Mord in Kreuzberg SO 36 - Ann Bexhill - E-Book

Mord in Kreuzberg SO 36 E-Book

Ann Bexhill

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Beschreibung

Im Herzen der Musikindustrie gibt es viele versteckte Orte, Richtungen, die kaum jemand kennt, außer den Fans und den Machern. Unruhe ensteht unter den Künstler die nie ohne goldene Uhren und gehüllt in Markenprodukten, Geldbündel wedelnd steht. Ein Mord erschüttert Berlin Kreuzbergs Musikszene. Wer ermordet den schmierigen Gangster-Rap Musikproduzenten Herri Freitag, wer richtete ein Gewehrlauf auf seinen Hinterkopf und drückte ab? Leider, jeder der ihn kannte, hatte ein Motiv.

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Ann Bexhill

Mord in Kreuzberg SO 36

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1

4

5

6

7

8

9

Impressum neobooks

1

Onkel Tata ein großer ausladender Mann mit roten Apfelwangen, früher war er Gewichtheber im Arbeitersportverein Viktoria 36 Kreuzberg, hatte gerade den Kuchenteig fertig gerührt und zum Auskühlen auf den Tisch gestellt. Nun sah er aus dem Fenster. Die Küche im Gebäude des Plattenstudios Skull Rekords war das Herz des Hauses. Aus dem Küchenfenster zur Oranienstraße blicken machte ihm Spaß. Zu beobachten, wer wo ein- und ausging, alte Freunde zu begrüßen und mit den anderen Jungs (nun Opas) süffisante Bemerkungen darüber fallen zu lassen, wersternhagelvoll war, wer sich mit wem geprügelt oder sichsonstwie daneben benommen hatte. Der Berliner StadtteilKreuzberg wirkte jetzt wie ausgestorben. Auf der Turmuhr der Mariannenkirche, die über den Dächern zu sehen ist, war es fünf vor 3 Uhr nachmittags. Ein Sturm aus Südwest kündigte sich an und ließ die Blattkronen der jungen Birkenbäume und Linden am Straßenrand schaukeln. Ab und zu fegte eine Windböe durch die Straße, wo er Papierfetzen und Flyer über den Boden schleifte und mit den Rocksäumen der weiblichen Touristinnen und Transvestiten spielte. Es war ein Nachmittag Ende August und eine Gluthitze zum Krepieren kündigte ein schweres Gewitter an. Ab und zu jaulte der Vorbote des Sturms auf und schmetterte angekippte Türen gegen Mauern oder kippte Werbeständer um. Angus Budrow unser Nachbar goss mit einer riesigen Gießkanne in den beiden Händen seine Rosenbüsche in den Kübeln vor seiner weißen Ladentür ab. Allem Anschein nachmisstraute er der alle 20 Minuten wiederholten Sturmwarnungen im Radio. Angus trug einen schwarzen Anzug ein weißes Hemd und einen Strohhut er nickte mir zu. Ein gut gekleideter Mann lief vorbei,von Weitem merkte ich, dass er einen in der Krone hatte, er war, unsicher auf den Beinen. Schwarzgrau gestreifte Hose weißes Hemd blaue Weste und eine schwarze Krawatte. Er hatte einen roten Dreitagebart und einen Glatzkopf, eine helle Gesichtsfarbe und vom Bier oder der Wut rot gezeichnete Wangen.»Hoher Wellengang heute«, bemerkte ich und steckte mir den Rührlöffel schnell in den Mund als Onkel Tata nicht hinsah. Er ist der festen Überzeugung, dass der Verzehr von rohem Kuchenteig das reinste Gift für die Stimme ist. Der Betrunkene schwankte davon, hielt sich ab und zu an einer Laterne fest und durch das geöffnete Fenster drang sein Gesang das elbisch oder Bulgarisch sein konnte. Ich lachte, als der Mann den fruchtlosen Versuch unternahm, sich seine Zigarette mit feuchten Streichhölzern anzuzünden. Onkel Tata entschuldigte sich bei mir und beugte sich aus dem geöffneten Küchenfenster.

»Hurensohn! Säufer! Popwichser! Mongo!«, schrie er.Erdrehte sich nach dem drolligen Auftritt von Herri Freitag dem Ex Sänger der Westshop Kerls und nun Plattenstudioboss zu mir und erklärte, dass jeder, der Herri Freitag um die Ecke bringen würde, der Musikwelt und seinen mit Vertrag geknechteten Künstlern eine große Freude bereite. Herri Freitag ein guter Sänger war Studioboss und hatte vor Jahren angefangen jedem der ein Mikro halten konnte unter Vertrag zu nehmen. Herri war der unbeliebteste Mensch in der Gegend. Sein mangelndes Selbstwertgefühl kompensierte er mit Hochmut und Geld ausgeben. Ihm gehörte die Szene und er zeigte es in dem er alle naselang in der Provinz Klamottenläden seiner Marke Gangsterlife eröffnete. Ich schüttelte den Kopf.

»Können wirhoffen, dass der alte Knabe nicht demnächst in seinem Blut liegen gefunden wird.«

Onkel Tata lächelte und meinte: »Er ist ein aufgeblasenes altes Ekel. Kein Wunder, dass ihm seine Frau davongelaufen ist und die eigenen Kinder nichts mit ihm zu tun haben wollen.«

»Siehätteihn stattdessen abmurksen sollen«, bemerkte ich.

»Franz Kevin! Ich dulde nicht, dass du in meinem Studioleichtfertig von Mord sprichst«, schimpfte er, nachdem er ihm selber die Pest an den Hals gewünscht hatte.

»Onkel Tata erzählen tue ich es dir weil, ichweiß, dass du mich niemalsbei den Bullen verpfeifen würdest.«

Onkel Tata, für andere und das Finanzamt Herr Anton Singer der Boss von Skull Rekords. Der in den siebziger Jahren sein Plattenlabel in Kreuzberg36 mit der promotung seiner eigenen Punkband den Arbeitergesangsfreunden angefangen hatte, sah zu mir auf.

»Du weißtnichts vom Skandal, der uns droht!«, sagte er.

»Diesmal sitze ich was Wissen abgelangt auf dem trockenen. Was war los?«

Er seufzte und band seine Schürze ab und setzte sich an den Küchentisch.

»Joh Gerstein war einkaufen er brauchte ein paar Bandanas für seine Tour.«

»Hat eine beklagenswerte Kleinstadt DiscoGeburtstag und wird mit einem Aufritt von dem Hip-Hop Arschloch belohnt?«

Joh Gerstein war der missratene Sohn von Onkels Freund Werner und sang für sein Leben gern, obwohl er es nicht konnte. Jeder der ihmirgendwann einmal nurguten Tag gewünscht hatte bekam ein Konzert von ihm zum Geschenk. Das Herri Freitag der Besitzer von Gangsterlife Rekords und dem gleichnamigen Modelabel auf Youtube stellte und Geld monetisierte. Joh der Gangster Rapper mit der erlogenen Biografie hatte eine so piepsige Stimme, dass sie Allergien auslösen konnte und dazu zeichnen sich seine Songs durch so schlecht gereimte Texte aus das es in den Ohren kratzt und Halluzination erzeugt.

»Er gab mir angeblich einen Zweihundert Euro Schein aber als ich in die Kasse sah um das Wechselgeld herauszugeben bemerkte ich dasein Fünfziger war. Ich gab ihm das Wechselgeld darauf heraus. Er beschwerte sichbei mir, und ich wies mit allem Respekt darauf hin, dass er sich geirrt haben musste. Ich sagte ihmtaktvoll er sei nicht gerade der Klügste und habe es nicht mit dem Zählen, er habe sich geirrt. Ich empfahl ich ihm einen gutenAlphabetisierungskursin der Abendschule in Friedrichshain.«

Gerstein hattenieeine höhere Schule von innen gesehen, was nicht an seiner Herkunft, sondernnur anseiner mangelnden Intelligenz lag. Er war eben dumm wie Brot sein Künstlername war § 174, weil er dachte, 174 stehe für Autodiebstahl. Onkel Tata seufzte, er war seit 30 Jahren im Musikgeschäft und hatte Dummheit kommen Singen und Gehen sehen. Er hatte mit Klugheit und Witz die Unabhängigkeit seines Unternehmens behalten, obwohl Herri Freitag seit einem Jahrzehnt alles unternahm, um das etablierte Plattenlabel Skull Rekords in seine Finger zu bekommen. Skull Rekords alte Songrechte waren eine Million wert. Onkel Tata war jetzt 65 Jahrealtund mir oblag es, den Laden zu schmeißen. Wir engagierten uns seit 2000 auch auf dem Hip-Hop Sektor und waren der größte Konkurrent für Freitags Gangsterlife Scheiß. Mein Onkel besaß im selben Gebäude wie das Studio seinen Szene Klamottenladen, in dem mein kleiner Bruder Peter half, bis er wusste, was er studierte. Onkel hoffte Peter würde in London an der John Lennon Akademie Musikvermarktung beginnen und Skull Rekords übernehmen.

»Anstattseinen Fehler einzusehen, stürmte § 174«, mein Onkel grinste, »erbost davon direkt in die Schenke, wo Herri Freitag sichbetrank.«

»Ohje der noch!«

Herri Freitag gehört zu den Menschen, die sich ein Vergnügen daraus machen für Wirbel zu sorgen. Er würde die Sachesogroß machen, dassein Mord, wie das Mopsen eines Kekses aus der Bäckerei wirken würde. Er war der Prototyp eines garstigenMannes. Er hatte sich in den Jahren auf Kosten seiner Künstler und der Intelligenz seiner Hörer ein immenses Vermögen zusammengerafft.

»Wenn Freitag dir den Fehdehandschuh hinwirft, weil ihm Gegner ausgegangen sind, hat er sichden Falschen ausgesucht.«

Und das hatte Herri Freitag. Mein Onkel war resolut und seine Zunge galt als tödliches Instrument,außerdemverfügte er über seine Camorra, ein Netzwerk abgetakelter Künstler aus Kreuzberg. Wenn man es sich mit einem verdarb, war man schneller isoliert, als ein Leprakranker seinen Daumen verlor.

»Das Wort, das er gebrauchte, als er zusammen mit Gerstein alias Paragraf wie ein Verrückter angestürmt kam und einen Blick in meine Ladenkasse werfen wollte war, Betrug!«

Onkel Tata war der lauterste Mensch in der Gegend. Seinen Ruf anzukratzen war als unterstelle man dem Papst Prostitution.

»Niemand bei Verstand wird dich verdächtigen, vergiss es einfach. Was hast du heute noch vor?«, fragte ich, um vom leidigen Thema Herri Freitag abzulenken. Der Mensch machte nichtnur ihm Kummer, wie bedauerlich musste es erst seiner Familie ergehen mitsoeinem Menschen bestraft zu, sein.

»Meine Pflicht«, sagte Onkel Tata tugendhaft, »meine repräsentative Pflicht, als ein hohes Tier in der Musikbranche ist unddeshalbkommenFreunde zu Kaffee und Kuchen und Bier.«

»Alsodeshalbder Kuchen! Wer kommt alles?«

»Stein, Angus, Werner und Frau Spiegel«, zählte er das who is who in Kreuzberg auf.

»Ich mag sie«, sagte ich.Frau Spiegel war eine junge Anwältin spezialisiert auf Medien und Urheberrecht eineattraktive Person, die sichnicht zu feinwar, im Garten ihrer Villa in Zehlendorf eine Badeparty zu geben und mich einzuladen.

»Ja das kann ich mir gut vorstellen Franz. Naja hoffen wir das sie nichtanfängt von, ihren Superstars zu reden. Das einzige Thema, das sie zu interessieren scheint.«

Frau Spiegel liebte alles, was mit dem Hochadel der Pop Kultur zu tun hatte,egal ob Elton John oder die Snoop Dog. Sie liebte es nichtnur,sie musste uns davon alles bis ins kleinste erzählen. Ich hatte den Verdacht den Stapel Zeitschriften, den sie weg liest, wie ein Fresssüchtiger einen Teller Frikadellen, überdecken eine unbefriedigte Beziehung.

»Über was werdet ihr reden?«

Onkel Tata machte sichStichpunkte zu Themen, die gerade interessant waren. Er überflog seine Unterhaltungskarten, wie der Moderator einer Quizsendung vor der Show.

»Wahrscheinlich nichts, was dich angeht, Franz.«

Onkel Tata lächelte, strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und sagte: »Das Übliche die Skandale von gestern oder die von Morgen wer weiß, was Budrowherausgefunden hat.«

Angus Budrow besaß die Gabe mit einer für seinen Jahrgang 1960 beeindruckenden Sehschärfe alles, um sich herum wahrzunehmen.

»Davon gibt es hier genug nehme ich an«, entgegnete ich sarkastisch.

Als ich vom Küchentisch aufstand, war ich in der richtigen Stimmung, einenzündenden Hip-Hop Schlager zu schreiben, wasvermutlicham vielen Zucker in Onkels Kuchenteig lag. Der Titel hatteplatz in meinem Kopf genommen. Irgendetwas mit Ghetto und Moderne Automobiltechnologieetwa, “die Bitch in dem Porsche Bang bang bang“. Ich müsste mich schämen zu gestehen mit dem Käse mein Geld zu verdienen oder mich fremdschämen für die Hörer,aberzum Glück kannte man mich nurunter meinem lächerlichen Komponistennamen AK 47.

Ich hattevon meinem Tod geträumt, ich stand an der Himmelspforte und ein ungeheurer wichtig aussehender Engel musterte mich mit unterdrücktem Lächeln und sagte: »Deutscher Gangster Rap was? Na komm rein!«

Ich ging ins Arbeitszimmer mit Blick in den Hinterhof, die Haselnusssträucher den Schuppen, den alle aus einen mir nicht einsehbaren Grund Pavillon nennen und dem hinter dem Garten liegenden Spielplatz mit dem Klettergerüst und den Schaukeln. Nach einem Blick auf die Idylle machte ich mich an den Entwurf eines Textes. Skull Rekords verfasste als Subunternehmen Texte für andere Plattenstudios, für jeden, der uns angemessen bezahlte. Gerade als ich michauf die stupide Arbeit des Schlagers fabrizieren konzentrierte, flatterte Betty Freitag herein. Sie ist einhübsches Mädchen, groß und blond undvölliggedankenlos. Sie segelte durch die Glastür zum Hinterhof wie ein verirrter Schmetterling, sah mich an und rief mit einer Art Tadel in der Stimme: »Ach Sie hier?«Wenn man vom Spielplatz kommt, führt der kürzeste Weg in die Oranienstraße mitten durch das Haus und den Laden. Ich hatteschonmit dem Gedanken gespielt Eintrittsgeld zu verlangenaber meinOnkel erzählte mir, von dem uraltenRechtder Menschheit sich ihre Wege zu Zielen selber zu wählen. Er meinte,nurweil er etwas Land gekauft hatte, bedeute das nichtauch,es zu besitzen.DieLeute kommen nichteinmalauf die Ideeums Haus herum, statt mitten durch mein Arbeitszimmer durch die Diele hinaus zum Laden zur Straße gehen.

»Wen hast duerwartet den Prinzen von Bell Air?«, fragte ich.

Sie sah mich mit ihren großen Augen an und fragte:»Den wen?«

»Ach das war eine Fernsehserie vor deiner Zeit!«

Sie ließ sichvölligerschlagen in einen meiner großen Sessel fallen und legte ihre verwirrend langen Beine übereinander. Es gibt Mädchen die sind für Tennisshorts gemacht und Betty Freitag gehörtedazu. Dort saß sie mit ineinander gefalteten Händen und starrte mich an, wie ein Entomologe ein seltenes Insekt.

Ich schrieb gerade:Bitch ey Bitch in dem Porsche bang bang bang.

Dieses bang kommt im Hip-Hoprechtzweideutigdaheraußer es wird von Pistolenschüssen synchronisiert und plastisch für den letzten Idioten dargestellt. Ein Bang strich ichdurch.

Ghetto mein Viertel meine Straße ich vermisse dich im Knast.Saxofonich vermisse dein Gold deine Chicks meine Jungs den ganzen Real Gangster Shit. Ghetto du küsst mich in der kranken Seelenicht übertreiben und das Sterben erwähnen und mit Bang unterlegenKüsse aus dem KnastRefrainKüsse Küsse aus dem Knast du Bitch.Trompeten und Drums und Kinderchor episch.Ihr kriegt mich nicht klein und meine Stimme hallt durchs Ghetto. Neue Heimat Zellenblock D. Dein Mann aus*** irgendein Problemviertel mit hoher Arbeitslosigkeitjenachdem, wo der Auftritt stattfindet,vermisst die Hood.

»Ist Peter hierirgendwo?«, fragte sie endlich.

Ich hatteschonangenommen sie habe vergessen, wohin sie wollte, und beehre mich bis zum Abend. Lange Beine mit einer glatten seidig schimmernden Haut können einen Mannauf andere Gedanken als das Schablonieren von Songtexten bringen.

»Ich habe ihn seit dem Frühstück nicht gesehen.Ich glaube, er wollte zu ihnen und ihnen angeblich Nachhilfestunden in Englisch geben.«

Sie sah mich tadelnd an und murmelteetwasvon meiner schmutzigen Einbildung.

»Oh!«, sagte Betty, »ich glaube ich habe das total vergessen.«

Zum Glück schien ihr das nicht viel auszumachen, was nicht gerade für Hochzeitsglocken Geläut an der Kirche am Mariannenplatz spricht,nicht für den armen Peter meinen kleinen Bruder und Betty, in die er verschossen ist. Er hatkein Glück mit den Mädchen. Die die er haben will sehen ihn nichtan und die Frauen, die ihn eventuell nehmen würden, passen ihm nicht.

»Ist dein Onkelin der Nähe?«

»Tata ist im Garten – er sitzt als erfolgreicher Geschäftsmann Modell. Kaspermann malt erst ihn unddannalle nacheinander wen er gerade erwischt und voilà fertig ist das Familienporträt.«

Onkel Tata besteht auf ein Familienporträt, koste es, was es wolle. Onkel Tata wollte eins mit ihm im Anzug inmitten seiner Neffen und Angestellten auf einem Ledersessel mit einer Zigarre im Mund und in einem Raum voller Goldener Schallplatten. Kaspermann der junge Maler aus München, der sich seit drei Jahren in Kreuzberg zur Inspirationssuche befindet, hatte die Angewohnheit exakt die Leute zu malen, wie sie aussehen. Innerlich und äußerlich, erstaunlicherweise hat ertrotzdemKundschaft. Betty seufzte schwer, beim dritten Seufzer fragte ich, was los sei.

»Ach nichts«, sagte sie mit einem Augenaufschlag und einem tief aus einer leidenden Brust kommenden Seufzen.

»Also? Los redeoder du machst den Text, Bang und eine blonde Bitch verzeih das Wort und das Wort Ghetto als Ersatz für die Worte süße Heimat, müssen drin vorkommen!«

»Mein Vater«, sagte Betty. »hat ihn aus dem Haus geworfen.Das ist, als ob der Papst den Michelangelo Bunotti hinausgeworfenhätte, weil die Figuren an der Sixtischen Kapelle nackig sind.«

»Michelangelo Buonarroti Buoan nicht Buno und es ist die Sixtinische Kapelle. Und ich bezweifle, dass Felix Kaspermann die künstlerischen Fähigkeiten eines Meisters der Hochrenaissance besitzt. Warum hat er sichaufgeregt?«

»Weil er mich als Bitch malen wollte«, Betty machte eine Pause, bevor sie weitersprach, »es istabsurd – ich werde mir mein Bikini und die Goldkettenhier anlegen und mich im Pavillon malen lassen.«

»Nein, meine Bestesoentzückend Siein einem hauchdünnen Nichts aussehen mögen. Nicht, wenn Ihr Alter es verbietet.«

Ihr Vater Herri Freitag, der für die NPDauchdie Schulhof CD produzieren würde, wenn die genug bezahlen könnten,aberdie NPD steht in der Schufa, besaß die leidige Angewohnheit alle zu, verklagen und bedauerlicherweise genug Geld es sichzu, leisten.Wahrscheinlichwürde er mir ein Prozess wegen Kuppelei anhängen und die Schlagzeilen auf Youtube konnte ich mirschonvorstellen. Rapper AK 47 und Skull Records vermieten Atelier im Garten. Drogenlabor wäre besser für die Verkaufszahlen unserer Produkte,somusste der Schuppen in seiner Funktion als Schuppen ein gut gehütetes Geheimnis bleiben und musste der Pavillon genannt werden.

»Ach je«, Betty seufzte, »wie bieder hier alle sind. Wenn der Altebloßendlich den Löffel abgeben würde. Geld hat er genug, ich könnte weggehen, nach Amerika und Fotomodell werden.«

Ich unterließ es sie auf die Gefahren von schmierigen Produzenten, die sie groß rausbringen werden, zu, warnen. Sie gab sich naiv war esabernicht. Ich merkte es daran, dass sieimmerihren Willen durchgesetzt bekam.

»Ich weiß er ist ein MistkerlaberSie dürfensoetwasnicht sagen und nicht denken, Betty.«

»Warum nicht? Jeder wünscht dem alten Geizhals den Tod, warum sollte ich die Ausnahme sein?Immerhinkenne ich ihn besser als Sie und habe viel mehr Grund ihm den Tod zu wünschen. Mich wundert nicht, dass meine Mutter und seine zweite Frau ihn verlassen haben. Ich frage mich, wann Anna seine Dritte endlich die Nasevollhat.«

Ich fragte mich, ob Bettydochnoch den ganzen Nachmittag in meinem Arbeitszimmer verbringen würde und ob mein Konzert vor den Mitgliedern des Ökostromverbandes, erfolgreich sein konnte wenn die einzigen neuen Stichpunkte zu meinen neuen Liedern auf meinem Schmierzettel. Bitch, Porsche, bang und wer, killt endlich Herri Freitag lautete.

»Haben Siemeine Lacoste Handtasche gesehen?«, fragte sie, stand auf drehte mir ihre entzückende Kehrseite zu und begann unter dem Sesselpolsterzu suchen.

»Nein undich glaubekaumdas es möglich ist eine Handtasche unter einem Sesselkissen zu übersehen würde. Man sitzt ja drauf oder?«

»Oh wie dumm. Ich weiß, dass ich sieirgendwogelassen habe. Falls sie meine Tasche sehen darin ist mein, mitSO36 beschriftetem, Basecap und darin sind meine Uhr und nochetwas sehrWichtiges. War nett mit ihnen zu plaudernaberich muss los will mir im KaDeWe irgendetwas anschauen.«

Sie stand auf und schwirrte wie eine Episode mit dem Übersinnlichen hinaus, wobei sie mir zurief: »Sagen Sie dem Peter Bescheid, ein anderes mal, wasimmeres war.«

Ich sagte mechanisch, »englisch!«

Nachdem sie weg war, machte ich mich an die Arbeit. Das Fabrizieren von erfolgreichen Hip-Hop Schlagern machte sich nicht von alleine, obwohl 99 Prozent aller Texte, die ewig vom gleichen handeln, so klingen. Meine Gedanken schweiften kurz vom Segen des Autos hinüber zu der Frage, warum der Hauptsitz der Plattenfirma die Texte en gros bei Onkel bestellte nicht im schönen Mitte, sondern im eher grauen Marzahn war.Danndachte ich kurz über den Vizedirektor von Blondie Records nach. Ein als Mensch verkleideter BFC Hooligan namens Roger, der da ich seinen Künstlern ihre ersten erfolgreichen Songs schrieb, an mir hing und mich wie ein teures Sammlerstück behandelte. Wie den gelben Porsche, den er fuhr.Danndachte ich über den Mann von der Musikstelle des Patentamtes für Medienrechte nach. Ein sympathischer Mann namens Moeller Biedenkopf. Er hatte vor KurzemeinigeLieder von Herrn Freitags Künstlern beschlagnahmt und ließnunStudenten der Musikhochschule die geklauten Teile des Songs ausgraben. Ich konnte mir schadenfreudig vorstellen, dass bei Gangsterlife Records im Haus der Freitags die Dinge nicht zum Besten standen. Freitag hatte ein weiteres malgeheiratet eine Witwe, die wirsogut wieniezu Gesicht bekamen. Ich vermutete, dass die Beziehungen zwischen ihr und ihm und Betty nichtallzuangenehm war.

Die verdammte Uhr zeigte 5 Uhr an. Onkel Tata würde es mir Übelnehmen der alten Kunstwelt nicht meine Aufwartung gemacht zu haben, er war stolz auf mich, den Texter und Interpret wenig inspirierender Schlager, der vor jeden nochsozwergenhaften Verein singen musste.Aberich konnte mich nicht beklagen, aus einer erfolglosen Rockband weg zu einem Stereotyp mit dem Künstlernamen AK 47 mutiert zu sein. Mein Onkel sah mich 2000 bei einem unserer Konzerte in Berlins Bierkneipen, Stücke von Elvis und Chuck Berry er sagte mir, das mit dem Rock ’n Roll könne ichvergessen, ich seinicht der Typ,aberals Gangster Rapper bringe er mich raus. Geld verdirbt den Charakter,jedenfallsdie Versuche an welches zu kommen. Ich stand auf und betrachtete das verschobene Sesselkissen, unter dem Betty nach ihrer Handtasche gesucht hatte, das Dummerchen. Es wiederstrebte mirsoordnete ich das Kissen und fand eine kleine goldene Kette mit einem Revolveranhänger in der Sesselritze. Ich fragte mich, wie sie dasangestellt hatte, wie konnte man eine Halskette verlieren, deren Verschluss nicht beschädigt war? Ich steckte die Kette ein und würde sie ihr geben, wenn sie das nächstemalunangemeldet durch mein Arbeitszimmer platzte. Ich ging stirnrunzelnd über die Jugend von heute ins Wohnzimmer. Mehrere Menschen im besten Alter waren in der guten Stube am gedeckten Tisch bei Kuchen und Kaffee Joints und Bier versammelt. Onkel Tata saß hinter dem Teetisch und versuchte nett auszusehen, wirkteaberwie eine Despot dessen Huld jeden Moment umschlagen konnte. Er war gekleidet, außer in seiner 2 Meter 130 Kilogramm schweren Gestalt, in einem Uralten schwarzen Anzug aus Polyester. Er war umgeben von uralt Revoluzzern und ich schüttelte allen die Hand und setzte mich. Budrow unsere direkter Nachbar ist ein weißhaariger alte Herr mit freundlichem, einnehmendem Skalpell scharfen Verstand, Herr Stein eine Mischung aus Einfalt und Tücke.

»Gerade haben wir«, sagte Onkel Tata mit schmeichlerischer Stimme, »über Dr. Moeller Biedenkopf und Frau Braun geredet.«

Stein sagte knapp: »Kein anständiges Mädchen würde es tun«, und kniff die dünnen Lippen zusammen.

»Was tun?«, fragte ich hatte man siein flagranti nachts auf dem Spielplatz erwischt.

»Was tun? Als Sekretärin für einen Beamten vom Scheiß Staat zu arbeiten natürlich«, sagte Stein empört. Er war der Leadsänger der Torpedo Crew eine in den frühen 80zigernerfolgreichen Punkband. Jetzt betrieb er ein Buchladen.

»Oh, mein Lieber«, sagte Angus Budrow der Liedermacher, »ich glaube, die von den Hochschulen sind die schlimmsten. Denk an den armen Gert von den Springteufeln er, ist jetzt Kunstlehrer in einer Waldorfschule.«

Ich nahm mir ein Stück Kuchen und Onkel Tata goss mir wohlgesonnen ein Glas Bier ein.

»Beamte, die von ihren Familie getrennt leben müssen, weil sie nach Berlin versetzt wurden, sinddie schlimmsten wegen der männlichen Bedürfnisse«, erklärte Stein lüstern und sah scharf Anwältin Spiegel an.

Ich unterbrach sie, »Heutzutage kannein Mädchen eine Stelle als Sekretärin für ein Amt annehmen.«

Stein und Onkel Tata lachten.

»Und als ehemaliger Kämpfer für Gerechtigkeit die Bonzen in ihren Palästen noch fetter machen?«, fragte Herr Gerstein ein Mitbegründer der Hausbesetzerbewegung undnunin Rente.

Stein murmelte leise Budrow zu: »Und alle GEMA-Einnahmen fließen in den Militärisch WirtschaftlichenKomplex die GEMA finanziertnurzum kleinsten teil die Künstler sondern den BND.«

Ernesto Heinze, der Tod durch Monolog, erklärte laut und entschlossen: »Der Mann wird eingebracht wie ein Fisch am Haken. Bevor er noch weiß, wo er ist, hat er den Köder geschluckt und den Ring am Finger. Frau Braun ist nichtunschuldig, wie man daran sehen kann, dass siein ein Fitnessstudio geht und mit den Drogen aufgehört hat. Es ist nichteinmal etwasPolitisches die kleine Verräterin an Utopia hat sich in den Beamtennurverknallt.«

Man schüttelte den Kopf.

»Unappetitlich nichteinmaldasselbe politische Lager es zeugt von frivoler Moral. Unddannein Mann, der nach unseren alten Musikalischen Leichen buddelt wie ein Hund«, äußerte Ernesto Heinze mit der üblichen Taktlosigkeit.

Budrow blinzelte Onkel Tata zu. »Glauben Sie nicht«, sagte er, »dass Frau Brauneinfacheine Arbeit braucht, die anständig bezahlt wird?«

Onkel Tata berührte Angus Arm und sagte: »Meine Lieber, Sie sindsehrbehütet aufgewachsen in ihrer Hamburger Hafenstraße. Wenn Sie unserer Lebenserfahrung hätten, wüssten sie es besser. Glauben Siedenn, dass die heißeste Punkrockerin der 1980ziger diesen Langweiler aus Liebe heiraten will?«

Ich hattewohl etwasnicht mitbekommen, seit wann wollte Moeller Biedenkopf heiraten vor allem eine Frau, die nicht das geringste Interesse an seiner Musikrechtlichen Arbeit zeigte.

»Soviel ich weiß, ist erbetucht, höherer Beamter«, sagte Liedermacher Budrow nachgebend.»Einziemlichaufmerksamer Mann fürchte ich.Neulichhatte er einen heftigen Streit mit Herri Freitag.«

Alle beugten sich interessiert vor. Auchichdennvon diesem wusste ich noch nichts.

»Er hat Herri Freitag beschuldigt, ein Dummkopf zu sein, der viele Passagen komplett von den Knochen eines musikalischen Neandertalers, den Rosen Brüdern von 1923 gestohlen hat. Womit er zweifelslosrechthaben dürfte.«

»Ja der Mann ist dumm wie Bohnenstroh!«, sagte Onkel Tata.

»Es hatauchvor kurzem Ärger wegen des Malers gegeben, der bei uns nach Inspiration sucht«, sagte ich und handelte mir ein paar Pluspunkte ein.

»Freitag hat ihn aus dem Haus geworfen.Offenbarhat er Betty nackt als sogenanntes Hip-Hop Häschen malen wollen.«

»Ha ich wusste esimmer, dass sieetwasmiteinander haben«, sagte Onkel triumphierend und sah sich mit gestrecktem Hals um. Er sah aus wie ein riesiger Vogel, ein Truthahn mit faltigen Hautlappen genauer gesagt.

»Dieser neue Künstler ... lungertimmerum die jungen Frauenzimmer herum ohne was zu wollen! Direkt schmierig der Mensch.«

»Mädchen sind politisch naiver dafür kommerzieller und privat raffinierter«, beklagte Anwältin Stein die modernen Zeiten in Kreuzberg.

»Er ist eingut aussehender Mann.Aberein Kunstmaler ohne proletarische Ausrichtung und Botschaft! München Paris die ganzen Modelle nur wo ist der Skandal? Wo schleudert seine Nackte dem bürgerlichen Betrachter seine Wahrheit von sexueller Ausbeutung und Betrug von der Leinwand ins Gesicht! Da wird Sekt getrunken und Kaviar gegessen und getanzt das ganze Drumherum ohne Botschaft und ohne Anliegen!«

Budrow nahm den losen Faden der Unterhaltung wie Zügel fest in ihre Hände.

»Aus Felix Kaspermann währe einguter Betrüger geworden, er hat diese Gabe, ein offenes unschuldiges Gesicht.Aberer istMaler. In dieser von Yuppies betriebener Kunst Galerie am Kotti fand eine Ausstellung seiner Bilder statt.«