Mord auf dem Bankett - Amy Myers - E-Book

Mord auf dem Bankett E-Book

Amy Myers

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Beschreibung

Acht Freunde aus höchsten Adelskreisen treffen sich aus Anlass des sechzigsten Thronjubiläums von Königin Victoria zu einem Bankett. Meisterkoch Auguste Didier sorgt in bewährter Weise für ihr leibliches Wohl. Eine seltsame Atmosphäre liegt über der Zusammenkunft: Man spricht darüber, ob es wohl möglich sei, den perfekten Mord zu begehen. Und Leopold Herzog von Transmenien präsentiert zur Überraschung aller einen lange verschollen geglaubten indischen Diamanten. Doch ebenso plötzlich ist der Diamant wieder verschwunden. Hat einer aus der Runde ihn gestohlen?

Dieser und andere komplizierte Fälle werden in den vorliegenden fünf kleinen Krimis mit Bravour gelöst: von Meisterkoch Auguste Didier, von dem berühmten Detektivpaar Sherlock Holmes und Dr. Watson und von der ebenso leichtlebigen wie raffinierten Göttin Aphrodite.

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Über Amy Myers

Amy Myers wurde 1938 in Kent geboren. Sie studierte an der Reading University englische Literatur, arbeitete als Verlagslektorin und war bis 1988 Direktorin eines Londoner Verlages. Seit 1989 ist sie freischaffende Schriftstellerin. Sie ist mit einem Amerikaner verheiratet und wohnt in Kent. Amy Myers schreibt auch unter dem Namen Harriet Hudson und Laura Daniels.

In ihren ersten Ehejahren arbeitete ihr Mann in Paris, und sie pendelte zwischen London und der französischen Hauptstadt hin und her. Neben vielen anderen Dingen mußte sie nun lernen, sich auf französischen Märkten und den Speisekarten französischer Restaurants zurechtzufinden. Dabei kam ihr die Idee, einen französischen Meisterkoch zum Helden eines klassischen englischen Krimis zu machen: Auguste Didier war geboren. Alle Kriminalromane von Amy Myers erscheinen im Aufbau Taschenbuch Verlag.

Informationen zum Buch

Acht Freunde aus höchsten Adelskreisen treffen sich aus Anlass des sechzigsten Thronjubiläums von Königin Victoria zu einem Bankett. Meisterkoch Auguste Didier sorgt in bewährter Weise für ihr leibliches Wohl. Eine seltsame Atmosphäre liegt über der Zusammenkunft: Man spricht darüber, ob es wohl möglich sei, den perfekten Mord zu begehen. Und Leopold Herzog von Transmenien präsentiert zur Überraschung aller einen lange verschollen geglaubten indischen Diamanten. Doch ebenso plötzlich ist der Diamant wieder verschwunden. Hat einer aus der Runde ihn gestohlen? Dieser und andere komplizierte Fälle werden in den vorliegenden fünf kleinen Krimis mit Bravour gelöst: von Meisterkoch Auguste Didier, von dem berühmten Detektivpaar Sherlock Holmes und Dr. Watson und von der ebenso leichtlebigen wie raffinierten Göttin Aphrodite.

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Amy Myers

Mord auf dem Bankett

Kleine Krimis

Aus dem Englischen übersetzt

Inhaltsübersicht

Über Amy Myers

Informationen zum Buch

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Mord an Mr. Boodle Aus dem Englischen übersetzt von Elga Abramowitz

Bis daß der Tod uns scheidet oder Mord beim Picknick Aus dem Englischen übersetzt von Friedrich Baadke

Mord auf dem Bankett Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Schirrmeister

Der Fall des getreuen Gefolgsmanns Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Schirrmeister

Aphrodites trojanisches Pferd oder Der Mord auf dem Berge Ida Aus dem Englischen übersetzt von Friedrich Baadke

Impressum

Mord an Mr. Boodle

»Geld? Aber mein lieber Mr. Didier!« Gervase Budd war schockiert, zutiefst gekränkt, weil man ihn in seinen ausführlichen Darlegungen unterbrochen hatte. Die Weste mit dem Weidenmuster zitterte über seinem runden Bauch, so erregt war er. »Um solche Details kümmert sich mein Partner, Mr. Boodle.«

Auguste überlegte. Hatte er unabsichtlich einen ungeschriebenen Kodex verletzt, als er sich über finanzielle Bedingungen zu erkundigen versuchte – einen Kodex, welcher jedem Gentleman, der dieses Heiligtum betrat, bekannt war, nicht aber einfachen Chefköchen wie ihm? Als das ehrwürdige Verlagshaus mit ihm in Verbindung getreten war, hatte Mr. Budd ihm zu verstehen gegeben, daß, hätte das 16. Jahrhundert das Glück gehabt, das Unternehmen Messrs. Boodle, Budd & Farthing hervorzubringen, Mr. William Shakespeare nicht länger nach einem Verleger hätte Ausschau halten müssen, für den die Autorschaft seiner Werke über jeden Zweifel erhaben war und der überdies Mr. Shakespeares Witwe ein erheblich üppigeres Entgelt zugestanden hätte als sein zweitbestes Bett. Welch besseres Verlagshaus konnte sich an der Schwelle des 20. Jahrhunderts der Aufgabe weihen, Augustes zehnbändiges magnum opus »Dinieren mit Didier« unsterblich zu machen?

»Und werde ich Mr. Boodle sprechen können?« Auguste beobachtete sein Gegenüber. Mr. Budd hatte mit jener Herzlichkeit geredet, die Auguste so oft bei Hilfsköchen antraf, wenn sie ihm versicherten, es gäbe nicht die geringsten Probleme mit den Vorspeisen, obwohl das überhaupt nicht stimmte.

»Ah, Mr. Popple, seien Sie willkommen«, rief Gervase Budd sichtlich erleichtert, als jetzt ein etwa zwanzigjähriger junger Mann ins Zimmer trat, dessen kunstvoll frisierte Haarmähne unwillkürlich den Gedanken an ein Leben ständiger Ausschweifungen erweckte. »Mr. Didier, darf ich Ihnen Mr. Clarence Popple vorstellen, unseren hoffnungslo – ah«, Mr. Budd wischte sich mit einem dekorativen roten Seidentaschentuch die Stirn – »unseren hoffnungsvollen Dichter.«

»Ein Dichter kann alles überleben, nur keinen Druckfehler«, sagte Clarence mit süßem Lächeln.

»Ah ja. Ich erinnere mich, das ist ein Ausspruch des lieben Oscar«, säuselte Mr. Budd.

Clarence warf ihm einen bösen Blick zu. »Mr. Budd wird mir die Ehre erweisen, meine Gedanken über das Leben zu veröffentlichen.«

»Ein weiser Entschluß.« Auguste entschied sich für diplomatisches Verhalten, obwohl er insgeheim fand, die Gedanken dieses jungen Mannes seien für das Leben vermutlich von etwa dem gleichen Belang wie Francatellis Meisterwerke für eine Suppenküche.

Gervase Budd erhob sich, wobei sein Gehrock über seinem Bäuchlein auseinanderklaffte. »Wollen wir ein Glas Portwein trinken, meine Herren, während wir auf unsere anderen zukünftigen Autoren warten?«

Er zauberte eine geschliffene Glaskaraffe hervor, fast so, wie Maskelyne und Devan ihre magischen Tricks vollführten. Auguste sah es mit Unbehagen. Er empfand eine ausgesprochene Abneigung dagegen, seinen Gaumen vor dem ersten großen Abenteuer des Tages, dem Mittagessen, zu malträtieren, und betrachtete das Glas, von dem Mr. Budd offenbar annahm, es enthalte göttlichen Nektar, ohne jede Begeisterung.

»Ich rezitiere jetzt meine Ode an einen goldenen Karpfen«, verkündete Clarence Popple.

Seine Wertschätzung der Kochkunst verdiente immerhin Anerkennung, dachte Auguste tolerant. Der Karpfen war der König der Fische, ein Fisch von beachtlicher Kraft und Langlebigkeit. Erst als Clarence mit seiner Rezitation begann, ging Auguste auf, daß er wahrscheinlich Karpfen statt Harfe verstanden hatte.

»Meine Muse, sie singt …«

Augustes Interesse erlosch sofort, aber Mr. Budd lächelte strahlend während des ganzen Vortrags, wenngleich seine glasigen Augen an die eines zubereiteten Karpfens erinnerten. Sein Blick belebte sich indessen, als jetzt eine dritte Person ins Zimmer trat. Auguste kam es jedoch so vor, als sei Mr. Budd nicht so sehr gelangweilt als vielmehr insgeheim mit etwas anderem beschäftigt gewesen: irgend etwas schien ihn zu bedrücken.

»Ah, Miss Mellidew«, begrüßte Gervase die Neuangekommene.

Auguste erhob sich, begierig, die berühmte Königin der Leihbibliotheken kennenzulernen, die Autorin des Romans »Cecilias Aufenthalt in der Sahara« (drei Bände, Oktavformat, mit Illustrationen, Heart & Whitestock, London 1875) und anderer lesenswerter Romane. »Cecilia« war von ungeheuren Mengen von Lesern verschlungen worden, und fortan war jedem Wort, das aus Millicent Mellidews Feder floß, der Absatz sicher gewesen. Dreibändige Romane mochten in der Gunst des Publikums vielleicht nicht mehr so hoch stehen wie einst, aber das galt nicht für Werke, die mit ihrem Namen verbunden waren.

»Liebe Miss Mellidew, oder sollte ich Cecilia sagen?«

Mr. Budds Schelmerei verfehlte ihre Wirkung, denn Miss Mellidew war sichtlich erregt, als sie dieses männliche Heiligtum betrat, wiewohl sie jetzt beträchtlich älter als die Heldin ihres Romans war.

»Ich bin entzückt, Sie kennenzulernen, Miss Mellidew«, sagte Auguste ganz aufrichtig, während sie nervös eine mausgraue Haarlocke zurückschob, die sich unter ihrem altmodischen reichgeschmückten Hut hervorgestohlen hatte. Das künstliche Rotkehlchen, das ihn zierte, blickte ihn drohend an, als wolle es dagegen protestieren, daß sein Nest ohne Rücksicht auf den Bewohner und dessen Bequemlichkeit auf ihren Kopf gequetscht worden war. »Ich habe ›Cecilia‹ natürlich gelesen. Dürfen wir eine Fortsetzung erwarten?«

Mr. Budd strahlte. Er betrachtete das als einen ihm gezollten Tribut, weil er Miss Mellidew scharfsinnig dazu überredet hatte, sich einem neuen Verleger anzuvertrauen.

»Oh!« Millicent Mellidew rang nach Atem. »Mir liegt so sehr an männlichen Lesern!« Sie lächelte unsicher. »Doch ich fürchte, Lambkin würde seine Cecilia recht verändert finden.«

Nach Augustes Ansicht konnte der einfältigen Zierpuppe Cecilia jede Veränderung nur gut tun, und die Jahre, in denen sich Scheich Hamid der Glänzende den Köstlichkeiten der arabischen Küche hingegeben hatte, waren möglicherweise auch nicht ohne Wirkung auf seine prachtvolle Physis geblieben.

»Ganz gewiß nicht.« Gervase Budd wollte sich den zum Greifen nahen Siegespreis nicht entgehen lassen. »Die wahrhaft Schönen siegen über die Zeit.«

Miss Mellidew blickte ihrem zukünftigen Verleger scharf in die Augen. »Vorausgesetzt, sie erhalten ihren gerechten Lohn«, flüsterte sie bescheiden. »Welche Konditionen schlagen Sie vor?«

Auguste fühlte sich versucht, ihr zu applaudieren. Clarence tat es ohne falsche Scheu. »Bravo, Miss Mellidew«, rief er begeistert.

Mr. Budd schien keineswegs erschreckt. »Großzügige, liebe Dame, sehr großzügige, da können Sie sicher sein. Ah, da sind Sie ja, General.«

Die Besprechung war für zwölf Uhr angesetzt worden, und jetzt war es ein Viertel nach zwölf. Kein Wunder, daß es so lange gedauert hatte, Mafeking zu entsetzen, mußte Auguste unwillkürlich denken, wenn die Organisation derart mangelhaft war.

»Selbstverständlich. Ich bin Soldat, Sir.« General Eric Proudfoot-Padbury, ein hochgewachsener hagerer Mittfünfziger mit einem sorgfältig gelockten Schnurrbart, wie er sich auf Gedenkplaketten gut ausnahm, musterte alle Anwesenden mit durchdringendem Blick.

»Möchten Sie ein Glas Portwein, General?«

»So’n Zeug rühre ich nicht an. Brandy und Soda.«

Mr. Budds joviales Gesicht verdüsterte sich, während er zögernd einen Wandschrank öffnete, eine Flasche herausnahm, eine kleine Menge in ein Glas goß und die Flasche wieder in den Schrank zurückstellte. Der General schnaubte verächtlich. »Ich vertraue darauf, daß das Geld bei Ihnen reichlicher fließt als der Alkohol, Budd. Meine Memoiren wären ein bedeutender Beitrag zur Zeitgeschichte, sagten Sie mir. ›Die Zeit marschiert beim Trommelschlag‹«, wandte er sich selbstzufrieden an Miss Mellidew. Clarence und Auguste übersah er. Dichter wurden nur solche Geschöpfe, die für den Militärdienst untauglich waren, und simple Köche zählten ebensowenig wie Offiziersburschen. Armeen marschierten zwar nur mit gefülltem Magen, aber womit dieser Magen gefüllt wurde, war unwichtig.

»Aber gewiß doch«, schnurrte Gervase Budd, setzte sich an seinen Schreibtisch und legte die Hände mit besitzergreifender Geste auf die Platte – ein vergeblicher Versuch, deutlich zu machen, daß mit ihm, dem Verlagshaus, dessen zukünftigen Autoren und der ganzen Welt alles zum Besten stand.

»Der alte Boodle hält nach wie vor den Daumen aufs Portemonnaie, nicht wahr?«

Gervase Budd fuhr zusammen. »Sie wissen von Mr. Boodle?« In seiner Stimme lag eine gewisse vorsichtige Reserve. »Ja, in der Tat, Boodle, Budd & Farthing dürfen sich immer noch glücklich schätzen, seine Dienste in Anspruch nehmen zu können.«

»Wer ist Mr. Boodle?« erkundigte sich Auguste.

»Mr. Boodle ist der Mr.Boodle«, informierte ihn Mr. Budd ehrfurchtsvoll. »Ich bin der Juniorpartner.« Mr. Budds Umfang und Alter ließen dieses Wort sofort unpassend erscheinen. »Der ursprüngliche Budd war mein Vater. Ich sehe mein kleines Büro gern als Tempel der Kunst, aber regiert werden wir von dem kaufmännischen Scharfsinn und der Weisheit Mr. Boodles.«

»Und Mr. Farthing?« fragte Miss Mellidew.

»Der liebe Mr. Farthing zog sich aus dem Unternehmen zurück, nachdem er sein Schäfchen im trockenen hatte.« Gervase Budd kicherte über seinen kleinen Witz und verstummte abrupt, weil niemand sonst lachte. »Als ich, ein unbedarfter Jüngling von zwanzig Jahren, hier meinen Einzug hielt, leitete mich Mr. Boodles Wohltäterhand. Gottlob hat diese Hand seitdem immer das Steuer gehalten.«

»Dann werde ich die Einzelheiten eines eventuellen Vertrages mit Mr. Boodle besprechen«, erklärte Auguste ruhig. Verhandlungen mit Verlegern konnten sich schließlich nicht allzusehr von Verhandlungen mit Fleischern unterscheiden. Die Qualität des gelieferten Fleischs bestimmte den Preis.

»Sie können sich darauf verlassen, Mr. Didier, daß wir hier bei Boodle, Budd & Farthing wissen, was wir der Zukunft schuldig sind. Die geistige Nahrung von heute nährt die englischen Männer und Mütter von morgen.«

»Bravo«, rief Miss Mellidew kühn. Sie war sichtlich bewegt. »Ich freue mich, daß Sie den Frauen den Platz zuerkennen, der ihnen zusteht. Das erwarte ich von einem Verleger. Ich habe manchmal das Gefühl, daß Romanautorinnen nicht die gebührende Anerkennung zuteil wird. Ich hoffe doch, Sie denken in keiner Hinsicht gering von Frauen, Mr. Budd?«

»Aber gewiß nicht, meine Liebe«, versicherte ihr Mr. Budd mit Nachdruck. »Wir haben ja auch eine Dame im Empfang, Miss Violet Watkins. Sie haben sie sicherlich gesehen, als Sie gekommen sind, und auch unseren hochgeschätzten Pförtner, Mr. Wallace.«

Clarence war offensichtlich zu der Ansicht gelangt, er sei jetzt lange genug von der Unterhaltung ausgeschlossen gewesen. »Meine Lyrik wird das Leben der Bourgeoisie bereichern«, erklärte er träge.

»Aber ganz gewiß, Mr. Popple«, versicherte ihm Mr. Budd.

»Ich habe meiner Sammlung den Titel gegeben: ›Gedichte für die Nachwelt‹.«

»Ah.« Ein Schatten zog über Mr. Budds Gesicht. »Und dürfte ich fragen, welcher Titel Ihnen für Ihren Roman vorschwebt, Miss Mellidew?«

»›Mildreds Missionar‹.«

»Aha.« Gervase Budds Miene verdüsterte sich noch mehr. »Eine Geschichte voller Romantik und voller Leidenschaft, die keine Erfüllung findet?« erkundigte er sich ohne große Hoffnung.

»Ein Priester, hin und her gerissenen zwischen Liebe und Pflicht.«

»Meine liebe Miss Mellidew!« Tränen der Dankbarkeit traten Mr. Budd in die Augen, als sich dieser unerwartete geschäftliche Silberstreif am Horizont abzeichnete. »Aber dürfte ich Ihnen dennoch einen anderen Titel vorschlagen?«

»Nein, dürfen Sie nicht.«

»In meinen Memoiren«, brüllte der General, als Mr. Budd nicht das mindeste Interesse an »Die Zeit marschiert beim Trommelschlag« erkennen ließ, »geht es hauptsächlich um die Niederlage bei Isandhlwana.«

Mr. Budd erbleichte entsetzt. »Ich dachte, Sie hätten den Oberbefehl bei Rorke’s Drift gehabt«, rief er, dieweil die Aussichten auf reißenden Absatz sich vor seinen Augen in Nichts auflösten.

»Rorke’s Drift wird immer überschätzt«, knurrte sein zukünftiger Autor. »Aber Isandhlwana, der Sudan …« Er sprach mit dröhnender Stimme weiter, während ihn Budd mit wachsender Bestürzung ansah. Fatal, fatal – offenbar war der General bei jeder Niederlage, die die britische Armee in jüngster Zeit hatte einstecken müssen, dabei gewesen.

»Und Sie, Mr. Didier«, wandte sich Budd erregt an Auguste, »dürfen wir darauf hoffen, etwas über die von den Spitzen der Gesellschaft bevorzugten Gerichte zu erfahren? Erwähnen Sie den Prince of Wales, vielleicht sogar Ihre Majestät?«

»Leider nicht«, erwiderte Auguste freundlich. »Mein beruflicher Ehrenkodex, verstehen Sie.«

»Ah, aber unser Vorschuß –«

»Wieviel Vorschuß auf die Tantiemen zahlen Sie denn nun, Mr. Budd?« fragte Miss Mellidew. Obwohl sie einen schüchternen Eindruck machte, fiel Auguste auf, daß ihre Stimme ein wenig scharf wurde, wenn die Rede auf Geld kam.

»Ah, Mr. Boodle hat eine ganz demokratische Verfahrensweise angeordnet«, erklärte Mr. Budd mit nervösem Stolz. »Bei Boodle, Budd & Farthing erhält jeder Autor den gleichen Vorschuß, so daß die bereits bekannten Autoren unsere jüngeren, weniger erfahrenen Autoren auf solche Weise fördern und unterstützen können.«

Während Auguste darüber nachdachte, wie er auf diese etwas befremdliche Idee (die Fleischern völlig fremd war) reagieren sollte, sah er, wie sich Clarence Popples gleichgültiger Blick plötzlich belebte ob der Aussicht, in den Besitz einer Summe zu gelangen, die die Erwartungen der meisten hoffnungsvollen Dichter bei weitem übertraf. Miss Mellidew hingegen hegte sichtlich ernsthafte Zweifel, was Mr. Boodles Zurechnungsfähigkeit betraf, und die Miene des Generals war ausgesprochen eisig. In der britischen Armee wurde Demokratie selten praktiziert.

»Wieviel?« fragte er.

»Mr. Boodle wird –«

»Wieviel?« Miss Mellidews Stimme klang plötzlich schneidend scharf.

Mr. Budd gab sich geschlagen. »Fünfundzwanzig Pfund.« Er blickte von einem versteinerten Gesicht zum anderen und räusperte sich. »Ich werde mit Mr. Boodle sprechen …«

»Ich fürchte, ich kann mich damit nicht einverstanden erklären«, verkündete Miss Mellidew. »›Mildreds Missionar‹ verdient dasselbe Honorar wie Lambkin.«

»Kunst, Miss Mellidew, ist Kunst. Und natürlich zahlen wir Tantiemen. Für die Einunddreißig-Shilling-Sechs-Pence-Ausgabe, die Sechs-Shilling- und die Zwei-Shilling-Ausgabe«, sagte Mr. Budd schmeichelnd.

Auguste beschloß, sich auf die Seite des Missionars zu schlagen. »Ich für meine Person würde einen Vorschuß erwarten, der den erheblichen Kosten entspricht, die mir entstanden sind«, sagte er. Den Luxus, Trüffel für Experimentierzwecke zu kaufen, konnte er sich in seinem Junggesellenleben nicht gestatten. »Dinieren mit Didier« durfte jedoch unter keinen Umständen eine Qualitätsminderung erleiden.

»Und wann wird Mr. Boodle für uns zu sprechen sein?« fragte der General grimmig.

»Mr. Boodle ist ein sehr vernünftiger –« Gervase hielt erschrocken inne. Auf der Straße direkt unter seinem Fenster war dumpfes Stimmengewirr plötzlich zu einem wüsten Lärm eskaliert: Gebrüll und Fäustetrommeln gegen die Haustür – unerhört in diesem stillen, gregorianisch vornehmen Teil Londons. »Was ist denn das?«

Auguste trat ans Fenster und blickte auf die Straße hinunter.

»Eine ziemlich große Menschenmenge versucht offenbar, sich Einlaß in Ihr Haus zu verschaffen«, sagte er interessiert. »Ich finde, Sie sollten das untersuchen, Mr. Budd.«

»Nein!« Gervase Budds Gesicht war aschfahl. »Sicherlich sind es bloß Leute, die ›Steadfasts letztes Gefecht‹ kaufen wollen. Ein außerordentlich erfolgreiches Buch von Mr. Arnold Hope, erst unlängst erschienen.« Seine Stimme schwankte, als ihn vier zukünftige Hausautoren zweifelnd ansahen. »Mr. Hope ist im Augenblick derjenige unserer Autoren, der sich am besten verkauft«, setzte er hinzu.

Clarence trat neben Auguste. Keine Spur mehr von müder Gleichgültigkeit. »Das muß ich Arnold erzählen«, griente er. »Dann geht er mit mir ins Ritz essen.«

»›Steadfasts letztes Gefecht‹ ist offenbar ein Renner bei Damen wie bei Herren, egal ob jung oder in gereiften Jahren«, sagte Auguste und blickte auf Schirme und Spazierstöcke hinunter, die in militärischem Gleichmaß drohend hin und her wogten.

»Sie verlangen Mr. Boodle zu sprechen«, rief Clarence entzückt, während Miss Mellidew sich mit Hilfe ihrer Ellbogen zwischen ihn und Auguste drängte.

»Mr. Boodle?« Gervase Budd lachte heiter. »Mein Gott, wie konnte ich das vergessen! Es ist Mr. Boodles Geburtstag«, verkündete er triumphierend. »Sicherlich sind das seine Bewunderer, die ihm ihre Glückwünsche überbringen wollen.«

Der General machte seine Autorität geltend und schob Auguste und Miss Mellidew just in dem Augenblick beiseite, in dem eine wohlgezielte Ladung Glückwünsche in Gestalt verfaulter Früchte vor ihm an die Fensterscheibe klatschte. Er wich hastig zurück. Hinter ihnen flog die Tür auf, und eine zu Tode erschreckte Miss Violet Watkins schlitterte herein und kam erst vor dem Schreibtisch ihres Arbeitgebers zum Stehen. Alles an ihr zitterte vor Erregung, von ihrem adretten braunen Haarknoten bis hinunter zu den Knöpfen an ihren Stiefeln.

»Ich war immer ganz loyal, Mr. Budd«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor. »Dreißig Jahre lang loyal. Aber jetzt bestehen unsere Autoren darauf, augenblicklich mit Mr. Boodle zu sprechen. Sonst kommt es zu einer Schlägerei, Mr. Budd. Mr. Wallace kann sie nicht zurückhalten. Mr. Boodle lehnt es ab, mit ihnen zu reden, da er mit der Aufstellung der jährlichen Tantiemen beschäftigt ist. Aber die Leute werden wirklich ausfallend, Mr. Budd. Was soll ich tun?«

Gervase Budd erhob sich und zeigte sich der Situation prachtvoll gewachsen. »Mr. Boodle muß um jeden Preis geschützt werden. Seien Sie so freundlich und bitten Sie Mr. Simmonds aus der Herstellung, Mr. Jones aus der Subskriptionsabteilung und Mr. Catling aus dem Lektorat, Mr. Wallace zu Hilfe zu kommen.« Wieder einmal wurden die Dienste des rotseidenen Taschentuchs in Anspruch genommen.

»O Gott, o Gott …« Miss Watkins’ Gejammer, als der Lärm unten weiter anschwoll, hätte Cecilia in der mittleren Sahara alle Ehre gemacht.

»Vorwärts, Budd. Wir stehen alle hinter Ihnen«, verkündete der General. Der Ruhestand war zu Ende, nun, da neue kriegerische Ehren winkten.

»Nein!« Mr. Budds Schrei klang geradezu herzzerreißend.

»Dann gestatten Sie, daß ich für Sie gehe«, erbot sich Auguste sofort und eilte zur Tür. Mr. Budd jedoch war noch schneller, er kam dem General zuvor, und zu seiner Überraschung fand Auguste sich und Mr. Budd draußen vor der Tür, während die anderen drei noch drinnen im Zimmer waren. Zu seiner noch größeren Verwunderung schloß Mr. Budd die Tür ab. Er fing Augustes fassungslosen Blick auf und versuchte, Gleichmut zu zeigen.

»Nur zu ihrer Sicherheit«, erklärte er leichthin. »Ich möchte nicht, daß sie irrtümlich für Mr. Boodle gehalten werden.«

»Sie meinen, dann würden die Glückwünsche die falschen Adressaten treffen?«

Gervase schien ihn nicht zu verstehen.

»Es ist Mr. Boodles Geburtstag«, erinnerte ihn Auguste ernst. Er mußte jetzt schreien, um das Tohuwabohu unten zu übertönen. Die Worte »Polizei«, »das Gesetz«, »sofort einschreiten« und »Forderung« waren deutlich zu verstehen, dazwischen einige sehr viel unhöflichere Ausrufe.

»Na so was«, sagte Gervase nervös und folgte Auguste zögernd an der geheiligten Tür vorbei und dann treppabwärts, dem Desaster entgegen. »Sie sind gekommen, um Mr. Boodle seine Geburtstagsgeschenke zu überreichen.« Aus seiner Stimme klang Verzweiflung.

Unter ihm auf der Wendeltreppe, die sich durch die vier Stockwerke des Verlagshauses wand, konnte Auguste Miss Watkins sehen, die mit ausgestreckten Armen der andrängenden Meute so wirksam den Weg versperrte, wie Horatius seine Pfahlbrücke gegen den Etrusker Posenna verteidigt hatte. Die Vorhut von Mr. Boodles Bewunderern überflutete den Treppenpodest im ersten Stockwerk und kam zum Stehen, als sie die Stärke der Verteidigung erkannte.

»Mr. Boodle arbeitet«, kreischte Miss Watkins. »An den Abrechnungen für Ihre Tantiemen. Er darf nicht gestört werden. Die Abrechnungen werden …« sie zögerte einen Augenblick und verkündete dann mit fester Stimme : »… morgen bei Ihnen sein.«

Von hinten konnte Auguste die muskulöse Gestalt von Mr. Wallace sehen, der die Zaghafteren unter den Belagerern bereits zurückdrängte, und die offensichtlich in Verwirrung geratene Gruppe verließ schließlich erst knurrend, dann flüsternd Mann für Mann die heiligen Hallen des Verlagshauses Boodle.

»Mir scheint, sie waren nicht gut organisiert«, sagte Auguste. »Vielleicht hätte ich hier eine Aufgabe?«

Der Blick, mit dem ihn Mr. Budd maß, spiegelte tiefe Abneigung. »Bitte machen Sie keine Scherze, Mr. Didier.« Seine breite, sich heftig hin und her wiegende Rückseite bewegte sich wieder die Treppe hinauf. Auguste, der ihm mit raschen Schritten folgte, fühlte sich allmählich wie die Tochter des Leuchtturmwärters in dem alten melodramatischen Volksstück. Offensichtlich war »Dinieren mit Didier« ein abenteuerlicheres Unterfangen, als er bisher angenommen hatte, überlegte er, als er den Lärm hinter der zugeschlossenen Tür von Mr. Budds Büro hörte.

»Ich muß schon sagen, Mr. Budd –« Die Tür wurde aufgeschlossen, und eine hysterische Miss Mellidew kreischte: »Ich bin eine alleinstehende Dame! Mich mit zwei fremden Herren zusammen einzusperren, das ist wohl kaum ein Verhalten, das man von seinem künftigen Verleger erwartet!«

»Ich bin sicher, Mr. Popple und der General sind ebenso galant wie Lambkin – eh – Scheich Hamid der Glänzende.« Gervase Budd versuchte sich wieder weltmännisch zu geben.

Es gelang ihm nicht. Miss Mellidew richtete einen eisigen Blick auf den bohèmehaften Clarence und den apoplektischen General Proudfoot-Padbury. Ein noch eisigerer Blick fiel auf Mr. Budd.

»Darf ich Sie daran erinnern, daß Lambkin ein echter Gentleman war; er war beinahe ein Engländer, hatte in Oxford studiert, kannte seinen Shakespeare und seinen Keats, war Offizier der britischen Armee und wurde mit dem Victoria-Kreuz ausgezeichnet. Dann kehrte er in sein eigenes Land zurück, in seine geliebte Wüste, um dort seine Pflicht zu tun.«

»Der verdammte Kerl hatte mehrere Frauen. Das ist in der britischen Armee nicht erlaubt«, schnarrte der General.

Miss Mellidew errötete tief. »Das, General, war ja der Grund, warum sie sich trennten. Obwohl Lambkin Cecilia aufrichtig, leidenschaftlich, unendlich liebte, mußte er pflichtgemäß nach dem moslemischen Gesetz heiraten. Und dennoch war er für Cecilia der Inbegriff der Ritterlichkeit. – Und ich freue mich«, setzte sie anzüglich hinzu, »daß Sie mein kleines Buch gelesen haben, General.«

»Meine Frau hat’s gelesen«, knurrte der General, der sich ertappt fühlte. »Ich habe nur einen Blick hineingeworfen. Ich dachte, es wäre Jorrocks.«

»Im Leben«, säuselte Clarence scheinheilig, »sollte man alles ausprobieren, alles lesen und jeden kennenlernen.«

»Auch Mr. Boodle. Und zwar jetzt«, erklärte der General entschlossen.

Auguste kam ihm zu Hilfe. »Auch ich muß gestehen, daß ich ein wenig neugierig auf Mr. Boodle bin, Mr. Budd.«

»Gestatten Sie mir, Sie zuerst mit unseren übrigen getreuen Angestellten bekanntzumachen«, sagte Gervase Budd schnell und fast schon wieder Herr seiner selbst. »Dann werde ich feststellen, ob Mr. Boodle bereit ist, Ihnen ein paar Augenblicke seiner Zeit zu widmen.«

»Nett von Ihnen«, brummte der General.

»Der Verlagsbuchhandel«, fuhr Mr. Budd bekümmert fort, »durchlebt im Augenblick sehr schlechte Zeiten. Die billigen Sechs-Penny-Bücher haben das Geschäft ruiniert. Mr. Jones aus der Subskriptionsabteilung hat mich zuverlässig darüber unterrichtet, daß der Tod der Branche unmittelbar bevorsteht.«

»Tatsächlich? Ich war der Meinung, daß die neue Preisbindungs-Vereinbarung, die die Verleger so nachdrücklich gefordert haben, die Branche rettet«, sagte Auguste boshaft.

»Sie ist eine Verbesserung«, gab Mr. Budd hastig zu, »aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, Mr. Didier, einen sehr langen Weg.«

»Trotz Arnold Hopes ›Steadfasts letztes Gefecht‹?« fragte Clarence unschuldig und zwinkerte Auguste höchst unpoetisch zu. »Er wird sicherlich sehr traurig sein, wenn er hört, wie pessimistisch Sie die Sache sehen.«

»Ah, Mr. Popple, Sie sind ein enger Freund von Mr. Hope. Selbstverständlich gibt es bei Büchern in der Qualität, wie Mr. Hope sie schreibt, keinerlei Absatzprobleme.«

»Liebesromane werden auch immer verlangt«, erinnerte ihn Miss Mellidew streng.

»Bücher über Essen genauso«, warf Auguste ein. Nach seiner Ansicht hatte dieses Thema Vorrang vor allem anderen.

»Miss Mellidew, gestatten Sie, daß ich vorangehe …« Mr. Budd machte diesem unbotmäßigen Gespräch seiner zukünftigen Autoren über Absatzchancen rasch ein Ende, indem er aus dem Zimmer eilte. Er riß die Tür zu einem Büro auf, das ebenfalls im vierten Stockwerk des hohen, schmalen Verlagshauses lag. »Das hier ist das Sitzungszimmer, in dem Mr. Boodle, die Angestellten und ich über den Geschäftsgang des Unternehmens diskutieren. Wir sind stolz auf unseren demokratischen Stil.«