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Veränderung ist möglich Michaela Huber stellt Arbeitstechniken vor, die sich in der Psychotherapie mit schwer traumatisierten Menschen bewährt haben – in der Arbeit mit Menschen, die schon fast den Glauben an tragfähige Veränderungen aufgegeben hatten. Neben der Bearbeitung von Traumata sind diese Methoden auch für weitere Themenfelder in der Psychotherapie, im Coaching, in der Supervision oder in der Beratung geeignet. Die vorgestellten Arbeitstechniken – Kaskadentechnik „Hand aufs Herz“ und Körperressourcentechnik – sind nicht ganz neu, sondern von bereits existierenden Therapietechniken abgeleitet. Teils sind es auch neue Kombinationen bekannter Techniken, wie z.B. Timeline-, Screen- und Containment-Technik, Affektbrücke, Legetechniken etc. Das gilt insbesondere für die Affektketten-Technik. Zu allen Tools wird beschrieben, wie sie sich einsetzen lassen, worauf besonders zu achten ist, welche Voraussetzungen und Vorarbeiten nötig sind und was sie bewirken können.
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Seitenzahl: 173
Michaela HuberWie es ist, muss es nicht bleibenWirksame Psychotherapie-Tools zur Persönlichkeitsveränderung
Veränderung ist möglich
Michaela Huber stellt Arbeitstechniken vor, die sich in der Psychotherapie mit schwer traumatisierten Menschen bewährt haben – in der Arbeit mit Menschen, die schon fast den Glauben an tragfähige Veränderungen aufgegeben hatten. Neben der Bearbeitung von Traumata sind diese Methoden auch für weitere Themenfelder in der Psychotherapie, im Coaching, in der Supervision oder in der Beratung geeignet.
Die vorgestellten Arbeitstechniken – Kaskadentechnik, „Hand aufs Herz“ und Körperressourcentechnik – sind nicht ganz neu, sondern von bereits existierenden Therapie-Tools abgeleitet. Teils sind es auch neue Kombinationen bekannter Techniken, wie z.B. Timeline-, Screen- und Containment-Technik, Affektbrücke, Legetechniken etc. Das gilt insbesondere für die Affektketten-Technik. Zu allen Tools wird beschrieben, wie sie sich einsetzen lassen, worauf besonders zu achten ist, welche Voraussetzungen und Vorarbeiten nötig sind und was sie bewirken können.
© Baschi Bender
Michaela Huber ist psychologische Psychotherapeutin, Supervisorin und Ausbilderin in Traumabehandlung. Past President der Deutschen Gesellschaft für Trauma und Dissoziation (DGTD), 1. Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft für bedarfsgerechte Nothilfe (BAGbN).
Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2023
Coverbild: zenina – Adobe Stock
Illustrationen: Janina Röhrig (http://www.janina-roehrig.de)
Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn
Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn
Alle Rechte vorbehalten.
Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2023
ISBN der Printausgabe: 978-3-7495-0471-8
ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0486-2 (EPUB), 978-3-7495-0487-9 (PDF).
Die Arbeitsblätter aus diesem Buch stellen wir auch als Download zur Verfügung. Gehen Sie auf https://www.junfermann.de auf die Produktseite dieses Buchs und scrollen Sie dann nach unten bis zum Bereich „Mediathek“.
Sie möchten etwas ändern, aber etwas hindert Sie hartnäckig daran. Sie zögern, wenden sich an helfende Menschen, zucken zurück: Es scheint nichts zu verändern. Da gibt es Körpersymptome, seelische Nöte, wiederkehrende Beziehungsdramen, Arbeitsplatzprobleme. Sie fühlen sich immer hilfloser, schwächer und verzweifelter. Ja, soweit haben Sie schon verstanden: Etwas ist „zu viel“ in Ihrem Leben, etwas müsste anders werden. Aber ist es noch „drin“, in diesem Leben tatsächlich so viel zu verändern, dass es sich leichter anfühlt? Gehen wir diesen Fragen doch etwas genauer nach.
Stress, das „Zuviel“ in jeder Hinsicht, ist die Plage unserer Zeit. Sie führt zu einer Rekordzahl an ernsthaften psychischen Problemen, welche unsere Krankenkassen und Rentenversicherungsträger beunruhigen. Denn immer mehr Krankheitstage aus Gründen stressbedingter Erkrankungen führen zu immer mehr Frühberentungen – und das kostet die Gesellschaft eine Menge Geld. Stress und Stressfolgen werden nämlich lange übersehen („Stell dich nicht so an“, sagt man sich, auch untereinander, vielleicht zu lange), bis es zu spät ist, bis das Burnout, der Verlust des Arbeitsplatzes und vielleicht sogar der Zusammenbruch des persönlichen Lebens durch Trennung und Scheidung droht, einschließlich dem Verlust der Kinder.
Das Zuviel betrifft alle, in alle Himmelrichtungen. In der Tat: Viel zu viele kleine und große Menschen werden gemobbt, gestalkt, gemieden oder von denen, die sie versorgen und beschützen müssten, gequält. Sie entwickeln Symptome, die hartnäckig sind. Und viele – gerade die bereits Vorbelasteten – haben in den letzten Jahren massiv unter den Einschränkungen während und nach der Covid-Pandemie gelitten, die für viele geradezu traumatische Auswirkungen hatten, und damit meine ich nicht nur die Krankheit und deren Folgen.
Kinder und Jugendliche haben vermehrt psychische Probleme bekommen, weil die sogenannten Corona-Maßnahmen tief in ihr Leben eingegriffen haben; die Folgen sind ein teils dramatischer Anstieg an Depressionen, Angst-, Ess-, Zwangsstörungen und Suizidneigungen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht brachte viele, die sich nicht mit dem neuen Vakzin impfen lassen wollten, in berufliche Nöte. Menschen, die diese Maßnahmen kritisierten oder Bedenken wegen des neuen Vakzins hatten, wurden als Covidiot, Coronaleugner, Impfgegner etc. beschimpft, und das hat viele eingeschüchtert und das gesellschaftliche Klima auf vergiftende Weise gespalten. Erst Anfang des Jahres 2023 war klar: Die meisten Kritiker hatten recht gehabt. Impfstoffe waren nicht darauf getestet worden, ob sie eine Verbreitung der Erkrankung verhindern konnten, man konnte trotzdem – auch schwer – erkranken. Auch durch Masken wurde die Übertragung wenig bis gar nicht behindert. Länder, in denen man nach dem ersten Schreck über das neues Virus rasch die Schutzmaßnahmen lockerte, kamen mindestens so gut, wenn nicht besser durch die schwere Zeit. Im deutschsprachigen hingegen fühlten sich, zumindest im Nachhinein, viele Menschen getäuscht, irritiert von ihren Politikern und unsicher, welchen Autoritäten sie noch glauben und vertrauen könnten. Lehrern, Wissenschaftlern, Politikern, Medien?
Auch lange Zeit nach den Lockerungen der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen litten viele, Kinder wie Erwachsene, nach wie vor unter der Isolation, die wie ein Fallbeil in die Gesellschaft gekracht war. Heute, wo der Krieg in der Ukraine immer mehr Menschen tief verunsichert, muss man sich vielleicht an die Zeit der Corona-Krise zurückerinnern, daran, wie von einem Tag auf den anderen plötzlich alles ganz anders war: Home-Office, Home-Schooling, Lockdown. Und wenn man nach draußen ging, traf man auf eine buchstäblich maskierte Gesellschaft. Babys und Kleinkinder sahen für zweieinhalb Jahre kaum noch vollständige Gesichter. Viele Jugendliche und Erwachsene bekamen Angst: vor dem sozialen Ausschluss, der Strafe bei Zuwiderhandlungen, um ihre Bildungschancen oder ihren (zukünftigen) Job. Viele mussten tatsächlich mit Arbeitslosigkeit bzw. als Selbstständige mit mangelnden Aufträgen kämpfen oder ihr Geschäft gar schließen.
Im Krankenhaus und als psychisch erkrankter oder beratungsbedürftiger Mensch musste man allein auskommen, ohne die Möglichkeit, besucht zu werden. Bei positiven Testergebnissen wurde man unter Quarantäne isoliert und konnte nur an der Haustür versorgt werden. Alte und kranke Angehörige, ja die Sterbenden durfte man überhaupt nicht oder nur selten und sehr kurz besuchen, was sehr viel Leid auf allen Seiten verursachte. Über Wochen, ja über Monate wurde Kindern verboten, auf den Spielplatz, in manchen Regionen: überhaupt vor die Tür zu gehen. Sportstätten, Cafés und Restaurants, Läden, Feiern und das gesamte öffentliche Leben: Alles war schlagartig unerreichbar, verstummt oder extrem eingeschränkt. In den Familien nahm die Gewalt zu. Alles Zeichen dafür, dass sich die Stressbelastungen, die es auch vorher schon gab, für viele Menschen noch einmal verstärkt hatten.
Falls Sie zu den Auswirkungen weiterlesen wollen, sind hier einige auswertende Literaturangaben dazu: Bujard et al. 2021, Heise et al. 2020, Kolbe et al. 2020, Münster et al. 2020, Reme 2021. Für einige der gravierenden Folgen wurde sogar ein neuer Begriff erfunden: das Post-Lockdown-Syndrom (s. Schickedanz 2021).
Gerade auch jüngere Menschen haben mit einer „doppelten Krise seit 2020“ zu kämpfen, denn besonders ihnen machen zusätzlich ökologische Probleme, die Gefährdung der Umwelt, ja des ganzen Planeten – verkürzt als „Klimakrise“ bekannt geworden – zu schaffen, mit weiteren gravierenden Stressfolgen (Spitzer 2022).
Dann der Ukraine-Krieg, in den das eigene Land zunehmend hineingezogen wird, die Energiekrise, verschärft durch die Sanktionen gegen Russland. Und die – zum ersten Mal seit der Weimarer Zeit – wieder deutlich zweistellig ausfallenden Inflation.
Auch vor Corona, Krieg, Energiekrise und Inflation, vor dieser „bleiernen Zeit“ hatten viele Menschen mit grenzwertigen Auswirkungen von Stressbelastungen zu kämpfen; das zeigen bereits vor 2020 exponentiell steigende Krankheits- und Berentungszahlen aufgrund psychischer Erkrankungen. Doch sollten wir deshalb verzagen oder uns alle als „letzte Generation“ empfinden, das Ende der Welt vor Augen? Keineswegs.
Viele fragen sich zu Recht: Wohin mit meiner Unzufriedenheit, meiner Erschöpfung, meinem Gefühl, an eine absolute Grenze zu kommen? Wie kann ich meine Situation verändern? Will oder muss ich mich engagieren, und wenn ja, wo? Soll ich auswandern, um besser leben zu können? Fragen, die an mich und mein Team herangetragen werden und die vielen Rat- und Hilfesuchenden drängend erscheinen.
Eigentlich stecken dahinter Fragen wie: Kann ich etwas ändern an meinem Leben? Wenn ja, was und wie? Und weil diese Fragen heute so drängend sind wie selten zuvor, kann dieses Buch aktueller eigentlich gar nicht sein. Ich möchte Ihnen nämlich einige Möglichkeiten vorstellen, wie Sie mithilfe guter Begleitung durch erfahrene BeraterInnen, Coaches oder PsychotherapeutInnen Antworten für sich finden können. Oder umgekehrt: Wie Sie als BeraterIn, Coach oder PsychotherapeutIn Menschen bei der Klärung dieser Fragen gut begleiten können. Es wird u.a. auch darum gehen, vergangene Lebensbelastungen so weit abzulegen oder zumindest einzusortieren, dass Sie sich freier fühlen können, den eigenen Weg fortzusetzen – wenn Sie Glück haben, sogar offener und gelassener, ja kreativer als zuvor.
Wir alle wissen: Wenn es gelingt, die eigenen Gedanken, Gefühle, Impulse einigermaßen auszubalancieren, ohne allzu viel „wegdrücken“ zu müssen, geht es uns besser. Wenn wir uns weniger getrieben fühlen, sondern die Dinge besonnener angehen, erreichen wir mit weniger Kraftaufwand, was wir anstreben. Wenn wir extreme Situationen auch innerlich meiden, kann das erleichtern. Wenn es uns gelingt, schlimme Erinnerungen zu beruhigen und vielleicht sogar liebevoll zu versorgen, können wir heiterer durchs Leben gehen. Ja, aber wie? Wie kann es gelingen, wenn man schon so viel probiert hat und denkt: Es ist alles vergebliche Liebesmüh.
Wenn die Menschen so denken, kommen sie zu mir: Sie haben eine „erlernte Hilflosigkeit“, sie glauben also nicht mehr so recht daran, selbst etwas an ihrer Situation verändern zu können. Und dann schütten sie mir erst einmal einen großen Sack voller Probleme und Sorgen vor die Füße, den wir nach und nach sortieren. Wenn wir uns einig geworden sind, dass wir es miteinander versuchen wollen, gibt es von meiner Seite aus einige zum Nachdenken anregende Sätze und Fragen, die wir gemeinsam anschauen. Es folgen nun einige Erkenntnisse, die ich mit Ihnen, wie mit allen meinen Rat- und Hilfesuchenden, von Anfang an teile:
Wie immer, wenn Sie sich mit den eigenen Begrenzungen und hartnäckigen Symptomen beschäftigen, können wir als Erstes festhalten: Wenn es einfach wäre, hätten Sie es längst verändert. Es muss mindestens zwei Seelen in Ihrer Brust geben, die miteinander ringen: Die eine ist der Veränderung zugewandt – und die andere bringt zum Ausdruck: „Oh nein, lieber nicht.“ Wie stark mögen die beiden (oder drei, vier oder noch mehr) Seiten in Ihnen miteinander ringen, und wie finden Sie das heraus?
Vielleicht prüfen Sie sich zuerst einmal mit dieser Frage: Was genau muss sich am Dringendsten ändern? Manche Leute haben ja viele Baustellen: Ausbildung, Job, Geld, Partnerschaft, Wohnen … Oder auch körperliche Einschränkungen, Belastungen, Erkrankungen, Gewichtsprobleme. Oder Schlaflosigkeit, Angstzustände, Niedergeschlagenheit, Depression, Hilflosigkeit, Wut, Verzweiflung, Trauer. Daher frage ich die Menschen: Suchen Sie sorgsam nach dem, was sich für Sie von all dem am Dringendsten ändern muss. Dann fragen Sie sich vielleicht weiter:
Hat das etwas mit mir zu tun, also kann ich tatsächlich selbst etwas zur Veränderung beitragen? Auch wenn Sie nicht wissen, wie Sie das machen sollen: Wenn Sie das grundsätzlich bejahen, gehen Sie über zur nächsten Frage der Selbsterforschung:
Trauen Sie sich zu – und gibt es auch eine Resonanz in Ihrem Innern –, dass es „in diesem Leben noch drin“ ist, etwas daran zu ändern? Sollten Sie sofort ein klares Nein in sich spüren, können Sie auch einige der im Buch beschriebenen Arbeitsweisen anwenden, etwa die Körper-Problem-Ressourcen- oder die Hand-aufs-Herz-Technik. Dann jedoch ginge es weniger darum, tatsächliche Veränderungen in Ihrem Verhalten umzusetzen, sondern sich mit dem besser zurechtzufinden, wie es ist.
Viele Menschen suchen Beratungsstellen, Coachings und PsychotherapeutInnen auf, weil sie eine innere Not spüren. Und eine Not-Wendigkeit. Sie wollen ihre Not wenden, während sie gleichzeitig erlernte Hilflosigkeit haben: Sie wissen einfach nicht mehr weiter und glauben allmählich nicht mehr daran, selbst etwas zur Veränderung beitragen zu können. Die Suche nach einem helfenden Kontakt hat dann oft etwas Ambivalentes. Auf der einen Seite heißt es: „Nimm mich an, so, wie ich bin, und hab mich gern. Tröste mich und hilf mir einfach, dieses Schwere auszuhalten.“ Und auf anderen Seite: „Hilf mir und schubs mich, damit ich mich verändern kann, denn so wie es ist, darf es nicht bleiben.“
Schauen wir jetzt einmal auf die andere Seite, die der aufgesuchten HelferInnen, die sich immer überlegen sollten: Was möchten mir die Ratsuchenden denn mitteilen und wozu fordern sie mich auf? Brauchen sie einfach ein offenes Ohr, Trost, Begleitung, Tipps für den Alltag, um das Schwere aushalten zu können? Oder geht es darum, tiefere Veränderungen im Leben anzugehen? Veränderungen, die wirklich einiges umkrempeln, bei denen vielleicht sogar kein Stein auf dem anderen bleibt und alles ganz grundlegend auf dem Prüfstand steht?
Im letztgenannten Fall wäre eine Psychotherapie empfehlenswert, denn sie ermöglicht genau das: tiefgehende Arbeit an der eigenen Veränderung. Ein guter Coach oder eine gute Beraterin wird für sich einschätzen, wo ihre / seine Möglichkeiten und Grenzen für eine solche Arbeit liegen.
Wenn Sie selbst betroffen sind und sich für einen solchen Prozess grundlegender Veränderungen entscheiden, werden Sie vielleicht verwundert sein, dass es in einer solchen Therapie, Beratung oder einem solchen Coaching nicht sofort „ans Eingemachte“ geht. Erst einmal wird nämlich „das Terrain sondiert“ und genau beobachtet: Wie sind Sie zu der Person geworden, die Sie heute sind? Außerdem gilt es zu klären, was Sie befürchten, um von dort aus schließlich Möglichkeiten der Veränderung zu entdecken. Danach dann kann man in kleinen Schritten ausprobieren, ob und wie weit ein neuer Weg „gangbar“ ist.
Als Psychotherapeutin würde ich natürlich erst einmal all Ihren Nöten zuhören. Dann würde ich Sie, wie oben beschrieben, fragen: Was ist das Dringendste, das sich in Ihren Augen ändern muss? Und danach würde ich mit Ihnen zu verstehen versuchen, was an inneren Hemmnissen spürbar ist und welchen Sinn sie haben. Ja, tatsächlich: Das Aufrechterhalten von Symptomen hat in Ihrem Leben einen Sinn.
Vor jedem „Ärmelaufkrempeln und Loslegen“ geht es also um die aufrichtige Beantwortung einiger Fragen. Etwa:
Was konnten Sie nur erreichen, weil es Ihre Symptome gab?
Das ist eine von mehreren interessanten Fragen in diesem Buch. Tatsächlich hat das Wegdrücken und Aufschieben und haben all die lästigen körperlichen, emotionalen und Verhaltensangewohnheiten seltsamerweise ihren Sinn. Sich ablenken, die Konzentration auf Ihre Probleme und die unerklärlichen Symptome, sich in die Arbeit stürzen, Ihre Wutausbrüche und Angstattacken zwischendurch – alles das hat sich nicht zufällig in Ihnen breit gemacht. Und das hat nichts mit Trägheit oder Faulsein zu tun. Vielmehr ist es so: Während Sie all diese Probleme wälzen, können Sie noch einigermaßen funktionieren und es gelingt Ihnen, Ihren Impuls, endgültig alles hinzuschmeißen, einigermaßen in Schach zu halten.
Wozu ist das Unliebsame in Ihnen da?
Um diese Frage mit Ihnen genauer anzuschauen, würde ich wahrscheinlich eine meiner hier im Buch beschriebenen Arbeitstechniken anwenden: die Kaskadentechnik. Die nämlich kümmert sich zuallererst um Befürchtungen tief in Ihrem Innern, was alles passieren könnte, wenn Ihr Symptom – also das, was Sie ändern wollen – tatsächlich nicht mehr aufrechterhalten würde. Beispiele dafür finden sie in Kapitel 1. Vermutlich werden Sie erstaunt sein, wenn Sie die Kaskadentechnik – möglichst mit äußerer Unterstützung – auf Ihr drängendstes Thema anwenden: Etwas in Ihnen fürchtet eindeutig: Wenn Sie das Problem angehen, könnte etwas Schlimmeres passieren. Glauben Sie nicht? Lesen Sie selbst die Anleitung und Beispiele in Kapitel 1, und dann befragen Sie sich selbst entsprechend; es könnte sein, dass Sie überrascht sind.
Wenn wir dann gemeinsam verstanden haben, welcher Art diese Befürchtungen sind, könnten wir sie anerkennen: Etwas wird aufrechterhalten, weil es – ob realistisch oder nicht – Ängste in Ihnen gibt, es könnte noch schlimmer kommen. Wenn wir diese angeschaut und gewürdigt haben, könnten wir einen Blick zurückwerfen:
Wie lange denken Sie schon so?
Wann hat es begonnen, dass Sie denken: Lieber das tun (= Ihr Symptom haben bzw. aufrechterhalten), sonst könnte es am Ende ganz schlimm werden? Und könnte es sogar sein, dass damals, als Sie das zu verändernde Symptom entwickelt haben, es das Einzige oder Beste war, das Sie machen konnten?
Solche Fragen stellt sich ja kaum jemand von allein. Meine Erfahrung ist jedoch, dass es sich sehr lohnt, ihnen nachzugehen. Zu würdigen, dass man nicht verrückt war, als man die heute lästigen Symptome und Verhaltensweisen entwickelt hat, kann sehr helfen, sich nicht mehr für einen merkwürdigen, ja vielleicht verrückten Sonderling und Außenseiter zu halten, der es einfach nicht auf die Reihe kriegt …
In diesem Buch möchte ich Ihnen einige wirksame Arbeitstechniken vorstellen, die sich in der Psychotherapie mit Menschen bewährt haben, welche schon fast den Glauben an wirklich tragfähige Veränderungen aufgegeben haben. Methoden, die sich jahrzehntelang in der Praxis bewähren mussten, bevor sie breiter eingesetzt werden konnten. Da ich mit schwer traumatisierten Menschen arbeite und sie bei ihnen gut „funktionieren“, schlage ich sie auch für eine allgemeine Anwendung vor.
Wenn Sie „vom Fach“ sind, möchte ich Sie ermutigen, diese Arbeitstechniken zu erlernen und auszuprobieren, um sie Ihrem hoffentlich auch sonst gut bestückten Handwerksköfferchen hinzuzufügen. Und zwar auch für passende Situationen im Coaching oder in der Supervision. Selbst in Beratungssettings können die meisten dieser Tools angewendet werden. Nur die Affektkettentechnik sollte PsychotherapeutInnen vorbehalten sein, denn sie setzt viel Erfahrung voraus. Man sollte außerdem verschiedene Stabilisierungs- und Distanzierungstechniken beherrschen und über ein Wissen verfügen über die Dynamik und Begleitung innerpsychischer Veränderungsprozesse, die sehr tief gehen können.
Die hier vorgestellten Arbeitstechniken wurden teils neu zusammengestellt (Kaskaden- und Hand-aufs-Herz-Technik) oder teils abgeleitet aus schon existierenden Therapietechniken (wie die Körper-Problem-Ressourcen-Technik). Manchmal sind es auch Kombinationen unterschiedlicher Arbeitstechniken, etwa der gezielte Einsatz von Körperberührungen oder der Timeline-, Screen-, und Containment-Technik, der Affektbrücke oder von Legetechniken etc. (Letztere bei der Affektkette). Ich werde beschreiben, wann diese Tools jeweils eingesetzt werden können, worauf besonders zu achten ist, welche Voraussetzungen zu erfüllen und welche Vorarbeiten nötig sind und was dabei herauskommen kann.
Was Ihnen dabei helfen wird, ist, Ihre eigenen Fähigkeiten und alles, was sie „können“, zu würdigen. Und vielleicht werden Sie lernen, diese Fähigkeiten anzuwenden, obwohl Sie immer noch dieses Problem oder Symptom haben, das wie unveränderbar erscheint. Hierfür habe ich die Körper-Problem-Ressourcen-Technik entwickelt, eine Abwandlung der Klopftechnik-Tradition. Wenn man den Körper als Resonanzgeber einbezieht, um zu merken, wann etwas „stimmig“ ist und wann nicht, ist das sehr hilfreich und man muss sich nicht nur auf innere Bilder und Worte verlassen. Da die meisten Menschen ihre Probleme und ihre Ressourcen-Erfahrungen in anderen Hirn- und Körperregionen speichern, hilft diese Arbeitstechnik, beides miteinander Schritt für Schritt in Verbindung zu bringen – und Sie werden staunen, was dabei herauskommt!
Herauskommen kann unter anderem, dass Ihnen während der gemeinsamen Arbeit allerlei neue Erkenntnisse begegnen. Angenehme – etwas Anerkennendes über sich selbst zum Beispiel – und unangenehme: bittere Wahrheiten, die es aber auch gilt anzuerkennen. Für solch wichtige Momente habe ich die Hand-aufs-Herz-Technik entwickelt, die Ihnen hilft, auf freundliche Weise zu spüren, dass Ihr Körper auch Resonanz im Anerkennen geben kann: Ja, manche von Ihnen laut geäußerten Sätze fühlen sich auch in der Körperresonanz stimmiger an als andere. Sie können auf diese Weise lernen, Ihre eigenen Wahrheiten immer präziser zu fassen und immer genauer zu formulieren; außerdem, Ihr Innenleben mitzunehmen und nicht nur in Ihrem Alltags-Ich Beschlüsse zu fassen. Hinzu kommt: Sie fallen weder um noch auseinander, wenn Sie dies anerkennen, sondern Sie halten sich und Ihr gutes Herz dabei in den Händen – und ganz nebenher werden auch ein paar gute Bindungshormone ausgeschüttet. Seien Sie ruhig neugierig darauf …
Was kann herauskommen, wenn Sie würdigend nach vorn und zurück ins eigene Leben schauen? Vielleicht ein Verständnis, das hilft, das eigene Gewordensein als solches wertzuschätzen. Der Weg hierher war lang und manchmal krumm und schief und steinig. Aber es ist Ihr Weg. In der Beratung, im Coaching und in der Psychotherapie geht es häufig darum, die eigene Würde (wieder) zu finden. Sich aufzurichten – was nur geht, wenn man wirklich aufrichtig mit sich ist.
Loslassen, ablegen, frei werden von Lasten
Dann geht es darum, abzulegen, was man noch mit sich herumschleppt. So gut und soweit es geht. Ja, was geschehen ist, ist geschehen. Es muss Sie aber nicht daran hindern, jetzt und in der nächsten Zeit ein kraftvoller Mensch zu sein, der um die eigenen Stärken und Schwächen weiß, der die eigenen Möglichkeiten gut einschätzen kann, in sich ruht und vielleicht auch mutig voran geht und anderen beisteht.
Wer ausschließlich mit den eigenen Nöten beschäftigt ist, hat kaum freie Ressourcen, sich um andere gut zu kümmern. Doch wer Abstand gewinnen kann von dem, was ihn oder sie quält (und das zum großen Teil aus der Vergangenheit herrührt), indem man es einsortiert, würdigt und dann loslässt, hat Energie und freie Kapazitäten gewonnen. Für die eigene Kreativität und auch dafür, sich anderen Menschen zuzuwenden und Themen, bei denen Engagement gefragt ist. Das erlebe ich immer wieder, und es macht mich froh und zuversichtlich, dass sich die Sorgfalt lohnt, mit der wir miteinander arbeiten – und dabei auch die eine oder andere der hier vorgestellten Arbeitstechniken zur Hilfe nehmen.
Ja, es stimmt: So wie es ist, muss es nicht bleiben. Viel Freude mit diesem Buch und der Lektüre. Einiges können Sie selbst anwenden, doch ich würde Ihnen immer raten, sich jemanden an die Seite zu holen, der oder die Ihnen dabei hilft.
Bleiben Sie neugierig. Und erzählen Sie mir, wie es Ihnen ergangen ist.
Herzlich, Ihre Michaela Huber
www.michaela-huber.com