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Ein einzigartiges Zeugnis des Zusammenhalts kritischer Intellektueller in der DDR
Im Herbst 1976 entsteht zwischen Christa Wolf und Franz Fühmann ein Briefwechsel, der vor allem durch die politischen Auseinandersetzungen, in die beide verwickelt sind, vorangetrieben wird. Er schreibt sarkastische Grußkarten und Telegramme, cholerische Fluch- und Wutbriefe, sie versucht, ihm in seiner Verzweiflung beizustehen, und teilt ihm ihre Befürchtungen mit. Auf diese Weise entfaltet sich eine Korrespondenz, die einen faszinierenden Eindruck vom Zusammengehörigkeitsgefühl der bedrängten Künstler vermittelt, das weit über eine Notgemeinschaft hinausgeht.
»Wir brauchen einander, und wahrscheinlich ist es der Sinn dieser heillosen Epoche, daß sie uns zueinander rückt.« Franz Fühmann an Christa Wolf, 3. Juli 1979
Erweiterte und durchgesehene Neuausgabe – mit bislang unveröffentlichtem Material und zahlreichen Abbildungen.
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Seitenzahl: 265
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Christa Wolf, Franz Fühmann
Monsieur – wir finden uns wieder
Briefe 1968–1984
Herausgegeben von Angela Drescher
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Informationen zum Buch
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1: Christa Wolf an Franz Fühmann
2: Franz Fühmann an Christa Wolf
3: Christa Wolf an Franz Fühmann
4: Franz Fühmann an Christa Wolf
5: Christa Wolf an Franz Fühmann
6: Gerhard Wolf an Franz Fühmann
7: Franz Fühmann an Gerhard Wolf
[Anlage:] Franz Fühmann an Georg Maurer
8: Gerhard Wolf an Franz Fühmann
9: Franz Fühmann an Christa Wolf
10: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
11: Gerhard und Christa Wolf an Franz Fühmann
12: Franz Fühmann an Gerhard Wolf
13: Franz Fühmann an Christa Wolf
14: Christa Wolf an Franz Fühmann
15: Franz Fühmann an Christa Wolf
16: Franz Fühmann an Willi Stoph
17: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
18: Franz Fühmann an Christa Wolf
19: Christa Wolf an Franz Fühmann
20: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
21: Franz Fühmann an Christa Wolf
22: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
23: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
24: Franz Fühmann an Gerhard Henniger
25: Franz Fühmann an Gerhard Henniger
[Anlage:] Franz Fühmann an Klaus Höpcke
26: Christa Wolf an Franz Fühmann
[Anlage:] Christa Wolf an das Präsidium des Schriftstellerverbandes
[Anlage:] Christa Wolf an Erich Honecker
27: Franz Fühmann an Christa Wolf
28: Christa Wolf an Franz Fühmann
29: Christa Wolf an Franz Fühmann
[Anlage:] Gerhard Henniger an Christa Wolf
[Anlage:] Gerhard Henniger an Franz Fühmann
[Anlage:] Christa Wolf an Gerhard Henniger
30: Franz Fühmann an Christa Wolf
31: Christa Wolf an Franz Fühmann
32: Franz Fühmann an Klaus Höpcke
33: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
34: Franz Fühmann an Christa Wolf
35: Christa Wolf an Franz Fühmann
36: Christa Wolf an Franz Fühmann
37: Franz Fühmann an Christa Wolf
38: Christa Wolf an Franz Fühmann
39: Franz Fühmann an Christa Wolf
40: Franz Fühmann an Christa Wolf
41: Franz Fühmann an Christa Wolf
42: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
43: Christa und Gerhard Wolf an Franz Fühmann
44: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
45: Franz Fühmann an Christa Wolf
[Anlage:] Franz Fühmann an Erich Honecker
46: Christa Wolf an Franz Fühmann
[Anlage:] Christa Wolf an Henryk Keisch
[Anlage:] Christa Wolf an Kurt Hager
[Ergänzung:] Henryk Keisch an Christa Wolf
[Ergänzung:] Christa Wolf an Henryk Keisch
47: Franz Fühmann an Konrad Wolf
48: Christa Wolf an das Präsidium des Schriftstellerverbandes
49: Christa Wolf an Franz Fühmann
50: Franz Fühmann an Christa Wolf
51: Franz Fühmann an Christa Wolf
52: Franz Fühmann an Christa Wolf
53: Franz Fühmann an Christa Wolf
54: Franz Fühmann an Christa Wolf
55: Franz Fühmann an Christa Wolf
56: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
57: Christa und Gerhard Wolf an Franz Fühmann
58: Franz Fühmann an Christa Wolf
59: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
60: Christa Wolf an Franz Fühmann
61: Christa und Gerhard Wolf an Franz Fühmann
62: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
63: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
64: Franz Fühmann an Christa Wolf
65: Christa Wolf an Franz Fühmann
66: Franz Fühmann an Kurt Löffler
67: Christa Wolf an Erich Honecker
68: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
69: Franz Fühmann an Christa Wolf
70: Franz Fühmann an Konrad Wolf
[Anlage:] Franz Fühmann an Konrad Wolf
71: Franz Fühmann an Christa Wolf
72: Franz Fühmann an Christa Wolf
73: Christa Wolf an Franz Fühmann
74: Franz Fühmann an Christa Wolf
75: Franz Fühmann an Christa Wolf
76: Franz Fühmann an Christa Wolf
77: Franz Fühmann an Christa Wolf
78: Franz Fühmann an Christa Wolf
79: Franz Fühmann an Christa Wolf
80: Christa Wolf an Franz Fühmann
81: Franz Fühmann an Christa und Gerhard Wolf
82: Franz Fühmann an Christa Wolf
83: Christa Wolf an Franz Fühmann
84: Franz Fühmann an Christa Wolf
85: Christa Wolf an Franz Fühmann
86: Christa Wolf an Franz Fühmann
87: Christa Wolf an Franz Fühmann
88: Franz Fühmann an Christa Wolf
Christa Wolf: Franz Fühmann – Trauerrede
Christa Wolf: Für die Franz-Fühmann-Schule in Jeserig, zu ihrer Namensgebung
Christa Wolf: Nachwort
Anhang
Lebensdaten Franz Fühmann
Lebensdaten Christa Wolf
Anmerkungen
Zu dieser Ausgabe
Impressum
1
Kleinmachnow, 5. 2. [68]
Lieber Franz,
hier ist das Manuskript, das Du mal lesen wolltest. Wenn Du fertig bist, ruf mich doch mal an – vielleicht schwingst Du Dich sogar zu einem Trip nach Kleinmachnow auf? Oder wir sehen uns in Berlin.
Wir haben eine neue Adresse: Fontanestr. 20. Telefon, von Berlin aus: 0 23 53 21 97.
Gruß
Christa Wolf
2
25. 2. 68
Liebe Christa,
vielen Dank für das Manuskript. Sei nicht böse, wenn es etwas länger dauert, mir fällt Schreibmaschinelesen sehr schwer, und mich hat auch wieder so eine blödsinnige Grippe umgehauen. Mit Freude habe ich erfahren, daß Sinn und Form es jetzt bringt. Wenn ich wieder auf den Beinen bin, mache ich gern einen Sprung zu Euch.
Barbara findet Dich »fetzig«, von wegen der Kutte, es war überhaupt ein Tag ungeteilter Triumphe für sie.
Bis bald, hoffe ich
und Gruß
Dein
Franz
3
11. 11. 68
Lieber Franz –
wie das so ist: Eben ruf ich bei Dir zu Hause an, weil ich morgen in Berlin bin und ein Stündchen Zeit hätte: Da wollte ich Dich besuchen. Nun höre ich von Deiner Frau, daß Du krank bist. Es tut mir leid, wenn es mich auch nicht zu sehr wundert. Ich glaube, den Zustand ein bißchen zu kennen, in dem Du jetzt wahrscheinlich bist. Schlechte Zeiten für Nerven. Allerdings kann man mit Wut was machen: Die soll’n mich nicht unterkriegen.
Wenn Du wieder in Berlin bist – hoffentlich bald – kommen wir mal zu Euch, ja? Solange stärk Dich an der Seeluft und wandle durch die unbekannten Straßen, wo Dich auch keiner kennt.
Herzlich
Christa
4
15. XI. 68
Liebe Christa,
schönen Dank für Deinen Brief und vor allem für das gute Motto: »Die sollen mich nicht –«. Nun, wir, die wir knödelessenden Völkern entstammen, wir Böhmen + Tiroler, tun uns etwas schwer und kapieren spät – und so hat es denn gedauert, bis ich ganz begriffen habe, daß »die« eben »die« sind. Habe ich’s jetzt ganz kapiert? Ich wills wenigstens hoffen, denn ich habe auch etwas dafür gezahlt.
Hier liegt und spaziert sichs gut; Ende nächster Woche hoffe ich herauszukommen, und ich werde mich immer freuen, Dich und Gerhard und wenns möglich ist, Anettchen und Katinka zu sehen. Kommt, wann Ihr könnt, Ihr seid immer herzlich willkommen.
Mein Zustand ist schon sehr gut. Ich lese ganz ohne Aufregung, ganz gelassen, ganz ruhig die Tagespresse, vor allem mein Lieblingsblatt. Daneben übersetz ich ein bißchen Halas, den großen Meister aus Kunštát und zähle die Schiffe im Hafen. In der »Ostseezeitung« las ich heute, daß »der Vorsitzende des DSV auf seiner letzten Sitzung« beschlossen habe, einen Kongreß einzuberufen. Karl Kraus hat mehrmals bemerkt, daß Druck- und Schreibfehler die einzige Form für Gazetten sind, den eigentlichen Sachverhalt deutlich zu machen.
Lebt wohl! Hoffentlich bis bald!
Salut + Händedruck
Franz
5
Kleinmachnow, den 20. 1. 71
Lieber Franz,
das war schön, daß Du Dein Buch geschickt hast, wir hatten es nämlich zu Weihnachten verpaßt und konnten es jetzt nicht mehr bekommen. Haben es auch gleich gelesen.
Mir ist Deine Art der Vergangenheitsbewältigung augenblicklich besonders wichtig, weil ich auch etwas zu diesem Thema vorhabe, eine Art Kindheitsbuch (aber auch wieder nicht), autobiografisch (aber auch wieder nicht). Da fasziniert mich sehr, wie Du in diesen Geschichten – »Spielereien« würd ich sie ja nun nicht nennen, es sei denn, in dem Sinne, in dem alle Kunst »Spielerei« ist – in der Ich-Form so verfremden kannst, erfindest und nicht erfindest, ein und denselben Charakter in verschiedene Umstände, Familien usw. stellst – zum Beispiel Vater und Sohn – und dabei, ohne es zu sagen, die öde Gleichheit der bürgerlichen Verhältnisse deutlich machst.
Ich habe mit Spannung gelesen, hintereinanderweg. Ich glaube eine Art Überdruck zu spüren, unter dem Du beim Schreiben stehst, oder unter dem Du immer stehst, weshalb Du schreiben mußt. Schon diese Satzgebirge scheinen mir das anzudeuten, man wird ja atemlos beim Lesen, und das soll man wohl. Die Unbedingtheit und Kompromißlosigkeit, mit der Du schon immer geschrieben hast, steigert sich eher noch, und nun passieren die tollsten Dramen in Bruchteilen von Sekunden, die tollsten Gefühlsumschwünge in Augenblicken. Diese ungeheure Dehnung bringt den Effekt hervor, den ein Naturwissenschaftler unter einem starken Mikroskop erlebt, vergrößernd, verzerrend, übersteigernd, manchmal bis ans fast nicht mehr Glaubhafte. Psychoanalyse ist ja gar nichts dagegen, und doch hat es eine ganze Menge damit zu tun.
Kurz und gut, ich kann im Schreiben nur einen einzigen Sinn finden, nämlich, daß wir uns selber kennenlernen, was uns ziemlich nötig ist. Und darum finde ich das so wichtig, was Du machst.
Ich grüße Dich herzlich, auch von Gerd.
Deine
Christa W.
6
20. 4. 71
Lieber Franz,
ich will mich doch noch mal offiziell an Dich wenden wegen eines Beitrages zu dem Band über Maurer. Sieh doch zu, daß Du ein paar Seiten wenigstens schreibst, gerade wenn Du fehlst, würde es unser Dichter auch nur schwer verschmerzen!
Vielleicht eine kleine Betrachtung von einem Gedicht ausgehend, das Du besonders magst, oder in Zusammenhang mit einem Band, der Dir etwas bedeutete – es braucht ja kein umfassender Aufsatz zu sein. Versuchs doch, bitte.
Termin, wie gesagt, leider schon der 1. Juli – aber sonst kommen wir zum Geburtstag im nächsten Jahr nicht mehr zu recht.
Gib mir mal Bescheid,
viele Grüße von uns
Dein Gerhard W.
7
M. Buchholz 7. 7. 71
Lieber Gerhard,
ich bringe doch nichts Essayistisches zusammen, aber ich habe bei meiner Arbeit an einem Auswahlband Nezval für Reclam ein Gedicht gefunden, das unsern Schorsch erfreuen könnte. Wenn Du glaubst, daß es in Deine Geburtstagsschrift paßt, dann nimm es.
Muß man Reclam um Erlaubnis fragen? Der Band kommt dort wahrscheinlich erst 73 heraus. Ich glaube nicht, daß sie etwas dagegen haben werden.
Gruß und Händedruck
Dein
Lieber Georg,
einem Dichter soll man Gedichte schenken, und wenn man selbst keine mehr macht, dann eben geliehene. Hier ist ein bislang im Deutschen noch unbekanntes von Vitězlav Nezval, dem großen Kind Mährens, mit dem Du, glaube ich, mehr als Titel und Thema gemeinsam hast. Möge es Dich, Saphirbrecher im Steinkohlenbecken der Kulturen, erfreuen und grüßen:
Die Elemente
Auf der Erde ein Alter im Wasser ein Weib im Feuer ein Mann in der Luft ein Kind
Das ist die Geschichte unsicher wie Proteus
Schollen schwieligen Handflächen ähnlich
Ein alter Landbewohner ein Ringer mit der Plantage
Zerbricht den Wind und macht Zaunlatten draus
Ein alter Landmann ein Skarabäus
Bricht Saphire im Steinkohlenbecken
Wie Zahnwurzeln
Er schleppt im Beutel zerspellte Gebirge mit sich herum
Seine Stirne ist eine Mühle
Dieser Propagator der Arbeit zertrümmert Felsen mit seinem Herzen
Er ist ein erbarmungsloser Riese
Seine Finger sind aus krummgebogenen Wurzeln
Sein Glied ist von einem Scheunendrescher
Er stößt mit Gedanken an sein Haus
Und erschüttert es in den Grundfesten
Brutal wie eine Kanone
Auf der Brust mit Disteln bewachsen
Haßt er die Zartheit
Wenn er schläft rollen Splitter von Split die Abhänge abwärts
Wenn er schläft quellen endlich aus seinen Schläfen die Nattern der Flüsse
Geben wir also für einen Moment das Wort seinen Töchtern
Denen er Knochen aufgezwungen
Aber das ist auch alles
Sie verheimlichen dieses ihr Erbmal so sehr sie können
Räckeln sich rückgratlos im Samt des Schilfbetts
Und repetieren fingernd die ewigen Triller
Ihre Zunge ist überall wohin Wasser drang
Ihre Zunge rauh wie eine Wabe
Denk an die Erinnyen des Regens
Die euch totküssen möchten
Nach einem Angsttraum findet ihr morgens ihre kurzen Küsse auf eurer Stirn
Manchmal lassen sie sich mit Regenbogen zur Königin krönen
Ihr könnt sie auch im Speichel spüren
O Fluß der die Mirabelle durchkreist
Meine Verse bekennen deine Walzergeschmeidigkeit
Du spitzentanzender Fluß
Der du mit deiner Kühle Feuer vortäuschst
Mein eigentliches Element
Wenn sich zwei Flüsse mit ihren Skeletten reiben bricht Feuer aus
Verfolgen wir den Marathonläufer den Fackelträger
Im Feld versteckt droht er durch den Klatschmohn
Sein Tritt brennt der Erde Heidekraut ein
Er spuckt wie ein Vulkan aus den Apfelbaumkronen
Wenn er mit dem Kamm an sein Haar rührt brennst du o Sternnacht
Sein Fuß ist Blitz
Springt wie auf der Zimbel
Und macht die Truthähne verrückt
Er kniff den Eisvogel unter dem Bauch
Und streut wie ein Brandstifter Feuerkäfer auf Raine
Seine roten Augen gucken durchs Kirschlaub
Der Frühling errötet gedenkt er seines Feuerwerks
Früh und abends tritt er an die Flüsse heran
Wie Narziß in den Spiegel
Ich horche dem Gesumm der Fliege
Und sehe wie die Luft geboren wird
Gespannt auf der höchsten Saite
Lauter Gedächtnis
Eine Wolke
Ein Phantom das Pferdenüstern ausstoßen
Ein Dudelsackpfeifer der eine Lunge geschultert hat
Ein schwebender Abend
Mit Kindertränen
Die in Griesbrei gerinnen
Den mir der Wind in den Mund treibt
Damit daraus ein Seufzer entweiche
Wie eine schlafende Biene
Wie die unendlich entfernten zerplatzenden Blasen des Regenbogens
Unser Leben ist schließlich nichts als der Elemente Zusammenspiel
Unser Leben unser Tod
Unsre Liebe unser Leid unsre unendlich veränderliche Geschichte
Glück auf, Georg
Dein
Franz
8
28. 2. 72
Lieber Franz,
ich höre, Du brauchst Maurers letztes Manuskript. Ich habe nur noch dieses Arbeitsmanuskript, bevor es noch einmal abgeschrieben wurde, mit den letzten Korrekturen und Strichen (besonders in Revolutionsskizzen fiel noch einiges weg, weil es ihm alles zu illustrierend war). Wirklich schön finde ich Schönheit und Erwachen nach schwerer Nacht, Stücke aus dem letzten Zyklus Erfahrene Welt.
Über ›Erwachen‹ habe ich etwas für den Band über Maurer geschrieben, der in der nächsten Woche verabschiedet werden soll. Da steht noch Deine Nezval-Übertragung. Solltest Du jetzt noch etwas schreiben, wäre es schön, und ich würde Dich bitten, mir sogleich einen Durchschlag zu schicken, daß wir es noch aufnehmen können. Ich glaube der Band wird ganz anständig.
Schick mir auch dieses Manuskript zurück, sobald Du es nicht mehr brauchst.
Herzliche Grüße
von uns
Gerhard
9
Berlin, 18. III. 72
Liebe Christa,
herzlichen Dank für Dein Buch; es kam heute an, und ich freu mich, es zu lesen. Ich fahre jetzt nach Rostock, ein Manuskript fertigmachen, und werde es mir in die Aktentasche packen, als Gebrauchsgegenstand, zu Äpfeln, Stullen, Papier und Schreibzeug.
Herzlich, Händedruck, Dein
Franz Fühmann
10
26. 2. 73
Franz Fühmann
Christa + Gerhard
Liebe Freunde,
danke schön, es hat geklappt!
Der Zufall im Kleinen und Übereinstimmung im Großen haben eine ganz verrückt schöne Auswahl zusammengebracht. Es ist von allen was da, und der Jubilar wird sich freuen.
Ich müßte jedem von euch einzeln und besonders danken; bitte nehmt mit diesem allgemeinen Dank vorlieb.
Es geht jetzt so weiter: Ich lasse die Beiträge jetzt einheitlich abschreiben* und reihe sie einfach alphabetisch aneinander. Warum soll ich den Surrealisten in mir verleugnen. Was der Zufall zusammenfügt, soll der Mensch nicht trennen. Beim nächsten Treffen mit Erich, entweder zum Geburtstag oder eben dann hinterher ist Gelegenheit, die einzelnen Beiträge zu unterzeichnen und eine Widmung dazuzuschreiben.
Nochmals Dank, Händedruck, einen schönen März
euer
* die euren nehme ich so, wie sie sind, natürlich mit Titelblatt + Widmung.
Ahoi
Franz
11
am 1. 12. 74
Lieber Franz, Du siehst, wie Deine Anregungen auf fruchtbaren Boden gefallen sind, und weil uns das gut gefallen hat:
Wir haben überlegt, wir wir Stephan Hermlin zu seinem 60. Geburtstag am 13. 4. 1975 am besten unsere Verbundenheit zeigen können und möchten eine Mappe mit Beiträgen seiner Freunde und Kollegen, die ihm nahestehen, zusammenstellen: Einen Gruß, einen Brief, ein paar Seiten einer neuen Arbeit, in Vers oder Prosa, Stephan betreffend oder ihm gewidmet.
Wieland Förster würde die Gestaltung der Mappe übernehmen, und es wäre schön, wenn wir die Beiträge, mit der Hand oder der Maschine geschrieben (auf DIN A4 Format mit breitem Rand zum Heften) bis zum 1. Februar 1975 hätten, um sie binden zu lassen. Wir würden uns sehr freuen, wenn unsere Anregung gut aufgenommen wird und danken schon jetzt herzlich für die Mitarbeit
Eure
Gerhard Wolf
+ Christa
12
[75]
Lieber Gerhard,
ich hab einen Schreck gekriegt, als ich Deinen Brief in die Hand nahm, mich zu regenerieren – ich hab mich um einen vollen Monat vertan!
Hoffentlich ist es nicht zu spät, sonst lege die Blätter halt dazu.
Was sagst Du zu Kurt Batt? Zur Strecke gebracht – und jetzt wird man fromme Tränen ausstellen!
Händedruck,
Gruß an Christa
Franz
13
Märkisch Buchholz 10. 10. 75
Liebe Christa,
gute Besserung. Schade, daß Du nicht mitmachst. Ich hoffe, es wird schön provokativ!
Sehn wir uns zu P. E. N.? – Ich war jetzt bei Herrn M. W. Schulz – (Verzeihung: Herrn Prof. M. W. Sch.) zu einer Lesung und einer ganz interessanten Diskussion. – Ich habe ihn öffentlich auf seine Rede auf vorletztem Schriftst.kongreß angesprochen – er hat es aus Idealismus getan, sagt er, (und nach dieser Sitzung (jetzt) habe er sich hinlegen müssen, erzählte dann sein Weib).
Wo fährst Du hin? Nach Australien? Deine Haushälterin (oder wer?) sagte am Tel., Du hättest mir geschrieben. Ich hab nix gekriegt.
Gruß, natürlich auch an Gerhard
Franz
14
13. 10. 75
Lieber Franz,
mir ging es neulich so schlecht, daß ich nicht ans Telefon hätte kommen können, selbst wenn unser liebes Fräulein Stürmer Deinen Namen richtig verstanden und mir übermittelt hätte. So glaubte ich, da sei ein anderer, an den ich allerdings wirklich geschrieben hatte. Aber es ging, soviel ich sehe, um die gleiche Veranstaltung … Jedenfalls sind wir einfach nicht da, morgen fahren wir in die Schweiz. Daher auch keine Anwesenheit beim PEN. – Amüsiert hab ich mich über den Idealisten Max Walter. In Deutschland hält sich einer immer dann für einen Idealisten, wenn er den Schmerz noch fühlt, mit dem ihm das Kreuze gebrochen wird.
Frau Köpp vom Rundfunk kam neulich auf die Idee, uns beide mal vor ein Mikrophon zu setzen, auf daß wir diskutieren. Worüber, könnten wir weitgehend selber bestimmen. Ich weiß nun nicht, ob Dir sowas Spaß machen würde. Ich habe gesagt, wenn überhaupt – ich drängle mich nicht – würde ich es nur mit jemandem wie Dir machen. Aber fühl Dich nicht bedrängt. Sie wird demnächst mit Dir reden.
Leb wohl, hoffentlich mal auf bald (wir gehen ja mit der Idee um, für die Wintermonate nach Berlin zu ziehen),
Gruß, auch von Gerd
Deine C.
15
Märkisch Buchholz 11. 11. [76] 1111
Christa,
ich schreib Dir via Schriftstellerverband, weil ich Deine neue Adresse nicht habe (und zu was sollte der Verband doch gut sein!), und ich schreib Dir aus 4 Gründen:
1.) weil ich das dunkle Gefühl nicht los werde, daß ich an Dir im Antiquariat in der Karl-Marx-Buchhandlung vorbeigelatscht bin (ich war nach was aus, und bis es dadurchhindurch dämmerte, daß es Dich oder etwas Dir sehr Ähnliches dort gab, verging 1 Stunde) – sollte das der Fall gewesen sein, bitte nicht bös gewesen sein, ich vergesse dort alles;
2.) weil ich Dir so warm wie einst Du mir eine Lesestätte ans Herz legen möchte: Genthin. Ich hab dort jetzt gelesen, da entsteht etwas, unter unsäglichen Bedingungen, ein Literaturclub und Lit.-zirkel, mühseligste Umstände, aber ein ungewöhnliches Publikum, mit der Chance, daß da so eine Art Hoyerswerda werde, nur: Die haben keine Verbindung, keine Ahnung, sehr viel Angst, jemand anzusprechen (was positiv ist), und auf mich kamen die, weil ein Mädchen dort mal Kulturweib im Rat des Kreises war, die in meinem Haus gewohnt hatte. Also ich hab dort gelesen, in einem Kulturschuppen, ohne Gastronomie, aber umwerfend gut! Nun haben die Sorgen, daß der Anschluß gehalten wird (ich war der Start), und die hätten Dich gern im Frühjahr und trauen sich nicht. Ich hab denen versprochen, Dich zu bitten – wenn Du könntest, schreib mir doch 1 Zeile, und ich schreib dorthin, daß sie Dir offiziell schreiben, so kompliziert ist das, aber das ist besser als unverschämt und nix dahinter.
3.) weil die gute Luise Köpp noch immer mit ihrem Gespräch mit uns zwei beiden im Hintergrund steht und zappelig wird, und ich fänds auch schön. Natürlich, das Problem ist, worüber könnten wir uns streiten? Irgendwas müßte uns doch einfallen! Wollen wir nicht doch mal?
Und 4.) weil ich alles so unsagbar beschissen finde, inklusive dieser unsäglichen Kunze-Affaire, ein miserables Buch, und eine Aufblähung, und Böll liegt auf dem Buch, und Hans Mayer, und wir verbietens natürlich, und der PEN interveniert, und wir werden ruppig, und die Jugend schreit und hälts für das Nonplusultra der Literatur, und sie schreibts ab (die Jugend) und wird dafür eingesperrt werden – könnten wir uns darüber unterhalten? Ob das geht? Aber da werden wir uns ja auch wieder einig sein. Dafür plädieren, daß das Ding hier gedruckt wird, damit man sich wirklich ein Urteil bilden kann, und dann ruhig sagen: Bittschön, so aber nun wirklich nicht. – Wir kriegen jetzt die Helmut Preislers und Schulz’ und Seegers und tutti quanti durch die Hintertür wieder rein! So rächt sich das! Man sollte diese List der Geschichte bewundern.
Im Übrigen – mein Verlag ist kaputt, die Entwicklung wird böse, ich hab zu nichts Lust mehr.
Bitte fahr nach Genthin.
Herzlich, Händedruck
Franz
Bitte schreib 1 Zeile.
16
Märkisch Buchholz 16. 11. 76
An den
Vorsitzenden des Ministerrates der
Deutschen Demokratischen Republik
102 Berlin
Klosterstraße 47
Sehr geehrter Herr Stoph,
aus Radio und Fernsehen erfahre ich bestürzt von dem Beschluß, dem Sänger und Dichter Wolf Biermann die Rückkehr in die DDR zu verwehren.
Ich halte es als Bürger und Schriftsteller der Deutschen Demokratischen Republik nicht nur für mein Recht, sondern auch für meine Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß mich diese Maßnahme sowie ihre Modalitäten aufs Äußerste verstört und beunruhigt, ich sie weder mit dem Wesen, noch mit der Würde, dem Ansehen und auch der Stärke dieses meines Staates vereinbaren kann. Mich schrecken Spuren; ich sehe wachsenden Schaden und fürchte die Folgen.
Ich kann und will darum einfach nicht glauben, daß diese so tief bedauerliche Entscheidung schon das letzte Wort in dieser Sache darstellt. Sollte Ihnen, verehrter Herr Vorsitzender, an einer eingehenderen Darstellung oder Begründung meiner Meinung gelegen sein, so stehe ich selbstverständlich dafür zu jeder beliebigen Stunde zur Verfügung.
Ich bleibe, in tiefer Betroffenheit,
Ihr sehr ergebener
F.
17
20. XI. 76
Liebe Christa, lieber Gerhard,
die schöne Karte zeigt, wie der Pegasus eines nicht weiter genannten H. K. zu neuem Einsatz vorbereitet wird.
Anbei die »Spiegelgeschichte«. Ich glaube, der Girnus wird sie jetzt nicht drucken. Sonst: F. C + E. Sch?
Kriminell, nicht?
Gruß Franz
18
[Ende November 76]
Christa, siehst du, die kriegt sowas nicht! – werden wie die, das wäre eben die Lösung für alles.
Die Abgeschiedenheit im Wald hat ihr Gutes + Schlechtes: Man ist auf die Zeitung angewiesen. Auf euch saust jetzt der Hauptschlag nieder. Ich kann mir’s vorstellen, und doch auch wieder nicht, weil ich diese Bindung nicht habe (wohl: hatte), aber eben, seit der Rückkehr aus dem Stacheldraht des Lagers, nicht die organisatorische Bindung, die ja nicht bloß organisatorisch ist. – Aber jedenfalls kann ich mir vorstellen, was sich hinter den 10 Zeilen dieser Notiz über die Abstimmung verbirgt. – Tiefe Verbeugung. – Noch einmal: die hätte es anders. Aber das ist’s ja eben. Ich bin zwischen Weihnacht/Neujahr in Berlin + rufe mal an. Bitte schreibt mir eure Tel.nummer nach Adresse Strausbg. Pl. – Dann alles Andere. –
Händedruck, Gruß Franz
19
Dichterliedchen
Im neblichten Monat November war’s,
die Blicke wurden trübe,
da ward eine Affaire zur Staatstaktion –
aus Furcht vor Trauer und Liebe.
Im schönen Monat Dezember war’s,
die Tage wurden kälter,
da küßte mancher manchem den Ars –
wir Kumpels werden halt älter.
Nun kömmt der frostklare Januar –
mit ihm die neuen Lieder.
Die Miserere ist vorbei.
Monsieur – wir finden uns wieder.
Dem Waldmenschen Fühmann
von der Stadtfrau Christa
gegeben im Dezember Anno 1976
20
11. XII. 76
Liebe Christa, lieber Gerhard,
auch ein Kindheitsmuster. – Dank für das Buch, und das Gespräch sollten wir jetzt unbedingt machen.
Ich höre hier, um sieben Ecken herum, die schlimmsten Dinge. – Stimmt es, daß G. W., S. K., J. B. ausgeschlossen sind? St. H. widerrufen? Ich weiß hier gar nichts. Zu allem Überfluß habe ich mir hier eine ganz dämliche, schrecklich schmerzhafte Wirbelsäulengeschichte eingehandelt. Der liebe Gott ist der grausamste Sadist. – Ich bin Dienstag beim Arzt in Berlin + rufe euch vormittag an, bitte findet 2 St. Zeit, ich muß unbedingt einmal vorbeikommen. Und: fröhliche Weihnacht, gelle!
Franz
21
13. 12. 76
Liebe Christa,
da ich doch kein Buch hab, das Du nicht hast (ich meine von mir) weiß ich nicht, wo ich Dir eine improvisierte Fortsetzung des Dichterliedchens reinschreiben könnte, so schicke ich Dir noch eine Geschichte, die letzte von drei mythischen. Ich glaub, die ist ganz realistisch, so gehts zu, wenn man sich mit oben anlegt, aber es muß sein, man erfährt sich dann. Aber erst mal die Fortsetzung:
Und als dann der liebliche Frühling kam,
und Gräser und Blümelein sprossen,
da haben Monsieur wir wiedergesehn,
im Kreis der vertrauten Genossen.
Und siehe, Monsieur war der alte wie je,
und lag wie immer noch richtig.
Denn beim Richtig-Liegen, Schwester, versteh,
ist einzig die Haltung nur wichtig,
nicht was man vertritt, darauf kommts nicht an,
nur: daß man ans Oben sich halte,
und wechselt er Meinungen auch wie sein Hemd,
Monsieur bleibt immer der alte.
Und sagt er im März, weswegen man uns
im kalten November gescholten,
dann hat ers schon immer gesagt gehabt,
und ihm wirds mit Ehren vergolten.
Dann ist es Mai, und die Blümelein blühn,
und bald auch duftet der Flieder,
und wenn wir Monsieur dann demütig nahn,
erkennt er, vielleicht, uns auch wieder.
So ist’s, schön + gut, gelle?
Frohes Fest, ihr beide!
Händedruck
Franz
22
8. I. 77
Ihr Lieben,
das ist heute ein Gruß aus Sachsenhausen! Sonst ist es hier fröhlich und ohne Verstand.
Gruß bis übermorgen
Franz
23
Erich Mielke besten Gruß.
MB
25. II. 77
Liebe Christa, lieber Gerhard,
ob das ein Urahne unseres väterlichen Beschützers gewesen ist? Auf jeden Fall ist sie hervorragend geeignet, euch wieder einmal einen Gruß zu schicken samt der Mitteilung, daß die Gunst, unserm Höchsten Herrn ein Gedicht vorlesen zu dürfen, natürlich durch keine Konzession erkauft war. Euer Namensvetter Konrad hat darauf bestanden, und seitdem es im ND stand, grüßen jene Funktionäre Strausberg. Pl. 1 meine Frau wieder, die ihr bis dahin die Schwingtüre auf den Kopf fallen ließen, wenn sie mit Einkaufsnetzen beladen kam. – Einer bat sie, bei mir ein gutes Wort einzulegen, daß ich in seiner Dienststelle aus meinen hervorragenden Werken lese. Anschließend hielt er sicher einen Vortrag über soz. Moral.
Grüße Franz
24
Liebe Wölfe,
zu eurer Information.
Gruß Franz
28. 2. 77
An den
Ersten Sektretär des
Verbandes der Schriftsteller der DDR
108 Berlin
Friedrichstraße 169
Sehr geehrter Herr Henninger,
da ich an der kommenden Vorstandssitzung wegen meines Mitwirkens an der Veranstaltung zum 70. Geburtstag Georg Maurers in Leipzig nicht teilnehmen kann, übersende ich Ihnen, um jedem etwaigen Mißverständnis vorzubeugen, eine Zusammenfassung des mich betreffenden Teils unserer Unterredung vom 27. 2. 77.
Ich bin gern bereit, einen erheblichen Teil meiner Arbeitszeit und Arbeitskraft der Lösung des quälenden, für mich in seiner anhaltenden Ungelöstheit schwer erträglich gewordenen Problems zu widmen, einem in der Deutschen Demokratischen Republik lebenden, für sie arbeitenden und ihr durch persönlichste Konfessionen und mit seinem gesamten literarischen Schaffen verbundenen Schriftsteller die Möglichkeit zu geben, sich in einer ernsten Frage auch dann an seine Leser zu wenden, wenn er mit einer Doktrin oder Entscheidung seines Staats oder seiner Gesellschaft nicht überstimmen kann. Zum Begriff des Schriftstellers gehört der Begriff der Öffentlichkeit, und der ist ebensowenig teilbar wie der des Schriftstellers selbst. Meine Mitwirkung an dem eine Ausbürgerung betreffenden Brief sowie alle Schlußfolgerungen daraus können nur in diesem Komplex gesehen und behandelt werden. Jede einseitige Erklärung kann nur geeignet sein, die Sicht auf diese Problematik zu verbauen.
Ich habe ferner zum Ausdruck gebracht, daß ich für klare Verhältnisse bin. Sollte eine Weiterarbeit im Vorstand des Schriftstellerverbandes nur unter Voraussetzung eines Abgehens von der dargelegten Position für möglich erachtet werden, so muß der Vorstand seine Konsequenz ziehen und mich ausschließen. Sofern diese Entscheidung nicht mit irgendeiner Unterstellung verbunden ist, beabsichtige ich nicht, gegen sie anzugehen.
Eine Durchschrift dieses Schreibens übersende ich an das Mitglied des Präsidiums des Schriftstellerverbandes Kurt Stern.
Ich bleibe mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr
F.
25
11. 8. 77
An den
Ersten Sekretär des
Verbandes der Schriftsteller der DDR
Herrn Henninger
108 Berlin
Friedrichstraße 169
Sehr geehrter Herr Henninger,
die bedeutendste zeitgenössische Dichterin deutscher Sprache wird die Deutsche Demokratische Republik verlassen! Diese Nachricht hat mich bestürzt und erschüttert, und mit mir viele Bürger dieses meines Landes. Täglich erreichen mich Briefe voll Trauer, Sorge, Ratlosigkeit, Fragen – doch wozu teile ich Ihnen das mit?
In mehreren Briefen an Sie habe ich seit jenem Novemberärgernis immer wieder meine Bereitschaft bekundet, die eigene Arbeit hintanzustellen, um ernsthaft über unaufschiebbar gewordene quälende Probleme unseres Literaturlebens beraten zu helfen – ich bin nicht einmal einer Eingangsbestätigung gewürdigt worden. Mein letzter Versuch vor einigen Tagen, aus dem aktuellen Anlaß ins Gespräch zu kommen, hat mich endgültig davon überzeugt, daß im Sekretariat des Schriftstellerverbandes entweder keine Neigung besteht, ernsthaft über diese Probleme zu sprechen, oder wenn schon, dann nicht mit mir. – Gut, ich werde mich nicht mehr aufdrängen. – Ich war noch einmal so naiv gewesen zu hoffen, daß, wenn schon nicht meine Trauer, so doch meine Bestürzung geteilt werden würde, aber ich habe, um es sehr zurückhaltend zu formulieren, nur eine mit Phrasen drapierte Genugtuung über eine Entscheidung gefunden, deren Vollzug ich als einen unersetzbaren Verlust empfinde, dieweil er anderswo offenbar als eine Art Flurbereinigung betrachtet wird.