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Wie kommt es, dass Menschen töten? Michael Kühner, langjähriger Ermittler und Leiter der Stuttgarter Mordkommission a.D., geht der Frage anhand von drei Mordfällen nach, die in den 1960er- und 1970er-Jahren die Schwabenmetropole erschütterten. Täter, Opfer und Hinterbliebene taumeln in einem Strudel aus Leben und Tod … Sachlich und authentisch breitet der Autor ein Panorama menschlicher Tragödien im Schatten des Wirtschafswunders aus. Ein aufwühlender Blick in die Psyche von Menschen, die töten.
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Seitenzahl: 241
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Michael Kühner
Mord im Aufschwung
Stuttgarter Verbrechen im Schatten des Wirtschaftswunders
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© 2019 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95-0
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2019
Redaktion / Lektorat: Anja Sandmann
Layout / Herstellung / Umschlaggestaltung: Susanne Lutz
unter Verwendung eines Fotos © Polizeihistorischer Verein Stuttgart e.V.
E-Book: Mirjam Hecht
Druck: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
ISBN 978-3-8392-6140-8
Für Bettina
Impressum
Widmung
Inhalt
Betäubt, getötet, beerdigt
Der Kindermörder
Der Liebespaarmord
Danksagung
Quellenverzeichnis
Die Spuren des Zweiten Weltkriegs verloschen immer mehr im Stuttgart der 1960er- und der beginnenden 1970er-Jahre: Ganz langsam vernarbten die Wunden im Stadtbild und auf den Seelen der Menschen, die das Inferno des nationalsozialistischen Größenwahns überlebt hatten. Die Ruinen als Zeugen der Zerstörung verschwanden Stein um Stein, Stuttgart wandelte sich betriebsam zur autogerechten Industriestadt. Das sogenannte Wirtschaftswunder, das in den 1950er-Jahren begonnen hatte, nahm immer mehr und immer schwungvoller seine Fahrt auf: Vollbeschäftigung ermöglichte den Menschen einen stetig wachsenden Wohlstand, und nach all den mageren Jahren kamen nun wieder Schnitzel, Schwarzwälder Kirschtorte und – als exotische Neuheit – der »Toast Hawaii« auf den Tisch. Nicht mehr das blanke Überleben, sondern der Blick nach vorn, das berufliche und finanzielle Vorwärtskommen standen jetzt im Vordergrund.
Diese Epoche, sie war eine Zeit des Aufbruchs und des gesellschaftlichen Wandels.
In meiner persönlichen Biografie umfasste dieses Zeitfenster den Übergang vom Kindsein hin zum jungen Erwachsenen. Die von Elend und Tristesse geprägten Bilder der Nachkriegsjahre verblassten immer mehr in meinem Kopf. Das traditionelle Rollenbild, es hatte damals auch in meiner Familie noch voll Bestand: Der Vater arbeitete »Tag und Nacht«, die Mutter versorgte den Haushalt. Anfang der 1960er-Jahre kam ein erster Fernseher ins Haus. Sendungen wie Hans-Joachim Kulenkampffs berühmtes Quiz »Einer wird gewinnen«, »Aktenzeichen XY … ungelöst« oder Straßenfeger-Krimis wie »Das Halstuch« gehörten in unserem Wohnzimmer – wie in so vielen anderen Haushalten dieser Zeit – zum abendlichen Standardprogramm.
Dann begann ich 1967 meine Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei in Göppingen: Marschieren, Formalausbildung, mit Handgranaten werfen, Ausbildung am Maschinengewehr – und vor allem Disziplin, Anpassung und Unterordnung prägten hier den Arbeitstag. Die im Zweiten Weltkrieg groß gewordenen und sozialisierten Ausbilder und Vorgesetzten zeigten uns ohne Umschweife, »wo es lang ging« – für die damaligen Verhältnisse ein »normaler« Umgangston.
Das Dienstausweisfoto zeigt Michael Kühner zu Beginn seiner Polizeiausbildung bei der Bereitschaftspolizei in Göppingen 1967 als Polizeiwachmann zur Probe
1969 bin ich dann ein »echter« Stuttgarter Polizist geworden. Auf Streife im legendären ersten Polizeirevier, im Rotlichtjargon als »Büchsenschmiere« bezeichnet, begann für mich ein entscheidender beruflicher Abschnitt: Inmitten von Zuhältern, Prostituierten, Vergnügungssüchtigen, Baustellen, angetrunkenen Autofahrern, Verkehrsunfällen, Kleinkriminellen und Obdachlosen musste ich als 21-Jähriger für »Recht und Ordnung« sorgen. Immer als Erster am Brennpunkt der Auseinandersetzungen: Die Streife ist die Feuerwehr der Polizei.
Polizeiobermeister im Kriminaldienst Michael Kühner in seinem Stuttgarter Büro 1975
»Live« mit einem Tötungsverbrechen wurde ich zum ersten Mal am 19. November 1970 im Polizeirevier konfrontiert. Kurz vor 20 Uhr wurde dort an diesem Tag über den Polizeifunk eine Fahndung nach einem missglückten Raubüberfall auf eine Tankstelle ausgestrahlt, ein Mann, so hieß es, war erschossen worden und die Täter seien mit einem Pkw geflüchtet. Den weiteren Verbrechensverlauf können Sie im Kapitel »Der Liebespaarmord« nachlesen. Noch war ich als Streifenpolizist damals weit weg von dieser Art Verbrechen, um die sich die Kollegen von der Kripo kümmern mussten, aber meine berufsbezogene Neugier war geweckt …
Bis ich 1989, also fast 20 Jahre später, die Leitung der Stuttgarter Mordkommission übernahm, wurde die Geschichte des Verbrechens im Stuttgart der 1960er- und 1970er- Jahre aber wie überall weitergeschrieben. Verbrechen und ihre Verfolgung und Bestrafung, das zeigt der Blick zurück, spiegeln immer den moralischen Standard, den technischen Fortschritt und den Intellekt ihrer Zeit.
Die Facetten des Mordes sind reich in ihrer Brutalität und in ihren Folgen. Unschuldige Opfer werden von einem Moment zum anderen aus ihrem Leben gerissen. Für überlebende Opfer eines Verbrechens und für die Angehörigen gerät mit einem Schlag die ganze Welt ins Straucheln, es ist nichts mehr, wie es vorher war. Plötzlich das geliebte Kind nie wiederzusehen, das gestern noch gelacht und das man umsorgt hat. Opfer einer grausamen Mörders. Die Zurückgebliebenen für ein Leben gezeichnet …
Die in diesem Buch beschriebenen Fallstudien aus den 1960er- und frühen 1970er-Jahren gehen auf authentische Kriminalereignisse zurück und greifen dabei mehreres auf: zum einen das sich immer wiederholende und letztlich nicht erklärbare rücksichtslose, brutale, enthemmte Töten von Menschen – ein Rätsel, das in allen Epochen gleich bleibt. Zum anderen spiegeln die hier vorgestellten Mordfälle die geänderten Randbedingungen im neuen Lebensgefühl dieser Zeit und den damaligen neuen Entwicklungsstandard bei den Möglichkeiten der Forensik und der Kriminaltechnik wider. Dank dem Siegeszug des Fernsehens in den 1960er-Jahren konnte zum Beispiel mit dem Format der »Aktenzeichen-XY«-Sendung eine bislang nicht möglich gewesene, bundesweite Resonanz bei der Fahndung nach Schwerverbrechern erreicht werden.
Aber all diese Veränderungen – sei es nun die beginnende TV-Fahndung in den 1960er-Jahren oder die digitale Spurensuche im frühen 21. Jahrhundert – ersetzen nicht den motivierten Kriminalbeamten, der das Mosaik der Indizien zusammensetzt, der zweifelt, verwirft, Fehler macht und nur von einem Ziel beherrscht wird: den Täter zu ermitteln und vor seinen Richter zu bringen. Der Blick in die menschlichen Abgründe, das Entschlüsseln des Bösen: Das war und ist die Aufgabe des Kriminalbeamten. In diesem psychischen Sumpf Mensch zu bleiben und nicht in eine irrationale »Kriminalitätspanik« zu geraten oder zum Misanthropen oder Zyniker zu mutieren, erfordert eine starke Persönlichkeit, emotionale Stabilität und Herzensbildung – Qualitäten, die man bei jedem Fall aufs Neue beweisen muss.
Ich werde versuchen, verehrte Leser, Ihnen diesen Arbeitsalltag mit all seinen Anstrengungen, Erfolgen und Misserfolgen näher zu bringen.
Aus rechtlichen Gründen wurden teilweise Namen von den in den Texten vorkommenden Personen und Handlungen verfremdet. Dies ändert jedoch nichts an der Authentizität der beschriebenen Fälle, die ausschließlich auf den Fakten der polizeilichen Ermittlungsakten beruhen.
Werfen wir also einen Blick zurück ins Stuttgart der 1960er- und frühen 1970er-Jahre …
Getrieben von der unersättlichen Gier nach materiellem Besitz und Geld und stets über seine finanziellen Verhältnisse lebend, wird der 35-jährige, egozentrische René R. zum Mörder der 15-jährigen Bettina Schneider und der 22-jährigen Marianne Becher. Seine Taktik: Das Opfer erst emotional an sich binden, dann finanziell ausbeuten. Die gutgläubige 24-jährige Marta Wirth überlebt nur durch unwahrscheinliches Glück: René R. und sein ihm höriger Freund und Untermieter Roman Schenkel hatten bereits das Grab für die Frau geschaufelt; zweimal scheiterten die »Spazierfahrten« in den Tod wegen Zufälligkeiten. Mit erschreckender Gefühlskälte, rücksichtslos und heimtückisch, ermordet R. seine ahnungslosen Opfer, um Schulden zu tilgen und neue machen zu können. Zurück bleibt seine 20-jährige Ehefrau mit dem gemeinsamen Baby.
30. Mai 1961: Ein Mädchen wird vermisst – Bettina Schneider Willi Schneider sucht am Dienstag, dem 30. Mai 1961 das Polizeirevier in Gerlingen auf. Er ist beunruhigt und erklärt, dass seine Stieftochter Bettina am Freitag, 26. Mai, um 11 Uhr die elterliche Wohnung in Gerlingen verlassen habe und bis jetzt nicht nach Hause gekommen sei. Einen Tag später, am 27. Mai, sei ein in Stuttgart aufgegebener Brief seiner Tochter eingetroffen, in welchem sie darum bitte, ihr Weggehen zu verzeihen. Sie habe sich eine Wohnung und eine neue Stellung beschafft. Letztere ermögliche es ihr, in Zukunft der Mutter monatlich 200 bis 300 DM zu schicken. Zu gegebener Zeit werde sie sich wieder melden. Der Stiefvater weist die Beamten darauf hin, dass das Verschwinden des Mädchens für ihn vollkommen rätselhaft sei. Auch habe Bettina vor ihrem Weggehen von ihrem Sparbuch 1.100 DM abgehoben. Nachforschungen bei Freunden und Bekannten des Mädchens seien bislang erfolglos verlaufen, sodass er jetzt die Polizei bitte, die Suche nach seiner Tochter aufzunehmen.
Die vermisste Bettina Schneider
Es erfolgt eine ausführliche Personenbeschreibung durch den Stiefvater. Ferner werden die mitgeführte Kleidung, Wäsche und die sonstigen Gebrauchsartikel der jungen Frau von Schneider erhoben. Unverzüglich werden örtliche und überörtliche Fahndungsmaßnahmen nach Bettina Schneider eingeleitet: Im Landeskriminalblatt erfolgt eine Ausschreibung mit Lichtbild, die wie alle weiteren Fahndungsmaßnahmen zunächst keinen Erfolg zeitigt. In der Anzeige wird nicht ausgeschlossen, dass das Mädchen das Geld möglicherweise für sich verbrauche und überdies einen »Hang zum liederlichen Lebenswandel« habe. Die Überprüfungen im Verwandtenkreis – eine Tante wohnt in Hamburg und eine Schwester des Stiefvaters in Diepholz – werden von den dortigen Polizeidienststellen vorgenommen, aber das Mädchen bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bettina freiwillig das Elternhaus verlassen hat und sich, wie in dem Brief angedeutet, in Kürze melden werde, scheint für die Polizeibeamten zunächst plausibel.
Willi Schneider, der als Pförtner bei einer Stuttgarter Maschinenfabrik arbeitet, ist mit den Auskünften und Bemühungen der Polizei in Gerlingen nicht zufrieden, sodass er noch am selben Tag bei der Dienststelle der Weiblichen Kriminalpolizei Stuttgart (WKP) am Charlottenplatz erscheint und der Kriminalkommissarin Bläsing denselben Sachverhalt vorträgt. Die Kommissarin erklärt dem Vater, dass für diesen Vermisstenfall seine Wohnortdienststelle zuständig sei und er bei dieser Anzeige erstatten müsse. Als die Beamtin mit der sachbearbeitenden Dienststelle in Gerlingen Kontakt aufnimmt und dabei feststellt, dass Willi Schneider dort wegen des Verschwindens seiner Tochter bereits vorstellig geworden ist, werden für Stuttgart lediglich örtliche Fahndungsmaßnahmen vereinbart. Der Vermisstenfall Bettina Schneider wird zur Zentralstelle für Vermisste, zum LKA Baden-Württemberg, weitergeleitet. Das Polizeirevier in Gerlingen bleibt als Wohnortdienststelle des vermissten Mädchens jedoch für die Bearbeitung zunächst zuständig.
Nachdem der Stiefvater drei Wochen nichts mehr von der Polizei hört, ruft er beim Polizeirevier an und erkundigt sich, ob es etwas Neues gebe. Er könne einfach nicht verstehen, dass seine Tochter weggelaufen sei und so lange nichts von sich hören lasse. Schneider bittet darum, zusätzlich noch Ermittlungen bei der Arbeitsstelle des Mädchens, einem Stuttgarter Kaufhaus, aufzunehmen, vielleicht wisse man ja dort etwas über den Verbleib seiner Tochter. Es wird lediglich bekannt, dass Bettina Schneider ihr Konto bei der Vertragsbank ihrer Arbeitsstelle überzogen und dort diverse Kleidungstücke gekauft hat.
21. Juni 1961: Mysteriöse Anrufe und ein Trittbrettfahrer Bei der Arbeitsstelle des Mädchens geht am Mittwoch, dem 21. Juni 1961, ein anonymer Anruf ein. Der Anrufer wünscht eine Auskunft zu Bettina Schneider, was ihm vom Personalchef allerdings abschlägig beschieden wird. Ein weiterer Anruf an diesem Tag erfolgt von einem Unbekannten bei der Arbeitsstelle des Stiefvaters. Der Anrufer möchte Willi Schneider sprechen und teilt diesem mit, er wisse, wo seine Tochter sei. Als Treffpunkt nennt er ein Autohaus in Stuttgart, man verabredet sich gegen 22 Uhr.
Die Stuttgarter Polizei observiert das Treffen: Am verabredeten Ort taucht »zufälligerweise« ein ehemaliger Freund von Bettina auf, Peter Hübler. Der Treffpunkt ist identisch mit seiner Arbeitsstelle, und dort hatte er Spätdienst bis 22 Uhr. Auf die Frage von Schneider, ob er ihn hierherbestellt habe, verneint er dies entrüstet. Allerdings erzählt er dem Stiefvater, dass Bettina in Frankreich sei. Er habe sie in seinem Urlaub in der Nähe von Paris gesehen. Hübler erzählt weiter, dass er in der Rio-Bar in Stuttgart die Bettina zusammen mit dem René R. gesehen habe. Weiter gibt er an, dass er mit Bettina des Öfteren bei deren Freundin Karin Bolzi in Schorndorf gewesen sei, wo deren Eltern ein Lokal betreiben.
Nach intensiver Befragung durch die Beamten des Kriminalkommissariats in Leonberg beschwört Peter Hübler, dass er nicht wisse, wo sich seine ehemalige Freundin aufhalte, er habe sich nur wichtigmachen wollen, aber wenn er etwas erfahren würde, werde er sofort die Polizei informieren. Bei weiteren Nachvernehmungen verstrickt sich Peter Hübler immer mehr in Widersprüche. Einmal will er von Unbekannten abgepasst worden sein, die ihn gezwungen hätten, in einer Telefonzelle den auf einem Zettel notierten Text vorzulesen, sonst werde er nicht mehr mit dem Leben davonkommen. Immer mehr stellt sich heraus, dass der von Bettina Schneider verlassene Kinder- und Jugendfreund ein notorischer Schwätzer ist, der sich in dieser für die Familie belastenden Situation einfach nur aufspielen will. Alle Angaben, die der 19-Jährige gegenüber dem Stiefvater und den vernehmenden Polizeibeamten im Anschluss gemacht hat, entpuppen sich als reine Fantasiegeschichten; er wollte dem Stiefvater eins auswischen, er hasste ihn, ihm gab er die Schuld, dass Bettina Schneider die Beziehung zu ihm beendet hatte.
Juni 1961: Was weiß ein befreundeter Arbeitskollege des Stiefvaters? Nachdem nach wie vor jedes Lebenszeichen von Bettina Schneider fehlt, überprüfen und befragen die Eltern den ganzen Juni über alle möglichen Beziehungen und Bekanntschaften ihrer Tochter.
Hierbei äußert Willi Schneider am 18. Juni erstmals bei der Polizei in Gerlingen einen Verdacht gegen seinen Arbeitskollegen René R., der viel und häufig in der Familie des Mädchens verkehrte und bei dem Bettina fast täglich zu Besuch war. Zwischen ihm, Willi Schneider, und R. habe sich in der Firma ein loses Freundschaftsverhältnis entwickelt. R. habe ihm erzählt, dass er früher bei der SS gewesen sei und von Frankreich nach dem Ende des Krieges deswegen habe flüchten müssen, dass er in Frankreich eine Scheidung hinter sich habe, erneut geheiratet habe und jetzt zum dritten Mal verheiratet sei mit einer jungen Frau, die ein Baby von ihm erwarte. Angeblich war er auch in der Fremdenlegion, soll in Frankreich zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt worden und dann geflüchtet sein und im Bodenseeraum gelebt haben. Man habe sich ein wenig angefreundet und sich immer wieder gegenseitig besucht. René R. habe die Familie Schneider auch zu einer Hochzeitsnachfeier gebeten. Auffällig sei gewesen, dass René R. immer öfter Bettina zu sich und seiner Frau eingeladen habe. Bettina sei in diesen frisch mit einer hochschwangeren 20-jährigen Frau verheirateten weltgewandten Franzosen geradezu vernarrt gewesen. Da seiner Frau das Verhalten und das fast tägliche Zusammensein der Tochter mit dem wesentlich älteren René nicht gepasst habe, habe Willi Schneider seine Stieftochter gedrängt, die Verbindung zu René zu beenden. Er könne sich gut vorstellen, dass R. seine Tochter nach Frankreich vermittelt habe und möglicherweise wisse, wo sie sich aufhalte. Er selber hätte ihn auch schon mehrmals befragt, allerdings habe R. ihm zu verstehen gegeben, dass er keine Ahnung habe, wo Bettina hingegangen sein könnte.
Polizeimeister Gimpel sucht zwei Tage nach Willi Schneiders Aussage René R. in dessen alter Wohnung in Gerlingen auf, in der er auch die hochschwangere Ehefrau antrifft. Der Befragte weist entrüstet jeden Verdacht, dass er mit dem Verschwinden des Mädchens etwas zu tun habe, weit von sich. René R. erklärt lediglich, dass er in derselben Firma wie Willi Schneider arbeiten würde und dass Schneider ihm mitgeteilt hätte, dass Bettina am 26. Mai das Elternhaus verlassen habe.
PM Gimpel unterrichtet den Stiefvater telefonisch von dem Ergebnis der Überprüfung und teilt ihm mit, dass die Polizei gegen R. bei dieser Verdachtslage nichts weiter unternehmen könne. Im Telefonat erwähnt Schneider, dass er inzwischen ein Gespräch mit der Freundin von Bettina, Karin Bolzi aus Schorndorf, geführt und erfahren habe, dass R. Karin ein Angebot gemacht habe, in Frankreich eine gut bezahlte Stellung anzunehmen, welche R. vermitteln wollte.
PM Gimpel sucht daraufhin nochmals die Wohnung von René. R. auf, trifft allerdings nur dessen kurz vor der Niederkunft stehende Ehefrau an, die das Verhältnis zu Bettina als rein freundschaftlich bezeichnet und ihren Mann als einen zuverlässigen und aufrichtigen Menschen beschreibt, der neben ihr mit keinem anderen Mädchen etwas anfangen würde. Bei dieser Verdachtslage bleibt Gimpel an R. dran und überwacht regelmäßig das Wohnobjekt.
Als PM Gimpel kurz darauf erfährt, dass René R. seine Ehefrau zur Entbindung zu ihrer Mutter an den Bodensee gebracht hat, stellt er bei einem Besuch in der Wohnung fest, dass diese geräumt ist und René R. in Stuttgart-Zuffenhausen ab Juli eine neue Wohnung angemietet hat.
Anfang August 1961: Vernehmung der Freundin Karin Bolzi Nachdem immer wieder der Name René R. im Umfeld der vermissten Bettina Schneider fällt, wird Anfang August die Freundin Karin Bolzi in Schorndorf von der dortigen Polizei vernommen. Bolzi kann auch nicht sagen, wo sich Bettina aufhält. Sie selbst habe Bettina nur einmal mit René getroffen. Dabei habe sie den Eindruck gehabt, dass sich die beiden sehr gut kennen würden, da sie sehr vertraut miteinander umgegangen seien. Da René R. gewusst habe, dass Bettina zu ihren Eltern ein schlechtes Verhältnis hat und gerne von zu Hause weggehen würde, habe er ihr zu verstehen gegeben, dass er sie als Haustochter nach Frankreich zu Verwandten vermitteln könnte, berichtet Bolzi weiter. Sie selber hätte zunächst auch die Absicht gehabt, das eigene strenge Elternhaus zu verlassen. Es habe geheißen, sie könne dort 800 DM verdienen, müsse allerdings zunächst 400 DM aufbringen, 200 DM für die Beschaffung von Papieren und weitere 200 DM für Reisekosten. Zu weiteren Verhandlungen sei es allerdings nicht mehr gekommen, da ihre Eltern heftig interveniert und R. aus dem elterlichen Lokal verwiesen hätten.
4. September 1961: Vernehmung des R. in seiner Zuffenhausener Wohnung Aufgrund Karin Bolzis Aussage wird R. in seiner neuen Wohnung in Zuffenhausen von der Stuttgarter Kriminalpolizei am 4. September erneut gehört. Er bestreitet nach wie vor vehement, mit dem Weggehen von Bettina Schneider etwas zu tun zu haben. In der Vernehmung lenkt er den Verdacht auf den Stiefvater, der, so R., dem Mädchen nachgestellt habe, und auf den ehemaligen Freund Peter Hübler, der wohl die Trennung von dem Mädchen nicht überwunden habe. Überzeugend und ohne die geringste Unsicherheit erkennen zu lassen, tritt er dem Vernehmungsbeamten gegenüber. Die Fakten, die über die verschiedenen Zeugenaussagen nachprüfbar sind, bestätigt er mit immer neuen Erklärungen. Er bringt nun einen Franzosen namens Pierre Boulon ins Spiel, der die Haustochterstelle in Paris vermitteln wollte, und er, R., habe nur als Dolmetscher fungiert. Noch einmal zieht René R. also seinen Kopf aus der Schlinge und geht nach Hause zu seiner Frau und seinem Baby.
31. August 1961: Ein neuer Vermisstenfall – Marianne BecherUngefähr drei Monate nach dem Verschwinden von Bettina Schneider kommt abends um 22 Uhr die 32-jährige Serviererin Gabi Spring zur Kriminalwache in der Dorotheenstraße und erzählt dem Kommissar vom Dienst (KvD), dass ihre 22-jährige Arbeitskollegin Marianne Becher seit dem 28. August wie vom Erdboden verschluckt sei. Ohne ersichtlichen Grund sei sie nicht an ihrer Arbeitsstelle, einem Café in der Stuttgarter Innenstadt, erschienen. Gabi Spring führt weiter aus, dass sie mit Marianne Becher freundschaftlich verbunden sei und diese ihr mitgeteilt habe, dass sie 6.000 DM in bar zu Hause hätte, da sie einen VW-Käfer kaufen wolle. Ihr käme das alles komisch vor und sie schließe deshalb nicht aus, dass ihre Freundin und Kollegin Opfer eines Verbrechens geworden sein könnte. Gabi Spring teilt den Beamten weiter mit, dass Mariannes Vermieter am 29. August, morgens um 5 Uhr, ein in Stuttgart aufgegebenes Telegramm erhalten hätte, wonach Becher angeblich wegen eines Todesfalles dringend nach Hamburg habe fahren müssen – man solle ihrem Chef den Notfall mitteilen. Das, so Gabi Spring, wisse sie von dem Küchenchef des Cafés, der mit Becher befreundet sei.
Aufgrund dieses Sachverhalts wird über den Polizeiticker eine bundesweite Vermisstenfahndung über das Landeskriminalamt veranlasst und die Wohnung der Marianne Becher aufgesucht. Die abgeschlossene Wohnung wird geöffnet und das Zimmer nach Hinweisen auf das Verschwinden der jungen Frau durchsucht. Nachdem die im Urlaub weilenden Vermieter das Telegramm telefonisch bestätigten, werden die Fahndungsmaßnahmen zunächst zurückgenommen, die Polizei geht davon aus, dass der Vermisstenfall erledigt sei.
Fahndungsbild der vermissten Marianne Becher
11. und 12. September 1961: Das Telegramm von Marianne Becher – echt oder fingiert? Elf Tage nach Marianne Bechers Vermisstenmeldung ruft Erwin Mehl, der 41-jährige Koch des Cafés, in dem Becher arbeitet, bei der Vermisstenstelle in Stuttgart an und teilt mit, dass er mit der Vermieterfamilie Griesinger Kontakt aufgenommen habe und Bechers Telegramm höchstwahrscheinlich gefälscht sei. Und zwar deshalb, weil sein Name auf dem Telegramm mit »Mähl« falsch geschrieben sei und Marianne Becher gewöhnlich nie mit »Anne«, sondern immer mit ihrem vollen Vornamen Marianne unterschrieben habe. Erwin Mehl, der mit Becher freundschaftlich verbunden war und viel mit ihr in der Freizeit unternahm, schildert die Becher als überaus temperamentvoll, lebensbejahend und unternehmungslustig. Sie hätte über ihre Einnahmen penibel Buch geführt und sei bei den Gästen sehr beliebt gewesen, allerdings sei das Temperament der jungen Frau für ihn doch manchmal etwas zu viel gewesen, sodass er sich letztendlich mehr als ein väterlicher Freund von ihr bezeichnen würde. Zu ihrem Aufenthalt vor ihrem Verschwinden gibt er an, dass er sich mit der Becher auf den 29. August zum Baden verabredet habe. Allerdings habe sie die Verabredung ohne nähere Erklärung abgesagt. Dies sei für ihn sehr verwunderlich gewesen, überhaupt könne er sich nicht erklären, wohin die Becher gegangen sei.
Auch der Vermieter Griesinger meldet sich am selben Tag erneut bei der Polizei. Er bestätigt die von Mehl geäußerten Bedenken bezüglich des Telegramms und führt weiter aus, dass Marianne Becher sich noch am Abend des 28. August wie üblich verabschiedet und dabei mit keinem Wort etwas von einer Reise erzählt habe. Dies sei noch nie der Fall gewesen, denn üblicherweise hätte man sich abgesprochen und Frau Becher hätte bestimmt den Rückreisetermin angegeben.
Die Fahndungsmaschinerie wird wieder in Gang gesetzt. Nach Marianne Becher wird wieder bundesweit gesucht. In Stuttgart wird im Umfeld der Vermissten Hinweisen zu letzten Kontaktpersonen nachgegangen. Die Hamburger Kripo überprüft am 12. September Bechers im Telegramm angegebene Reise nach Hamburg wegen eines Trauerfalls. Marianne Becher taucht auf keinem Hotelmeldeschein auf, ebenso wenig bei einem früheren Freund, einem Bundeswehrsoldaten, der über den Aufenthalt der Becher nichts weiß. Noch ist von einem heimlichen Weggehen der jungen Frau bis zu einem Verbrechen alles möglich.
13. September 1961: Spur Singen: Ein Name elektrisiert Durch intensive Nachvernehmungen bei der Freundin Gabi Spring und bei Erwin Mehl stellt sich heraus, dass in letzter Zeit ein gewisser »Dieter« Marianne Becher häufig im Café besucht hat. Dieser angebliche »Dieter« sei etwa 30 bis 35 Jahre alt, 170 cm groß, habe eine breite Kopfform mit auffallend hoher Stirn, Schädelglatze mit blondem Haarkranz und eine auffallend blasse Gesichtsfarbe. Den Mann habe Marianne in Singen am Bodensee kennengelernt, wo sie früher als Bedienung gearbeitet habe. Er sei ihr später nach Stuttgart gefolgt.
Die Kriminalpolizei in Singen ermittelt noch am selben Tag besagten »Dieter« und teilt den Kollegen mit Fernschreiben vom 13. September mit, dass »Dieter« ein ehemaliger Freund von Marianne sei, der bei einem Motorradunfall schwer verletzt worden war, aber mittlerweile keinen Kontakt mehr zu Marianne habe. Nach Dieter soll Marianne allerdings mit einem René R. befreundet gewesen sein, auf den die Personenbeschreibung ebenfalls passen würde. René R. sei Anfang 1958 mit seiner Frau von Karlsruhe nach Singen gezogen und habe sich am 23. Februar 1960 nach Stuttgart abgemeldet.
14. September 1961: Fieberhafte Ermittlungen im Umfeld von Schneider und Becher Nachdem nun der Name René R. im Zusammenhang mit den Vermisstenfällen Bettina Schneider und Marianne Becher steht, wird die zentrale Bearbeitung der beiden Fälle im Rahmen einer Sonderkommission von der Stuttgarter Mordkommission übernommen. Über 20 Kriminalbeamte befragen das gesamte Umfeld der zwei Frauen wieder und wieder: Zu den Aussagen der Eltern von Bettina kommen die Ergebnisse der Vernehmungen bei den Arbeitsstellen der beiden Vermissten. Darüber hinaus teilt Bettinas Freundin bei einer nochmaligen Vernehmung mit, dass René R. strengstes Stillschweigen gegenüber den Eltern und Freundinnen eingefordert und verlangt habe, dass sie, Karin, vor der Abfahrt ihm 400 DM aushändigen müsse. René R. gerät immer mehr ins Fadenkreuz der Mordkommission.
Parallelen zwischen Schneider und Becher Die Befragungsergebnisse zeigen jetzt zahlreiche Ähnlichkeiten zwischen den beiden Vermissten auf. Sowohl Bettina als auch Marianne, zwei gut aussehende und lebenslustige junge Frauen, haben eine unkomplizierte Wesensart und sind auf der emotionalen Schiene leicht ansprechbar, darüber hinaus erstaunlich naiv und leichtgläubig.
Bei Bettina zeigt sich eine deutliche Unzufriedenheit mit ihrem elterlichen Umfeld, sie wollte der Enge des Elternhauses entkommen, in der ihr der Vater zu viele Vorschriften machte. Marianne Becher hat überhaupt keine feste Bindung zu ihrer Familie, sie ist selbstständig, eine kurz zuvor begonnene Beziehung war zerbrochen. Beide Frauen sehnen sich nach einer Freundschaft zu einem Mann, die auf Vertrauen basiert.
Darüber hinaus sind sie in der Lage, über größere Geldbeträge zu verfügen. Beide junge Frauen hatten unmittelbar vor ihrem Verschwinden größere Geldbeträge abgehoben und bei sich aufbewahrt.
Auch die Umstände des plötzlichen Verschwindens der Vermissten zeigen auffällige Parallelen: Sowohl Bettina Schneider als auch Marianne Becher haben unmittelbar nach ihrem Verschwinden durch Brief- bzw. Telegrammnachricht ihr Weggehen begründet. Somit war vorerst zumindest für das familiäre und befreundete Umfeld ein plausibler und unverdächtiger Grund gegeben. Tatsächlich beruhigten die Benachrichtigungen die Angehörigen und den Vermieter zunächst, denn der Gang zur Polizei fand erst Tage später statt.
Beide Mädchen entfernten sich in dem Moment, in welchem das Risiko, von eventuellen Zeugen beobachtet zu werden, weitgehend aufgehoben war. Bettina Schneider verließ ihre Wohnung in den Vormittagsstunden, als die berufstätigen Eltern nicht zu Hause waren, und Becher verschwand unmittelbar nach ihrer Tagesschicht gegen 18 Uhr, ohne zuvor ihre Wohnung noch einmal betreten zu haben.
15. September 1961: Festnahme des René R. Am Morgen des 15. September um 6 Uhr wird René R. in seiner Wohnung in Stuttgart-Zuffenhausen die vorläufige Festnahme erklärt und im Beisein seiner Ehefrau die komplette Wohnung durchsucht. Bekleidungsstücke werden sichergestellt und der Kriminaltechnik zur Untersuchung auf Blutspuren übergeben. Bei einer oberflächlichen Durchsicht der schriftlichen Unterlagen wird festgestellt, dass R. unmittelbar nach dem Verschwinden der Marianne Becher größere Geldausgaben getätigt hatte. Ferner werden ein Kleinkalibergewehr, Kaliber 22, Long Rifle, und 45 Schuss Munition für diese Waffe sichergestellt. René R. wird körperlich durchsucht und in die Räume der Mordkommission gebracht.
In der Wohnung von R. aufgefundene und sichergestellte Waffen
René R. nach der Festnahme
Der Vernehmungsmarathon beginnt:
Hat René R. mit dem Verschwinden der beiden Mädchen zu tun? Hat er Bettina tatsächlich eine Arbeitsstelle in Frankreich vermittelt? Hat er Marianne Becher entführt? Oder leben möglicherweise die beiden jungen Frauen nicht mehr?
Vernehmung bei der Mordkommission Um 8 Uhr, zwei Stunden nach der Festnahme von René R. in seiner Zuffenhausener Wohnung, befragt Kriminalobermeister Brand den 35-Jährigen zunächst zu seiner Person. Er macht keinerlei Vorhalte und lässt R. erzählen.
René R.s bewegtes Leben
Bereitwillig, flüssig und ohne jede Erregung schildert René R., dass er in Straßburg 1925 geboren und im Elternhaus mit einem Bruder aufgewachsen sei. Nach der Grundschule sei er auf ein Lyzeum gekommen, das er mit dem Einjährigen abgeschlossen habe. 1940 habe er dann eine Ausbildung als Praktikant bei der Reichsbahn begonnen. 1943 habe er sich freiwillig zur Leibstandarte Adolf Hitler gemeldet, der er bis Kriegsende angehört habe. Nach Kriegsende sei er von den Franzosen verhaftet und in Paris zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. 1950, so R., sei ihm dann die Flucht nach Deutschland gelungen, wo er zunächst in Karlsruhe unterkam. Dort habe er bei den amerikanischen Streitkräften eine Stelle als Zivilangestellter gefunden, was ihm aber nicht gepasst habe, sodass er dann nach Südbaden gegangen, wieder von den Franzosen gefasst worden und in ein Strafbataillon nach Afrika gekommen sei. Ein Jahr später sei ihm mit Hilfe von Rebellen die Flucht gelungen und er sei wieder in Karlsruhe gelandet. Bis 1956 habe er dort bei verschiedenen Firmen gearbeitet und sei 1956 bei der Bundesbahn angestellt worden, wo er als Reservelokführer eingesetzt gewesen sei. Von 1958 bis 1960 habe er nach Singen in das dortige Betriebswerk der Bahn gewechselt. Unzufrieden mit den unregelmäßigen Arbeitszeiten, habe er schließlich den Dienst bei der Bundesbahn quittiert und sei nach Stuttgart gezogen, wo er eine Anstellung als Maschinenschlosser gefunden habe. Nach einer Auseinandersetzung mit seinem Chef habe er das Arbeitsverhältnis zum 12. September 1961 gekündigt. Seine neue Arbeitsstelle hätte er heute, am 15. September, antreten müssen.
Seine erste Ehe sei er 1948 mit einer ehemaligen Schulkameradin eingegangen. Zwei Kinder stammten aus dieser Ehe, die lediglich erfolgt sei, um Strafbefreiung zu bekommen. Nachdem die Ehe nicht geklappt habe, sei er 1952 auf Betreiben seiner Frau von dieser geschieden worden. 1953 habe er wieder geheiratet. Diese kinderlose Ehe sei 1959 geschieden worden. Im Dezember 1960 habe er sich zum dritten Mal verheiratet, mit der damals 19-jährigen Susanne. Aus dieser Ehe stamme sein zwei Monate altes Baby Leonore. Zunächst habe er zwei möblierte Zimmer in Gerlingen bewohnt, seit Juli wohne er mit seiner Familie in einer Zweizimmerwohnung in Zuffenhausen. Er habe lediglich einen Kredit bei der Girokasse laufen, ansonsten aber keine Schulden oder weitere Zahlungsverpflichtungen. Sein Verdienst und der seiner Frau würden vollkommen ausreichen.
Dann fällt R. noch ein, dass er von 1950 bis 1953 unter dem falschem Namen Paul Stetter in Magdeburg gelebt hat. Das sei der Name eines Kriegskameraden aus der Leibstandarte, der gefallen sei. Den Namen habe er sich deshalb zugelegt, da er ja nicht gewusst habe, ob unter seinem richtigen Namen in Deutschland nach ihm gefahndet werde.
R.s Bekanntschaft mit Bettina Schneider
Bereitwillig erzählt René R. nun, dass er über seinen Arbeitskollegen Willi Schneider bei einer Faschingsfeier im Hause Schneider die Bettina kennengelernt habe. Danach habe sich zwischen seiner Frau und der Bettina ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Auch zwischen ihm und der Bettina habe ein enges Vertrauensverhältnis bestanden. Sie hätte sowohl zu seiner Frau als auch zu ihm gesagt, dass sie wegen Missstimmigkeiten von zu Hause weggehen wolle. Unter anderem habe sie angedeutet, dass ihr Stiefvater sie missbrauchen wolle. Weiter habe sie ihm gegenüber im Frühjahr erwähnt, dass sie einen französischen Soldaten namens Pierre Boulon oder Foulon kennengelernt habe. Zuletzt sei Bettina am 25. Mai bei ihnen gewesen, von wo sie gegen 21 Uhr nach Hause gegangen sei.
Am Samstag, 27. Mai, sei die Mutter von Bettina gekommen und habe nach ihrer Tochter gefragt. Sie suchte sie und hätte gehofft, dass sie bei ihnen sei. Auch am Sonntag sei sie nochmals vorbeigekommen und habe ihm und seiner Frau einen Brief gezeigt, den Bettina geschrieben hätte. Er selbst habe den Brief gelesen und wüsste auch durch die Verbindung zur Familie Schneider, dass Vermisstenanzeige erstattet worden sei, er selber sei ja bereits bei der Polizei gehört worden, mehr könne er dazu nicht sagen.