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Nachts in Greenwich. 1881 Victorianischer hardboiled Kriminalroman. Ein Doppelmord ruft den besten Ermittler von Scotland Yard auf den Plan. Zwei Menschen ohne Kopf stellen Inspektor Littelwood und seinen Untergebenen Thomas Hermes vor ein Rätsel. Wer in dem beschaulichen Greenwood West Greenwich ist ein brutaler Mörder und warum regnet es plötzlich Leichen. Und wie passt die bezaubernde Miss Fitzpatrick ins Bild.
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Seitenzahl: 156
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Ann Bexhill
Nachts in Greenwich
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Inhaltsverzeichnis
Titel
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Impressum neobooks
Als Inspektor Walter Littelwood seinen Hocker zurückschob und sich mit einem erschöpften Seufzer vom Bürotisch erhob, waren zweiundzwanzig Stunden vergangen, seit die Befragung von Charles Fitzpatrick begonnen hatte. Durch die vergitterten Fenster hatte der Inspektor sehen können, wie zur Mittagszeit ein Schwarm von Büroangestellten aus Whitehalls Ministerien und Handwerker die Stände am Markt vor dem eleganten Banqueting House, mit seiner weißen Fassade einnahmen. Wie es dann ab der größten Mittagshitze immer ruhiger wurde in der Straße, wie um sechs Uhr dreißig schließlich die Schreiber und Ministeriumsangestellten zu den Pferdeomnibusstationen gingen. In die Flotte, der hintereinander wartenden Hanson Cabs hineinsprangen, oder im Eingang zu der Untergrundbahn der Whitehall Linie verschwanden. Er sah die ehrenwerten Londoner Straßenhändler ihre Kaffee und Pastetenstände zusammenbauen. Ein Eismann verschenkte die letzten Reste seiner Ware an die Newsboys, Knaben von sechs bis vierzehn Jahren, mit laufenden Nasen in Schals und Jacken eingemummt. Später gegen acht Uhr Abend, wie schließlich die Leute zurück zum Abendmarkt kamen, um das Abendessen zu kaufen und durch Whitehalls prächtigster Straße zu flanieren.
London war in einen glimmenden Abenddunst aus schneidender Kälte und Kohlenrauch aus dreihunderttausend Schornsteinen gebettet. Die großen Reklameschilder an und auf den Häusern begannen in der Dunkelheit immer mehr, zu verblassen und das Licht der Gaslaternen und in den Fenstern immer heller zu leuchten. Die hölzernen Rollläden an den Geschäften waren längst heruntergelassen worden. Das Zittern der Untergrund Bahn, die unter dem Scotland Yard Gebäude entlangfuhr, schien in Walters Büro intensiver zu sein als sonst wo auf dem Planeten. Auf dem Tisch standen sechs leere Flaschen Doktor Summers Ingwerlimonade. Irgendwo musste ein Feuer ausgebrochen sein, man hörte Sirenengeheul und mehrerer Feuerwehrgespanne vorüberziehen. Und das Verhör dauerte an. Im Abstand von zwei Stunden, je nach Müdigkeit, der Inspektoren klopfte Walter an der Tür. Dann erschien second class Inspektor Thomas Hermes, der im Büro nebenan seine Romanserie gelesen hatte. Er trat ein warf einen mitleidigen Blick auf den Gefangenen und die Notizen, die sich Walter gemacht hatte. Er seufzte und setzte das Verhör fort. Walter streckte sich im Nebenzimmer auf dem Boden auf einer alten Decke aus, um dann mit etwas neuer Kraft die Vernehmung fortzusetzen. Das Polizeipräsidium am Scotland Yard war fast ausgestorben. Ein paar Vögel sangen und das Morgenrot hüllte die Stadt der tausend Kirchen in einen roten Schleier, der allmählich entfärbte, bis die verlassenen Straßen im glitzernden Tageslicht lagen. Die ersten Schritte hallten in den weitläufigen Fluren des Polizeipräsidiums wieder. Türen knallten, Rufe und Begrüßungen schallten durch die Korridore. Walter stellte seine TasseNapoleons Best Kaffeeauf den Tisch, er erhob sich und begutachtete den Festgenommen empört und auch überrascht von dessen eiserner Zähigkeit. Es war als versuche man einer Dampfturbine, das Tanzen beizubringen.
Inspektor Walter Littelwood war an guten tagen ein Gentleman von ruhigem Temperament, der die Menschen und Taten der kriminellen Gesellschaftsklasse mit der Ruhe und Gelassenheit eines Philosophen betrachtete. Er hatte den gedrungenen kräftigen Körperbau einer Bulldogge und besaß die Geduld einer Katze vor dem Mäuseloch. Doch zweiundzwanzig Stunden Kreuzverhör zehrten an seiner Substanz, und der Mann in Zeugengewahrsam sieht tadellos aus, bis auf die schwarzen Schatten unter den Augen! Die ersten Stunden des Verhöres musste der Verdächtige Fragen wie aus einem amerikanischen Revolver abgefeuert beantworten. Sie waren zu zweit und lösten sich immer wieder ab bei der Vernehmung. In den Pausen konnten die Inspektoren sich ein wenig ausruhen, sich auf kurze Zeit der endlosen Monotonie der Fragen entziehen. Immer und Immer wieder dieselben Fragen und Immer und Immer wieder hörte Inspektor Walter S Littelwood dasselbe aus Charles Fitzpatricks Mund.
»Haben Sie Hunger oder vielleicht Durst, Sir?«
Walter war bereits bei seiner vierten Tasse starken Kaffee und der Verhaftete hatte nur sein sympathisches Lächeln gezeigt und begierig die ihm angebotene Tasse Kaffee in einem Zug geleert.
»Haben Sie Hunger? Ich kann Ihnen etwas kommen lassen. Was möchten Sie Catmeat? Pie and mash?«
Der zart aussehende Gefangene hatte sie kleingekriegt, sie mussten schließlich aufgeben! Walter zuckte mit den Schultern, kramte in der Schublade seines Schreibtisches nach einer seiner Milo Zigarren. Vielleicht war es weniger der Widerstand des Verdächtigen, gegen die Unterstellung ein Doppelmörder zu sein, der auf Walter Eindruck machte, als vielmehr die vorwurfsvolle Eleganz seines ganzen Verhaltens, das er vom Anfang bis zum Ende beibehielt. Ein Gentleman, ein Mann aus guter Familie, der eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen musste, dem man mit der rohesten Art von Londons Abschaum Stundenlang in eine fünf mal zehn Meter kleine Zelle sperrte.
Der nach Besonderheiten wie Tätowierungen, Narben, Leberflecke abgesucht und vermessen und gewogen und Fotografiert wurde, wie ein hergelaufener Waterloo Station Kofferdieb, nicht wie ein Mensch. Und das alles lässt er mit tiefem Gleichmut über sich ergehen, einer Seelenruhe und Freundlichkeit, die jedem klar macht, dass so ein Mann niemals ein Mörder sein kann. Die siebzig Stunden in Gefangenschaft behält er seine feine freundliche Selbstsicherheit, die der Abdruck seines Charakters und seiner Herkunft ist. Walter ist sich der Public School Erziehung seines Kontrahenten sicher. Niemand, zumindest hat der Inspektor das in seinen vielen Jahren in der Detektive Branch von Scotland Yard noch nie erlebt, verlässt nach einem Verhör Marathon so unbefleckt und so unbeeindruckt das Haus.
Charles Fitzpatrick hatte sich nicht verändert und war bei der gleichen Aussage geblieben. Sein zerknitterter aus der Mode gekommener aber früher sicher teurer Frack bewies seinen guten Geschmack. Bewies auch das es Littelwood nicht mit einem dummen Burschen aus gutem Haus zu tun hatte der jeder Mode hinterherrannte, wie ein läufiger Hund. Er blieb von einer Freundlichkeit, von einem Verständnis, wie sie dem Beamten der Kriminalpolizei nur selten unter die Augen kam. Es war die taktvolle Haltung eines Aristokraten, sehr dezent etwas hölzern, eine Art, wie man sie nur noch selten in den Verhörzimmern von Scotland Yard antrifft. Er war einen Kopf größer als der bullige Inspektor, schmalschultrig, schlank. Er hatte ein längliches bleiches Gesicht, einen schwarzen Schnurrbart mit nach oben gezwirbelten Enden und nach endlosen Stunden des Verhörs schwarze Schatten unter den freundlichen blauen Augen. Er trug eine Bügelbrille wie sie Literaten oder Professoren, zumindest das gebildete Publikum des London Museums tragen würden, auf seiner Nase.Nehmen Sie die Brille ab, hatte man ihm befohlen. Und er hatte mit einem so verwirrten Lächeln gehorcht, das es dem Polizisten peinlich war und er ihm entgegen der Vorschrift erlaubte sie wieder aufzusetzen. Die Vorschrift hatte einen Grund, es kam vor das Gefangene ihre Brillen oder Monokel mit dem Schuhabsatz zertraten und eine Handvoll Glassplitter schluckten, um dieser Qual dieselben Fragen immer und immer wieder beantworten zu müssen zu entfliehen. Schuldige wohlgemerkt und Charles J Fitzpatrick, wirkte nicht so als hätte er vor, wegen eines brutalen Doppelmordes im Tower of London am Galgen zu sterben. Fitzpatrick hatte sich nicht ein einziges Mal in den drei Tagen beschwert. Er hatte diskret und höflich darauf hingewiesen das ein Irrtum vorliege aber er hatte sich nicht großmäulig beschwert. Von seinem Platz aus konnte der Gefangene das Treiben auf der Yardstreet sehen, die Fuhrwerke und Kutschen, die Pferdeomnibusse, die über die Straße ratterten, die rötlichen Strahlen der Abendsonne und jetzt das Leben eines klaren und nach Freiheit riechenden Morgens. Er wusste ein Verdächtiger durfte maximal drei Tage in Polizeigewahrsam verbringen, hatte man bis dahin keine Beweise einer Schuld gesammelt die einer Jury zur Anklage genügte musste man ihn freilassen. Fitzpatrick hatte seine aufrechte und bescheidene Haltung nicht verändert. Die einzigen Zeichen geistiger und körperlicher Erschöpfung, die er sich erlaubte zu zeigen waren dunkle Ringe unter den Augen und ein lautloses Gähnen hinter vorgehaltener Faust.
»Sir, Sie bleiben also bei Ihren Angaben. Wie ungewöhnlich ja beinahe fantastisch es sich anhört?«
Er sah überrascht auf, er wirkte beleidigt über diese Frage.
»Selbstverständlich, ja natürlich.«
»Sie wissen, wie unwahrscheinlich das alles klingt?«
»Ich bin mir dessen völlig im klaren Inspektor, aber ich lüge nicht.«
Littelwood zog belustigt die Augenbraue hoch.
»Hoffen Sie etwa das ich keine Beweise finden werde?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nein ich hoffe das sie die Beweise finden werden die meine Aussagen bestätigen.« Seine leichte walisische Aussprache, vielleicht auch etwas französisch gefärbt machte sich jetzt, da er müde war, deutlicher bemerkbar.
Walter schob ihm ein Bogen Papier über den Tisch und stellte das randvolle Tintenfass sanft vor ihn.
»Sir Sie sollten das Protokoll Ihres Verhörs wirklich sehr genau lesen, ehe sie unterschreiben.«
Charles überflog die Papiere auf dem Tisch, wie ein gewissenhafter Mann der aber nur oberflächlich eine Rechnung in seinem Klub überprüft. Er nahm die Feder ließ die Tinte abtropfen und unterschrieb mit einer Handschrift, die den Schönschreibunterricht bewies, den er genossen hatte. Ein versierter Schreiber, er pustete über die frische Tinte, griff nach dem Löschpapier und betupfte das Blatt.
»Sie sind vor vier Monaten in Begleitung Ihrer Schwester von Marseille nach London gekommen. Sie haben einen Monat in Soho gewohnt. Danach haben Sie ein Landhaus an der Greenwich Road in Greenwell, dreizehn Meilen hinter der Stadtgrenze, gemietet.«
Charles Fitzpatrick stimmte mit einem Kopfnicken zu.
»Seit drei Monaten leben Sie dort mit ihrer Schwester und ihrem aus Frankreich stammenden Hausangestellten Hans Snyder.«
»Es wird Schneider geschrieben, aber für die englische Zunge ist dieses SCH schwer auszusprechen!«
»Sie haben wenige Kontakte mit Ihren Nachbarn. Sie haben sich eine Kutsche und ein Pferd gekauft, ein altes offenes Modell, die Sie oder ihr Hausdiener fährt, um Ihre Besorgungen auf dem Markt von Greenwich zu erledigen. Einmal in der Woche kommen sie in die Stadt ...«
»Um meine Arbeitsmanuskripte beim Verlag, Fleet Street 100 die Firma Messers Camelot und Thull, abzuliefern.«
»Ihre Arbeiten bestehen aus sogenannten Pennypress Zeitungsromanen. Für jedes Manuskript bekommen Sie 15 Pfund ...«
»Im Monat schreibe ich etwa vier Manuskripte. Ich mache diese Arbeit nur vorübergehend, bis mein Roman fertig ausgearbeitet ist.«
»Am Samstagabend sind Sie wie gewohnt nach ihrer Schreibarbeit gegen zwei Uhr morgens schlafen gegangen. Um sieben Uhr früh, am Sonntag, geht Pieter Gobileau ein Landwirt, der in einem Haus hundert Meter von Ihnen entfernt wohnt, in seine Scheune und stellt fest, dass sein nagelneues Hansom Cab samt Zugpferd verschwunden ist und stattdessen eine Leiche dort liegt.«
»Ohne Kopf, Sir.« Fitzpatrick verzog keine Miene, griff nur mechanisch nach seiner leeren Tasse Kaffee.
»Mister Gobileau, begibt sich außer Fassung zu Ihrem Haus, weil er weiß sie haben studiert und er annimmt Sie wissen, was zu tun sei. Ihr Gartentor ist verschlossen, und er ruft und klingelt vergeblich. Im Garten hingegen steht der Hansom Cab von Mister Gobileau. Minuten später erzählt er von seinem Fund einem auf seiner Route befindlichen Polizisten. Er begibt sich mit Constable Arnold erst zu seinem Haus – wo beide die Leiche ansehen und dann zu Ihnen aber weder Sie noch Ihre Schwester sind da. Das Gartentor steht nun offen und unter der Kutsche Gobileaus ...«
»Ein guter Mensch, einfach und doch von einer Herzensgüte!«
»Äh nun, unter der gestohlenen Kutsche ist ein Körper für die beiden zu sehen, ein weiterer toter Mann, getötet durch einen Stich ins Herz und wie beim ersten Körper, der Kopf fehlt. Der Constable von Greenwell zieht, anstatt auf geschulte Polizeibeamte zu warten ...«
»Sir bis Greenwich sind es acht Meilen. Bis geschulte Detektive kommen, könnten zwei Stunden vergehen.«
»Wie auch immer. Er zieht die Leiche hervor und untersucht die Kleidung. Kein Papier oder Brief! Man hat ihm offensichtlich nichts gestohlen. Ein kostbarer Ring und zehn Pfund Bargeld in der Tasche. Er nahm die Höfe in besitz und schickte Gobileaus Schwiegersohn Armand Wallace zur Poststation und der informierte die Polizeiwache Greenwich.« Walter steckte sich die Milo in den Mund und zündete sie an. Eine von drei die er sich über den ganzen Tag verteilt erlaubte.
»Die Polizeibeamten haben Sie und Ihre Schwester und ihren Hausdiener auf dem Bahnsteig des Expresszuges nach Dover zur Befragung festgenommen. Und Sie leugnen etwas, mit dem Doppelmord zu tun zu haben …«
»Ich versichere Ihnen, bei meinem Namen ich habe noch niemals in meinem Leben einem Lebewesen absichtlich wehgetan geschweige zwei Menschen ermordet ... warum auch ich kenne die Toten nicht?«
»Sie leugnen, die Opfer zu kennen.«
»Als ich ihn das erste Mal sah, war er bereits tot, und lag unter der Kutsche meines Nachbarn in meinem verschlossenen Garten. Und sein Haupt fehlte, ich kenne mich nicht in der hiesigen Mode aus, sodass es mir unmöglich wäre, jemanden nur an seiner Kleidung zu erkennen.«
»Warum haben sie nicht die Polizei zu Hilfe gerufen, stattdessen fliehen Sie und ihrer Schwester und der Angestellte.«
»Ich hatte Angst und habe den Kopf verloren.« Charles schwieg vielleicht, weil sein Vergleich ihm unpassend erschien und er wünschte, es anders erklärt zu haben.
»Und man fährt ein angespanntes Hansom Cab in ihren Garten und Sie hören nicht das leiseste Geräusch? Wer hat ihnen aufgeschlossen?«
»Ich Schlafe sehr fest nicht einmal ein Kanonenschuss kann mich wecken und vielleicht wurde der Hansom Cab nicht gefahren, sondern geschoben? Das mit dem verschlossenen Tor kann ich mir nicht erklären außer der Mörder kannte sich mit Yaleschlössern aus.«
Er wiederholte, was er immer aussagte, nun mehr seit dreiundzwanzig Stunden am Stück. Walter klopfte an die Tür. Inspektor Hermes kam herein, mit blauen Stellen auf Wangen und dem Kinn, unrasiert und dunklen Schatten unter den Augen, die beiden obersten Knöpfe seines Jacketts waren nicht geschlossen die Krawatte hing schief. Littelwood stand auf und zog seinen Mantel an und setzte seinen Bowlerhut auf und suchte sich sorgfältig seinen Schirm aus. Littelwoods Schirmständer besaß die unheimliche Eigenart Regenschirme und Spazierstöcke zu vermehren, vier Regenschirme und drei Gehstöcke, von denen niemand wusste, wem sie gehören, hatten sich mit der Zeit im Schirmständer aus Zink links von der Bürotür angesammelt.
»Ich gehe Essen soll ich euch etwas mitbringen?«
»Pastete und Kaffee viel Kaffee«, seufzte Thomas Hermes.
»Für etwas Kaffee Sir, wäre ich dankbar«, sagte Fitzpatrick.
Die Unterhaltung zwischen Inspektor Walter Littelwood und dem Staatsanwalt von Greenwich Mister Feraday, der in dem Mordfall zuständig war, und der die Papiere zur Vernehmung unterzeichnet hatte dauerte etwa eine Viertelstunde. Es war für beide unangenehm, diesen so sonnenklaren Fall vielleicht nie zu lösen.
»Sie werden sehen, das ist ein Kriminalfall, der uns noch Probleme machen wird. Da passt nichts zusammen. Warum bringt der Täter die Kutsche in den Vorgarten des Verdächtigen und warum benutzen die Fitzpatricks für die Flucht nicht den neuen Kutschwagen, der dort fahrbereit steht, sondern lassen ihre Klapperkiste anschirren und kutschieren in die Stadt.«
Beide standen auf der geschwungenen Treppe, zwischen viertem und fünftem Stockwerk. Beamte und Boten eilten an ihnen vorbei. Walter hatte seinen schweren Übermantel über den Arm gelegt, der ihn warm durch den Herbst bringen sollte, es war ein feines Stück und darin sah er aus wie einer der reichen Schnösel aus dem Westend.
»Er sagt es ist nicht seine und er konnte Mister Gobileau nicht um Erlaubnis sie auszuleihen fragen. Er sagt er hätte es nicht verantworten können die teure Kutsche für die Mister Gobileau gespart hat unbewacht vor dem Bahnhof stehen zu lassen.«
Der Staatsanwalt, ein junger Mann schüttelt den Kopf. Seine Gedanken lagen offen zutage, sollte ein solcher Mann, den man nur als ehrenwert beschreiben konnte, vor den Geschworenen so eine Aussage treffen, würde er nicht nur einen Fall verlieren, sondern er würde die komplette Staatsanwaltschaft zum Gespött der Presse machen. Staatsanwalt Feraday legte seine Hand auf Walters Schulter, beide kannten sich lange und verkehrten auch privat miteinander. Die Augen des Inspektors waren gerötet und von geplatzten Äderchen durchzogen sie brannten als hätte ihm jemand Salz hinein gestreut.
»Und dann dieser obskure Fluchtweg Walter. Mit der auffälligen Kutsche bis zum Bahnhof Paddington und er stellt sich an und kauft mit seinem richtigen Namen drei zweiter klasse Eisenbahntickets nach Dover. Was hatte diese beiden Opfer überhaupt dort zu suchen? Haben sie die Berichte gelesen der Anzug des Opfers im Garten von Fitzpatrick ist von A Abrahams aus der Bond Street der 30 Pfund kostet. Mein Vorgesetzter lässt seine Anzüge dort schneidern. Glauben Sie mir, Walter ich rieche Probleme. Lassen Sie alle beide frei, wir können nicht anders. Mit dem, was wir haben gehe, ich vor keine Jury. Wenn Sie wollen, sie sollen die Gegend nicht verlassen. Begeben Sie sich noch heute nach Greenwich und sehen Sie sich die Sache an.«
Walter nickte, er hatte das erwartet. Die Arbeit eines Polizisten bedeutete Reisen. Zeugenbefragungen, die ihn von einem Ende der Stadt in das andere brachten, Tatorte nach Spuren absuchen, mit Menschen reden. Ein Polizist lief sich eben die Hacken ab.
»Gibt es schon etwas neues aus dem Totenhaus? Wenn nicht ergibt der Anzug vielleicht eine Spur. Ich schicke sofort einen Constable damit zu dem Schneider, irgendwer muss er ihn ja gekauft haben.«
»Haben Sie die Schwester gesehen?«, fragte der Staatsanwalt.
»Nein wir verhören sie natürlich getrennt.«
Sie gaben sich die Hand. Walter ging die Treppe nach unten in sein Büro, wo Hermes müde mit den Gefangenen über den fehlenden Regen redete. Charles erklärte, dass dies ein Phänomen sei, das auf der ganzen nördlichen Halbkugel zu beobachten sei. Walter schüttelte seinen Kopf brachte es aber nicht fertig, diesen Dialog zu stören. Charles redete mit Gewissheit in seiner Stimme.
»Die Wissenschaft wird eine Antwort auf die Frage der Nutzbarmachung des Wetters finden. Ballonexperimente des Royal Institute of Chemistry sind bereits im Gange. Man verstreut über der obersten Wolkenschicht Silbernatrium und andere entwässernde Chemikalien.«
»Wir leben in einem seltsamen Zeitalter, Mister Fitzpatrick. Einem seltsamen Zeitalter. Alles wird uns Engländern bequem gemacht. Wir bewegen uns aus Gründen des Handels oder aus Vergnügen, so wurden die Eisenbahn und das Dampfschiff erfunden. Zum Zwecke der Unterhaltung die Telegrafen. Aufzüge ersparen das Treppensteigen. Türen schließen und öffnen sich von alleine, was den ehrenwerten Beruf des Türdieners entbehrlich machen wird. Komfort ist das Zauberwort, nach dem unsere Zeit strebt«, sagte Inspektor Hermes.
Walter trat in das Büro. Unter anderen Umständen hätte er darauf hingewiesen das in dem modernen Zeitalter die Masse des Menschen nur nach einem strebte einen vollen Topf und das Feuer im Herd. Doch er war zu bleiern um sich in diesen Disput, der nichts mit dem Fall zu tun hatte einzumischen.
»Sie können gehen mein Herr!«, sagte er stattdessen.
Fitzpatrick zuckte nicht, sondern zog nur im Aufstehen seine Hosenbeine glatt und deutete mit einem leichten Nicken sein Einverständnis und Erleichterung an.
»Sie können gehen! Sie dürften, aber ohne meine Erlaubnis nicht das County verlassen«, erklärte Walter.