige Frage, die mir oft gestellt wird. Nun, »Psychotherapeut« ist inzwischen eine geschützte Berufsbezeichnung, mit der sowohl psychologische, Kinder- und Jugendlichen- wie ärztliche Psychotherapeuten gemeint sind. Alle anderen dürfen sich nicht mehr »Psychotherapeut« nennen.

Nicht geschützt dagegen ist der Begriff »Psychotherapie«, was zu einiger Verwirrung führen kann. Denn auch andere Berufsgruppen, etwa Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Diplompädagogen, Heilpraktiker und Coaches, bieten gelegentlich »Psychotherapie« an. Und auch Vertreter dieser Berufsgruppen können manchmal sehr kompetent sein, etwa weil sie viele Zusatzausbildungen haben. Beispiel: Eine Sozialpädagogin hat eine Zusatzausbildung absolviert und darf sich dann »Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin« nennen.

Es lohnt sich also, genauer nachzufragen. Und wen auch immer man sich ausgesucht hat – es ist ratsam, erst einmal ein paar Probesitzungen zu absolvieren, um zu schauen, ob man sich dort auch gut aufgehoben fühlt.

Der Begriff »Psychotherapie« ist nicht geschützt. Deshalb geht es in dieser Szene nicht immer seriös zu.

Denn falls man sich über eine schlechte Behandlung beschweren möchte, kann man sich leider bei Leuten, die nur »Psychotherapie« machen, aber keine »Psychotherapeuten« sind, nicht an die Psychotherapeutenkammern oder Ärztekammern wenden. Das geht nur bei Fehlbehandlungen durch psychologische Psychotherapeuten und Ärzte. Kompliziert, gell? Aber es wird noch komplizierter.

»Therapeut« ist nämlich im Gegensatz zu »Psychotherapeut« auch kein geschützter Begriff. Von Aroma- über Hunde- oder Körper- bis Yogatherapeut – der Therapeuten gibt es viele, und ob Sie da jemand Seriöses vor sich haben, sollten Sie sehr, sehr genau prüfen. In dieser Szene tummeln sich extrem viele Menschen, die nach einem Selbststudium oder ein paar Online-Kursen meinen, sich als »Therapeut« der Menschheit anbieten und damit Geld verdienen zu wollen. Auch da kann man Glück haben – die Chance, Pech zu haben, ist leider aber auch sehr groß.

Coaching schließlich ist etwas anderes als Psychotherapie. Da geht es um Verbesserung der Lebensqualität, um, wie es oft heißt, »Potenzialentfaltung«, und es richtet sich an Menschen, die sich (beruflich) weiterentwickeln wollen. Ohne eine anerkannte Psychotherapieausbildung und -zulassung darf sich aber auch ein Coach nicht Psychotherapeut nennen.

Psychotherapeuten sind also, um es zusammenzufassen, psychologische, ärztliche sowie Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten mit Zulassung (Approbation). Nur sie dürfen Diagnostik- und Behandlungsangebote zu psychischen Krankheiten machen. Alle anderen nicht. Und eine somatische, also körperliche Abklärung ist ebenfalls wichtig, bevor oder während man psychotherapeutisch arbeitet, denn man muss ausschließen können, dass die zu behandelnden Symptome ausschließlich im Rahmen körperlicher Erkrankungen auftreten.

Psychiater dürfen Medikamente verschreiben, bieten aber selten Psychotherapie an.

»Also sind Sie so etwas wie eine Psychiaterin?« Nein, ich persönlich bin eine psychologische Psychotherapeutin. Eine Psychiaterin darf auch psychotherapeutische Methoden und Interventionen anwenden, die meisten psychiatrischen Kollegen aber kommen kaum dazu. Sehr häufig werden sie hinzugezogen, um schwere psychische Störungsbilder wie etwa eine Psychose oder das Selbst- und Fremdgefährdungsrisiko eines Menschen abzuklären. Außerdem dürfen Psychiater psychisch wirksame Medikamente verschreiben sowie Atteste und Stellungnahmen verfassen, die bei Behörden eingereicht werden.

Man muss Glück haben, um bei einer (hoffentlich psychotherapeutisch gut ausgebildeten) Psychiaterin eine Psychotherapie machen zu dürfen; manche haben einige Stunden in der Woche dafür reserviert, einige wenige sich sogar darauf spezialisiert. Doch die meisten Psychiater sind mehr oder weniger »Fünf-Minuten-Mediziner« mit voller Praxis, denen die Ruhe fehlt für psychotherapeutische Arbeit.

»So, und was ist jetzt ein Psychoanalytiker?« Stimmt, das habe ich noch nicht genau erklärt. Also: Um Psychoanalytiker zu werden, muss man in der Regel ein Psychologie- oder Medizinstudium abgeschlossen haben, und dann macht man eine Zusatzausbildung bei einer der psychoanalytischen Fachgesellschaften. Ursprünglich war Psychoanalyse, wie der Name schon sagt, nicht im eigentlichen Sinne eine Psychotherapie, sondern eine aufdeckende Arbeit an inneren Konflikten, die durch eine »Redekur« im Sitzen oder Liegen analysiert werden sollen. Analytiker gehen davon aus, dass es dabei zwischen Patient und Therapeut zu einer »Übertragungsbeziehung« kommt, sodass die Therapeutin/der Therapeut spürt, was in ihrem Gegenüber vorgeht, und sie oder er das Gegenüber durch Deutungen anregen kann, zu besseren Erkenntnissen zu kommen. Inzwischen gibt es viele Therapieansätze im Rahmen dieses Grundmodells, und Deutschland ist das einzige Land, in dem Psychoanalyse von der Krankenkasse bezahlt wird. Psychoanalyse wird heute als ein anerkanntes Therapieverfahren betrachtet.

Andere von den Kassen bezahlte Therapieverfahren sind die Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, die systemische Therapie und eine im Rahmen der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen angewandte Therapieform namens EMDR.

Die Krankenkassen finanzieren die Behandlungen von sogenannten »Störungsformen mit Krankheitswert«. Diese sind, in alphabetischer Reihenfolge:

Affektive Störungen (depressive Episoden, rezidivierende depressive Störungen, Dysthymie)Angststörungen und Zwangsstörungensomatoforme Störungen und dissoziative StörungenReaktionen auf schwere Belastungen und AnpassungsstörungenEssstörungennichtorganische Schlafstörungensexuelle Funktionsstörungen,Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen,Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend sowie seelische Krankheit aufgrund:frühkindlicher emotionaler Mangelzustände,tiefgreifender Entwicklungsstörungen oder chronischer Erkrankungen,schizophrener und affektiver psychotischer Störungen,psychischer Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen oder Opioide (bei Abstinenz)

Sehr viele Psychotherapeuten haben mehr als eine Therapieform zur Behandlung dieser Störungen gelernt, manche sich auch spezialisiert. Die meisten Psychotherapeuten haben eine Webseite, auf der Sie nachschauen können, nach welchen Methoden sie arbeiten. Nach Zusatzausbildungen und Erfahrungen im Beruf – etwa in Klinik und Praxis – können Sie den Therapeuten auch fragen, wenn Sie ihn aufsuchen.

Wobei aufsuchen schon das Problem sein kann. Vor das Aufsuchen haben die Götter nämlich das Anrufen oder E-Mailen gesetzt. Viele Psychotherapeuten haben keine Sprechstundenhilfe, und dann ist die Tür zu, wenn der Therapeut gerade jemanden behandelt, da können Sie noch so dringend Hilfe brauchen. Die meisten Hilfesuchenden bekommen nicht einmal einen Rückruf oder eine Antwortmail, oder auf dem Anrufbeantworter ist schon zu hören: »Keine Therapieplätze frei«. Im besten Fall ergattern Sie eine Krisensitzung, danach müssen Sie auf einer Warteliste Platz nehmen und geduldig sein, bis Sie einen Therapieplatz erhalten. Wenn es ein MVZ, ein medizinisches Versorgungszentrum, in Ihrer Nähe gibt, könnten Sie nachfragen, ob dort auch Psychotherapeuten arbeiten – manchmal geht es dort etwas schneller.

In äußerster Not können Sie sich auch an Ihre wohnortnahe psychiatrische Klinik wenden. Manche Kliniken haben eine psychotherapeutische Ambulanz, sodass Sie nicht sofort stationär aufgenommen werden, falls Sie das nicht möchten. Oder Sie können in einer Tagesklinik stützende Gespräche und Anleitungen zur Selbstregulation erhalten. Eine klinisch-psychiatrische Einweisung können Sie selbst bei Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin beantragen. Eine Zwangseinweisung in die geschlossen stationäre Aufnahme wird übrigens nur – auf Veranlassung eines Arztes/einer Ärztin, des Sozialpsychiatrischen Dienstes, von Angehörigen oder Betreuern – erfolgen, wenn Sie akut selbst- oder fremdgefährdend sind. Dann allerdings muss nach spätestens 48 Stunden die Justiz entscheiden, ob Sie wieder freigelassen werden oder wegen weiterer akuter Selbst- oder Fremdgefährdung auf der »Geschlossenen« bleiben.

»Woran liegt es, dass man so schwer einen ambulanten Psychotherapieplatz bekommt?« Viele Ratsuchende stellen mir diese Frage. Es liegt daran, dass viele Psychotherapeuten, die mit der Krankenkasse abrechnen können, völlig überlaufen sind und lange Wartezeiten haben, denn es gibt immer nur wenige mit einem Kassensitz. Was können Sie tun, falls Sie sich schon die Finger wundtelefoniert haben?

Die Psychotherapie selbst zu bezahlen, kann aus verschiedenen Gründen eine gute Idee sein.

Nun, zum einen: selbst zahlen. Das wird teuer. Allerdings gebe ich zu bedenken: Es ist im gelingenden Fall eine sehr lohnende Investition in Ihre Persönlichkeitsausbildung. Und was haben Sie schon an Geld ausgegeben für Dinge oder Kurse, die womöglich weniger hilfreich waren …

Zum anderen können Sie Ihre Krankenkasse auffordern, Ihnen einen Therapieplatz nachzuweisen, denn dazu sind die Kassen eigentlich verpflichtet. Die reichen aber oft nur eine Therapeutenliste weiter, die Sie abtelefonieren können, wobei Sie dann wieder dort sind, wo Sie angefangen haben.

Während Sie also auf einen Therapieplatz warten: Betreten Sie doch einmal mein imaginäres Wartezimmer, ich werde Sie gleich einlassen, und dann begleite ich Sie durch eine mögliche Psychotherapie. Dabei erfahren Sie, wie so eine Therapie bei mir aussieht. Natürlich kann ich nicht für meine Kollegen sprechen, denn ich habe im Laufe von fast einem halben Jahrhundert Berufstätigkeit meinen eigenen Behandlungsstil entwickelt. Außerdem bin ich spezialisiert auf die Therapie von Problemen, die in der Kindheit begannen, meist mit schweren Belastungen verbunden waren, und sich im Laufe von Jahrzehnten verfestigt haben.

Mögen Sie mich hier im Buch besuchen?

Dann seien Sie herzlich willkommen!

GUTEN TAG, WO MÖCHTEN SIE SITZEN?

Sie haben es also geschafft, einen ersten Termin bei mir zu bekommen. Wahrscheinlich sind Sie aufgeregt. Denn wer geht schon gern zu einem fremden Menschen, um sich ihm anzuvertrauen? Das macht man doch nur, wenn man nicht mehr weiterweiß, und dann steht es um das eigene Selbstwertgefühl nicht allzu rosig. Vielleicht sagen Sie sich sogar: »Also gut, einmal noch. Wenn das aber nichts ist, dann gebe ich auf«, weil Sie schon so vieles probiert haben.

Was sind Sie für ein Typ, was Pünktlichkeit angeht? Haben Sie schon lange vorher geschaut, wie Sie zu meiner Praxis kommen, sind schon eine Weile draußen herumgelaufen oder -gefahren und haben sich neben die Haustür gestellt, bis der Zeiger der Uhr auf die exakt ausgemachte Zeit gewandert ist? Oder haben Sie lange gezögert, sich mit anderen Dingen abgelenkt, um schließlich abgehetzt im letzten Moment oder sogar einige Minuten zu spät auf die Klingel zu drücken?

Sie müssen es mir gar nicht sagen, denn wenn ich die Tür öffne, sehe ich sofort, ob Sie äußerlich relativ ruhig oder nervös wirken, und erfasse Sie in einem ersten intensiven Eindruck. Wie kommen Sie mir vor: in zerknitterte Kleidung gesprungen? Ordentlich? Gepflegt? Gestylt? Können Sie mich anschauen, fixieren Sie mich oder weichen Sie meinem Blick aus? Schaffen Sie es, mir die Hand zu geben – und wenn ja, mit einem weichen oder festen Händedruck? Oder signalisieren Sie mir: »Fass mich nicht an!«, sodass ich Sie nur mit einer freundlichen Geste ins Innere der Praxis einlade?

Um Ihnen die Befangenheit zu nehmen und auch zu sehen, ob Sie mit mir sprechen können, werde ich Sie im Flur fragen, ob Sie noch einmal zur Toilette möchten oder sich die Hände waschen wollen. Zu Coronazeiten hätten wir uns auch über Desinfektionsmöglichkeiten, Tests oder Maskenwünsche unterhalten müssen, das ist ja zum Glück vorbei. In der kälteren Jahreszeit zeige ich Ihnen auch die Garderobe, nehme vielleicht Ihren nassen Schirm entgegen und spanne ihn zum Trocknen auf. Dann frage ich Sie, ob Sie etwas trinken mögen: Wasser, Tee? Wenn Wasser: mit Sprudel oder ohne …? Alles das sind kleine Gesten, die es Ihnen ermöglichen, sich verstohlen umzusehen, mich als freundliche, ungefährliche Person wahrzunehmen und sich ein wenig zu akklimatisieren.

Ihr Verhalten sagt mir mehr über Sie als viele Worte.

In meinem Therapieraum habe ich unterschiedliche Sitzmöglichkeiten: Bequeme Stühle, Sessel, ein Sofa. Kleine Tische links und rechts. Wenn Sie allein gekommen sind, also ohne Partner, Partnerin oder Kind, dann habe ich vorher bereits mindestens drei Möglichkeiten für Sie arrangiert: Sie könnten sich auf (erkennbar) meinen Platz setzen, neben dem schon meine Aufzeichnungsmappe und der Stift liegt, oder auf die gemütliche Couch oder auf einen Stuhl, wenn Sie eine gerade, feste Sitzunterlage bevorzugen.

Während ich frage, ob Sie gut hergefunden haben, deute ich auf die Sitzmöglichkeiten und bitte Sie, Platz zu nehmen, während ich Ihr Getränk herbeihole. Wie Sie auf diese Einladung mit Ihrem Verhalten antworten, sagt mir mehr über Sie als viele Worte: Überlegen Sie lange und setzen sich dann so, dass Sie die Tür im Blick haben, sodass Sie jederzeit fliehen können? Bleiben Sie stehen, bis ich mich gesetzt habe, und wählen dann eine der anderen Alternativen? Wählen Sie das Sofa und ziehen dort die Beine an, sodass Sie sich gemütlich »hinlümmeln« können? Setzen Sie sich steif darauf in eine Ecke oder auf den Stuhl, möglichst weit weg von dem Platz, den Sie als den meinen identifiziert haben? Oder streben Sie gar direkt meinen Sessel an und bemerken gar nicht, dass das eigentlich mein Platz wäre – oder nehmen ihn genau deshalb bewusst und gern ein? Wie dem auch sei, ich werde Sie wählen lassen, nehme mir dann gegebenenfalls meine Unterlagen und meinen Stift und setze mich so, dass ich nicht frontal zu Ihnen sitze, sondern seitlich links oder rechts.

Wenn wir uns besser kennen, werde ich später fragen, ob Sie mich lieber auf Ihrer linken oder rechten Seite sitzend haben möchten. Denn man hat festgestellt, dass die meisten Menschen eine »Schokoladenseite« haben: Eine Person kann von der einen Seite deutlich freundlicher wirken als von der anderen.

Für den Anfang wäre das aber eine Überforderung, von daher setze ich mich dahin, wo es mir für Sie am günstigsten scheint, damit Sie Ihr Getränk und Ihre Tasche gut unterbringen können. An Ihrer Körperhaltung erkenne ich dann, ob wir mit dem Gespräch beginnen können, oder ich Sie erst noch einmal ermuntere, sich im Raum umzuschauen. Je nachdem versichere ich Ihnen auch, dass die Tür zwar geschlossen, aber nicht abgeschlossen ist, Sie jederzeit hinausgehen können, und ich diese Stunde ganz für Sie da bin. Sollten Sie zwischendurch den Raum und das Haus verlassen wollen, können Sie jederzeit wiederkommen – im Rahmen der Zeit, die ich für Sie reserviert habe. Sollten Sie später oder zwischen den Sitzungen zu mir kommen wollen, müssten wir das extra verabreden, da ich ansonsten anderweitig beschäftigt bin.

Unbewusste Schutzgesten haben häufig einen konkreten Ursprung.

Sehr scheue Klienten und Menschen, die in unsicheren oder gefährlichen Beziehungen leben, brauchen derartige Rückversicherungen; andere nicht. An der Art, wie eventuell ein Kuscheltier aus dem Rucksack gekramt oder ein Igelball zwischen den Händen gerieben wird, kann ich erkennen, dass ich es mit kindlichen Zuständen oder einer Person zu tun habe, die fürchtet, vor lauter Aufregung außer Kontrolle zu geraten. Auch wenn eins der auf dem Sofa bereitliegenden Kissen genommen und schützend vor den Bauch gelegt wird, sagt mir das etwas: Der Bauch ist möglicherweise gefährdet gewesen und braucht besonderen Schutz. Selbst Klienten, die sich bei mir wohlfühlen und lange in Therapie sind, machen immer wieder diese Schutzgeste mit dem Kissen vor dem Bauch oder halten anfangs ihre Tasche so vor sich. Meist stellt sich heraus, dass sie sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren und sich solches Verhalten instinktiv angewöhnt haben. Und manchmal schämen sie sich auch einfach für ihren »dicken« Bauch. Wenn wir beide so sitzen, wie wir möchten, nehme ich meine Schreibmappe und den Stift zur Hand, lächle Sie an und sage so etwas wie: »Ich bin ganz Ohr – was führt Sie zu mir?«

WAS FÜHRT SIE ZU MIR?

Hier sitzen wir nun, Ihnen ist trotz der freundlichen Begrüßung mindestens leise unbehaglich, ich lächle freundlich, meine Mappe und der Stift liegen bereit. Jetzt nehme ich beides zur Hand, und um Ihnen den Einstieg zu erleichtern – falls Sie nicht zu den Menschen gehören, die sofort loslegen wie die Feuerwehr, in dem Fall bremse ich Sie damit etwas ein –, schlage ich vor, dass wir erst einmal einige Formalien klären. Ich notiere mir Ihren Vor- und Nachnamen und frage Sie, mit welchem Vornamen Sie am liebsten angesprochen werden. Mögen Sie Ihren Vornamen? So beginnen wir ein wenig zu plaudern.

Das mit dem Vornamen ist nämlich, wie sich herausstellen wird, gar nicht so unwichtig. Selbstverständlich werde ich Sie normalerweise mit dem Nachnamen ansprechen, und das sage ich auch. Doch für den Fall, dass Sie einmal sehr in Gedanken sind oder ich auf andere Weise Ihre Aufmerksamkeit brauche, frage ich, ob ich Sie dann mit dem Vornamen und »Sie« ansprechen darf. Viele Klienten sagen sofort: »Aber klar, Sie können mich auch duzen.« Das aber lehne ich freundlich ab, denn ich möchte auch nicht geduzt werden. Ausgenommen sind hier natürlich die Kinder, die sagen oft so etwas wie: »Du, Frau Huber, kannst du mal gucken …?!« Auch die Kinder in den Menschen mit einer dissoziativen Identität (multiple Persönlichkeiten), mit denen ich arbeite, duzen mich des Öfteren, was den erwachsenen Alltagspersönlichkeiten meist unangenehm ist, aber so sind Kinder nun mal.

Weshalb die Frage nach dem Vornamen und die Bitte um Erlaubnis, ihn gelegentlich nutzen zu dürfen? Das hat etwas damit zu tun, dass etliche meiner Klienten dazu neigen, bei Stress zu dissoziieren, also in Trancezustände zu verfallen (dazu später mehr). Um jemanden aus einem Zustand der Trance sanft herauszuholen, eignet sich der Vorname besser als der Nachname. Denn sagen wir, Sabine Müller denkt in der Therapiestunde über etwas stark Belastendes nach, das ihr widerfahren ist – und bekommt ein Flashback. Ein Flashback ist eine intensive, schlimme Wahrnehmung eines früheren Ereignisses, die sich schlagartig einstellt und sich über die Gegenwartswahrnehmung schiebt, sodass man erstarrt oder sich sehr ängstigt.

Mit dem Vornamen angesprochen zu werden, hilft uns, leichter ins Hier und jetzt zurückzufinden.

In solchen Fällen nutzt es wenig, wenn ich sage: »Frau Müller? Können Sie mich einmal kurz anschauen?« Denn »Frau Müller« ist entweder (auch) Ihre Mutter – oder Ihre Schwiegermutter. Sage ich aber: »Sabine? Können Sie mich einmal kurz anschauen?«, dann spreche ich Sie unmittelbar an als die Person mit diesem Vornamen. Das macht einen großen Unterschied. Deshalb frage ich nach der Version des Vornamens, der dieser Frau am liebsten ist. Vielleicht mag sie ja auch den Vornamen Sabine gar nicht, und ihre Freundinnen nennen sie Bine oder Sabi oder Sabs oder irgendwie ganz anders.

Daher versuche ich – das kann auch in den nächsten Sitzungen sein – den Vornamen herauszufinden, der Ihnen persönlich am liebsten ist, also wie Sie gern angesprochen werden. Erstaunlich oft merke ich, wenn ich dann probeweise zum Beispiel sage: »Sabine, könnten Sie mir Ihr Glas herüberreichen, damit ich Ihnen Wasser einschenken kann?« eine große Erleichterung, gefolgt von der Bitte, weiterhin so angesprochen zu werden und nicht mit dem Nachnamen. Dadurch entsteht häufig eine freundliche Nähe, die gleichzeitig respektvoll bleibt.

Natürlich muss ich gleich zu Beginn auch noch einige andere Formalien mit Ihnen durchgehen: Ihre Adresse und Telefonnummer, Ihre Krankenkasse oder ob Sie Selbstzahler sind oder wer sonst die Therapiestunde bezahlt. Dann bespreche ich mit Ihnen, ob Sie erst einmal nur schnuppern wollen oder ob Sie sich gleich für eine etwas längere Zeit – und wenn ja, wie lange – festgelegt haben. Es gibt vielleicht Unterlagen, die ich einsehen soll, oder ein Formular zu einer Therapievereinbarung von mir.

Doch meist möchte ich die erste Stunde einfach nur zuhören und dann mit Ihnen gemeinsam alles Weitere besprechen, also versuche ich, relativ zügig zur Sache zu kommen:

»Was bringt Sie zu mir?« Diese Frage liebe ich, und jedes Mal bin ich neugierig auf die Antworten.

Haben Sie von mir gehört oder gelesen und wollen mich nun kennenlernen, weil Sie glauben, dass ich vielleicht die Richtige bin für Ihre Probleme? Oder hat Sie jemand zu mir geschickt? Wenn ja, wer – Verwandte, der Partner, die Ärztin oder eine Klinik? Sollte es jemand sein, der schon bei mir in Therapie ist oder war, müsste ich es wegen Befangenheit leider ablehnen, Sie zu therapieren und Sie weitervermitteln. Aus guten Gründen nehmen wir Psychotherapeuten nämlich aus einem Kreis von Menschen, die sich eng miteinander austauschen, immer nur eine Person als Patient auf, sonst gibt es auf Dauer ein Kuddelmuddel: Eifersüchteleien, Klatsch und Tratsch übereinander in der Therapie – wozu ich wegen der Schweigepflicht nichts sagen darf –, Konkurrenz darum, wer vom Therapeuten/der Therapeutin mehr gemocht und besser behandelt wird oder wurde, und so weiter.

Also sprechen wir auch über die Schweigepflicht und darüber, was eigentlich eine Psychotherapie ist. Wenn jemand nicht nur zur Probesitzung oder zur Krisenintervention kommt, sondern fest mit mir arbeitet, werden wir einen Therapievertrag abschließen, und darin wird auch festgelegt, wer der zuständige Hausarzt und gegebenenfalls Psychiater ist, die mitbehandeln, und ich werde Sie bitten, eine Schweigepflichtsentbindung zu bekommen und diese Personen auch. Das bedeutet: Ich darf mich mit den Ärzten fachlich über Sie austauschen.

Selbstverständlich gehört zur Psychotherapie auch, dass ich mich regelmäßig selbst in Supervision begebe und dort, ohne meine Klienten – das Wort ist mir oft lieber als »Patienten« – persönlich wiedererkennbar zu machen, über den Therapieverlauf berichte und mich berate.

In der ersten Stunde mit Ihnen deute ich solche Themen nur an. Denn das Wichtigste ist ja zu erfahren: »Was bringt Sie zu mir?«

Sie können gern einmal überlegen, was Sie darauf antworten würden. Sind Sie jemand, der seine ganze Lebensgeschichte auf einen Schwall erzählen will? Oder haben Sie sich ein Thema vorgenommen, das Sie mit mir besprechen wollen? Bringen Sie kaum einen Ton heraus vor lauter Aufregung, oder schütten Sie gleich einen ganzen Sack Probleme vor mir aus? Schauen Sie zwischendurch ständig auf die Uhr oder die Tür, durch die Sie am liebsten wieder hinauslaufen würden? Oder denken Sie so intensiv nach und kommen ins Gespräch mit mir, dass Sie schier die Zeit vergessen?

An der Art, wie Sie Ihr Anliegen schildern, kann ich wichtige Informationen ablesen.

Während ich Ihnen zuhöre, stelle ich gelegentlich eine Verständnisfrage: »Können Sie mir etwas mehr dazu sagen?« – »Ist das eine Frage, die Sie klären möchten?« – »Seit wann beschäftigt Sie das Thema?« – »Haben Sie schon mit anderen Menschen darüber gesprochen?« Während ich Ihnen also zuhöre und Sie anrege, etwas mehr dazu zu sagen, kann ich Sie betrachten: Müssen Sie sich zwingen, etwas zu sagen, oder spulen Sie etwas zum x-ten Mal ab? Bei welchen Worten sind Sie aufgeregter als bei anderen? Denken Sie während des Sprechens nach, wie Sie es ausdrücken sollen, oder platzt es aus Ihnen heraus? Wiederholen Sie mehr, was andere über Sie sagen und von Ihnen wollen, oder können Sie eigene Wünsche äußern? Schauen Sie mich bittend, vertrauensvoll, misstrauisch, ängstlich an – oder gar nicht? Drückt Ihre Körperhaltung aus, dass Sie hoch angespannt sind oder sich zunehmend entspannen – oder fläzen Sie sich geradezu hin, als wäre ich jemand aus der großen Zuhörerschaft, die Sie ständig um sich haben? Machen Sie sich klein in Ihrer Erzählung, kritisieren Sie sich dabei ständig selbst? Sprechen Sie von sich so distanziert, als wären Sie jemand anderes? Oder schildern Sie Ihre Probleme so, dass offenbar das Schicksal und alle anderen Menschen schuld an Ihrem Unglück sind? An der Art, wie Sie mir von Ihrem Anliegen erzählen, kann ich erkennen:

wie viel Sie schon über sich nachgedacht haben;wo Ihr »Locus of Control« ist – das heißt, wo Sie die Verantwortlichkeiten für Ihre Situation einordnen: im Außen, bei den anderen, oder im Inneren, bei Ihnen selbst;wie viel Vorerfahrung Sie mit solchen Erstgesprächen und vielleicht generell mit dem Thema hilfesuchendes Verhalten und Psychotherapie haben;ob Sie eher versuchen, rein logisch an Ihr Thema heranzugehen, oder ob Sie von Gefühlen übermannt werden;ob Sie eher klagen und anklagen oder eher ängstlich und schuldbeladen zu sein scheinen;ob Sie Fragen an mich haben (etwa danach, wie ich arbeite, oder ob ich verstanden habe, was Sie mir sagen wollen) oder passiv auf meine Reaktion warten;ob Sie Kommentare über den Therapieraum und unser beider Verhalten dort machen können (Metakommunikation über die aktuelle Situation) oder ob Sie ganz in sich und Ihre momentanen Empfindungen versunken zu sein scheinen;ob Sie derzeit über Humor verfügen oder sich eher in einer bitterernsten oder verzweifelten Gemütslage befinden;ob Sie die Kontrolle über Ihre Äußerungen behalten oder je nach Gedankengang zwischendurch die Selbstzustände wechseln.

Wie viel Sie mir auch berichten und ich mir währenddessen notiere (in Klammern schreibe ich meine eigenen unmittelbaren Beobachtungen und Kommentare dazu) – schließlich steuere ich auf eine Frage zu:

»Was ist das, was sich Ihrer Meinung nach am dringendsten ändern muss?«

WAS MUSS SICH AM DRINGENDSTEN ÄNDERN?

Zu mir kommen Menschen, die meist eher einen großen Sack voll Probleme mitbringen als nur eine oder zwei Fragen. Denn meine Spezialität sind die frühen und langfristigen Belastungsfolgen. Aber Sie werden mir wahrscheinlich ein Thema als Erstes anbieten, wie etwa, dass Sie eine Essstörung haben oder schlecht schlafen können. Sie werden mir Vordiagnosen und -berichte mitbringen, in denen ich Themen vorfinde wie: Angststörung, Depression, Persönlichkeitsstörungen, Partnerschaftsprobleme, traumatische Erfahrungen und entsprechende Diagnosen, Aufenthalte in Kliniken, Arztbriefe. Doch vielleicht haben Sie tatsächlich auch nur eine einzige Sache, die Sie umtreibt. Auf jeden Fall werde ich Ihnen diese Frage stellen, nachdem ich Ihnen eine Weile zugehört habe, und falls wir länger zusammenarbeiten, werde ich diese Frage des Öfteren wiederholen, da sie unsere Leitfrage sein wird:

»Was ist das, was sich am dringendsten ändern muss?«

An der Antwort auf diese Frage kann ich unter anderem erkennen:

Können Sie Prioritäten setzen für das, woran vorrangig gearbeitet werden soll?Haben Sie ein Gespür dafür, dass es an Ihnen liegt, etwas zu verändern?Wen machen Sie für Ihre zukünftige Lebensveränderung verantwortlich, und welchen Anteil sehen Sie bei sich?

Nehmen wir an, Sie sagen: »Ich muss zuallererst besser schlafen.« Dann würde ich Sie fragen: Ist es das Thema, das wir zuerst angehen sollen? Wenn Sie das bejahen, werde ich Sie weiter zu diesem Symptom befragen. Etwa so (ich füge Antworten hinzu, die mir häufiger gegeben werden):

Wie lange haben Sie das schon, dass Sie schlecht schlafen? Wann hat es angefangen?Eigentlich immer schon, besonders schlimm seit etwa zwei Jahren.Wie viele Stunden schlafen Sie so pro Nacht?

Kann ich schlecht schätzen, vielleicht drei oder vier Stunden, manchmal weniger, manchmal etwas mehr, manchmal gar nicht.

Wann stehen Sie gewöhnlich auf?

Wenn ich nicht zur Arbeit muss, am späten Vormittag.

Was haben Sie schon alles unternommen, um besser zu schlafen?

Rezeptfreie Schmerz-, Beruhigungs-, Schlaftabletten; anderes Kissen …

Wie sieht Ihre Einschlafroutine aus?

Verstehe ich nicht – hab ich nicht. Wenn ich müde bin, schlafe ich. Manchmal auf der Couch vor dem Fernseher, manchmal spiele ich noch eine Runde, manchmal schaffe ich es auch ins Bett …

Haben Sie einen Schlaftrunk? Tee oder Alkohol oder …?

Eher nicht, oder Alkohol, Tabletten …

Wie lange nach der letzten Mahlzeit gehen Sie schlafen?

Unterschiedlich, manchmal direkt danach.

Wie ist im Allgemeinen Ihr Tag-Nacht-Rhythmus?

Sehr verschieden. Oft bin ich so gerädert, dass ich mich tagsüber hinlegen muss. Dann schlafe ich noch mal ein, zwei Stunden.

Müssen Sie um bestimmte Zeiten wach und aufmerksam sein?

Für die Kinder. Wenn ich mit dem Hund rausgehe. Bei der Arbeit …

Wie versuchen Sie das bisher hinzubekommen?

Bin immer erschöpft und müde.

Wie sieht Ihr Schlafzimmer aus?

Ehebett, Schrank, Kommode …

Schlafen Sie allein oder mit einem Partner oder einer Partnerin?

Mein Mann und ich schlafen meistens getrennt.

Wenn ja, wie ist Ihr Verhältnis miteinander gerade – gut oder angespannt?

Unterschiedlich.

Schnarchen Ihr Partner oder Sie?

Er schnarcht, und ich glaube, ich auch etwas.

Haben Sie Kinder oder Haustiere, die während der Nacht kommen und etwas von Ihnen wollen?

Der Kleine kommt noch manchmal. Die Katze schläft im Bett.

Wie schlafen Sie: Auf dem Rücken, auf dem Bauch, auf der Seite, in Embryonalstellung oder ausgestreckt …?

Wenn es mir schlecht geht, in Embryostellung, sonst ausgestreckt.

Wie bequem ist Ihr Bett?

Geht so, die neue Matratze ist zu hart.

Liegt Ihr Smartphone eingeschaltet neben dem oder gar im Bett? Und wenn ja, hören Sie oder sehen Sie darauf etwas während der Nacht?

Ja, daneben, und ich gucke auch zwischendurch.

Ist das Smartphone auf laut gestellt oder summt es, wenn eine neue Nachricht kommt? Oder stellen Sie es auf Flugmodus oder schalten es ganz aus in der Nacht? Hängt es an einer Stromquelle direkt neben Ihnen?

Ja es lädt auf dem Nachttisch; nein, ich lasse es an, fühle mich dann sicherer (die ältere Tochter kommt manchmal spät nach Hause).

Haben Sie einen Fernseher im Schlafzimmer? Und läuft der auch nachts?

Ja, manchmal läuft er auch, wenn nicht Musik oder ein Film auf dem Handy oder dem Tablet laufen …

Verdunkeln Sie die Fenster nachts?

Ja.

Haben Sie irgendwo ein Nachtlicht, um sich zu orientieren, wenn Sie aufwachen, oder lassen Sie die ganze Nacht das Licht an?

Nein, bisher nicht, gute Idee.

Wie ist es mit Lärm? Von außen, aus den Nachbarwohnungen, über oder unter Ihnen?

Da ist einiges an Lärm, manchmal erschrecke ich mich darüber.

Fühlen Sie sich in Ihrer Wohnung sicher?

Nicht immer.

Schlafen Sie schnell oder mühsam ein?

Kommt drauf an, manchmal so, manchmal so.

Wachen Sie häufig nachts auf?

Ja, meist nach so anderthalb bis zwei Stunden und dann ist es schwer, wieder einzuschlafen.

Müssen Sie häufig nachts auf die Toilette?

Wenn ich viel getrunken habe, ja.

Trinken oder essen Sie zwischen den Schlafphasen?

Wenn ja, was? Manchmal habe ich Heißhunger, dann esse ich nachts noch Süßes oder Chips. Trinke Cola dazu oder Limonade. Manchmal mach ich mir auch einen Kaffee. Ich weiß, das sollte ich nicht, aber …

Sprechen Sie nachts mit jemandem, persönlich oder am Telefon?

Manchmal mit meinem Mann, den nervt es, wenn ich so herumlaufe. Oder mit einem meiner Kinder, besonders natürlich, als sie noch kleiner waren oder wenn sie krank sind. Um meine ältere Tochter mache ich mir gerade Sorgen …

Chatten Sie nachts mit Leuten oder surfen Sie im Netz, wenn Sie nicht schlafen können?

Ja, das lenkt mich ab, wenn ich wieder einen Albtraum hatte oder Angst vor dem Morgen habe.

Wie versuchen Sie dann wieder einzuschlafen?

Mache das Handy aus, leg mich wieder hin, und versuche es halt.

Sie merken schon: Ich frage viel. Nicht, dass ich Sie mit Fragen bombardiere wie hier >, aber ich wiederhole sehr oft wörtlich, was Sie mir geantwortet haben (»Ah, Sie machen sich gerade Sorgen um Ihre ältere Tochter …«), um Sie einzuladen, etwas mehr dazu zu erzählen, und schließe dann erst die nächste Frage an.

Welches Thema Sie auch immer genannt haben: Ich exploriere es mit Ihnen, so gründlich, wie es nur geht, um dann mit Ihnen zu überlegen: Was könnten wir gemeinsam vielleicht dafür tun, dass es besser wird? Manches ergibt sich unmittelbar aus dem, was an Antworten gekommen ist (lieber keinen Kaffee in der Nacht trinken, die Sorgen über die Tochter besprechen …). Doch es können sich noch sehr viel mehr Themen aus der ersten Exploration ergeben.