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Dem Unglücklichen gehört unsere Sympathie, auch wenn er sein Schicksal selbst verschuldet hat. Er verdient sie umso mehr, sofern er an seinem Unglück emporwächst und es mit Würde trägt. Jene Marie Antoinette, die uns Ferry Rocker hier vor Augen führt, ist bereits zur tragischen Größe herangereift. Sie ist nicht mehr die leichtfertige, oberflächliche Prinzessin mit der vernachlässigten Erziehung, wie sie aus Wien nach Paris gekommen war; sie ist bereits die pflichtbewusste Mutter und besorgte Gattin, die mit ihrem Gemahl und den Kindern Frankreich heimlich zu verlassen gedenkt. In dramatischer Spannung wird uns die Flucht geschildert, ihr Misslingen und schließlich der Weg in den Kerker. Weitere Fluchtpläne missglücken, das Ende naht - die Fahrt auf dem Henkerkarren. Ferry Rocker hat das Schicksal der Tochter Maria Theresias nicht nur in hinreißender Sprache, er hat es auch mit aller berechtigten Voreingenommenheit für seine Heldin erzählt.
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FERRY ROCKER
Marie Antoinette
Der Leidensweg einer Königin
Signum-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
MARIE ANTOINETTE
I. Die Flucht aus den Tuilerien
II. Auf dem Weg nach Varennes
III. Die Rückkehr der königlichen Familie
IV. Gefangenschaft im Temple
V. Marie Antoinettes letzte Stunden
Copyright © by Eberhard Friedrich Worm/Signum-Verlag.
Published by arrangement with the Estate of Eberhard Friedrich Worm.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg
Cover: Copyright © by Zasu Menil.
Verlag:
Signum-Verlag
Winthirstraße 11
80639 München
www.signum-literatur.com
Dem Unglücklichen gehört unsere Sympathie, auch wenn er sein Schicksal selbst verschuldet hat. Er verdient sie umso mehr, sofern er an seinem Unglück emporwächst und es mit Würde trägt. Jene Marie Antoinette, die uns Ferry Rocker hier vor Augen führt, ist bereits zur tragischen Größe herangereift. Sie ist nicht mehr die leichtfertige, oberflächliche Prinzessin mit der vernachlässigten Erziehung, wie sie aus Wien nach Paris gekommen war; sie ist bereits die pflichtbewusste Mutter und besorgte Gattin, die mit ihrem Gemahl und den Kindern Frankreich heimlich zu verlassen gedenkt. In dramatischer Spannung wird uns die Flucht geschildert, ihr Misslingen und schließlich der Weg in den Kerker. Weitere Fluchtpläne missglücken, das Ende naht - die Fahrt auf dem Henkerkarren.
Ferry Rocker hat das Schicksal der Tochter Maria Theresias nicht nur in hinreißender Sprache, er hat es auch mit aller berechtigten Voreingenommenheit für seine Heldin erzählt.
Seit dem 6. Oktober 1789, dem Tage, da die Furien der Revolution, betrunkene Marktweiber und grimmige Sansculotten, den König, die Königin und den Dauphin aus Versailles nach Paris geholt haben, ist die königliche Familie eine Gefangene des Volkes.
Das Leben in den Tuilerien ist grundverschieden von dem im Prunkschloss zu Versailles. Um die Tuilerien brausen die Leidenschaften des Volkes, hier ist kein Leben in ruhiger Abgeschiedenheit möglich, hier wird jede Bewegung des Königs oder der Königin mit argwöhnischen Augen überwacht.
Immer peinvoller, unerträglicher wird der Aufenthalt in den Tuilerien.
Unsere Lage ist furchtbar, schreibt Marie Antoinette, in den Stunden der Not sehr hellsichtig geworden, an den Grafen Mercy. Es gibt nur noch eine Wahl für uns: entweder blind das zu tun, was die Parteien verlangen, oder unter dem Schwerte zugrunde zu gehen, das ständig über unsern Häuptern hängt. Glauben Sie mir, dass ich die Gefahr nicht übertreibe. Wir müssen zugrunde gehen oder den einzigen Weg beschreiten, der uns noch bleibt. Wir sind durchaus nicht so verblendet, zu glauben, dass dieser Weg gefahrlos sei, aber wenn wir schon zugrunde gehen sollen, so möge es wenigstens mit Ruhm geschehen...
Soll sich die königliche Familie an die Grenze begeben und von dort aus den Kampf gegen die Revolution aufnehmen? Das ist seit länger denn einem Jahr die Frage. Immer wieder hat der König, der ewig Unentschlossene, gezaudert, aber jetzt, nach dem Tode Mirabeaus, des einzigen Mannes, der sich vielleicht schützend vor das Königtum hätte stellen können, ist keine Zeit mehr zu verlieren. Und da - nach einem Worte Mirabeaus - die Königin der einzige Mann ist, den der König hat, drängt sie ihn, endlich einen Entschluss zu fassen. Mit Nachgiebigkeit, mit Warten ist nichts mehr zu gewinnen. Die Zeit arbeitet nicht für den Schwachen. Also scheucht Marie Antoinette den König aus seiner Lethargie auf. Es handelt sich nur noch darum, den Zeitpunkt festzusetzen, denn die Vorbereitungen zur Flucht sind längst getroffen.
Der Graf Axel von Fersen, der Mann, den Marie Antoinette liebt, hat schon vor Monaten einen neuen Reisewagen, eine riesige Berline, bauen lassen, er hat falsche Pässe besorgt, hat Geld flüssig gemacht, verschwiegene Helfer herangeholt, hat die Verbindung mit dem General Bouillé aufrechterhalten, dessen Truppen den Weg nach Montmédy sichern sollen, der Graf Axel von Fersen hat in diesen Monaten Übermenschliches geleistet. »Ich lebe nur, um Ihnen zu dienen.« Er hat dieses an Marie Antoinette gerichtete Wort in die Tat umgesetzt.
Die Juwelen der Königin sind aus dem Schloss geschmuggelt worden, in dessen finstern Gängen es von Nationalgardisten wimmelt, in Truhen wohlverwahrt liegen die Verkleidungen, die die Mitglieder der königlichen Familie vor der Flucht anlegen sollen - alles ist vorbereitet, genau durchdacht. Seine Majestät braucht nur noch das Datum zu nennen.
Im Einverständnis mit General Bouillé und Fersen wird die Flucht auf den 6. Juni 1791 festgesetzt. Aber am 29. Mai erhält der Graf Bouillé von Fersen ein Schreiben, worin ihm mitgeteilt wird, dass die Abreise auf den 12. Juni verschoben worden sei. Warum diese Verzögerung? Der König soll am 7. oder 8. Juni zwei Millionen ausgezahlt erhalten, und die will er natürlich mitnehmen. Aber auch am 12. Juni geht die Flucht noch nicht vonstatten. Die Abreise ist endgültig auf den 20. um Mitternacht festgesetzt, schreibt Fersen an Bouillé. Eine schlecht gesinnte Kammerfrau des Dauphins, deren man sich nicht entledigen kann, und die erst Montag früh ihren Dienst verlässt, hat die Verschiebung auf Montagabend notwendig gemacht. Der General Bouillé stößt einen herzhaften Fluch aus. Was denken sich denn die Herrschaften in den Tuilerien? Es handelt sich doch hier nicht um eine Vergnügungsfahrt. Wenn es nach ihm ginge, packte man die königliche Familie einfach in zwei gewöhnliche Postkutschen und führe los. Stattdessen aber hat der Graf Fersen eine riesengroße Berline bauen lassen, die unterwegs überall Aufsehen erregen wird.