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Alles hat sich für Emma verändert. Plötzlich fürchtet sie nichts so sehr wie den nächsten Vollmond. Gefangen zwischen Schuld und Selbstzweifeln kann sie einfach nicht glauben, dass sie für den Tod eines Menschen verantwortlich sein soll. Und das Schlimmste ist, dass sie ständig diese Stimme in ihrem Kopf hört, die ihr befiehlt, ihre große Liebe Liam zu töten. In dem fulminanten Finale der erfolgreichen Moonlit-Nights-Trilogie begeben sich Emma und Liam auf eine gefährliche Reise von Wolfsclan zu Wolfsclan, um Antworten zu finden, die vielleicht lieber im Verborgenen geblieben wären … //Alle Bände der beliebten Werwolf-Reihe: -- Moonlit Nights 1: Gefunden -- Moonlit Nights 2: Gebissen -- Moonlit Nights 3: Gefährlich// Die »Moonlit Nights«-Reihe ist abgeschlossen.
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Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
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Carina Mueller
Moonlit Nights 3: Gefährlich
Alles hat sich für Emma verändert. Plötzlich fürchtet sie nichts so sehr wie den nächsten Vollmond. Gefangen zwischen Schuld und Selbstzweifeln kann sie einfach nicht glauben, dass sie für den Tod eines Menschen verantwortlich sein soll. Und das Schlimmste ist, dass sie ständig diese Stimme in ihrem Kopf hört, die ihr befiehlt, ihre große Liebe Liam zu töten. In dem fulminanten Finale der erfolgreichen Moonlit-Nights-Trilogie begeben sich Emma und Liam auf eine gefährliche Reise von Wolfsclan zu Wolfsclan, um Antworten zu finden, die vielleicht lieber im Verborgenen geblieben wären …
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Vita
Danksagung
© privat
Carina Mueller wurde 1984 im schönen Westerwald geboren, wo sie heute immer noch lebt und arbeitet. Neben ihrem Hund und ihren Pferden zählte das Lesen schon immer zu ihren größten Hobbies, woraus sich dann die Idee entwickelte, eigene Romane zu schreiben. Sie selbst liebt Jugendbücher und auch Fantasy-Romane, vor allem die ganz spannenden, weshalb sie auch in diesen Genres schreibt.
Eine Stunde war bereits vergangen und ich saß immer noch zusammengekauert vor der Mülltonne, der Zeitungsbericht über den Tod des jungen Mannes lag zu meinen Füßen.
Fassungslos starrte ich vor mich hin, die Knie fest an meinen Oberkörper gezogen und mit ganzer Kraft umklammert, als könnten sie mir irgendeine Art von Halt geben, doch das taten sie nicht.
Mit zittrigen Händen wischte ich mir die Tränen weg, die langsam, aber stetig aus meinen Augen quollen und meinen Blick immer wieder verschwimmen ließen, doch sofort kamen neue nach. Um mich selbst zu beruhigen, begann ich sanft hin- und herzuschaukeln und dabei tief ein- und auszuatmen, doch es nutzte nichts.
Das konnte einfach nicht wahr sein! Nein: Das durfte einfach nicht wahr sein! Ich war doch kein Monster?!
Bist du nicht?Schließlich hast du euer ganzes Haus verwüstet. – Eine kleine Stimme meldete sich in meinem Kopf zu Wort und begann mir Vorwürfe zu machen.
Ich konnte nichts dafür, antwortete ich in Gedanken.
Hast arme, wehrlose Hühner gefressen …
Sicher nicht mit Absicht.
Hast Amilia umgebracht …
Hab ich nicht!, wehrte ich mich innerlich dagegen.
Nein?, höhnte die freche Stimme. Vielleicht ist sie noch nicht tot, aber du hast es selbst gerochen. Lange wird es nicht mehr dauern …
Liam wird ihr helfen!
Liam muss ihr sein Blut geben. Und sie wird immer mehr davon brauchen …
Er wird ein Gegenmittel finden!
Nicht, wenn die Zeit das Problem vorher erledigt …
Amilia ist kein Problem!
Tu doch nicht so scheinheilig. Ist es nicht genau das, was du immer wolltest? Sie für immer loswerden?
Aber doch nicht so!
Nein? Und warum hast du sie dann umgebracht?
Ich habe sie nicht umgebracht!
Vollkommen entnervt legte ich die Stirn auf meine Knie und raufte mir mit beiden Händen die Haare.
Okay, wenn es dir damit besser geht: Warum hast du sie FAST umgebracht?
Es war ein Unfall!
Jemanden umzubringen ist nicht nur ein »Unfall«, tadelte die Stimme weiter.
Ich konnte nichts dafür!, beteuerte ich erneut. Wer hätte denn ahnen können, dass mein Biss einem Werwolf so schadet? Ein leiser Schluchzer entwich meiner Kehle.
Na ja, wenigstens hast du das Mädchen nur fast getötet …, höhnte die Stimme, als wollte sie mich an den jungen Kerl aus der Zeitung erinnern.
Verzweifelt vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen.
Ich war doch extra weit weggebracht worden!
Was ja sehr viel genutzt hat …
Hör auf! Liam hat gesagt, ich wäre viel zu weit weg gewesen, um es nach Hause schaffen zu können.
Du hattest wundgelaufene Fußsohlen … Und das sogar als Werwolf …
Hör auf, habe ich gesagt! Das hätte auch ein anderer Werwolf gewesen sein können. Oder wirklich ein wildes Tier.
Tz, tz, tz … Ausreden, nichts als Ausreden, mäkelte die Stimme weiter.
Ich hielt mir mit beiden Händen die Ohren zu und presste sie so fest gegen meinen Kopf, dass es schon wehtat, doch ich wollte die Stimme endlich aus meinem Kopf verbannen.
Du bist genau das, was Amilia gesagt hat! Ein unkontrollierbarer Killer! Also wehr dich nicht dagegen, sondern lass es zu. Du wirst dich besser fühlen, wenn du aufhörst, dich gegen dein neues Ich zu stellen.
Ich bin kein Killer! Außerdem würde ich doch nie einen Menschen umbringen. An sowas habe ich niemals auch nur einen Gedanken verschwendet!
Hast du denn vorher schon mal daran gedacht, Hühner zu töten?, reizte die Stimme weiter.
Natürlich nicht!
Wem willst du eigentlich etwas vormachen? Du bist ein Killer.
Nein! Das bin ich nicht!
Du bist ein Killer …
Hör auf damit!
Killer, Killer, Killer …
Hör sofort auf damit und sei endlich still!, schrie ich.
Ich sprang auf und schlug wie wild mit den Armen um mich, da prallte ich plötzlich gegen etwas Hartes. Starke Arme umschlossen mich und hielten mich fest, während ich mit aller Kraft immer weiter um mich schlug und versuchte, mich zu befreien.
»Emma … sch … beruhige dich. Ich bin’s doch nur.«
Doch ich wehrte mich weiter.
»Emma! Bitte! Hör jetzt auf!«
Liam musste richtig energisch werden, bis mein Gehirn seine Worte registrierte und mein Körper seine Abwehrhaltung aufgab. Völlig verängstigt sackte ich in seinen Armen zusammen und begann jämmerlich zu schluchzen.
»Sch … ist doch gut. Alles wird gut. Sch … beruhige dich.«
Sein monotoner Singsang machte die Situation keinen Deut besser, doch allein die Tatsache, dass er einfach dastand und mich festhielt, tröstete mich.
Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, ergriff Liam erneut das Wort: »Was ist denn überhaupt los, Emma?«
Ich hob den Kopf und blickte in dunkle Augen, die erschrocken zurückstarrten. Ich überlegte kurz, dann antwortete ich: »Nichts.«
Liam riss ungläubig die Augenbrauen nach oben. »Nichts?!«
Ich zögerte kurz. »Es ist nichts. Ich hab nur … schlecht geträumt.«
Nun wurde sein Blick skeptisch. »Danach sah es aber ganz und gar nicht aus.«
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern, als wüsste ich nicht, auf was er hinauswollte, doch so schnell ließ er sich nicht abwimmeln.
»Emma, ich habe dich reden hören.«
Jäh wich mir die Farbe aus dem Gesicht. Was sollte ich ihm sagen? Die Wahrheit? Doch was war überhaupt die Wahrheit? Dass ich anfing verrückt zu werden? Dass ich jetzt nicht nur eine Mörderin war, sondern auch noch eine verrückte Mörderin? Was, wenn er dann nichts mehr mit mir zu tun haben wollte?
»Komm, ich bring dich erst mal in dein Zimmer. Danach reden wir.«
Während ich noch krampfhaft darüber nachdachte, was ich ihm gleich sagen sollte, schob er mich gezielt vor sich her, bis wir die Haustür erreicht hatten. Da ich zu keiner Reaktion fähig war, klingelte Liam für mich.
»Guten Morgen, Liam«, begrüßte mein Dad uns überrascht. »Müsst ihr nicht zur Schule? Ich dachte, Emma sei schon längst unterwegs?«
Liam sah mich bekümmert an, dann wieder zu meinem Vater. »Doch, Mr Forsyth. War sie auch. Emma ist auf dem Weg zur Schule zusammengeklappt und da habe ich sie wieder nach Hause gebracht.«
Mein Dad musterte mich, doch ich starrte nur leer vor mich hin.
»Was ist denn los, Spätzchen? Warum weinst du denn?«
Als ich nicht antwortete, ergriff Liam erneut das Wort. »Vermutlich hat sie sich vorhin wehgetan, als sie hingefallen ist«, log er.
Mein Vater grinste. »Ach Spätzchen, so schlimm wird das doch nicht gewesen sein«, sagte er fürsorglich und klopfte mir auf die Schulter.
Als ich wieder nicht antwortete, brachte mich Liam hoch in mein Zimmer.
Dort angekommen setzte ich mich kommentarlos auf mein Bett und eine Träne nach der anderen kullerte über meine Wangen.
Liam kniete sich vor mich und hielt meine Hände.
»Emma, was ist denn nur los?«
Wieder keine Reaktion.
»Bitte, sag doch endlich was!«, flehte er.
Da fasste ich mir ein Herz. »Ich … bin …«, begann ich, doch meine Stimme brach weg. »Ich bin …«, setzte ich erneut an, doch auch dieses Mal kam ich nicht weiter.
»Du bist?«, versuchte Liam mir zu helfen. Doch plötzlich machte sich wieder diese schreckliche Unsicherheit in mir breit. Sollte ich ihm wirklich sagen, dass ich die Mörderin des jungen Mannes war? Dass ich plötzlich Stimmen in meinem Kopf hörte und vorhin mit mir selbst gesprochen hatte? Wie viel konnte eine junge Liebe verkraften? Würde Liam zu mir halten? Oder stattdessen nie wieder ein Wort mit mir wechseln? Das wäre immerhin möglich oder sogar noch wahrscheinlicher, denn: Wer wollte schon eine geistesgestörte Mörderin als Freundin haben?
Selbstzweifel überfielen mich und ich machte einen Rückzieher.
»Ich bin einfach so schrecklich besorgt um Amilia. Ich wollte ihr nichts tun …«, wich ich aus und zu meiner Überraschung hörte sich das weitaus glaubwürdiger an, als ich selbst gedacht hatte. Vermutlich, weil ich mir tatsächlich Sorgen um Amilia machte.
Pah! Du Feigling! Du scheinst ja viel Vertrauen in eure Liebe zu haben, wenn du Liam nicht mal die Wahrheit sagen kannst, meldete sich wieder die fiese, kleine Stimme in meinem Inneren zu Wort, doch ich versuchte sie zu ignorieren.
Liam nahm meine Hand und küsste sie zärtlich. »Ich weiß, dass das schwer für dich ist, aber wir kriegen das schon hin, Emma. Glaub mir.«
Er setzte sich neben mich und nahm mich fest in seine Arme. Ich kuschelte mich hinein und fühlte mich auf einmal so geborgen. Solange er mich festhielt, hatte ich wirklich das Gefühl, dass alles wieder in Ordnung kommen könnte, doch als er mich irgendwann wieder losließ, fühlte ich mich verlassen und die nackte Wahrheit begann erneut an mir zu nagen.
Mal sehen, wie lange er dich noch so in den Arm nimmt …
Ich wischte mir die Tränen weg, aber sie wollten einfach nicht versiegen.
Angeblich legt Liams Familie doch so großen Wert darauf, niemandem Schaden zuzufügen. Was ihr Mustersöhnchen wohl dazu sagt, wenn er herausfindet, dass seine Freundin eine Mörderin ist?
Eine weitere Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel. Mein Gewissen hatte recht: Liam würde das sicher nicht gutheißen und wenn ich ehrlich war, wüsste ich auch nicht, ob ich damit umgehen könnte, wenn er jemanden umgebracht hätte.
»Hey «, sagte Liam und holte mich damit aus meinen Gedanken. »Es wird alles wieder gut, hörst du?«
Ich nickte, konnte aber nicht verhindern, dass es wenig überzeugend wirkte. – Und wenn ich es ihm doch einfach sagte? Wäre ein Ende mit Schrecken nicht besser, als ein Schrecken ohne Ende?
Ich haderte mit mir, doch bevor ich mich dazu entschließen konnte, bot mir Liam eine bequemere Lösung an.
»Du grübelst weiter über Amilia, hm?«, mutmaßte er.
Kurz überlegte ich noch, dann nickte ich.
»Wie geht es ihr?«, fragte ich vorsichtig, in der Hoffnung, hier eine bessere Nachricht zu hören.
»Ganz gut soweit. Das Blut scheint ihr zu helfen.« Liam lächelte und ich erwiderte es zaghaft.
»Da bin ich aber froh«, sagte ich und das meinte ich auch so. Klar, wir hatten unsere Differenzen. Doch die Zeiten hatten sich geändert – kaum vorstellbar für einen, der nicht schon mal in solch einer furchtbaren Situation gewesen war. Also quasi für keinen, aber es war wirklich so.
»Wie geht es jetzt weiter?«
»Wir lassen Amilia sich ein bisschen erholen und sobald sie wieder in der Schule ist, fängst du an, bei ihr Unterricht zu nehmen, okay?«
Ich nickte.
»Ich werde derweil versuchen herauszufinden, ob irgendwer etwas von einem Werwolf gehört hat, der absichtlich Menschen in seinesgleichen verwandelt.«
Wieder nickte ich. »Und was ist mit dem nächsten Vollmond?«
»Wir bauen erst mal darauf, dass Amilias Methoden etwas nutzen. Zudem werden wir dich zum nächsten Vollmond noch höher in die Berge bringen.«
Betreten sah ich zu Boden. Wie schrecklich das alles war!
Liam fasste mir unters Kinn und hob meinen Kopf sanft an. »Vielleicht habe ich bis dahin ja auch deinen Beißer gefunden.«
Ich schaute ihn an, spürte aber gleichzeitig, wie mir schon wieder die Tränen kamen.
»Hey.« Er streichelte mit seinem Daumen über meine Wange und wischte mir eine Träne weg. »Du weißt doch noch, was ich dir versprochen habe?«
Mühsam rang ich mir ein Lächeln ab. Es tat gut zu wissen, dass Liam hinter mir stand.
Würde er das auch noch tun, wenn er wüsste, zu was du fähig bist?
Ich versuchte, mein Gewissen verstummen zu lassen, doch es gelang mir nicht.
Also ich würde ja nichts mehr mit einer Mörderin zu tun haben wollen. Und er sicher auch nicht. Was er wohl sagen wird, wenn er erfährt, dass du ihm das so lange verheimlicht hast? Ob das die Sache schlimmer macht? Obwohl … wie sollte man solch eine Sache noch schlimmer machen? Was könnte einen Mord noch übertreffen?
»Emma? Ist alles in Ordnung?« Liam hatte mich an der Schulter gepackt und leicht gerüttelt.
»Äh … ja, klar.«
Zweifelnd sah er mich an. »Du wirkst nicht so.«
Ich spürte, wie mir heiß wurde. Hatte er etwas gemerkt?
»Nein, nein, es ist alles gut.« Ich versuchte ihn aufmunternd anzuschauen, doch ich war sicher, dass mir auch das nicht gelang.
Liam stand auf. »Na gut. Am besten spreche ich zuerst noch einmal mit White. Er muss sowieso –«
Doch ich sprang ebenfalls auf. »Lass mich nicht allein! Bitte!« Flehend sah ich ihn an, während meine Hand fest seinen Arm umklammerte.
»Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?« Liam lächelte leicht, doch es war genauso falsch wie mein aufmunternder Blick gewesen war. Sein Gesichtsausdruck glich vielmehr dem eines Psychologen, der versuchte, einen Verrückten in Schach zu halten, bevor er sich mit einer Beruhigungsspritze auf ihn stürzte.
Unsicher sah ich ihn an.
»Ja, wirklich«, stammelte ich. »Ich möchte nur gern dabei sein.«
Liam nickte zögerlich. »Ich hätte dich sowieso mitgenommen.«
Mein Griff entspannte sich wieder, ich ließ ihn aber nicht los. »Danke.«
»Dafür nicht.«
Hand in Hand gingen Liam und ich hinunter und erzählten meinen Eltern, dass wir doch noch in die Schule wollten. Stattdessen machten wir uns wie geplant auf den Weg zu Dr. White.
Während der Autofahrt sprachen Liam und ich kein Wort miteinander. Er schien angestrengt nachzudenken und auch ich machte mir Gedanken, wie wir meinen Beißer bloß ausfindig machen sollten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir endlich angekommen.
»Liam, Emma.« White kam bereits aus der Haustür heraus und begrüßte uns freundlich. »Schön, euch zu sehen. Wie geht es euch?«
Liam blickte fast unmerklich in meine Richtung. »Ganz gut soweit«, antwortete er für uns beide.
»Was führt euch zu mir?«
»Können wir das drinnen besprechen?« Liam schaute sich um und auch wenn es nur eine unauffällige Geste war, sah ich an seinen leicht bebenden Nasenflügeln, dass er etwas witterte.
»Da bin ich aber neugierig. Natürlich, kommt herein.«
Wir folgten White in seine Wohnung und setzten uns auf die Couch – die gleiche, auf der er mich behandelt hatte.
»Was war eben?«, flüsterte ich Liam zu, doch dieser gab mir mit einem »Später« zu verstehen, dass wir dieses Gespräch nicht jetzt führen sollten.
»Also? Ich bin ganz Ohr«, sagte White und sah uns gespannt an.
»Wir würden gern wissen, wie weit du mit der Recherche bist. Hast du schon jemanden ausfindig machen können, dessen Viren denen von Emma gleichen?«, fragte Liam hoffnungsvoll.
»Das habe ich tatsächlich.«
Meine Augen wurden groß. »Sie haben meinen Beißer bereits gefunden?«
Doch da schüttelte er den Kopf. »Nein, Emma. Das habe ich leider nicht. Ich habe nur herausgefunden, dass die Viren der Werwölfe, die sich umgebracht haben, mit deinen übereinstimmten. Das bestätigt zumindest unsere Vermutung –«
»– dass ihr alle von dem gleichen Werwolf gebissen wurdet«, beendete Liam den Satz.
»Das ist richtig, Liam.«
Ich nickte niedergeschlagen.
»Mach dir keine Sorgen. Wir werden ihn finden.« Liam legte beruhigend seine Hand auf meinen Oberschenkel und drückte sanft zu, doch ich konnte meine Enttäuschung nicht unterdrücken.
Natürlich war mir klar, dass das vermutlich alles nicht so einfach gehen würde. – Das wäre ja auch zu schön gewesen. – Trotzdem bekam ich direkt ein ungutes Gefühl. Was wäre, wenn wir meinen Beißer erst in ein paar Jahren finden würden? Oder am Ende gar nicht?
»Wenn Liam das sagt, solltest du ihm vertrauen.« White tätschelte aufmunternd meinen Arm. »Außerdem habe ich gerade mal die Daten derer durch, die regelmäßig bei mir in Behandlung waren. Die, die nur ab und zu mal kommen oder irgendwann mal bei mir in Behandlung waren, fehlen alle noch. Und das sind noch einige.« White lächelte mich an und ich schaute möglichst dankbar zurück.
»Was habt ihr jetzt vor?«, fragte White, mehr an Liam gewandt als an mich.
»Wenn in gut zwei Wochen die Sommerferien anfangen, wollte ich mit Emma den Clearwater-Clan besuchen. Vielleicht weiß das Rudel ja mehr.«
White nickte verstehend, doch mir lief es kalt den Rücken hinunter.
»Wir wollen erst mit der Suche beginnen, wenn die Sommerferien angefangen haben? Warum?«
»Weil der Clan für einen Wochenendausflug einfach zu weit weg wohnt.«
»Können wir dann nicht einfach ein paar Tage Schule schwänzen?«
»Nein, Emma. Wir müssen alles so normal wie möglich handhaben. Sollte der Beißer aus unserem näheren Umfeld stammen, möchte ich nicht, dass er bereits merkt, dass wir nach ihm suchen und er womöglich seine Spuren beseitigt.«
»Aber …«
»Aber?«
»Was ist, wenn wir ihn dann nicht finden? Dann haben wir zwei Wochen umsonst verstreichen lassen und nur noch zwei weitere, bis wieder Vollmond ist«, sagte ich leise.
»Ich habe dir doch gesagt, in dem Fall werden wir dich weit genug wegbringen, damit nichts passieren kann.«
White spitzte die Ohren. »Was soll denn passieren?«
»Emma hat Angst, dass noch mal so etwas wie mit Amilia passiert«, antwortete Liam, doch White sah nicht wirklich überzeugt aus.
Er weiß es … Er weiß, dass du eine Mörderin bist. Er weiß es, meldete sich die Stimme in meinem Kopf zurück.
Ich spürte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. War das möglich? Hatte er sich bereits einen Reim auf den Toten und meine wundgelaufenen Fußsohlen gemacht?
Natürlich hat er das. Er ist Arzt.
Ich schluckte.
Mal sehen, wie lange es dauert, bis dein geliebter Liam es herausfindet.
»Liam, können wir mal kurz unter vier Augen reden?«, bat White.
Ha! Jetzt will er es ihm bestimmt erzählen. Und dann bist du aufgeflogen. Wie Liam wohl darauf reagieren wird?
»Warum?«, mischte ich mich ins Gespräch ein, auch wenn es mir schwerfiel, mich zu konzentrieren, da die Stimme in meinem Kopf einfach nicht die Klappe halten wollte.
»Ich habe keine Geheimnisse vor Emma. Wenn du was zu sagen hast, mach es in ihrem Beisein«, hörte ich Liam sagen, doch ich wurde schon wieder abgelenkt.
Ob der Doktor dich jetzt outet? Hast du schon Angst?, frotzelte die Stimme weiter.
»Ach … lass uns das Gespräch einfach verschieben«, wiegelte White ab. »So wichtig war es auch nicht.«
Na, da hat aber jemand Glück gehabt! Mal sehen, wie lange es anhält …
»Gut. Emma und ich wollten jetzt sowieso gehen.«
White ist eine tickende Zeitbombe. Du solltest etwas dagegen unternehmen.
Aber was?, fragte ich mich innerlich.
Präge dir seinen Geruch gut ein. Und dann besuchst du ihn zum nächsten Vollmond …
Ohne es zu wollen, holte ich tief Luft und sog den Duft des Doktors ein.
»Nein!«, rief ich sogleich entsetzt und schlug mir mit der Hand auf den Mund, als ich realisierte, dass ich das tatsächlich laut gesagt hatte.
»Nein?« Liam sah mich verblüfft an und auch White beäugte mich mit einer Mischung aus Neugier und Reserviertheit.
»Ich … äh … ich … mir ist noch was eingefallen.«
Jetzt starrten mich beide erwartungsvoll an. Na toll, Emma! Lass dir schnellstmöglich etwas einfallen.
»Ich wollte … äh … nur noch mal daran erinnern, dass Sie uns bitte Bescheid geben, wenn Sie Neuigkeiten haben, ja?«
Nun schien der Doktor vollends misstrauisch zu werden. »Selbstverständlich, Emma. Und es ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, natürlich.« Ich lächelte verschämt.
Nachdenklich sah White zu Liam, der etwas hilflos zwischen uns beiden hin- und herschaute. Doch dann stellte sich mein Freund neben mich und zog mich beschützend an sich heran.
»Selbstverständlich. Wenn irgendetwas nicht stimmen sollte, würde Emma es mir sagen.«
Autsch! Wenn ich bisher noch kein schlechtes Gewissen hatte, dann spätestens jetzt.
Ei, ei, ei! Was wird Liam nur sagen, wenn er alles erfährt? Er vertraut dir und du lügst ihn in einer Tour an.
White warf Liam einen letzten, vielsagenden Blick zu, begleitete uns dann aber zur Haustür und verabschiedete sich.
Denk an den Geruch. Präge ihn dir ein und entledige dich deines Problems.
Ich versuchte nicht hinzuhören, sondern konzentrierte mich darauf, einen normalen Gesichtsausdruck zu machen, während ich zu Liam ins Auto stieg und White zum Abschied winkte.
***
Nachdem wir losgefahren waren, sah Liam mich an.
»Was war das eben?«
»Was denn?«, fragte ich unschuldig.
»Na, dein abruptes Aufspringen und dein Aufschreien«, antwortete Liam und seine Augen sagten »Tu doch nicht so.«
»Äh … hatte ich doch erklärt, oder?«
»Ich mag es nicht, wenn du mich anlügst«, stellte er fest und mir wurde ganz heiß.
»Ich … äh …«
»Du wolltest vorhin etwas anderes sagen, hab ich recht?«
Ein schuldbewusstes Nicken. Ich hatte furchtbare Angst, Liam die Wahrheit zu sagen. Was würde er danach von mir halten? Würde er überhaupt noch mit mir sprechen? Oder würde er nichts mit einer Verrückten zu tun haben wollen?
»Was meinst du, was das für ein Geruch war? Kanntest du ihn?«
»Wie bitte?« Verwirrt schaute ich Liam an.
»Das war doch das, was du White eigentlich fragen wolltest, oder? Was das für ein Geruch war.«
Verdattert nickte ich. Stimmt. Jetzt wo er es sagte: Es hatte beim Aussteigen aus dem Auto tatsächlich merkwürdig gerochen, aber ich war zu beschäftigt mit mir selbst gewesen, als dass ich darauf genauer hätte achten können.
»Äh … ja, genau«, pflichtete ich ihm bei.
»Irgendwie klingelt da was in meinem Gehirn. Ich weiß nur nicht so ganz genau, was«, sinnierte Liam weiter.
Ich zuckte ratlos mit den Schultern. Hätte ich besser aufgepasst, hätte ich Liam vielleicht helfen können, doch leider wurde ich anderweitig auf Trab gehalten. Und zwar von meinem Gewissen, welches mir seit neuestem lautstark seine Meinung mitteilte. Oder waren das bereits Anzeichen dafür, dass ich tatsächlich verrückt wurde? So wie die anderen verwandelten Werwölfe, die sich das Leben genommen hatten?
Woran merkte man sowas eigentlich? Und wer merkte es zuerst? Man selbst? Oder die Leute, mit denen man zu tun hatte?
Plötzlich griff mir eine Hand auf den Oberschenkel.
Da ich so in Gedanken versunken war, erschrak ich natürlich erst mal.
»Emma, ich weiß, ich wiederhole mich. Aber ist wirklich alles gut bei dir?«
Ich blickte Liam an, sah tief in seine dunkelbraunen Augen, so voller Liebe und Sorge. Dann nickte ich.
»Warum fragst du mich das ständig?«, entgegnete ich, doch wollte ich die Antwort wirklich hören? Bekam ich jetzt gesagt, dass er bemerkte, wie ich mich langsam, aber sicher veränderte? Oder war das noch zu früh?
»Du bist heute ungewöhnlich still«, erklärte er. »Denkst du viel nach?«
Ich nickte.
»War alles ganz schön viel für dich in letzter Zeit, was?« Mitfühlend nahm er meine Hand und streichelte mit seinem Daumen über meinen Handrücken.
Wieder nickte ich.
»Ich mach dir einen Vorschlag: Wir fahren zu mir nach Hause und dann bekommst du eine Entspannungsmassage.«
»Zu dir nach Hause?« Ich schluckte, da ich an Finger-Brecher-Florence und Todesblick-zuwerfende-Liam-Schwester dachte. »Ist deine Mom auch da?«, fragte ich vorsichtig.
»Ja.«
»Und deine Schwester auch?«
»Vermutlich ja. Bis wir zurück sind, ist die Schule zu Ende.«
»Hm.«
»Stimmt was nicht?«
Statt zu antworten, versuchte ich es mit einer Gegenfrage. Eine Frage, die mir sowieso schon lange auf dem Herzen brannte: »Warum sind deine Schwester und deine Mom eigentlich so nett zu mir?«
Liam schaute mich an. Er verstand. »Nimm das nicht persönlich, Emma. Weibliche Werwölfe sind furchtbar besitzergreifend und territorial, wie du bestimmt schon gemerkt hast.« Dann zwinkerte er lässig.
»Hm«, machte ich erneut.
»Aber du musst dir keine Gedanken machen. Sie werden ab jetzt etwas netter zu dir sein.«
»Warum?«
»Dein Status hat sich geändert.«
»Mein Status?«
»Na ja, du bist jetzt nicht mehr nur ein Mensch.«
»Nur ein Mensch? Diskriminierend sind sie also auch noch?!«, krächzte ich entrüstet.
Liam konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ich hab dir doch gesagt, dass Werwölfe sich nur unter ihresgleichen umsehen. Sie halten Menschen für minderbemittelt und da waren sie nicht gerade erbaut darüber, dass ich mir ein Menschenmädchen angelacht habe. Hinzu kommt, dass du Alpha-Qualitäten hast und ihnen ihren Rang streitig machen könntest.«
Ich wusste nicht warum, aber bei der Aussicht, Liams Mom oder Schwester irgendetwas streitig machen zu können, freute ich mich innerlich. Doch mich störte an der Erklärung noch etwas anderes.
»Minderbemittelt?«, hakte ich nach.
»Also …« Liam griff sich verlegen in den Nacken. »Es ist ja nicht bestreitbar, dass Werwölfe eine viel schnellere Auffassungsgabe haben, stärker sind, alle Sinne besser ausgebil–«
»Ich kotz gleich!«, unterbrach ich ihn.
»Tut mir leid, aber du hast gefragt. Außerdem ist das nicht meine Ansicht, sondern die allgemeine unter Werwölfen.«
Ich schnaubte. »Und uns halten sie für minderbemittelt.«
Liam grinste frech.
»Warum ist dein Dad nicht so? Und warum hast du mich normal behandelt?«
Nun war Liam an der Reihe ein entrüstetes Schnauben verlauten zu lassen. »Ich habe dich nicht normal behandelt, ich habe dich umgarnt. Schön, dass es dir aufgefallen ist«, empörte er sich.
Sein beleidigter Tonfall zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht. Liam ließ sich nicht oft zu solch »kindischem« Verhalten hinreißen, doch wenn es mal vorkam, war es unglaublich süß.
Versöhnlich legte ich ihm meine Hand auf den Arm, wodurch er schlagartig ruhiger wurde.
»Und warum hast du mich umgarnt? Wenn ich doch nur ein Mensch bin?«
»Weil ich in dir so viel mehr sehe, als ein bildhübsches, intelligentes Mädchen, welches fantastisch malen kann.«
Mir wurde ganz warm ums Herz.
»Außerdem ist es ein Unterschied, ob du auf ein Weibchen oder auf ein Männchen triffst.«
»Sind die Männchen netter?«
»Das würde ich so nicht sagen … Andere Weibchen sehen in dir Konkurrenz, Männchen in dir einen potenziellen Partner. Genauso ist es umgekehrt. Als Faith zum Beispiel Tyler mitbrachte, hatte er es nicht besonders leicht mit meinem Dad und meinen Brüdern.«
»Und mit dir?«
»Auch nicht wirklich …«
Man halte noch mal fest: Wir sprechen hier von den Super-Werwölfen mit der obergenialen Auffassungsgabe, die in allem ja so viel toller und besser sind als die kleinen, minderbemittelten Menschen. *Hust* Ich verkniff mir jedoch, das laut auszusprechen.
»Ich verstehe«, sagte ich lediglich. »Und was kann ich tun, damit deine ganze Familie mich mag?«
»Hab Geduld. Die brauchen nur Zeit, um sich an dich zu gewöhnen.«
Zögerlich nickte ich. Dabei dachte ich an meinen Dad und wie er sich in meinem Beisein bei männlicher Gesellschaft immer anstellte. Vermutlich war das vergleichbar, nur dass mein Dad eben kein übertrieben aggressiver Werwolf war und sich daher Fingerbrechen und Todesblicke nicht zu Nutze machen konnte. Lieber schlug er meine potenziellen Verehrer mit Taschenlampen und Spielbrettern in die Flucht.
***
Bei Liam angekommen öffnete uns seine Mutter die Haustür. Sie musterte mich kurz, doch ausnahmsweise bekam ich keinen blöden Spruch zu hören. Was für ein Fortschritt! Das war wohl die einzig gute Nebenwirkung des Werwolfdaseins: eine mich halbwegs akzeptierende Schwiegermutter in spe.
Akzeptieren? Ich würde es eher als Dulden bezeichnen.
O nein! Bitte, nicht jetzt! Halt die Klappe!, raunzte ich innerlich mein Gewissen an. Florence würde sicher direkt merken, wenn etwas nicht stimmte.
Warum? Kannst du die Wahrheit nicht verkraften?
Um Haltung bemüht, grüßte ich Florence höflich und ging mit Liam hinauf in sein Zimmer.
»Leg dich schon mal aufs Bett und mach’s dir gemütlich. Ich hol etwas Öl.«
Hör mal, das ist aber gar nicht nett, mich einfach zu ignorieren.
»Ist mir egal«, seufzte ich.
»Was ist dir egal?« Liam kam zurück ins Zimmer.
»Wie?«
»Du hast gemeint, dass es dir egal ist. Da wollte ich wissen, was?«
»Ach … äh … ich hab nur gerade gedacht, wenn das Öl in meine Haare kommt, werden die ziemlich fettig aussehen. Aber dann sagte ich zu mir selbst, dass es ja auch egal ist. Heute will ich eh nirgendwo mehr hin.«
»Ach so.« Liam lächelte. »Ich kann dich auch ohne Öl massieren, wenn dir das lieber ist.«
»Ähm … ja, ich glaub schon.«
Eigentlich war es das nicht, doch so konnte ich meine kleine Notlüge wenigstens etwas untermauern.
»Kein Ding. Möchtest du irgendetwas trinken?«
Jetzt, wo Liam es ansprach, spürte ich erst, wie durstig ich war. Klar, ich hatte seit heute Morgen nichts mehr getrunken und meine Kehle war wie ausgedörrt.
»Ja, bitte«, antwortete ich.
»Was möchtest du?«
»Cola, wenn du hast.«
Liam nickte und ich hörte – dank Werwolfsinnen – wie er hinunter in die Küche ging und den Kühlschrank öffnete. Na ja, vielleicht hatte Liam doch nicht sooo maßlos übertrieben, was die Fähigkeiten eines Werwolfs betraf.
Leider vernahm ich noch etwas anderes.
»Liam? Kommst du mal bitte?« Es war Liams Mom, die ihn gerufen hatte.
Ich hörte, wie er einen anderen Raum betrat. Vermutlich war es das Wohnzimmer.
»Hast du kurz eine Minute? Ich möchte mir dir über Emma reden.«
Florence sprach zwar unglaublich leise (wahrscheinlich, weil ich gar nicht mithören sollte), doch mein Gehör funktionierte wohl besser, als sie dachte. Offenbar schien meine Kraft nicht das einzige zu sein, was im Vergleich zu geborenen Werwölfen stärker ausgeprägt war.
»Ich hab dir doch schon gesagt, dass du dir keine Gedanken mehr darüber machen musst. Sie ist jetzt eine von uns.«
Ob Liams Mom bereits Verdacht schöpfte?
Sieht so aus.
»Darum geht es nicht«, sagte sie.
»Worum dann?«
»Sie … sie riecht irgendwie … anders.«
»Was meinst du?«
»Sie riecht … ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Sie riecht irgendwie … nach Gefahr.«
Hahaha! Sieht so aus, als wäre das mit der extrem schnellen Auffassungsgabe doch nicht übertrieben gewesen!
Was willst du damit sagen?
Zumindest die alte Wölfin scheint dich direkt durchschaut zu haben.
Mir wurde heiß. War das so? Ich überlegte fieberhaft, was Liam ihr alles über mich erzählt haben könnte. Wusste sie das mit Amilia? Hatte sie jetzt Angst vor mir?
Könnte das schaden?
Halt, ich musste mich wieder auf das Gespräch zwischen Florence und Liam konzentrieren.
»Ich weiß, dass sie anders riecht. Aber hast du schon mal in Erwägung gezogen, dass es daran liegen könnte, dass sie einfach ein verwandelter Werwolf ist?«, verteidigte Liam mich.
»Liam, sei nicht dumm. Sie riecht nicht normal«, beharrte seine Mom.
»Weil du schon so viele verwandelte Werwölfe gerochen hast und deshalb genau weißt, wie sie riechen müssen?«, konterte er.
»Hör auf damit. Du weißt genau, dass keiner von uns oder aus unserem Rudel jemals etwas mit einem Verwandelten zu tun hatte.«
»Eben. Meinst du dann nicht, es könnte damit zusammenhängen, dass ich noch nie ein Weibchen zu Hause hatte und du sie einfach als Konkurrenz ansiehst? Sie deshalb sprichwörtlich nicht riechen kannst?«
Dass er seiner Mutter so viel Paroli bot, war ich von Liam gar nicht gewöhnt, doch es schmeichelte mir.
Was er wohl macht, wenn er herausfindet, dass seine Mutter recht hat?
Sei still.
»Liam, ich möchte dir Emma nicht ausreden. Ich möchte nur, dass du vorsichtig bist. In Ordnung?«
»Ich weiß, Mom. Ich werde aufpassen.« Ich hörte, wie er ihr einen Kuss gab und mit klappernden Gläsern zurückkam.
Ich weiß, Mom? Ob er bereits mehr weiß, als du denkst?
Was für eine Vorstellung! Konnte das wirklich sein? Wusste er, dass ich den armen jungen Mann umgebracht hatte?
Ich schluckte laut. Ob ich einfach mit Liam darüber sprechen sollte? Ihm sagen, was ich getan hatte?
Ist eure Beziehung wirklich schon so weit, dass sie so etwas verkraften würde?
Aber wenn er es eh schon weiß, würde er sich sicherlich fragen, warum ich nichts sage.
Und wenn er es noch nicht weiß, verlierst du ihn.
Liam weiß doch, dass man im verwandelten Zustand Dinge tut, die man nicht unbedingt möchte.
Aber gleich jemanden umbringen?
Ich merkte, wie meine Hände zu zittern begannen.
Wenn du dir deiner Sache so sicher bist, erzähl es ihm.
Ich rang innerlich mit mir. Vielleicht würde mein Gewissen dann endlich die Klappe halten?
Das ist eine hervorragende Idee. Erzähl ihm auch gleich von mir.
Wissentlich habe ich nichts Unrechtes getan, wehrte ich mich.
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. – Gleich ist er da. Erzähl es ihm.
Der Verzweiflung nahe hielt ich mir mit beiden Händen den Kopf und massierte meine Schläfen. Dabei fragte ich mich wieder und immer wieder, ob ein Geständnis die Stimme verstummen lassen könnte.
Probier es aus.
Ich dachte an Liam und wie entsetzt er bereits gewesen war, als Amilia ihm von meiner Verwandlung erzählt hatte – auch wenn er versucht hatte, sich nichts anmerken zu lassen. Und wie schockiert er war, als er ihre Wunden sah. Oder sein entgeisterter Blick, als er bei Dr. White unterm Mikroskop gesehen hatte, was meine Viren mit denen eines normalen Werwolfs machten.