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Mord auf dem Marsfeld 697 Jahre nach Gründung Roms, 66 v Chr Der römische Quästor Quintus Tiberius Flavius wird von seiner Familie angeblich wegen einer Testamentsverlesung aus der Provinz Dyrrachium in den brodelnden Hexenkessel Rom zurückbeordert. Anstatt aber in den Segen von unverhofftem Reichtum zu kommen, wird ihm vom Familienrat befohlen sich schändlicherweise den Mörder einiger Sklavinnen, der den kleine Leute Stadtteil Subura unsicher macht und es mit seinen Untaten unter den einfachen Leuten gären lässt zu fangen. Keine leichte Aufgabe doch Lucius Corneliis Lieblingssklavin wurde brutal ermordet und die Familie ist hoch verschuldet bei Cornelii. Quintus tut das, was er am besten kann, nach Herzenslust in der feinen Gesellschaft des antiken Rom schnüffeln. Die junge ermordete Sklavin war von ihrem Herren schwanger, etwa ein Motiv für den Mord? Quintus Weg führt von den Marmortempeln und Palästen zu dem unscheinbaren Rom, zu obskuren Sekten und den einfachen Leuten der Subura und des Aventin. Mit seinem frechen Sklaven Tiro im Schlepptau folgt er dem Mörder durch das Labyrinth der bis zu 30 Meter hohen Mietskasernen. Rom, das nicht von den Dichtern besungen wird. Je länger er ermittelt umso näher kommt er einem teuflischen Komplott, dass auch seine Familie und ihn selber betrifft.
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Ann Bexhill
MORD AUF DEM MARSFELD
Antiker Rom Krimi
Es war ein kalter Septembertag im Jahr des Konsulats von P. Cornelius und Q. Caecilius 697 Jahre nach Gründung Roms, als ich meinen Fuß nach sieben Monaten wieder auf Heimaterde setzte. Endlich konnte ich den roten Militärumhang ausziehen, den ein römischer Beamter tragen muss, wenn er italisches Territorium verlässt. Der starke Nordwind peitschte mir Regenschauer ins Gesicht, als der kleine römische Handelssegler die Ruder einzog und an der Kaizunge von Brundisum festlegte. Es war nicht meine dumme Idee in der Woche, wenn der Aufgang des Hundssterns die Stürme ankündigt, den Seeweg zu wählen. Ich würde noch Tage brauchen, um feste Nahrung zu mir nehmen zu können. Bei jedem zweiten Wort stieß ich auf, was mir peinlich und Gesprächspartnern sicherlich unangenehm war. Nach dem Willen der Götter, wird die Seekrankheit, uns Römer daran hindern jemals zu einer Seemacht zu werden, deren Kriegsgaleeren nicht von Ausländern bedient und befehligt werden. Ich finde es erstaunlich denn die Werften in Ostia und Reguluntum können in kürzester Zeit, unglaublich viele Kriegsschiffe fertigen, wir können sie nur nicht benutzen.
Mein Reisegefährte, ein Beamter der ägyptischen Botschaft auf dem Marsfeld vor Roms Stadtmauer machte jedenfalls genau denselben widerwärtig zufriedenen Eindruck auf mich, wie auf der gesamten stürmischen Überfahrt, als er mir kurz zum Abschied zunickte und an mir vorbeiging. Bei seinem Anblick vermutete ich: Wer immer es sein wird der furchtlos die Meere überquert, um Entdeckungen zu machen, ein Italer wird niemals auf seinem Schiff zu finden sein. Es gibt Dinge, für die ist ein Römer nicht gemacht. Aber jetzt wusste ich zumindest, wie es sich anfühlen wird von Charon dem Fährmann der Unterwelt über den Fluss Styx, der das Reich der Lebenden von dem der Toten trennt, gerudert zu werden. Ganz bestimmt so ähnlich wie die Überfahrt, nur das ich dann tot bin und nicht mit dem Kopf über der Bordwand hänge, um mich zu übergeben. Ein Anblick, den kein Römer Barbaren bieten darf. Mein Verhalten, mein unwürdiges Schauspiel nagte immer noch an mir. Ich hatte mich zum Gespött der phrygischen Mannschaft gemacht. Mit knurrendem Magen, ich hatte zwei Tage lang mit dem Inhalt meines Magens die Fische in der Meerenge zischen Asia und Italia gefüttert, tapste ich den Landungssteg hinab und betrat mit einem Lächeln das Land. Römische Beamte lächeln nicht in der Öffentlichkeit, außer es ist Wahltag und sie gehen auf Stimmenfang oder sie stehen als Angeklagte vor dem Prätor, beides auf dem Forum Romanum. Ich war zu der Zeit Quästor, zumindest noch so lange, bis ich das Forum Romanum betrat und einer der beiden Zensoren meinen Namen aus dem Amtsverzeichnis löschte. Ich gab mir ein würdigeres Aussehen, so wie ich es in der Rhetorikschule erlernt hatte. Ich straffte also meinen Körper, verschluckte mein dümmliches Grinsen und versuchte so auszusehen, wie Gaius Iulius Cesar, von dem ganz Rom sprach. So würdevoll wie er und kurz vor der Schlacht, wenn er von den Männern seiner Legion sehr genau beobachtet, die gesammelten Streitkräfte der barbarischen Germanen überblickt.
Einige bedauernswerte Passagiere, bei Jupiter ich sah Kinder unter ihnen, die auf ihre Fähren und die lebensgefährliche Überfahrt warteten, sahen von mir an den schwarzen Himmel und von dort auf die am Hafen vertäuten Nussschalen mit denen sie zu Reisen gezwungen waren. Bauchige Einmaster, die in den Wellen auf und ab schaukelten und deren Masten knirschten, als zerdrücke Neptun mit seinem Daumen ganze Wälder.
Ich stellte mich hin und breitete meine Arme aus und rezitierte dankbar dem nassen Tod entronnen zu sein. »Mutter Rom du Tageslicht für Menschen und Götter. Rom meine Venus schön wie die Sterne du Land voller ...«. Ich sah mich um und schämte mich meines Verhaltens. Hafenarbeiter unterdrückten ihr Lachen und verschluckten den Spott. Meiner Tunika wegen, deren kleiner Purpursaum mich als Eques als vom Ritterstand kenntlich machte, nahm ich an. Aber ich verstand schlagartig ihren Spott. Von diesem Hafen fuhren in jedem Jahr unzählige hoffnungsvolle Söhne aus gutem Haus zum Studium nach Griechenland. Die Athener Rhetorikschulen waren mit anspruchsvollen Römern und ihren ebenso anspruchsvollen Sklaven überrannt. Neuerdings fanden selbst reiche Kaufleute Gefallen an den Reisen nach Griechenland, um sich dort die alten Kultur- und Kunststätten anzusehen. Fremde Städte und Heiligtümer oder die olympischen Spiele zu besuchen. Und wenn sie nach einem Jahr zurückkamen, standen sie wie ich auf dem Landungssteg und deklamierten denselben Vers. Ich war, wie ein Schauspieler der demselben Publikum die tausendste Vorstellung gibt, es konnte nur noch abgeschmackt und lächerlich wirken.
»Oh bei Iuppiter Land!«, rief Tiro mit tiefer Dankbarkeit, als währe er die ganze Zeit neben dem Schiff her geschwommen. Meine Sachen hatte er nachlässig in eine Ledertasche gestopft und über seine schmale Schulter geworfen. Neptun hatte sich auf der Überfahrt von Dyrrachium der Hauptstadt unserer Provinz Macedonia nach Italia einen Todfeind gemacht. Mein Sklave hasste das Meer und alles, was damit zu tun hatte. Selbst Delphine die bei der Ausfahrt eine Weile neben unserem Boot tollten betrachtete er als Ohmen eines nahenden Schiffbruchs. Er hatte mir die Tiere gezeigt und die Vasen von Delos erwähnt. Die Vasen standen im Neptuntempel im Hafen von Dyrrachium, in dem ich kurz vor der Abreise eine Ziege opfern ließ, um mir aus den Eingeweiden die Zukunft lesen zu lassen. Auf den Kunstwerken aus Delos ist zu sehen, wie Delphine, Poseidons Lieblinge einen Schiffbrüchigen retten. Tiro sah Tiere, die sich ein Vergnügen daraus machten einem Ertrinkenden in die Seiten zu rammen, um ihn schneller zu versenken.
Ich hatte Tiro vom Konsul unserer Provinz Sallus Tiberianus während einer verschwenderischen Lustbarkeit als Gastgeschenk erhalten. Alle anderen Beamten bekamen schöne Goldringe mit ihren Initialen in den Schmuckstein geschnitten. Ich war tief enttäuscht, aber ich war nur Quästor. Ich schätzte das Bürschchen nach seinem Gebiss, das noch keine Zahnfäule zeigte und seinem Muskelbau auf 15 oder 16 Jahre. Er selber behauptete mit einer Unverfrorenheit, die den Makedoniern eigen ist, er sei weit über zwanzig Jahre. Unser Gesetz sagt, das man Sklaven erst nach ihrem 20. Lebensjahr die Freiheit schenken darf. Ich war froh wieder zuhause zu sein. Weg vom lästigen Amt. Meine Aufgabe bei der Verwaltung der Stadt Dyrrachium war eine langweilige Angelegenheit gewesen. Ich hatte zugesehen, wie Schreiber Zahlen auf meterlangen Pergamentrollen eintrugen und die Steuerliste führten. Ich hatte so getan, als kontrollierte ich die Richtigkeit der Ergebnisse auf Sesterze und Ass genau. Aber jetzt war ich zum Glück ungebunden und wieder mein eigener Herr. Erst in drei Jahren, bei meinem 37 Lebensjahr wurde von mir erwartet, dass ich mich, um das Amt eines Ädilen bewarb. Bis dahin würde ich mir die Zeit vertreiben und in Gallia oder auf einem anderen militärischen Schauplatz Erfahrungen sammeln, ohne die in Roms Politik gar nichts lief. Es mussten keine Siege sein, eine verlorene Schlacht weckte in den Wählern Mitleid und war ein Garant für einen Wahlerfolg. Ich widmete mich meinem Sklaven, der sich unmöglich benahm. Er lag auf dem Boden und küsste ihn. Die Nervosität der Schiffsreisenden steigerte sich bei Tiros Anblick.
»Übertreibe mit deinen Freudenausbrüchen nicht«, riet ich ihm. »Bist du schon einmal mit einem römischen Reisewagen gefahren? Das hin- und herschwanken hört erst auf, wenn wir in Rom sind.«
Tiro starrte mich wütend an: »Du meinst, wir sind immer noch nicht da?«, schrie er, als sei es meine Schuld, das Brundisum nicht Rom ist, ihr nicht einmal zur Hälfte das Wasser reichen kann, so schön die Stadt auch sein mag.
»Hast du Dummkopf etwa geglaubt das hier, ist Rom?«
»Ich denke das ist eine gewaltige Stadt, gewaltiger als Dyrrachium.«
»Mache dir keine Gedanken in einigen Tagen, werden wir in Rom sein. Wir nehmen uns hier einen Reisewagen und folgen der Königin der Straßen der Via Appia.«
»Um diese Jahreszeit? Sieh nach oben es regnet die Wege werden unpassierbar sein.«
In seiner Stimme schwang leise Hoffnung. Allein der Anblick der vielen Menschen am Hafen ließ auf eine sehr lebhafte Stadt, mit einem breitgefächerten Angebot an Vergnügungen schließen.
»In Rom gibt es keine unpassierbaren Straßen für so etwas haben wir Beamte. Wenn es einen Erdrutsch gab, müssen wir vielleicht eine Stunde warten, bis wir weiter können!«, erklärte ich stolz ein Römer zu sein. Es war natürlich nur die halbe Wahrheit in der Stadt Rom gab es bodenlose Schlaglöcher auf Hauptverkehrsstraßen die waren mindestens so alt wie die Stadt selber.
»Aber wir sind schon in Italia?«, fragte Tiro misstrauisch.
Der Junge war wirklich ein ungebildeter Idiot, kein Wunder, das ihn der Konsul verschenkt hat, obwohl es ein recht hübscher Bursche war. Seine Kenntnisse über die Macht und Größe Roms waren also nicht vorhanden. Zumindest wenn er Brundisum mit dem Hexenkessel Rom mit seinen eine Million Bewohnern verwechselte und das Adriatische Meer mit dem Fluss Tiber.
Tiro zupfte seine Tunika zurecht, drehte den Kopf und spuckte gegen das dickbauchige Schiff. Dass Wein geliefert und mit 200 Amphoren Garum dem wichtigsten Gewürz der italischen Küche gekommen war. Eine der verplombten Tonamphoren war gleich zu Anfang der Reise zerbrochen. Das Schiff stank nach vergorenen Fischinnereien, aus denen das römische Lieblingsgewürz besteht. Bei dem Gestank auf dem Schiff fragte ich mich mehr als einmal wie kann etwas so abartig stinkendes dem Essen eine feine Note von Meer verleihen und es veredeln?
»Also sind wir bald in Rom?«
Ich beantwortete die Frage Tiros, bevor ich ihm verbieten würde, ohne meine Erlaubnis sein Mund aufzumachen, es kam ohnehin nur Blödsinn da heraus.
»Rom ist ein Imperium! Größer als das du es dir vorstellen kannst. Jetzt mach dich nützlich und schnapp dir einen Seemann und lass mein Gepäck aus der Kabine bringen.«
Etwas in der Sprache des Makedoniers Alexanders des Großen fluchend kehrte der Junge auf das schaukelnde Boot zurück. Vielleicht dachte er an den Trick der Karthager unschuldige Mädchen und Jünglinge auf ihre Boote zu locken und dann einfach davon zu segeln, um ihren Menschenraub zu verschachern. Ein Großteil der Menschen die eine Seereise unternehmen sind Sklaven, die in fernen Ländern gekauft werden. Es existieren zwar viele Geschichten, in denen Passagieren eine sichere Reise an das Ziel versprochen wurde und wenn sie auf See waren, werden sie in Ketten geworfen und versklavt. Ich bezweifle allerdings, das Es besonders häufige Ereignisse sind. Außerdem geschah die Angst ihm recht, sein panisches Gesicht bei der Seereise hatte mir den Mut aus den Knochen gefressen. Bis zur Sichtung der Küstenlinie rechnete ich jederzeit, damit das unser Schiff an einer, plötzlich aus dem Meer nach oben schießenden Klippe zerschellt. Ich träumte schon von Delphinen, die es auf mich abgesehen hatten. Während Tiro meine Kleider holte, betrachtete ich den Hafen von Brundisum, der wichtigsten Hafenstadt hinter Ostia. Hier befindet sich der größte Umschlagplatz für Sklaven, Elfenbein und Marmor. Meine Aufmerksamkeit erregte das Getümmel, wie Sklaven aus allen, uns bekannten Ländern die Schiffe und Galeeren entluden. Ein dicker Mann, vor dem alle auswichen, kam an den Pier. Er sichtete mich auf dem Landungssteg und eilte mit seinem Schreiber im Schlepptau auf mich zu und blieb stehen.
»Ich bin Quintus Metellus der Hafenkommandant«, stellte er sich vor. »Merkur hat dich sicher übers Meer geführt. Du hattest Glück und eine spiegelglatte See in einigen Tagen sieht es anders aus.«
Er log mich an, es war alles andere als eine spiegelglatte See, die Wellen auf dem Meer waren fast einen Meter hoch. Ich bemerkte an seiner nachlässig angelegten Toga, dass mich ein Ritter begrüßte. Sie ist das Symbol eines freien Römers das, was uns als Bürger Roms kenntlich macht. Die der Senatoren haben einen breiten, und die Togen der Ritter einen schmalen Purpursaum.
»Noch ein Quintus«, sagte ich aber der ungebildete Kerl verstand den Witz nicht, er nickte nur. Wie oft hatte ich schon festgestellt, dass wir erstaunlich einfaltslos bei der Auswahl unserer Vornamen sind. Es gibt anscheinend nur eine Handvoll akzeptable für Söhne und Töchter aus gutem Haus aber mein Humor war bei dem Kerl nur Perlen vor die Säue, also wurde ich förmlich.
»Ich begrüße dich Quintus. Ich bin Quintus Tiberius Flavianus.«
»Ich weiß man hat mich darüber informiert, dass du kommst. Willkommen in der Heimat, Quästor. Dein Bruder hat mich gebeten dafür zu sorgen, dass du schnell nach Rom kommst. Es regnet lass uns hinein gehen«, schlug er vor und zeigte auf die Hafenverwaltung.
Ich folgte ihm zu einem Gebäude mit Säulengang, das sich nah des Marktes befand. Wo Händler mit einem Handschlag und vor Zeugen ihre Transaktionen abwickelten. Schiffsladungen an Gewürzen, ohne die unsere Speisen abwechslungslos schmecken, wechselten die Besitzer. Die Raffinesse der römischen Kochkunst besteht seit einigen Jahrzehnten darin eine Dattel gefüllte Taube, nach Schweinebraten und ein Schwein nach in Wein gekochter Muräne schmecken zu lassen und so Augen und Zungen zu überraschen. Ich betrat das Zollamt und setzte mich auf ein Steinsofa auf dem Balkon, von dem man einen schönen Blick über den Hafen hatte.
»Du bist blass im Gesicht, ein Schluck Wein ist das Beste nach einer kleinen Seereise«, sagte Flavianus und sah verlangend zum Krug Wein auf dem Tisch.
Sein Sklave goss unsere Weinbecher voll. Es war ein trinkbarer roter Leverano, den man in der Gegend anbaute. Angeblich stampften nur die schönsten Mädchen eines Dorfes die Trauben. Viele Jahre später hatte ich, als Prätor dort zu tun, sei versichert es sind nicht die schönsten, sondern die schwersten Mädchen eines Dorfes, die diese Arbeit verrichten.
Er trank seinen unverdünnten Wein in einem Zug. Seine Aufgaben schien er auch betrunken erledigen zu können. Er wischte sich mit der Hand über den feuchten Mund.
»Dein Reisewagen wartet am östlichen Tor auf dich«, sagte er als wolle er mich schnell loswerden, um ein Nickerchen zu halten.
»Mein Bruder hat dir also geschrieben?«, wunderte ich mich.
»Einer seiner Schreiber zumindest. Ich sollte alles vorbereiten, das du sofort weiterreisen kannst schrieb man mir.«
»Es wäre auch eine Überraschung gewesen, wenn er dir selber geschrieben hätte«, sagte ich.
Ich hatte, als Beamter schnell gelernt zu lächeln auch, wen ich fluchen wollte. Ich hatte nicht das beste Verhältnis zu meinem Bruder. Africanus war ein fauler Narr nur bemerkte es niemand, oder traute sich das zu sagen. Er war nachtragend bis zur Rachsucht und krankhaft geizig. Ich fand diese Hast, mit der meine Fahrt geplant war sehr unangenehm. Ärzte raten nicht ohne Grund nach Seereisen zwei Tage zu ruhen, damit sich der Körper akklimatisieren kann.
Der Brief, der mich im Namen des Familienrats nach Rom rief hatte, mich vor acht Tagen erreicht. Es kam mir seltsam vor, mich wegen einer Testamentsverlesung in solcher Eile nach Rom zu beordern. Der Mann war tot und zu Asche verbrannt er konnte sein Testament nicht mehr ändern. Ich hörte schon den bösen Klatsch, der in Roms Badehäusern kursieren würde. Quintus Flavianus ist derartig verschuldet das Er alle Verantwortung stehen und liegenlässt, um zu seinem Erbe zu rennen.
Tirimius Quintus Scipicus mein Onkel mütterlicherseits war angeblich einer der reichsten Männer Roms gewesen. Ich hatte nie etwas davon bemerkt. Der Mann war geizig und sagte immer – wenn man ihn, um einen Kredit bat: Der Mensch weiß nicht, welch großer Reichtum im Sparen liegt. Ich hoffte T. Quintus habe mir mehr als nur etwas Symbolisches hinterlassen. Ich hatte ihm sehr oft gesagt, wie gut mir die Luft in seinem Weingut in Pompeji tat und dann gehustet, das er denken musste, nur die gesunde Luft in Pompeji könne mich von meinem Lungenleiden kurieren. Ich betete kurz zu Minerva der Göttin der Weisheit er möge meinen Wink verstanden haben, als er sein Testament verfasste.
»Gibt es Gerüchte, ist etwas in Rom passiert?«, wollte ich nun wissen, die Tagesnachrichten die acta di urna, mit der Politik des Senats und dem Klatsch und den Nachrichten aus aller Welt erreichten Dyrrachium mit Monaten Verspätung.
»Nein es ist alles ruhig«, sagte er.
»In Rom, der Stadt der ewigen Zwietracht?«
»Ich habe nichts gehört, was auf Unruhe hindeutet.«
»Erstaunlich es geschehen noch Wunder.«
Als ich in die Provinz Macedonia aufgebrochen war, hatte der Wahlkampf in der Hauptstadt begonnen. Die Kandidaten um die öffentlichen Ämter standen in den mit Kreidepulver bestäubten schneeweißen Wahltogen auf dem Forum und ließen sich von ihren Klienten rühmen. Wer vom Senat eine Legion anvertraut bekommen wollte, hatte den Cursus Honorum die Beamtenlaufbahn zu absolvieren. Quästor, Ädil, Prätor und Konsul. Mit jedem Amt wuchsen Einfluss und die Möglichkeiten sich zu bereichern, auch wenn ein Beamter nur für ein Jahr gewählt wurde. In der Regel begann in der Wahlkampfzeit Ende des Jahres das Stechen und Hauen um die Positionen und man focht römisch kompromisslos mit angeheuerten Schlägerbanden. Ein Amt darf nicht mehr als einmal ausgeführt werden. Ein Beamter kann danach, was während der Amtszeit nicht möglich ist angeklagt werden. Er hat mindestens einen Kollegen mit denselben Rechten. Ein Amt darf nicht unmittelbar an ein anderes angeschlossen werden. So gehen die Bürger Roms sicher, dass ein Beamter nach seiner Amtszeit Privatmann ist und vor Gericht verklagt werden kann. Ein Beamter darf nicht mehrere Ämter in sich vereinen. Ein Beamter mit höherer Amtsgewalt kann einem mit niedriger Amtsgewalt etwas verbieten. Das alles sind noch immer sehr gut überlegte Sicherungsmechanismen. Das römische Problem besteht aber darin, dass man aus diesem einem unerhört teuren Amtsjahr alles pressen muss, was möglich ist. Die Bürger Roms wählen an jedem Dezember ihre Verwaltung und die Römer sind bestechlich. Wer in ein Amt gestimmt werden will, muss unter akzeptablen Vorwand, der nichts mit den Wahlen zu tun hat, teuere Spiele geben. Die Massen Roms lassen sich nicht mit Vernunft und Argumenten überzeugen, man muss sie kaufen. Der Preis für das Amt sind Wagenrennen, Tierhatzen und Gladiatorenkämpfe.
»Als ich aufbrach, hinterließ ich eine Stadt, die kurz vor der Eruption stand. Die Optimaten und Popularen versuchten mit Gewalt, ihre Mitglieder in ein Amt zu bringen.«
»Nein es ist ziemlich ruhig in Rom«, sagte Flavianus und presste Daumen und Zeigefinger zusammen, als zerdrücke er einen Floh.
Also hatte meine Familie ein anderes Problem, das meine Anwesenheit in Rom verlangte, ich konnte bei Merkur nur hoffen das Es wirklich nur etwas mit dem Testament zu tun hatte.
Der Hafenmeister gähnte herzhaft und rieb sich sie Augen. Ich sah, dass er mit seinem Wein allein sein wollte, und verabschiedete mich von ihm. Von plumpem Menschen umgeben zu sein, widerstrebte mir zeit meines Lebens und da hatte mein Aufenthalt in der Provinz Asia auch nichts geändert, obwohl es dort sehr viele plumpe und ungebildete Menschen gab.
*
Ich lief im strömenden Regen, gefolgt von dem Seemann, der meine Reisekiste trug und Tiro durch die Hauptstraße der Hafenstadt Brundisum zum östlichen Stadttor und nutzte die Zeit mir die Gegend anzusehen. Die Insula der Stadt waren nicht hochgebaut im höchsten Fall vier Stockwerke und aus überraschend gutem Baumaterial. Es gab bedeutend mehr Atriumshäuser, vor denen sich Kolonnaden entlangzogen, unter denen Menschen saßen und den Regen beobachteten. Die Straßen waren so belebt, dass es mein Auge erfreute, aber ich nicht angestoßen oder mir auf die Füße getreten wurde. Es war eine sehr schöne Stadt mit Tempeln, Marmorforen, Theatern und Bädern. In den Tavernen wimmelte es von Männern, die zu ihrem Studium oder Militärdienst nach Griechenland aufbrachen. Mit Amphoren und Fässern beladene Fuhrwerke ratterten pausenlos an uns vorbei. Der internationale Seehandel, vor allem der mit unentbehrlichen Luxusgütern machte die Einwohner vermögend, was sie auch an Kleidung und ihren Sklaven zeigten.
Auf mich wartete ein bequemer überdachter Reisewagen vor dem Stadttor. Ich betrachtete ihn sehr genau, um auf der langen Reise keine böse Überraschung zu erleben. Römische Reisewagen gab es in den verschiedensten Bau- und Macharten. Der Wagenkasten war getrennt vom Unterbau und an neuen haltbaren Lederbändern aufgehängt. Stöße wurden bei schneller Fahrt über eventuelle schlechte Teilabschnitte der Straße wirksam abgedämpft. Der große Wagen war für längere Reisen gedacht. Der Wagenkasten hing in seinen massiven Halterungen aus Bronze. Ich bückte mich und betrachtete die großen, eisenbeschlagenen Räder. Die Radteile Felgen und Speichen bestanden aus elastischem Eschenholz. Das Skelett des Oberbaus, in dem vier Leute bequem sitzen oder schlafen konnten war aus Eiche. Einer der Arbeiter fettete gerade die Radnabe und Achsen ein.
Zwei kleine und sehr kräftige Pferde, wie sie die Bergstämme in Hispania ulterior züchteten, grasten zufrieden auf einer Wiese neben der Straße. Geschäfte und Buden säumten zu beiden Seiten die Via Appia. Ich gab Tiro Geld damit er Wein und Honig und das einkaufte, was mir die langweiligen Momente einer langen Reise vertrieben.
Der Wagenlenker begrüßte mich respektvoll, während seine beiden Arbeiter meine Gepäckkiste einluden und anschließend die Räder des Wagens mit Leder- und Stoffstreifen umwickelten, um mir die Fahrt möglichst angenehm zu machen.
Ich gab dem Seemann, der mir still mit der schweren Reisekiste gefolgt war, ein sehr gutes Trinkgeld. Dass er grinsend einsteckte und sofort in die nächste Taverne marschierte.
»Mögest du Merkur der Gott der Reisenden und des glücklichen Findens mit uns sein«, betete ich kurz zu genau demselben Merkur, zudem auch Räuber, Diebe und Piraten beten. In ihren Augen mag ein gelungener Raub auch eine Art des Findens sein.
Nachdem die kräftigen Pferde angeschirrt waren, fuhren wir los. Unsere Route würde von der Via Appia nova zur Stadt Barium und von dort auf der Via Appia Vetus direkt nach Rom führen. An jeder stationes würden unsere Pferde ausgetauscht werden und ich würde von dort meine Korrespondenz versenden und meine Einkäufe erledigen. In den großen stationes waren die Soldaten der Straßenpolizei, die Beneficiarier untergebracht. Wachmänner, die der Kutscher informieren würde, wenn es auf der Fahrt Probleme gegeben hatte. Dicht an dicht waren diese Rasthäuser wie an einer Perlenkette auf der Via Appia aufgereiht und in den Meisten bekam man ein gutes Essen serviert und andere Annehmlichkeiten geboten. Die Lage der Raststationen und Herbergen sind auf das römische Straßennetz und die Bedürfnisse von uns Reisenden abgestimmt. An jeder Fernstraße gibt es diese Raststationen und Herbergen, wo die Pferde ersetzt und Wagen ausgebessert und Reisenden beköstigt werden. So legt man mit dem Wagen bis zu 80 Kilometer am Tag zurück. Die Post der Cursus publicus bewältigte sogar mehr als 200 Kilometer Strecke pro Tag. Und auf jeder Straße im italischen Mutterland gab es stationes.
Tiro saß hinten und ließ seine langen Beine aus dem Reisewagen baumeln und dachte höchstwahrscheinlich über sein Schicksal nach. Er hätte es schlimmer als mit mir treffen können, weshalb ich etwas beleidigt über seine missmutige Mine war. Ich weiß selbst, wie schnell sich Göttin Fortuna gegen einen wenden kann. Fortuna gilt als eine der eifersüchtigsten Göttinnen unter unseren 38 Hauptgöttern. Wie schnell kann es einem Seereisenden geschehen, dass er untergeht und von Delphinen in den nassen Tod gezogen wird. Oder das er von Kilikischen Seeräubern gefangen und verkauft wird, weil niemand das Lösegeld für ihn bezahlen will oder kann. Das beste Beispiel ist Caesar, der als junger Mann auf seinem Weg zum Studium in Griechenland von Seeräubern gefangen wurde. Caesar hielt sein Versprechen, das er ihnen gemacht hatte, und ließ jeden Piraten Kreuzigen und Kinder und Frauen in die Sklaverei verkaufen. Das Lösegeld, 50 Talente, dafür bekam man 1000 Bogenschützen kam durch seinen Sklavenhandel mehr als doppelt herein, war aber immer noch ein Klacks bei seinen Schulden, die er überall angesammelt hatte, um seine Beamtenlaufbahn zu beginnen.
In meine Gedanken versunken betrachtete ich die gepflasterte pfeilgerade Straße. Unter den Dingen, die wir der Welt geben, ist das Wissen darum fehlerlose Straßen anzulegen. Entlang des vielbefahrenen Wegs sah ich immer wieder Sklaven oder Kriegsgefangene, die in Ketten aneinander geschmiedet Ausbesserungsarbeiten verrichteten. Warum funktionierte das nicht genauso gut in der Stadt Rom?
Je sechzig Meter links und rechts der Via Appia war das Buschwerk gerodet und mit licht stehenden Oliven- und Pinienbäumen bepflanzt. Die Rodungen erfolgten aus dem Blickpunkt der Sicherheit heraus. Damit wollte man Überfälle und Hinterhalte vermeiden. Die Bäume sollen einzig das Auge und Herz des Reisenden erfreuen. Es ist ein großartiges Land, man denkt an alles. Trotz allem Fortschritts reiste der einfache Mensch hauptsächlich zu Fuß. Viele Wanderer bevölkerten die Straße, aber nur wenige konnten sich eine Reise mit einem Gespann, leisten.
Dank der Leder umwickelten Wagenräder und dem guten Zustand der Via Appia erreichten wir gegen Abend unsere erste Zwischenstation. Ich drehte mich zu Tiro und beobachtete ihn einen Moment lang. Dumme Sklaven bleiben in Rom nicht lange am Leben und Bringen den Besitzern Schande, außer sie sollen mit ihrer Dummheit oder ihrer Missgestalt die Gäste ergötzen.
»Erinnere mich daran dir einen Lehrer zu geben, wenn wir in Rom sind.«
»Du willst mich doch nicht zu einem Schreiber machen?«, fragte Tiro entsetzt. Vermutlich spukte meinem Dummkopf eine Karriere als Gladiator im Kopf herum. Die Kämpfer, die nicht von ihren Gegnern umgebracht wurden, was seltener passierte, als man annehmen sollte, und die dem Publikum einen spannenden Kampf boten wurden oft freigelassen und als Trainer bei einer der Gladiatorenschulen oder als Leibwächter bei einem reichen Mann angestellt. Eine gutbezahlte Arbeit. Ich betrachtete seine dünnen Arme, der Junge schien, ohne Ende essen zu können, ohne die nötige Fettschicht anzusetzen, die auch als zweite Rüstung bezeichnet wird. Gute Gladiatoren haben die Figur eines Bären der sich auf den Winterschlaf vorbereitet, der Speck muss wackeln dann weiß man, nicht jeder kleine Schnitzer und Pikser bringt die teure Investition gleich um.
»Was gibt es an einem Schreiber auszusetzen? Es macht, den zum Dummkopf, der sich von einem Narren dienen lässt. Ich brauche einen Sklaven, der eine schöne und schnelle Schrift hat, im anderen Fall lasse ich dich auf meinem Weingut richtige Arbeit verrichten.«
Tiro sah mich an und schlug unbeeindruckt vor: »Du könntest mich auch freilassen und dir dann einen Griechen kaufen!«
»Freilassen? Verdiene dir die Freiheit. Diene mir gut und ich werde in meinem Testament an dich denken. Irgendwann, wenn wir beide uralt sind, wie es sich gehört.«
Tiro verdrehte die Augen. Meine Mutter hatte wohl recht, was die Anspruchshaltung der heutigen Haussklaven betraf. Sie wollten schon nach wenigen Jahren leichter Tätigkeiten freigelassen und in Testamenten beschenkt sein.
»Du entstellst dich mit deiner Augenakrobatik, deine Pupillen werden so stehenbleiben und jeder wird dich Schieler nennen«, schimpfte ich. Tiro hörte augenblicklich auf und fasste erschrocken nach seinen Augen.
»Benehme dich wie ein Sklave oder ich lass dich auf dem Dach mitfahren, wo jetzt bald der Sturm kommt. Du fürchtest doch hoffentlich Jupiters Blitze.«
Das tat er natürlich nicht. Der Knabe war in einem Alter, wo er weder den Zorn seines Besitzers noch Jupiters Blitze fürchtete. Das Einzige was ihm Angst zu machen schien waren Seereisen, Delphine und sein gutes Aussehen. »Sehe mich nicht von oben herab an, oder ich lass dich auf dem Fluss mit einer Galeere nach Rom nachkommen.«
Ich hatte für die 8-tägige Reise immerhin 580 Denare bezahlen müssen. Es wäre bedeutend billiger geworden, wenn ich Tiro auf dem Dach hätte mitfahren lassen. Natürlich dachte mein Bruder Africanus nicht daran, das aus seiner Truhe zu bezahlen, wo er genau wusste, dass ich hoch verschuldet war. Allein der Wahlkampf zur Quästur hatte mich ein Vermögen gekostet und mir nur etwas Kleingeld und einen Sklaven eingebracht, der zu nichts taugte. Meine Sippe hetzte mich nach Rom, wenn nichts im Testament für mich abfiel, würde ich mich revanchieren und ihnen Schande machen. Dennoch beschlich mich die ganze Zeit ein ungutes Gefühl, seit ich das Pergament erhalten hatte. Selbst eine riesige Erbschaft rechtfertigte nicht den Befehl meines Familienrats, Angehörigen des Geschlechts und den engsten Freunden meines Vaters mein offizielles Amt an den Nagel zu hängen.
»Wann sind wir da?«, fragte Tiro. Offensichtlich begann er sich jetzt schon, zu langweilen. Merkur stehe mir bei, gelangweilte Menschen, sind unerträglich.
Der Kutscher drehte sich zu mir und sagte: »Barium, Canusium und die Stadt Tuticum. Wir werden auch nachts Reisen das heißt wir machen nur kurze Rasten in den Städten, damit dein Junge die Besorgungen machen kann. In vier Tagen sind wir in Casinum und am achten Tag in Rom.«
»Acht Tage bei Jupiter!«, seufzte Tiro schon nach zwei Stunden Fahrt zu Tode angeödet von der herrlichen italischen Natur und seinen freundlichen Ortschaften am Rand der Straße.
Ich nahm ein Buch der Reden Ciceros und warf es Tiro zu und befahl ihm es auswendig zu lernen. Er starrte vom Buch zu mir wieder zum Buch und blätterte lustlos darin, doch wenigstens hielt er eine Weile den Mund. Im Notfall würde ich ihm befehlen, eine Amphore Wein zu trinken und ihn so in Morpheus Armen schlummern lassen und wenn es acht Tage dauerte und ich meine Schuhe alleine aus- und anziehen musste.