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Im Südwesten Londons, zwischen Hyde Park und Themse, liegt der Stadtteil Kensington, der sich bis zur großen Flussschleife von Hammersmith erstreckt: das Wohnviertel des guten Mittelstandes. Hier leben in stillen Straßen und kleinen Landhäusern die Menschen dieses Romans, der Grundstücksmakler Julian Gossip, der undurchsichtige Bürovorsteher Louis Howard und Julians Bruder Henry. Und hier geschieht der Mord: ein Mann, der den linken Fuß nachzieht, entfernt sich eiligst vom Orte des Verbrechens; Detektive Inspector Peter Shell, scharfsichtig und verbindlich zugleich, fährt unverzüglich hinaus nach Kensington... Wann wird er den Täter finden? MORD IN KENSINGTON von Ferry Rocker (eigtl. Eberhard Friedrich Worm - * 8. Februar 1896 in Berlin/† 29. August 1973 ebenda) erschien erstmals im Jahre 1953; der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
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FERRY ROCKER
MORD IN KENSINGTON
Roman
Signum-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
MORD IN KENSINGTON
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Copyright © by Eberhard Friedrich Worm/Signum-Verlag.
Published by arrangement with the Estate of Eberhard Friedrich Worm.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg
Cover: Copyright © by Christian Dörge.
Verlag:
Signum-Verlag
Winthirstraße 11
80639 München
www.signum-literatur.com
Im Südwesten Londons, zwischen Hyde Park und Themse, liegt der Stadtteil Kensington, der sich bis zur großen Flussschleife von Hammersmith erstreckt: das Wohnviertel des guten Mittelstandes.
Hier leben in stillen Straßen und kleinen Landhäusern die Menschen dieses Romans, der Grundstücksmakler Julian Gossip, der undurchsichtige Bürovorsteher Louis Howard und Julians Bruder Henry.
Und hier geschieht der Mord: ein Mann, der den linken Fuß nachzieht, entfernt sich eiligst vom Orte des Verbrechens; Detektive Inspector Peter Shell, scharfsichtig und verbindlich zugleich, fährt unverzüglich hinaus nach Kensington...
Wann wird er den Täter finden?
Mord in Kensington von Ferry Rocker (eigtl. Eberhard Friedrich Worm - * 8. Februar 1896 in Berlin/† 29. August 1973 ebenda) erschien erstmals im Jahre 1953; der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
Die erste Person, die am Montagmorgen die Büroräume von Preston & Copp betrat, war Mrs. Fuller, die Scheuerfrau. Mrs. Fuller war diesmal besonders schlechter Laune, weil sie Zahnreißen hatte, und sie verrichtete ihre Reinigungsarbeit mit einem Minimum von Pflichtgefühl, das heißt, sie begnügte sich damit, den Staub von der linken Seite des Zimmers in die rechte zu kehren und mit einem Tuch nachlässig über Tische und Stühle zu fahren.
»Guten Morgen, Mrs. Fuller! Was ist denn mit Ihnen los? Warum haben Sie sich denn ein Tuch um die Backe gebunden?«
Der Lehrling John Robson, ein blasser, unterernährter Schlaks von fünfzehn Jahren, pustete in seine frostblauen Hände und heftete seine grausamen, hellblauen Jungenaugen auf Mrs. Fuller, die mit dem Besen einem Schrank einen heimtückischen Stoß versetzte.
»Frag nicht so albern!«, knurrte sie. »Wirst auch noch früh genug Zahnreißen kriegen, du Lümmel!«
John quittierte den Lümmel mit einem Grinsen.
»Sie werden wohl wieder irgendwo in der Zugluft gestanden und gelauscht haben«, sagte er boshaft und hängte seinen fadenscheinigen Mantel in einen Schrank.
»Na, da hört doch alles auf!« Mrs. Fuller legte den Besen ein wie eine Lanze, und nur der Eintritt Mr. Howards, des Bürovorstehers, rettete John vor dem Aufgespießtwerden.
Mr. Howard strahlte die Würde eines Geistlichen aus. Er war ungefähr vierzig Jahre alt, hatte ein volles, aber blasses Gesicht und trug stets schwarze Anzüge. Wenn man ihn nach Geschäftsschluss die Straße entlanggehen sah, immer gemessenen Schrittes und den Kopf ein wenig gesenkt, hätte man meinen können, er schreite als Hauptleidtragender hinter einem Leichenwagen her.
Mr. Howard blickte stirnrunzelnd auf die über seinem Schreibtisch befindliche Uhr, nickte Mrs. Fuller und dem Lehrling etwas herablassend zu und starrte dann einen Augenblick wie geistesabwesend in seinen Schrank, den er umständlich geöffnet hatte.
»So, ich bin fertig!«, sagte Mrs. Fuller grollend. »Eine andere Reinemachefrau wäre bei dem Zahnreißen, das ich heute habe, hübsch zu Hause geblieben.«
Howard lag schon die Äußerung auf der Zunge, dass in diesem Fall die Büroräume auch nicht hätten schmutziger sein können, aber er wollte sich nicht schon am frühen Morgen zanken, und so begnügte er sich damit zu sagen:
»So, nun gehen Sie aber nach Hause, Mrs. Fuller. Die Damen müssen gleich kommen.«
Mrs. Fuller brummte irgendetwas vor sich hin, das wie »Hat sich was mit Damen!«, klang, warf dem Lehrling einen messerscharfen Blick zu und rannte empört hinaus, als John ihr die Zunge herausstreckte.
Drei Minuten nach acht kam Amy Cramer, und fünf Minuten später erschien Edith Berry.
Amy Cramer war eine üppige Person, nicht mehr ganz jung, so um die achtundzwanzig herum, und für nicht allzu anspruchsvolle Männer recht hübsch. Es war Mr. Howard nicht verborgen geblieben, dass Mr. Julian Gossip und Miss Amy... ach, er hatte dieses Verhältnis sehr unziemlich gefunden. Aber die Sache schien ja nun zu Ende zu sein. In letzter Zeit erhielt Miss Amy ziemlich viele Anpfiffe von Mr. Gossip und kam regelmäßig mit verheulten Augen aus dem Chefzimmer heraus. Das war das deutlichste Anzeichen dafür, dass Julian Gossip mit Miss Amy Schluss machen wollte, und es hätte daher erst gar nicht seiner Anordnung bedurft, dass Mr. Howard sich bei Gelegenheit doch nach einer andern Stenotypistin umsehen solle. Am ersten März würde Amy
Cramer fliegen, das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Miss Edith Berry verursachte Mr. Howard ebenfalls Kopfzerbrechen. Sie war bedeutend jünger als Miss Cramer, aber, wie es dem Bürovorsteher scheinen wollte, noch durchtriebener als ihre Kollegin. Seit drei Tagen bemerkte Mr. Howard, dass zwischen den beiden Mädchen eine unangenehme Spannung herrschte, was darauf hindeutete, dass sie sich wegen irgendeiner Angelegenheit in den Haaren gelegen hatten. Diese Angelegenheit schien Mr. Gossip zu sein. Höchstwahrscheinlich hatte er seine Zuneigung von Miss Amy auf Miss Edith übertragen. Howard schloss das aus dem Umstand, dass Miss Edith ihm am Donnerstag vorgeschlagen hatte, er könne sich ja über sie beim Chef beschweren. Mr. Howard hatte das auch getan, war aber von Mr. Gossip dahin belehrt worden, dass Miss Berry doch eigentlich eine tüchtige Kraft sei, viel tüchtiger, billiger und gebildeter als Miss Cramer.
Howard betrachtete von seinem Platz aus die beiden Mädchen, die sich kaum begrüßt hatten und nun Anstalten trafen, einige Werbebriefe des Grundstücksvermittlungsbüros Preston & Copp, Inhaber Julian Gossip, zu tippen. Er bemerkte sofort, dass sich Miss Cramer in scheußlicher Laune befand. Sie betrachtete die Schreibmaschine voller Ekel und schrie John an, weil er ihr angeblich die Bleistifte schlecht gespitzt hatte. Miss Berry hingegen nannte John einen süßen Bengel und drückte ihm ein Stück Schokolade in die Hand. John einen süßen Bengel zu nennen, war der Höhepunkt an Geschmacklosigkeit, und zu Johns Ehre muss gesagt werden, dass er sich weder durch diese Schmeichelei noch durch das Stück Schokolade davon abhalten ließ, Miss Berry zu fragen, warum sie sich die Augen lila untermalt habe. Sie sehe ja aus wie ein Kakadu.
Diese Bemerkung trug John einen dankbaren Blick Amy Cramers und eine schallende Ohrfeige Ediths ein. Als Mr. Howard aus seiner Ecke heraus beschwörende Worte orgelte, kam es zu einem erregten Disput zwischen allen vier Personen, dem üblichen Montagsstreit, der glücklicherweise bald durch das Schrillen der Telefonglocke unterbrochen wurde.
Kurz nach neun Uhr öffnete sich die Tür, und ein junger Mann, der den Eindruck erweckte, als feiere er schon seit vier Wochen Silvester, trat mit einem sehr lauten Gruß in das Büro. Es war Robert Meddler, der Neffe Julian Gossips, ein versumpftes Huhn mit stark ramponierter Vergangenheit und, wie sein Onkel sagte, mit einer düsteren Zukunft.
Er lächelte den beiden Stenotypistinnen auf eine höchst alberne Art zu, nahm seinen schief sitzenden steifen Hut vom Kopf und wandte sich an Howard, der ihn mit nachsichtigem Seelsorger-Blick musterte.
»Mr. Gossip schon hier, mein Bester?«
Mr. Meddlers Bester schüttelte den Kopf: »Nein, er ist noch nicht hier.«
»Wann wird er denn kommen?«
»Halb zehn, zehn, halb elf.«
»Scheußlich!« Robert Meddlers gute Laune verschwand mit einem Schlage. Er setzte sich auf einen Stuhl, der in der Nähe von Howards Schreibtisch stand, und betrachtete sorgenvoll die Fingernägel seiner rechten Hand. »Es ist nämlich...« Er stockte, warf einen misstrauischen Blick auf die beiden Mädchen, die während des Tippens verdächtig lange Pausen machten, und rückte seinen Stuhl näher an Howards Platz heran. »Es handelt sich nämlich um ein Geschäft, das ich Mr. Gossip Vorschlägen möchte. Ein gutes Geschäft, verstehen Sie?«
Mr. Howard zog unter eine Reihe von Zahlen einen dicken Strich.
»Mr. Gossip wird Ihr Projekt sicherlich mit dem größten Interesse prüfen.«
Robert Meddler beugte sich über den Tisch und blies dem Bürovorsteher seinen Alkoholdunst ins Gesicht.
»Sagen Sie mal... hm... Sie wissen nicht, ob er eine größere Summe im Hause hat?«
Louis Howard zog noch einen Strich.
»Keine Ahnung, Mr. Meddler!«
Des Bürovorstehers Benehmen war nicht ermutigend. Meddler hatte Howard nie leiden mögen, und er fand diesen selbstzufriedenen Kleinbürger im Augenblick hassenswerter als je. Natürlich hatte sich sein Onkel abfällig über ihn geäußert, und nun bildete sich dieser Tintenkuli ein, er könne ihn wie einen lästigen Fremden behandeln. Wie der Kerl den kleinen Finger spreizte, wenn er einen lausigen Strich zog! Sogar die Zungenspitze steckte er ein wenig heraus. Elende Sklavenseele!
Robert Meddler erhob sich und stülpte sich den Hut in den Nacken.
»Wenn Mr. Gossip kommt, bestellen Sie ihm, dass ich ihn zwischen zehn und elf noch einmal aufsuchen werde.
»Nein, nicht zwischen zehn und elf... Sagen wir: zwischen elf und zwölf.«
Meddler ging und warf die Tür krachend hinter sich ins Schloss.
»Der war wohl nicht ganz nüchtern, wie?«, fragte Miss Berry zuckersüß.
Howard legte seinen Federhalter nieder, schneuzte sich und blickte auf die Uhr.
»Ich habe den jungen Mann noch nie in nüchternem Zustand gesehen. Haben Sie schon diesen Vorzug gehabt?«
»Ich? Warum bringen Sie mich denn mit Mr. Meddler zusammen?« Edith Berry streckte streitlustig den Kopf vor.
»Ich bringe Sie nicht mit ihm zusammen«, entgegnete Howard salbungsvoll. »Ich habe Sie nur mit ihm zusammen gesehen. Das war... warten Sie mal... am vergangenen Donnerstag war es.«
Einen Augenblick herrschte eine beklemmende Stille. Dann lachte Miss Berry schrill auf.
»Sie wissen wohl nicht, was Sie sagen, Mr. Howard? Wenn das ein Scherz sein soll, so finde ich ihn ziemlich abgeschmackt.« ~
Sie schlug auf die Tastatur wie ein wahnsinnig gewordener Pianist, John grinste und machte einen Klecks unter die Adresse, die er soeben geschrieben hatte, und Miss Cramer warf einen nachdenklichen Blick auf Mr. Howard, der jetzt seelenruhig nach dem Telefonhörer griff und dann ein längeres Gespräch mit einem Häusermakler führte.
Julian Gossips Eintritt vollzog sich eine halbe Stunde später ohne jede Zeremonie. Der Inhaber der Firma Preston & Copp war ein mittelgroßer, breitschultriger Mann von ungefähr vierzig Jahren. Er hatte blaue, etwas verschmitzt blickende Augen, eine frische Gesichtsfarbe und ein viereckiges Kinn. Seine Bewegungen verrieten das Selbstbewusstsein eines Mannes, der allen Stürmen des Lebens siegreich Trotz geboten hat.
»Guten Morgen!«, röhrte er, ging geradewegs in sein Zimmer und ließ nur drei Tabakwolken zurück, die langsam gegen die Decke stiegen.
Mr. Howard erhob sich, nahm die eingelaufene Frühpost in die linke Hand, wartete einige Sekunden und klopfte dann gegen Mr. Gossips Tür.
Julian Gossip saß an seinem Schreibtisch, hatte die Daumen in die Armlöcher seiner Weste gesteckt und dampfte wie ein Fabrikschornstein.
»Hm, etwas Neues, Howard?«, fragte er, auf die Briefe und Karten blickend, die ihm der Bürovorsteher auf den Tisch legte.
»Nichts von Belang, Mr. Gossip. Mrs. Trigg beschwert sich wieder mal, weil das Haus, das wir ihr vermittelt haben, feucht sei.«
»So!«, bemerkte Gossip teilnahmslos und knipste einen Brief nach dem andern mit seinem Zeigefinger beiseite. »Hat sich Crewe schon gemeldet?«
»Bis jetzt noch nicht. Mr. Meddler war vorhin hier.« Gossip legte sich seufzend in seinen Stuhl zurück. »Was wollte er denn?«
»Er will zwischen elf und zwölf nochmals vorsprechen, um Ihnen ein Geschäft vorzuschlagen.«
Gossip machte ein Karpfenmaul.
»Na, da bin ich aber neugierig. Payne hat übrigens gestern hundert Fensterplätze à zwanzig Pfund abgestoßen. Solch ein Schwachkopf! Ich hätte ihm fünfundzwanzig Pfund für jeden Platz gegeben. Passen Sie auf, Howard, die Plätze steigen noch auf sechzig bis siebzig Pfund im nächsten Monat. Hoffentlich kommt nicht ein Krieg oder eine Revolution dazwischen.«
»Ein Krieg wäre natürlich schlimm. Bei einer Revolution könnten wir uns noch mit einem kleinen Gewinn aus der Affäre ziehen. Es werden sich immer Leute finden, die die Straßenkämpfe von einem gut geschützten Fensterplatz aus beobachten wollen.«
»In der Oxford oder Regent Street wird es nie Straßenkämpfe geben, mein Lieber. Man kann doch nicht das Geschäftswesen lahmlegen. Schicken Sie mir mal Miss... Cramer herein. Ich hab etwas zu diktieren.«
»Miss Berry?«
»Miss Cramer!«, sagte Gossip, jede Silbe betonend. »Montagvormittag vertrage ich Miss Berry nicht.« Howard war zwar der Ansicht, dass Miss Cramers Anblick heute ebenso wenig geeignet sei, die Arbeitslust anzuregen, aber es gehörte im Allgemeinen nicht zu seiner Gewohnheit, ungefragt Ansichten zu äußern.
Amy Cramer feuerte einen triumphierenden Blick auf Miss Berry ab, als ihr Howard den Wunsch des Chefs zu Gehör brachte. Aber alle ihre kühnen Hoffnungen verflüchtigten sich, als sie in Gossips Gesicht blickte.
»Setz dich, Amy!«, brummte Julian und betrachtete sie stirnrunzelnd. »Du bist gestern in meiner Wohnung gewesen?«
»Zweimal!«, antwortete Amy Cramer und warf den Stenogrammblock auf den Tisch. »Ich hätte dich gerne gesprochen.«
Gossip streckte seine rechte Hand über den Tisch.
»Gib mir sofort die Hausschlüssel zurück.«
Das Mädchen erblasste. Das war also nun unweigerlich das Ende.
»Ich hab sie nicht bei mir, Julian. Du brauchst sie für Miss Berry, wie?«, fragte sie katzenfreundlich.
»Für wen ich sie brauche, geht dich nichts an.« Irgendetwas in ihrem Blick warnte ihn. Er fuhr daher in weniger schroffem Ton fort. »Benimm dich nicht so töricht, Amy. Du spielst dich ja auf, als hätte ich dir ewige Liebe und Treue geschworen.« Er blickte zur Seite, griff nach dem Brieföffner und schob seine Unterlippe vor. Als sie nicht antwortete, sondern ihn immer nur anstarrte, bleich und mit nachtdunklen Augen, stand er auf, schob seine Hände in die Hosentaschen und ging einige Male im Zimmer auf und ab.
»Hm«, begann er nach einer Weile wieder, sich räuspernd. »Was hältst du davon, diese Stellung hier sofort aufzugeben? Du könntest dich krank melden... bis du eine neue Stellung gefunden hast, werde ich dir das Gehalt zahlen. Du brauchst dir also für die nächste Zeit keine Sorgen zu machen.«
»Du bist ein Kavalier, Julian!« Amy Cramer konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. »Ein feiner Mann bist du! Du willst mir das Gehalt zahlen, bis ich eine neue Stellung gefunden habe?« Sie erhob sich, ballte die Hände zu Fäusten und schrie plötzlich los. »Behalte dein Geld! Ich pfeif drauf! Ich lasse mich nicht mit ein paar Pfund abspeisen!«
Gossip trat auf sie zu und wollte ihr die Hand vor den Mund halten, aber sie schlug ihm mit voller Wucht mitten ins Gesicht, so dass er einige Schritte zurücktaumelte.
»Rühr mich nicht an, du Ekel!« Mit zwei Schritten war sie an der Tür und riss sie weit auf. »Hier, Mr. Howard, sehen Sie sich Ihren Chef an. Er hat Ohrfeigen von mir bezogen, weil er zudringlich wurde. Hier, Miss Berry...«
Louis Howard zeigte sich der Situation voll gewachsen. Er schob das schreiende Mädchen zur Seite, schloss die in Gossips Zimmer führende Tür ab und machte John, der vor Begeisterung Mund und Nase aufsperrte, ein Zeichen, sofort das Büro zu verlassen. Eine Vorsichtsmaßnahme, die sich als überflüssig herausstellte, denn x Miss Cramer sagte nichts mehr, was die Phantasie des Fünfzehnjährigen in ungehöriger Weise hätte erregen können. Sie stürzte auf den Ankleideschrank los, riss Hut und Mantel heraus und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
»Du meine Güte, was war denn da los?«, fragte Miss Berry mit scheinheiliger Miene.
Louis Howard schüttelte tief betrübt den Kopf. Dann ging er zu Gossip hinein.
Julian Gossip hielt sich gerade einen Taschenspiegel vor die Nase.
»Ist sie weg?«
»Miss Cramer hat soeben das Büro verlassen. Ich nehme an, ich soll ihr ein Monatsgehalt anweisen?«
Gossip warf seinem Bürovorsteher einen anerkennenden Blick zu.
»Schicken Sie ihr drei Monatsgehälter«, sagte er, sich aufatmend an seinen Schreibtisch setzend. »Drei Monatsgehälter. Und schreiben Sie ihr ein gutes Zeugnis. Sie war eine ausgezeichnete Kraft.«
»Ich werde sie sehr vermissen«, murmelte Mr. Howard. »Ich werde mich noch heute nach zwei neuen tüchtigen Stenotypistinnen umsehen.«
»Zwei? Warum denn zwei?«, bellte Julian Gossip. Aber Louis Howard kam nicht mehr dazu, seinem Chef auch Miss Berrys Kündigung anzuraten, denn John steckte seinen Kopf zur Tür herein und flüsterte: »Da is’n Herr, Mr. Howard.«
Der Herr, der im Büro stand, sah nicht sehr vertrauenerweckend aus. Es war ein hagerer, schlecht gekleideter Mann mit blassem Gesicht, verkniffenem Mund Und kleinen, bösartigen Augen.
»Ich möchte Mr. Gossip sprechen«, sagte er mit rauer Stimme. »Sind Sie Mr. Gossip?«
»Nein. Mr. Gossip ist sehr beschäftigt. Wollen Sie mir nicht sagen, worum es sich handelt?«
»Das, was ich zu sagen habe, ist nur für Mr. Gossips Ohren bestimmt. Und es liegt nur in seinem Interesse, dass er es möglichst bald hört. Ich habe wenig Zeit.« Diese Worte hätten Howard durchaus noch nicht veranlasst, Julian Gossip von der Ankunft des Besuchers zu unterrichten. Aber der hagere Mann hatte Glück. Gossip öffnete nämlich die Tür, und der Besucher ging geradewegs auf ihn zu und sagte ihm leise einige Worte.
Howard sah, wie sich auf Gossips Gesicht Schreck und Erstaunen spiegelten, wie er zur Seite trat, den Besucher ins Zimmer ließ und dann schnell die Tür schloss.
Der Bürovorsteher blickte auf die Uhr. Es war kurz vor zehn.
Eine halbe Stunde später weilte der Besucher noch immer in Gossips Zimmer.
Wenn Miss Berry im Maschineschreiben innehielt, hörte Howard das Stimmengemurmel der beiden Männer. Einmal schien es ihm sogar, als stritten sie miteinander.
Kurz vor elf Uhr öffnete sich die Tür, und Gossip, dessen Gesicht gerötet war, geleitete seinen Besucher bis zur Ausgangstür. Dann ging er in sein Büro zurück und kam fünf Minuten später wieder heraus. Er hatte seinen Mantel angezogen und trug eine dicke, schweinslederne Aktentasche unter dem Arm.
»Ich muss wegen einer dringenden Sache weg, Howard. Ich komme auch am Nachmittag nicht ins Büro. Wenn Crewe kommt, sagen Sie ihm, er soll mich heute Abend zu Hause anrufen.«
»Mr. Meddler wollte sich auch zwischen elf und zwölf hier einfinden.«
»Robert... ja... hm... er soll heute Abend um halb neun in meine Wohnung kommen. Aber er soll um halb neun kommen, nicht etwa später. Und dann noch eins, Howard: haben Sie heute Abend etwas vor?«
»Nichts Besonderes, Mr. Gossip.«
»Ich erwarte heute Abend um elf Uhr in meiner Wohnung einen Besuch. Aus bestimmten Gründen möchte ich mit dieser Person nicht allein sein. Sie sollen der Unterredung nicht beiwohnen, Sie sollen nur im Haus sein. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie... sagen wir: einige Minuten vor elf... zu mir kämen. Geht das?«
»Ich werde kurz vor elf bei Ihnen sein, Mr. Gossip.«
Julian nickte befriedigt und verließ eiligen Schrittes das Büro.
Es war einige Minuten vor elf, als Louis Howard, von der Allen Street kommend, in die kleine, schlecht erleuchtete Gasse einbog, in der Julian Gossips Haus lag. Ein eisiger Wind fuhr ihm entgegen und benahm ihm den Atem. Kleine Häuser und verwahrloste Vorgärten duckten sich unter dem winterlich bewölkten Nachthimmel.
Howard hatte ungefähr die Mitte der Straße erreicht, als ihm ein Polizist entgegenkam. Er blieb stehen, entnahm seiner Zigarrentasche eine Zigarre und suchte nach Streichhölzern. Aber er fand die Schachtel nicht, wahrscheinlich hatte er sie irgendwo liegenlassen.
»Verzeihung, Herr Wachtmeister, haben Sie vielleicht ein Zündholz?«
Der Polizeibeamte, ein großer Mann mit einem gutmütigen Gesicht, blieb grüßend stehen und zog umständlich seinen rechten Handschuh aus.
»Gewiss, Sir. Einen Augenblick, bitte.«
Der Polizist kramte in seiner Manteltasche herum, schließlich brachte er ein Feuerzeug zum Vorschein, knipste es an und musterte, während er seine Hand schützend vor die Flamme hielt, Howards Gesicht genau.
»Verdammt kalt heute. Sind Sie nicht der Herr, der in Nummer 9 wohnt?«
Howard machte einige Züge und hielt dem Beamten seine Zigarrentasche hin.
»Nein. Ich wohne überhaupt nicht in dieser Straße. Ich will zu Mr. Gossip. Ich bin sein Bürovorsteher.«
»Ah, zu Mr. Gossip! Ich danke Ihnen, Sir.« Der Constable öffnete einige Knöpfe seines Mantels und steckte die Zigarre weg. »Na, guten Abend, Sir!«
Louis Howard setzte seinen Weg fort, und der Polizeibeamte, er hieß James Weller, ging zur Kensington Road hinauf.
Als Weller nach einer guten halben Stunde abermals durch die Gasse kam, blieb er vor dem letzten Haus auf der rechten Straßenseite, das, wie er wusste, Julian Gossip gehörte, einen Augenblick stehen. Die Straße war menschenleer, aus Gossips einstöckigem Haus drang nicht der geringste Lichtschimmer. Der Polizeibeamte wollte schon seinen Weg fortsetzen, als er bemerkte, dass die Vorgartentür nicht eingeklinkt war. Als Mann, der auf Ordnung zu sehen hat, griff er nach der Klinke, um die Tür heranzuziehen, aber... nun, das war seltsam: dort lag doch jemand! Der Polizist stieß die Gittertür vollends auf und ging schnellen Schrittes den zum Haus führenden Stein weg entlang. Er schaltete die Taschenlampe ein, und der Lichtkegel der Lampe fiel auf die regungslos am Boden liegende Gestalt eines Mannes. Weller bückte sich und griff nach der Hand des Mannes. Die Hand war kalt, aber der Puls schlug. Nun erst drehte der Polizeibeamte den Mann um, und obgleich das Gesicht des Bewusstlosen voller Blut war, erkannte er in ihm doch den Herrn wieder, der ihn vor einer Weile um Feuer gebeten hatte.
Weller nahm sofort an, dass Gossips Angestellter auf einer gefrorenen Stelle des Steinweges ausgerutscht sei und sich beim Fall schwer verletzt habe. Schnelle Hilfe tat not. Vielleicht hatte der Mann eine Gehirnerschütterung davongetragen. Sofort mittels Telefon die nächste Rettungsstelle benachrichtigen! Dieser Satz aus dem Instruktionsbuch schoss ihm durchs Hirn. Ein Telefon? Sicherlich hatte Mr. Gossip eins im Hause. Weller eilte daher die zur Haustür führenden vier Stufen empor und drückte auf den Klingelknopf. Um den im Hause weilenden Personen begreiflich zu machen, dass es sich um eine höchst dringliche Sache handle, hämmerte er außerdem mit der linken Faust gegen die Türfüllung. Aber nichts rührte sich im Hause. Der Beamte begann zu fluchen. Saßen denn die Leute auf den Ohren, oder war überhaupt niemand im Hause? Noch einmal trommelte er gegen die Tür und drückte auf die Klingel.
Plötzlich war ihm, als hörte er einen Schmerzenslaut. Er wandte sich um und sah, wie Louis Howard den Versuch machte sich aufzurichten.
»Hallo, Sir!«, rief er, die Stufen hinuntereilend. »Sie sind ausgerutscht, was? Können Sie Ihre Arme und Beine bewegen?«
»Mal sehen«, stöhnte Howard. »Helfen Sie ein bisschen.«
Der Polizist fasste Howard unter die Achseln und stellte ihn vorsichtig auf die Beine. »Schwindelgefühl, Brechreiz?« forschte er.
»Der Schädel brummt mir anständig. Au, was hab’ ich denn da?« Howard fasste sich an den Hinterkopf.
»Ein Loch«, sagte der Beamte und beleuchtete mit der Taschenlampe Howards Schädel. »Nasenbluten haben Sie auch gehabt. Das Beste ist, Sie setzen sich hier auf die Treppenstufen, und ich hole schnell ein Auto. Mr. Gossip ist wohl nicht zu Hause?«
»Weiß der Teufel!« Louis Howard lehnte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand. »Haben Sie denn den Kerl nicht die Straße entlanglaufen sehen?«
»Welchen Kerl? Sie sind doch nicht etwa überfallen worden, Sir?«
»Ich wünsche Ihnen den Schlag nicht, den mir der Lump versetzt hat.« Howard fasste sich abermals stöhnend an den Hinterkopf. »Wo ist denn überhaupt mein Hut?«
Der Hut lag zwischen zwei Lorbeersträuchern; der Polizeibeamte hob ihn auf.
»Ist Ihnen etwas geraubt worden, Sir?«
Howard zog seine Brieftasche heraus, öffnete sie und steckte sie wieder ein. »Nein. Aber wir müssen uns jetzt um Mr. Gossip kümmern. Haben Sie schon geklingelt?«
»Ich hab’ beinahe die Tür eingeschlagen, aber es meldet sich niemand.«
Howard schien sich jetzt ein wenig erholt zu haben. Er ging einige Schritte vom Haus weg und blickte zu den Fenstern empor. »Sie müssen die Tür öffnen, Herr Wachtmeister«, sagte er. »Mein Name ist Howard. Ich bin Mr. Gossips Bürovorsteher.«
»Ich weiß«, brummte Weller. »Ich habe Sie ja vorhin getroffen.«
»Ach so, Sie sind der Beamte, der mir vorhin Feuer gab. Also hören Sie mal zu: Mr. Gossip erteilte mir heute Vormittag den Auftrag, mich um elf Uhr hier einzufinden. Ich war einige Minuten vor elf hier und klingelte. Wie spät haben wir’s denn jetzt?« Howard blickte auf seine Taschenuhr. »Hol’s der Teufel, schon dreiviertel zwölf. Da habe ich ja... also, ich war einige Minuten vor elf hier und klingelte. Niemand machte auf. Ich klopfte an die Fensterläden, das hatte aber auch keinen Zweck. Als ich wieder vor der Haustür stand und abermals auf den Klingelknopf drücken wollte, wurde die Tür plötzlich aufgerissen, und ich erhielt einen Schlag ins Gesicht. Ich war sofort hin, kann ich Ihnen sagen. Ich flog direkt durch die Luft.«
James Weller schüttelte entrüstet den Kopf.
»Aber wer hat Sie denn geschlagen?«
»Das möchte ich auch gern wissen«, gab Howard grimmig zur Antwort und klappte den Mantelkragen hoch. »Ich weiß bloß, dass es ein Mann war. Mehr nicht.«
»Mr. Gossip vielleicht?«
»Ach, Sie sind ja nicht recht bei Trost.«
»Na, ich meine, Mr. Gossip hat Sie vielleicht für einen Einbrecher oder sonst was gehalten... Kommt doch alles vor.«
Louis Howard kam zu der Überzeugung, dass der vor ihm stehende Polizeibeamte zu nichts weiter tauglich sei, als Passanten Feuer zu geben. Julian Gossip sollte ihn, seinen Bürovorsteher, den er erwartete, niedergeschlagen haben? Vollkommen verrückt!
»Machen Sie, was Sie wollen!«, sagte er schließlich unwillig. »Wenn Mr. Gossip morgen früh nicht im Büro erscheint, werde ich Scotland Yard benachrichtigen.«
»Aber ich kann doch hier nicht so einfach Mr. Gossips Tür einschlagen, Sir!« verteidigte sich der Beamte. »Das Beste wird sein, Sie kommen jetzt mit zur Station. Der Inspektor kann dann entscheiden, was in diesem Falle zu tun ist. Sie müssen sich doch auch erst ein bisschen in Ordnung bringen, Sir, Ihr Gesicht ist ja voller Blut. Na, und das Loch im Hinterkopf muss doch auch verbunden werden.«
»Gehen wir!«, sagte Howard. »Wenn ich hier noch länger her umstehe, hole ich mir schließlich noch eine Lungenentzündung.«
Die beiden Männer gingen durch den Vorgarten. Als sie auf die Straße hinaustraten, fiel auf der andern Seite der Gasse eine Gittertür ins Schloss, und ein älterer Mann, der sich eine Pelzmütze über die Ohren gezogen hatte, kam trippelnden Schrittes über den Damm gelaufen.
»Herrgott, der Herr ist ja ganz voller Blut«, rief er aus und musterte mit angstvoll aufgerissenen Augen Howards Gesicht. »Ist etwas passiert? Ich hab nämlich vorhin einen Mann aus dem Haus kommen sehen. Er rannte.«
»Sie sind doch Mr. Sandford, nicht wahr?«, fragte der Constable Weller, stellte sich unter eine Laterne und zog sein Notizbuch aus der Tasche.
»Augustus Sandford, ganz recht«, nickte der alte Mann. »Der Mann, der weglief, hatte eine Mütze auf. Eigentlich waren es zwei Männer. Zuerst kam jemand mit einem steifen Hut und ging hinein. Und einige Minuten später kam der Mann mit der Mütze herausgerannt. Das heißt, er rannte auch nicht, er ging bloß verdammt schnell und blickte sich einige Male um.«
»Das wird der Kerl gewesen sein«, sagte Howard, ungeduldig von einem Bein aufs andere tretend. »Sie wissen nicht, wie er aussah?«
»Nein, Sir, nein! Dazu ist es zu dunkel. Aber mir kam es so vor, als wenn er das linke Bein etwas nachzog.«
»Wann haben Sie ihn denn gesehen, Mr. Sandford?«
»Um elf. Vielleicht eine oder zwei Minuten nach elf. Was ist denn passiert? Ein Einbruch?«
»Nichts, was Sie beunruhigen könnte, Mr. Sandford. Haben Sie sonst noch etwas gesehen oder gehört?«
»Gar nichts.«
»Haben Sie Mr. Gossip nicht gesehen?«
»Nur heute früh, als er aus dem Hause kam.«
»Gut.« Constable Weller steckte sein Notizbuch wieder ein. »Sie werden unter Umständen als Zeuge vernommen werden, Mr. Sandford. Doch jetzt wollen wir gehen. Ich danke Ihnen. Gute Nacht, Mr. Sandford.« Augustus Sandford bildete den sich schnell entfernenden Männern eine Weile nach, dann ging er auf Mr. Gossips Haus zu und betrat zögernden Schrittes den Vorgarten.
Inspektor Peter Shell war ein großer schlanker Mann, dessen Alter schwer zu schätzen war. Er konnte ebenso gut fünfunddreißig Jahre alt sein wie fünfundvierzig. Er hatte ein schmales, feines Gesicht, halblanges, nach hinten gekämmtes aschblondes Haar, eine gerade Nase, schmale Lippen und graue Augen.
Peter, der kurz vor der Beförderung zum Oberinspektor stand, war einer der fähigsten Beamten des Yard, und auf dem Umwege über den Intelligence Service zur Kriminalpolizei gekommen. Da er etwas Vermögen besaß - er hatte vor Jahren eine hübsche Summe in der Lotterie gewonnen ging er stets tadellos gekleidet und konnte sich auch sonst viele Annehmlichkeiten des Lebens gönnen. Er schätzte Rheinwein und zierliche Frauen, hörte gern leichte Musik und las viel. Da er weder nach unten trat noch nach oben katzbuckelte, war er bei seinen Kollegen sehr beliebt.
Im Dienst war Shell ein ruhiger, sachlicher und gerecht denkender Mann.
Er hatte Menschen aller Schattierungen kennengelernt, und obgleich er ziemlich schnell sah, wes Geistes Kind ein Mensch war, hütete er sich doch ängstlich davor, sich sofort über ihn eine feste Meinung zu bilden.