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Einen Sommer auf dem mecklenburgischen Land erlebt die Schriftstellerin Ellen, zusammen mit Familie und Freunden. Der gesellschaftliche Stillstand ist Ende der siebziger Jahre deutlich zu spüren, aber für die Dauer einiger weniger Monate, die in der Erinnerung einmalig und endlos scheinen, entsteht hier eine lebendige Gemeinschaft. Sommerstück ist die Geschichte eines Jahrhundertsommers und zugleich der Abgesang auf eine politische Utopie.
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Seitenzahl: 291
Einen Sommer auf dem mecklenburgischen Land erlebt die Schriftstellerin Ellen, zusammen mit Familie und Freunden. Der gesellschaftliche Stillstand ist Ende der siebziger Jahre deutlich zu spüren, aber für die Dauer einiger weniger Monate, die in der Erinnerung einmalig und endlos scheinen, entsteht hier eine lebendige Gemeinschaft. Sommerstück ist die Geschichte eines Jahrhundertsommers und zugleich der Abgesang auf eine politische Utopie.
»Wie konkret, wie genau, wie schön wird hier erzählt... mit welcher Präzision und Einfachheit, durchkreuzt von Witz und Lebendigkeit.« Barbara Bondy, Süddeutsche Zeitung
Christa Wolf, geboren am 18. März 1929 in Landsberg/Warthe (Gorzów Wielkopolski), starb am 1. Dezember 2011 in Berlin. Ihr Werk, das im Suhrkamp Verlag erscheint, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Georg-Büchner-Preis und dem Deutschen Bücherpreis für ihr Gesamtwerk. Zuletzt veröffentlichte sie den Roman Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud (st 4275).
Christa Wolf
Sommerstück
Suhrkamp
Die Erstausgabe von Sommerstück erschien 1989 im Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar.
Der Text, der dem 2001 erschienenen Band 10 der von Sonja Hilzinger herausgegebenen Werke in zwölf Bänden folgt, wurde für diese Ausgabe durchgesehen und korrigiert.
Umschlagfoto: Helga Paris
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012
© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2008
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski
eISBN 978-3-518-73325-7
www.suhrkamp.de
Raubvogel süß ist die Luft
So kreiste ich nie über Menschen und Bäumen
So stürz ich nicht noch einmal durch die Sonne
Und zieh was ich raubte ins Licht
Und flieg davon durch den Sommer!
Sarah Kirsch
Allen Freunden jenes Sommers
Es war dieser merkwürdige Sommer. Später würden die Zeitungen ihn »Jahrhundertsommer« nennen, trotzdem würde er von einigen seiner Nachfolger noch übertroffen werden, infolge gewisser Veränderungen der Strömungsverhältnisse über dem Pazifik, die zu einem »Umkippen« des Ozeans und noch unabsehbaren Verschiebungen in der Großwetterlage über der nördlichen Halbkugel geführt hätten. Davon wußten wir nichts. Wir wußten, wir wollten zusammensein. Es kam vor, daß wir uns fragten, wie wir einmal an diese Jahre denken, was wir uns und anderen über sie erzählen würden. Aber wirklich geglaubt haben wir nicht, daß unsere Zeit begrenzt war. Jetzt, da alles zu Ende ist, läßt sich auch diese Frage beantworten. Jetzt, da Luisa abgereist, Bella uns für immer verlassen hat, Steffi tot ist, die Häuser zerstört sind, herrscht über das Leben wieder die Erinnerung.
Es sollte nicht sein.
Damals, so reden wir heute, haben wir gelebt. Wenn wir uns fragen, warum der Sommer in der Erinnerung einmalig erscheint und endlos, fällt es uns schwer, den nüchternen Ton zu treffen, der allein den seltenen Erscheinungen angemessen ist, denen das Leben uns aussetzt. Meist, wenn der Sommer zwischen uns zur Sprache kommt, tun wir so, als hätten wir ihn in der Hand gehabt. Die Wahrheit ist, er hatte uns in der Hand und verfuhr mit uns nach Belieben. Heute, da die Endlichkeit der Wunder feststeht, der Zauber sich verflüchtigt hat, der uns beieinander und am Leben hielt – ein Satz, eine Formel, ein Glauben, die uns banden, deren Schwinden uns in vereinzelte Wesen verwandelte, denen es freisteht, zu bleiben oder zu gehen: Heute scheinen wir keine stärkere, schmerzlichere Sehnsucht zu kennen als die, die Tage und Nächte jenes Sommers in uns lebendig zu erhalten.
Was sehen wir denn, wenn wir die Augen schließen? Ein paar Figuren, hingeworfen auf einem in leuchtenden Farben gehaltenen Grund, darüber ein Himmel, hochgewölbt, tiefblau, wolkenlos, gegen Abend goldgetönt, schließlich nachtschwarz, bestückt mit einer Unzahl von Sternen. Jetzt! schrie alles uns an. Wie ein Hetzruf, der einem ins Blut geht: Jetzt! Jetzt! So schrien die Dinge uns um Erlösung an. Wir sollten so stark wir selbst sein, wie sie sie selbst sein mußten. Es konnte bedrohlich werden, ja. Mitten auf der Wiese der Kirschbaum in seinem unvernünftigen Blütentaumel, das war Ende Mai. Der Kirschbaum, der sich Ellen in die Netzhaut einritzte, kein anderer wird sein Bild je verdrängen. Oder die beiden Eichen, die ihr Astwerk ineinandergeschlungen haben und deren eine, rechte, für sie weibliche, auch dieses Jahr um ein, zwei Wochen später grün wurde als die andere, männliche – ein Vorgang, den Ellen als Sinnbild nahm. Oder die nestersuchenden Schwalben, die sich unter dem überhängenden Rohrdach einrichteten, unter dem Jan, kaum waren sie angekommen, die dicken Spinnwebplacken abfegte. Der unentzifferbare Code, den sie mit ihren pfeilschnellen Flügen gegen den blassen Morgenhimmel, mit ihren sanften Bögen gegen Abend auf brandroten Grund schrieben. Nie waren die Spinnen so schlimm wie dieses Jahr. Nie war der Himmel unentrinnbarer in seinem herrischen Blau. Und die Sterne letzte Nacht? Habt ihr das Gefunkel gesehen? Habt ihr gesehn, wie der Abendstern immer größer wurde, je länger man ihn ansah? War dir auch so, als würde er dich in sich hineinreißen? – Solche Fragen stellte Luisa durchs Telefon.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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