More than a little play - Jessica Martin - E-Book

More than a little play E-Book

Jessica Martin

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Beschreibung

Korbinian sehnt sich schon lange nach einem Daddy – und Derek schon lange nach einem Little. Nachdem Derek eine kleine Notlüge nutzt, damit sie sich endlich kennenlernen, könnte alles perfekt sein. Als Daddy und Little könnten sie nicht besser harmonieren. Doch Selbstzweifel und Korbis Bedenken, sich zu outen, legen ihrem Glück Steine in den Weg. Und was, wenn sie mehr wollen, als nur Daddy und Little zu sein? Band 2 der "Little play"-Reihe. Buch ist in sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 363

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Deutsche Erstausgabe (ePub) März 2021

© 2021 by Jessica Martin

Verlagsrechte © 2021 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk, Taufkirchen

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Katherina Ushachov

ISBN-13: 978-3-95823-874-9

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Korbinian sehnt sich schon lange nach einem Daddy – und Derek schon lange nach einem Little. Nachdem Derek eine kleine Notlüge nutzt, damit sie sich endlich kennenlernen, könnte alles perfekt sein. Als Daddy und Little könnten sie nicht besser harmonieren. Doch Selbstzweifel und Korbis Bedenken, sich zu outen, legen ihrem Glück Steine in den Weg. Und was, wenn sie mehr wollen, als nur Daddy und Little zu sein?

Kapitel 1

Das ist die erbärmlichste Aktion, die ich je gestartet habe, um einen Mann kennenzulernen. Und vermutlich auch die teuerste, obwohl ich noch nicht weiß, wie viel mich dieser kleine Stunt kosten wird.

Aber die Tür ist zu und jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als es durchzuziehen. Also atme ich noch mal tief durch, dann gehe ich auf Socken die Treppe hoch und drücke auf den Klingelknopf meiner Nachbarn.

Seit heute Mittag ist Fußgetrappel aus Richtung Küche zu hören gewesen und durch das offene Fenster wehte immer wieder Lachen zu mir nach unten, aber jetzt ist alles still. Dabei hat mich genau dieses fröhliche Lachen schwach werden und zu dieser Aktion hinreißen lassen.

Ich rechne schon damit, dass sich meine Nachbarn tot stellen, doch dann wird die Tür geöffnet und Herr Eichner steht vor mir. »Hallo, Herr Köhler.«

»Hallo«, grüße ich zurück, wobei mein Herz etwas schneller schlägt und ich mich nicht davon abhalten kann, kurz an ihm vorbei den Flur entlangzublicken. »Ich hoffe, ich störe nicht?«

Er lächelt. »Was kann ich denn für Sie tun? Ich hoffe, wir waren nicht wieder zu laut?«

»Nein, überhaupt nicht.« Mir entgeht nicht, dass er meine Frage nicht beantwortet hat, aber für einen Rückzieher ist es jetzt zu spät. »Es ist mir ein bisschen unangenehm, aber dürfte ich mal Ihr Telefon benutzen, um einen Schlüsseldienst anzurufen? Ich habe mich ausgeschlossen und mein Handy liegt in der Wohnung.«

Er zögert. »Oh. Ähm... Moment. Ich... Moment bitte, ja?«

»Okay.« Ich weiß, dass es absolut fies von mir ist, ihn in eine dermaßen unangenehme Situation zu bringen. Zumindest, wenn in der Wohnung gerade das vor sich geht, was ich hoffe. Falls nicht, befinde ich mich möglicherweise gleich in einer höchst unangenehmen Situation.

Es dauert sicherlich zwei Minuten, dann geht die Tür wieder auf. »Tut mir leid. Kommen Sie rein. Wir gehen ins Wohnzimmer, da können Sie in Ruhe telefonieren.«

»Danke schön. Ich hoffe, ich bereite keine Umstände?«

»Nein, schon gut.« Herr Eichner tippt auf seinem Handy herum, dann blickt er auf. »Haben Sie einen bevorzugten Schlüsseldienst? Sonst würde ich die Nummer nehmen, die ich mal von der Pinnwand unten im Hausflur abgeschrieben habe.«

»Ist mir recht«, antworte ich schulterzuckend und nehme das Handy entgegen. »Darf ich den Schlüsseldienst bitten, hier zu klingeln?«

Mein Nachbar blickt auf meine Socken hinunter und seufzt leise. »Natürlich. Sie können gern so lange hier warten.«

Gott sei Dank. »Fantastisch. Vielen Dank.«

Das Gespräch mit dem Schlüsseldienst verläuft kurz und schmerzlos. Man sollte meinen, dass sich der knorrig klingende Mann am anderen Ende über den Sonntagszuschlag freut, den er kassieren kann, aber vermutlich überwiegt der Frust, überhaupt losfahren zu müssen. Ich kann ihn ja verstehen, aber es geht hier um meine Chance, einen süßen Kerl kennenzulernen. Er kann sich also gern Zeit lassen.

»Danke schön«, sage ich an Herrn Eichner gewandt und gebe ihm das Handy zurück.

»Müssen Sie lange warten?«

»Eine halbe Stunde bis Stunde«, antworte ich und versuche, eine resignierte Miene aufzusetzen.

»Okay. Möchten Sie einen Kaffee?«

»Nur, wenn es keine Umstände bereitet.«

Er schüttelt den Kopf. »Gar nicht. Also, einen Kaffee? Oder Cappuccino, Latte macchiato, Milchkaffee...? Unser Maschinchen kann so ziemlich alles.«

Begeistert horche ich auf. »Oh, Sie haben einen Vollautomaten? Damit liebäugele ich ja auch schon lange.«

Mein Nachbar schluckt und kurz zuckt sein Blick Richtung Flur. »Was kann ich Ihnen bringen?«

»Einen Latte macchiato, bitte«, sage ich und deute auf die Couch, nur für den Fall, dass er befürchtet, ich könnte mit in die Küche kommen. Ich würde gern, aber sein Unbehagen ist mir nicht entgangen und ich möchte niemanden in dieser Wohnung in Bedrängnis bringen. »Ist es okay, wenn ich mich setze?«

Die Erleichterung ist Herrn Eichner auch sofort anzusehen. »Natürlich. Ich bin gleich wieder da.«

Während er in der Küche ist, schaue ich mich im Wohnzimmer um. Nichts deutet darauf hin, dass hier ein kleiner Sonnenschein wohnt, aber das hatte ich auch schon befürchtet, schließlich kam das Lachen und Trappeln aus Richtung Küche, auch wenn das ein eher ungewöhnlicher Ort zum Spielen ist.

»Ihr Kaffee«, kündigt Herr Eichner an, als er wieder ins Wohnzimmer kommt, und stellt eine dampfende Tasse auf dem Tisch ab, bevor er sich in den Sessel fallen lässt.

»Vielen Dank.«

Er lächelt etwas gezwungen, dann breitet sich angespannte Stille aus. Von der Küche her ist kein Mucks mehr zu hören und jetzt tut es mir leid, dass ich das Spiel der Sonnenscheine offenbar zum Erliegen gebracht habe. Sofern hier überhaupt das abläuft, was ich angenommen habe.

Wenn wir uns jedoch weiter anschweigen, war die ganze Aktion sinnlos und ich gehe ohne Ergebnis wieder in meine Wohnung. Meine einzige Chance, etwas über die Vorlieben und vor allem den Besuch meiner Nachbarn rauszukriegen, besteht eindeutig darin, in die Offensive zu gehen.

»Es ist verdächtig ruhig«, bemerke ich daher schmunzelnd.

Herr Eichner schluckt. »Ich habe ihnen gesagt, dass sie etwas leiser sein sollen.«

»Aber nicht wegen mir, hoffe ich.«

Er zuckt nur mit den Schultern und trinkt einen Schluck aus seiner Tasse, wobei er einen kurzen Blick zur Uhr wirft.

Verdammt. So wird das nie was. Freiwillig wird er mir nichts erzählen, das ist klar. Würde ich auch nicht. Ich kann schon froh sein, dass er mich überhaupt reingelassen hat. Trotzdem muss ich ihm irgendwie signalisieren, dass wir auf einer Wellenlänge sind, ohne mich zum Vollidioten zu machen, sollte meine Fantasie mit mir durchgegangen sein.

Was durchaus sein kann, denn ich bin schon viel zu lange allein und vermisse es tierisch, mich um einen kleinen Sonnenschein zu kümmern. Seit ein paar Wochen noch viel mehr, denn da habe ich den jungen Mann zum ersten Mal gesehen, wegen dem ich jetzt hier sitze. Ich kenne weder seinen Namen, noch habe ich mit ihm gesprochen, aber sein Anblick und das heftige Ziehen in meinem Bauch damals kann ich einfach nicht vergessen.

Als ich heute Mittag dann zufällig mitbekommen habe, dass er ins Haus gegangen ist, wusste ich, dass ich heute meine vorerst beste Chance bekomme, ihn kennenzulernen. Und nun sitze ich hier untätig und die Minuten ticken herunter.

Ehe ich jedoch einen weiteren Gesprächsversuch starten kann, ertönt ein Rumsen aus Richtung Küche. Keiner von uns hat Zeit, darauf zu reagieren, als auch schon die Wohnzimmertür aufgerissen wird.

Erschrocken fahre ich herum und da steht er: der Mann, wegen dem ich mich freiwillig ausgeschlossen habe. Sein gelbes Shirt mit dem blau-grünen, feuerspeienden Drachen darauf lenkt mich kurz von seinem hübschen Gesicht ab, in dem allerdings Panik geschrieben steht.

»Constantin, komm schnell! Rory hat sich wehgetan!«

Mein Nachbar ist sofort auf den Beinen und rennt in den Flur. Ohne groß darüber nachzudenken, folge ich beiden in die Küche. Dort angekommen, erfahre ich endlich, wo die Jungs die ganze Zeit getobt haben. Der Raum, den ich als Abstellkammer nutze, ist in dieser Wohnung ein kleines, aber wunderschönes Spielzimmer, in dem jedoch gerade das Chaos regiert.

»Was ist passiert, mein Engel?«, höre ich Herrn Eichner sagen. Er hockt auf dem sonnengelben Teppich neben seinem Partner, der sich den Kopf hält und leise wimmert.

»Er ist auf ein Auto getreten, ausgerutscht und mit dem Kopf gegen den Schrank gestoßen«, erzählt sein Kumpel aufgeregt.

Mein Nachbar blickt kurz über seine Schulter und lächelt ihn dankbar an, doch als sein Blick auf mich fällt, schluckt er und wendet sich schnell wieder um. »Komm mit in die Küche. Wir müssen das kühlen.«

Da der junge Mann neben mir immer noch völlig aufgelöst und offenbar starr vor Schreck ist, umfasse ich behutsam seinen Arm und ziehe ihn ein Stück von der Tür weg, damit meine Nachbarn zum Tisch gehen können.

»Hast du dir auch wehgetan, Kleiner?«, frage ich leise.

Der junge Mann schüttelt den Kopf und lehnt sich leicht gegen mich, als würde er Halt suchen. Ganz bestimmt registriert er kaum, was er da tut, aber es ist offensichtlich, dass er Trost braucht.

»Wie heißt du denn?«

»Korbi«, flüstert er, wendet den Blick aber nicht von seinem Kumpel ab.

»Hallo, Korbi. Ich bin Derek. Ist es okay, wenn ich dich tröste?« Der Arme sieht so verloren und hilflos aus, dass ich gar nicht anders kann, als es anzubieten, auch wenn wir praktisch Fremde sind.

Da er nickt, dirigiere ich ihn zum Tisch, setze mich auf den Stuhl an der Wand und ziehe Korbi auf meinen Schoß. Das leise, beruhigte Seufzen, als sein Hintern auf meinen Oberschenkeln landet, lässt mein Herz ein bisschen schneller schlagen.

Er kuschelt sich sofort an meine Brust und lehnt den Kopf gegen meine Schulter, bevor er leise schnieft und sich mit dem Handrücken über die Augen wischt.

»Hey, es wird alles wieder gut.« Behutsam lege ich eine Hand auf sein Bein und streichle mit der anderen über seine Taille. »Deinem Freund geht es bestimmt gleich besser. Euer Daddy verarztet ihn, siehst du?«

»Ja«, flüstert Korbi und blickt mich einen Moment lang verwundert an, als wenn er erst jetzt registriert, dass er auf dem Schoß eines völlig Fremden sitzt. Im nächsten Moment lächelt er jedoch und wendet sich wieder zu seinem Freund um.

Gemeinsam beobachten wir, wie Herr Eichner seinen Partner tröstet, ihm ein Kühlkissen auf die Beule über der Stirn drückt und ihm dann den Socken auszieht, um auch seinen Fuß zu inspizieren.

Angesichts des Blutflecks auf dem ursprünglich weißen, mit Rennautos bedruckten Stoff atmet Korbi erschrocken ein und vergräbt das Gesicht an meiner Halsbeuge. Ich drücke ihn fester an mich und reibe sanft über seinen Rücken und seine Schulter. Mein Blick fällt auf die Malsachen auf dem Tisch und mir kommt eine Idee, wie ich ihn ablenken könnte.

»Wie wäre es, wenn du deinem Kumpel ein Bild malst?«, flüstere ich Korbi ins Ohr. »Darüber freut er sich doch bestimmt. Was malst du denn am liebsten?«

»Autos und Drachen«, antwortet er kaum hörbar.

Als ich meinen Arm ausstrecke, um den Malblock und das Glas mit den Stiften heranzufischen, richtet er sich auf. Ich rutsche mit dem Stuhl zum Tisch ran, sodass Korbi beim Malen seitwärts auf meinem Schoß sitzen bleiben kann, und lege ein leeres Blatt vor ihn hin. Kurz blickt er noch mal zu seinem Kumpel, dann zieht er einen grünen Buntstift aus dem Köcher und beginnt zu malen.

Die blutende Wunde entpuppt sich glücklicherweise nur als kleiner Schnitt am Fußballen, der mit einem Pflaster schnell versorgt ist. Auch die Beule am Kopf ist dank des Kühlkissens nicht sehr ausgeprägt. Der Schreck war wohl schlimmer als die Verletzungen.

Während Herr Eichner seinen Partner versorgt und anschließend das kaputte Auto in den Müll wirft, damit sich nicht noch mal jemand daran verletzen kann, ist Korbi in sein Blatt vertieft. Hin und wieder blickt er besorgt zu seinem Freund hinüber, doch als ich ihm behutsam über den Rücken streiche, entspannt er sich gleich wieder.

»Was ist das für ein Drache, den du da malst? Ein Wasserdrache?«, frage ich leise, um ihn von den blutigen Taschentüchern abzulenken, die Herr Eichner gerade in den Müll wirft.

Korbi schüttelt den Kopf und schielt aus dem Augenwinkel zu mir rüber. »Das ist ein Dino. Die mag Rory lieber.«

»Ah, verstehe. Aber du magst Drachen, richtig?«

Diesmal dreht er den Kopf schon weiter zu mir. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen, während sein Blick über mein Gesicht huscht. »Ja. Drachen sind cool.« Er schluckt. »Du bist Rorys und Cons Nachbar von unten drunter.«

»Stimmt«, sage ich überrascht, dass er das weiß.

»Bist du –«

Bevor er seine Frage beenden kann, räuspert Herr Eichner sich, sodass wir aufblicken. Er steht mit verschränkten Armen am Tisch und so ernst, wie er mich anstarrt, nehme ich schluckend die Hand von Korbis Rücken.

Mein Nachbar mustert mich noch einen Moment lang, dann richtet er seine Aufmerksamkeit auf Korbi und streckt ihm die Hand hin. Der Kleine nimmt sie zögerlich und lässt sich von meinem Schoß ziehen.

»Was ist los? Ich bin noch nicht mit dem Bild fertig.«

»Du kannst es später weitermalen«, sagt Herr Eichner an Korbi gewandt, bevor er sich zu seinem Partner umdreht. »Geht erst mal rüber.«

Mein anderer Nachbar beobachtet mich grimmig, nickt aber und dirigiert Korbi aus der Küche.

Kaum sind die beiden im Spielzimmer, wirbelt Herr Eichner zu mir herum. »Was zum Teufel soll das hier werden?«

Abwehrend hebe ich die Hände und stehe auf. »Es tut mir leid. Ich wollte weder Sie noch Ihre Littles bedrängen.«

»Meine Littles?«

Ich zögere. »Ähm... ja? Ich dachte...« Heilige Scheiße, hoffentlich habe ich die ganze Situation nicht völlig missverstanden. Aber eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen, denn Korbi hat mir quasi bestätigt, dass Herr Eichner ein Daddy ist. »Ich höre die beiden gelegentlich beim Spielen«, füge ich hinzu und atme tief durch. »Ich wollte wirklich keinem von Ihnen zu nahe treten, sondern nur Korbi trösten. Er sah wegen des kleinen Unfalls so erschüttert aus, dass ich instinktiv gehandelt habe.«

»Instinktiv?«

»Ja.«

Mein Nachbar mustert mich immer noch argwöhnisch. »Sie haben sich nicht ausgeschlossen, oder? Warum sind Sie wirklich hier?«

»Ich komme ohne den Schlüsseldienst wirklich nicht mehr in meine Wohnung.« Es ist immerhin die Wahrheit. »Aber ich bin absichtlich zu Ihnen gekommen. Ich habe mitbekommen, dass Korbi ab und zu mal zum Toben kommt und als ich heute Mittag gesehen habe, dass er ins Haus gegangen ist –«

»Wie bitte? Wie lange beobachten Sie ihn denn schon?«

»Was? Nein! Nein, ich habe ihn nicht beobachtet. Nur zufällig gesehen.«

Es ist offensichtlich, dass Herr Eichner mir kein Wort glaubt. »Sie gehen jetzt besser.«

»Bitte, ich kann alles erklären«, versichere ich, denn er scheint mich für einen Stalker zu halten, doch mein Nachbar geht bereits in den Flur und öffnet die Wohnungstür.

Seufzend erhebe ich mich und folge ihm. Ich bin die Sache völlig falsch angegangen. Natürlich versucht er, seine Littles und sich zu schützen. Ich würde es genauso machen. Damit habe ich mir die Chance, Korbi näher kennenzulernen, wohl endgültig verbaut.

»Ich wollte Sie wirklich nicht bedrängen«, versichere ich, an der Wohnungstür angekommen, noch mal.

»Gehen Sie jetzt.«

»Wartet! Bitte.«

Mein Nachbar und ich drehen uns zu Korbi um, der in der Küchentür steht und uns mit großen Augen anstarrt. Er atmet tief durch, dann lächelt er zaghaft und kommt auf uns zu.

»Ich... Danke. Für eben, meine ich.«

»Gern geschehen«, sage ich lächelnd, gerührt von seinen schüchternen Worten, und sehe dann Herrn Eichner an, der den Blick jedoch auf seinen Kumpel gerichtet hat. Bevor ich noch etwas sagen kann, tritt Herr Bittmann, mein anderer Nachbar, in den Flur. Seine Miene ist noch genauso grimmig wie vor ein paar Minuten. Allerdings scheint er generell kein fröhlicher Typ zu sein. Zwar ist er stets freundlich, wenn wir uns im Treppenhaus begegnen, aber auch eher reserviert. Vermutlich lebt er sein inneres Kind nur gelegentlich aus.

»Korbi«, mahnt er, woraufhin sein Freund sich kurz zu ihm umblickt.

»Ich komme gleich.« Er richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf mich und streckt mir die Hand hin, wobei seine Mimik keinen Zweifel daran lässt, dass ich den erwachsenen Korbi vor mir habe. »Ich bin Korbinian.«

»Derek«, stelle ich mich noch mal vor und schüttle seine Hand. Anschließend sehe ich Herrn Bittmann an. »Ich hoffe, es geht Ihnen wieder besser.«

Seine Wangen werden rot und er nickt knapp, verzieht aber keine Miene. Für einen Moment breitet sich unangenehmes Schweigen aus, während Korbi mich schüchtern anlächelt und meine Nachbarn offenbar eine stumme Unterhaltung führen.

»Okay«, sage ich schließlich und räuspere mich. »Ich warte dann mal auf der Treppe. Könnten Sie den Schlüsseldienst bitte ins Haus lassen?«

Korbi seufzt und wendet sich zu Herrn Eichner um. »Kann er nicht noch bleiben?«

Ehe einer seiner Freunde antworten kann, klingelt es. Mir entgeht die Erleichterung meiner Nachbarn nicht. Was mir jedoch viel mehr zu Herzen geht, ist Korbis offensichtliche Enttäuschung.

Als es ein zweites Mal klingelt und mein Nachbar den Türöffner betätigt, bleibt mir nichts anderes, als mich zu verabschieden, Korbi noch einmal anzulächeln und dem Schlüsseldienst entgegenzugehen.

Kapitel 2

Als Constantin die Tür hinter Derek schließt, überrollt mich eine Welle der Enttäuschung. Der rationale Teil von mir weiß, dass der Mann praktisch ein Fremder und es verrückt ist, ihn zu vermissen. Der Little in mir würde sich jedoch am liebsten auf den Boden werfen und heulen.

Hin- und hergerissen zwischen beiden Gefühlswelten bemühe ich mich, einen Mittelweg zu finden, und sehe Constantin an. »Warum musste er gehen? Kommt er wieder?«

»Unser Nachbar hatte sich nur aus seiner Wohnung ausgeschlossen. Aber nun ist der Schlüsseldienst da und er kann wieder rein.« Con lächelt und deutet hinter sich. »Wie wäre es, wenn ihr noch ein bisschen spielen geht, bis es Zeit für einen Snack ist?«

Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust mehr zu spielen, doch Rory nickt sofort, nimmt meine Hand und zieht mich hinter sich her ins Spielzimmer.

»Wollen wir unseren Stau weiterbauen?« Er hat bereits zwei Flitzer aufgehoben und hält sie mir entgegen.

Automatisch greife ich danach, sehe dann aber über meine Schulter. »Ich hab mein Bild noch nicht fertig.«

»Wir können nachher noch malen«, wirft er ein und macht einen großen Schritt über den vollen Parkplatz auf dem Straßenteppich.

Sicherheitshalber strecke ich die Arme aus, um ihn aufzufangen, falls er wieder ausrutscht, aber diesmal schafft er es ohne Unfall, sich auf der anderen Seite des Teppichs hinzusetzen. Ich knie mich auf die aufgedruckte Wiese und lasse die beiden Autos in meiner Hand zur Ampel vorfahren, die aber auf Rot steht.

»Denkst du, dass dein Daddy dir ein neues Auto kauft?«, frage ich, denn das Cabrio, auf das er getreten ist, war echt cool.

Rory seufzt. »Hoffentlich.«

»Vielleicht kriegst du eins vom Osterhasen geschenkt.«

»Das ist noch voll lange hin«, protestiert er. »Noch zwei Monate.«

»Das ist lange«, bestätige ich mitfühlend, während ich weitere Autos zur Schlange an der Ampel schiebe. »Ich kann dir solange eins von meinen leihen.« Ich habe zwar nicht viele Autos, aber ich weiß ja, dass er normalerweise gut darauf aufpasst.

Rory grinst. »Echt? Danke.«

»Aber nicht das gelbe.« Das kann ich ihm nicht geben, weil Gelb meine Lieblingsfarbe ist.

»Okay.«

Eine Weile spielen wir Stau, bis Rory anfängt, aus Spaß Unfälle zu bauen, und der Rettungswagen es nicht mehr schafft, alle Verletzten rechtzeitig ins Krankenhaus zu fahren. Leider finden wir aber den Rettungshubschrauber nicht und ohne den macht es keinen richtigen Spaß.

»Können wir wieder malen?«, frage ich, bevor Rory einen Lkw in die wartenden Autos steuern kann.

Er hält inne und schiebt die Unterlippe vor. »Jetzt schon?« Als ich nicke, seufzt er. »Na gut.« Ich will aufstehen, doch er hält meinen Fuß fest, sodass ich ihn böse anschaue. »Wir müssen erst aufräumen.«

»Können wir das nicht später machen?«

»Ich glaub nicht. Daddy mag es nicht, wenn wir Unordnung liegen lassen.«

»Wieso denn Unordnung? Wir spielen nachher doch weiter.«

Rory sieht nicht sehr überzeugt aus und schüttelt auch gleich den Kopf. »Lieber nicht. Wir können die Autos dann ja wieder rausholen.«

Seufzend knie ich mich wieder hin und suche meine Renner aus dem Unfallchaos, bevor ich Rory helfe, seine Flitzer und die Verkehrszeichen wieder in die richtigen Kisten zu räumen. »Denkst du, Derek kommt heute noch mal her?«

Verdutzt sieht Rory mich an. »Nein. Wieso sollte er?«

»Weiß nicht«, murmle ich und merke, wie mein Kopf heiß wird. »Er ist auch ein Daddy, oder?«

Rory hält mit einem Laster in der Hand inne. »Meinst du?«

Ich nicke eilig, denn da bin ich mir ganz sicher. »Bestimmt. Ich durfte auf seinem Schoß sitzen, er hat mich getröstet und mir Malsachen gegeben und er dachte, dass Constantin unser Daddy ist. Das hat er ihm bestimmt nicht verraten, also muss Derek es selbst herausgefunden haben.«

»Ja, stimmt.« Rory sieht nachdenklich aus. »Aber wie?«

Ich verdrehe die Augen. »Na, weil er auch ein Daddy ist.« Seufzend schiebe ich die Kiste mit den Verkehrszeichen ins Regal und plötzlich muss ich Tränen wegblinzeln.

»Hey, was ist los? Hast du dir wehgetan?«

»Ich hätte so gern einen Daddy«, flüstere ich.

Rory kommt zu mir und schlingt die Arme um mich. »Ich weiß. Bestimmt findest du deinen Daddy bald.« Er ist mein bester Freund, aber manchmal ist er wirklich schwer von Begriff.

»Derek könnte mein Daddy sein.«

Rory schnaubt. »Du kennst ihn doch gar nicht.«

»Weil Constantin ihn weggeschickt hat. Vielleicht sucht Derek ja nach einem Little und wenn er erfährt, dass ich keinen Daddy habe, will er vielleicht gern auf mich aufpassen. Kann doch sein.«

»Ich weiß nicht.« Rory meidet meinen Blick, vermutlich um zu verstecken, dass der Erwachsene in ihm das Denken wieder übernimmt, aber ich sehe es ihm trotzdem an und es nervt mich. »Con hatte bestimmt einen guten Grund, warum er ihn weggeschickt hat.«

Da muss ich ihm recht geben, aber solange ich diesen Grund nicht kenne, bleibt mein innerer Little hoffnungsvoll, was mich mindestens genauso nervt wie das vorzeitige Ende unseres Spiels. »Kannst du ihn fragen? Jetzt?«

»Ich dachte, wir wollen malen?«

Sein Einwand ist dämlich, weil er ganz offenbar nicht mehr im Littlespace ist und mich teilweise mit rausgerissen hat. Dabei hasse ich diesen emotionalen Spagat zwischen den unbeschwerten Gedanken meines inneren Kindes und dem anstrengenden Erwachsensein.

Als er merkt, dass ich ihn durchschaut habe, seufzt er und drückt mich an sich. »Ich frag ihn.«

»Danke.« Gespannt folge ich Rory Richtung Küche, bleibe aber in der Spielzimmertür stehen und beobachte ihn und seinen Partner, der am Tisch sitzt und vermutlich arbeitet.

»Con?«

Constantin blickt von seinem Tablet auf. »Ja?« Er runzelt die Stirn und sein Blick huscht von Rory zu mir und wieder zurück. »Was ist los? Habt ihr was angestellt?«

Rory schüttelt den Kopf. »Nein, keine Sorge. Was war das für eine Aktion mit Herrn Köhler vorhin?«

Als sich Constantins Blick verhärtet, rutscht mir das Herz in die Hose. »Er hat hier nur kurz auf den Schlüsseldienst gewartet«, antwortet er schließlich betont gleichgültig.

»Woher wusste er, dass du Rorys Daddy bist?«, platzt es aus mir raus, bevor ich mich zurückhalten kann, und ich verstecke mich hinter dem Türpfosten, sodass ich gerade so noch um die Ecke schauen kann.

Constantin sieht extrem angespannt aus. »Ich habe es ihm nicht erzählt, falls ihr darauf hinauswollt.«

»Nein, das haben wir auch nicht angenommen«, entgegnet Rory sofort. »Aber er wusste es dennoch.«

»Weil er selbst ein Daddy ist, stimmt's?«, füge ich mit zitternder Stimme hinzu.

Einen Moment lang blickt Constantin mich stumm an, dann hebt und senkt sich seine Brust sichtbar, bevor er die Arme ausbreitet. »Komm mal her, Schätzchen.«

Seit ich ihn und Rory bei meinem ersten Besuch des Ageplay-Stammtischs unserer Stadt kennengelernt habe, ist Constantin so was wie ein Ersatzdaddy für mich. Ich finde es toll, dass er bei jedem Treffen auf mich aufpasst und mich tröstet, wenn ich es brauche, trotzdem kann ich es kaum erwarten, meinen Für-immer-Daddy zu finden.

Meine Nase beginnt zu kribbeln, während ich in Constantins Arme eile und meine Emotionen Achterbahn fahren. Leider ist das beim Auftauchen aus dem Littlespace oft so. Dabei bräuchte ich die Auszeit dringend, denn die Arbeitswoche war furchtbar anstrengend und bereits morgen wartet die nächste Schicht auf mich. Daher habe ich mich sehr auf einen unbeschwerten Nachmittag gefreut. Einfach nur spielen, toben und Zeit mit meinem besten Freund verbringen, ganz ohne die Anstrengungen des Erwachsenensein.

»Korbi oder Korbinian?«, fragt Constantin leise und streicht über meinen Rücken.

»Beide«, antworte ich grummelnd, denn so richtig will ich meinen inneren Little nicht loslassen, auch wenn mir klar ist, dass wir die Diskussion um Dereks plötzliches Auftauchen und seine mögliche Zugehörigkeit zur Ageplay-Szene als Erwachsene führen müssen.

Constantin drückt mich fest. »Wir müssen darüber nicht heute sprechen.«

»Doch, müssen wir«, antworte ich resigniert und löse mich von ihm. »Danke.«

»Jederzeit, Schätzchen.« Er lächelt mitfühlend, als ich mich auf den Stuhl neben Rory setze und den Kopf gegen die Wand lehne. »Ich weiß wirklich nicht, woher unser Nachbar weiß, dass ihr Littles seid. So, wie er dich getröstet hat, gehe ich aber auch davon aus, dass er ein Daddy ist. Allerdings gefällt es mir nicht, dass er gezielt wegen dir hergekommen ist.«

Abrupt richte ich mich auf. »Was? Wieso? Er kennt mich doch gar nicht.«

Ich habe den Mann vorher erst ein einziges Mal gesehen. Das war vor einigen Monaten, als ich zum ersten Mal hier zu Besuch war, und er an der Wohnungstür stand, um ein Paket abzuholen. Im gleichen Moment hatte ich nach Constantin gesucht. Derek und ich haben uns dabei höchstens ein paar Sekunden gesehen. Das kann ihn wohl kaum so beeindruckt haben, dass er heute deswegen hergekommen ist.

»Offenbar hört er euch öfter beim Spielen und hat mitbekommen, dass du gerade hier bist.«

»Waren wir zu laut?«, will Rory wissen.

»Ich denke, er hat sich ausgeschlossen?«, werfe ich ein.

Constantin schüttelt den Kopf. »Er hat mir versichert, dass ihn euer Krach nicht stört«, sagt er an Rory gerichtet und dreht sich dann zu mir. »Mag sein, dass er sich ausgeschlossen hat, aber ich glaube, er ist wirklich gezielt hergekommen, weil er dich kennenlernen wollte.«

»Oh.« Unsicher, wie ich das finden soll, schlucke ich. »Und was machen wir jetzt?«

Nachdenklich presst Constantin die Lippen aufeinander, bevor er seufzt. »Ich bin mir nicht sicher. Eigentlich kam er mir nicht wie ein Stalker vor, aber wir kennen ihn im Prinzip auch nur vom Grüßen im Hausflur. Die Aktion heute war schon ein bisschen... gruselig.«

»Vielleicht ist er ja auch einfach nur auf der Suche nach einem Little und dabei halt unbeholfen«, werfe ich ein, denn so ganz will ich die Hoffnung nicht aufgeben.

»Google ihn mal«, schlägt Rory vor, woraufhin Constantin sofort nach dem Tablet greift und ich mich über den Tisch beuge.

»Hm. Auf Facebook ist er nicht, aber es gibt einen Derek Köhler bei LinkedIn. Das ist er doch, oder?« Er dreht das Tablet zu uns und schon beim ersten Blick auf das Profilbild nicken Rory und ich synchron.

»Er ist Bereichsleiter. Klingt erst mal seriös«, bemerke ich, während Constantin bereits das Unternehmen sucht, für das Derek arbeitet. »Oh, bei einer Gebäudereinigung.«

Jemand, der eine Führungsposition in einer Putzfirma hat, schreit jetzt nicht wirklich nach Stalker. Nicht, dass es den typischen Stalker gibt, aber wahrscheinlicher ist doch, dass gerade unsere Fantasie mit uns durchgeht und wir Derek unrecht tun.

Allerdings weiß ich nicht wirklich, wie es jetzt weitergehen soll. Der Little in mir würde am liebsten einfach die Treppe hinuntermarschieren und an Dereks Tür klopfen. Mein erwachsenes Ich hat da jedoch Hemmungen. Außerdem kann ich gerade nicht einschätzen, wie ich reagieren würde, wenn Constantin die ganze Sache falsch interpretiert, sein Nachbar hergekommen ist, um nicht auf der Treppe warten zu müssen, und nur nett sein wollte, als er mich dann getröstet hat. Womöglich hält er mich für durchgeknallt oder zurückgeblieben. Und im schlimmsten Fall ist er tatsächlich ein Daddy, will mich aber nicht als Little.

»Schätzchen.« Constantins Hand schiebt sich in mein Blickfeld und hält den Buntstift fest, mit dem ich unbewusst angefangen habe zu kritzeln. »Möchtest du, dass ich runtergehe und noch mal mit Derek spreche?«

Ich sehe auf und zucke mit den Schultern. »Weiß nicht. Was, wenn er nicht mein Daddy sein will?«

Rory schnaubt. »Du musst ihn erst mal kennenlernen, bevor du das überhaupt in Erwägung ziehen kannst.«

»Warum?«

Er starrt mich völlig entgeistert an. »Weil er ein Fremder ist!«

»Das wart ihr doch auch, als ich zum ersten Mal zum Stammtisch gekommen bin, und trotzdem haben die Mommys und Daddys mit auf mich aufgepasst«, werfe ich ein, denn für Rory ist es sicherlich schwer nachvollziehbar, wie es ohne Daddy ist. Er hat erst vor ein paar Jahren mit Constantin zusammen herausgefunden, dass er ein Little ist, und kam somit nie in die unbefriedigende Situation, allein unter Gleichgesinnten zu sein und während des Littlespace keine feste Bezugsperson zu haben.

Rory seufzt. »Das ist was anderes.«

»Nein, ist es nicht«, entgegne ich ruhig, damit er merkt, dass es mir ernst ist. »Constantin und die anderen haben immer auch ein Auge auf mich. Das hatten sie von Anfang an ganz instinktiv und ohne, dass ich sie darum gebeten habe. Genau das ist doch der Unterschied zwischen den Leuten, für die Ageplay nur ein Fetisch ist, und uns, die es leben. Und als Con vorhin mit dir beschäftigt war, hat Derek keine Sekunde gezögert.«

Rory presst die Lippen aufeinander und atmet tief durch, dann blickt er Hilfe suchend zu seinem Partner. Auch in Cons Augen kann ich Zweifel ablesen, aber er drückt meine Hand und erhebt sich schließlich.

»Macht keinen Unsinn, solange ich weg bin.«

Augenblicklich beginnt es in meinem Bauch zu kribbeln und mein Herz erhöht das Tempo. Als Con die Wohnungstür hinter sich zuzieht, sehe ich Rory an, der offenbar ganz und gar nicht zufrieden mit der Entscheidung seines Partners ist.

»Bist du sauer?«, hake ich vorsichtig nach.

Er antwortet nicht gleich, schüttelt dann aber den Kopf. »Nein, aber mir gefällt es nicht, dass unser Nachbar hiervon weiß.«

»Oh. Tut mir leid, daran habe ich überhaupt nicht gedacht.«

Rory und Constantin sind neun Jahre älter als ich und Inhaber einer Werbeagentur. Außer dem Stammtisch und Rorys Bruder weiß niemand etwas von ihrer Daddy-Little-Beziehung, denn ihr Ruf könnte leiden, wenn potenzielle Geschäftspartner davon erfahren.

Normalerweise trennen sie Berufs- und Privatleben strickt, aber mittlerweile sind wir so gute Freunde geworden, dass Rory und ich hin und wieder zusammen zum Mittagessen gehen. Als der zugeknöpfte Buchhalter und Geschäftsführer im Anzug, der er vormittags ist, wirkt er definitiv seriöser als der Little, der in einem mit Zootieren bedruckten T-Shirt auf dem Boden sitzt und mit Dinos oder Autos spielt, um den Alltagsstress für ein paar Stunden zu vergessen.

Er schluckt. »Du kannst nichts dafür. Con hätte ihn vorhin gar nicht erst reinlassen dürfen.«

»Er wollte ihm nur helfen«, werfe ich ein, denn ich möchte nicht, dass sie sich deswegen später noch streiten.

»Ich weiß«, antwortet Rory grummelnd und blickt mich dann ernst an. »Bitte versprich mir, dass du ihm erst mal noch nichts allzu Persönliches über dich erzählst.«

»Ich versuche es«, antworte ich ausweichend, denn als Korbi habe ich nicht immer Einfluss darauf, was ich plappere. Aber ich bin mir sicher, dass Rory nicht in den Littlespace findet, solange jemand Fremdes dabei ist, und er und Con daher auf mich aufpassen werden. »Ihr seid ja bei mir.«

Rory drückt mich kurz an sich, dann steht er auf. »Lass uns den Tisch decken.«

»Na endlich. Die Dinger lachen mich die ganze Zeit schon an«, sage ich und deute auf die bunten Cake-Pops, die Rory für unseren Spielenachmittag gebacken hat.

Zu zweit haben wir die Malsachen schnell zusammengeräumt und das Geschirr auf dem Tisch verteilt. Gerade als Rory frische Bohnen in ihre Hightech-Kaffeemaschine füllt, ertönen Constantins und Dereks Stimmen im Flur.

Mein Herz klopft plötzlich bis in meinen Hals hinauf und mir entweicht ein aufgedrehtes Quietschen. Im nächsten Moment überkommt mich Panik. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder mich verstecken soll. Rory bemerkt die Veränderung in mir offenbar, denn er zieht mich an seine Brust. Ich bin selbst überrascht, wie schnell mein innerer Little hervorprescht, aber mit der Gewissheit, dass mein bester Freund auf mich aufpasst, drifte ich unaufhaltsam in den Littlespace ab. Die Anspannung lässt spürbar nach, unsere gemalten Kunstwerke am Kühlschrank wirken plötzlich bunter und es ist, als hätte jemand sämtliche Erwachsenen-Gedanken ausgeschaltet.

Kapitel 3

Als es eine halbe Stunde, nachdem der Schlüsseldienst mich in meine Wohnung gelassen hat, klingelt und mein Nachbar vor mir steht, bin ich völlig überrascht.

»Herr Eichner, hallo. Mit Ihnen hatte ich nicht mehr gerechnet«, sage ich mit immer noch schlechtem Gewissen wegen meiner dämlichen Aktion vorhin.

Im Nachhinein betrachtet musste es für ihn natürlich so aussehen, als würde ich Korbi stalken. Allerdings hat er mir auch keine Gelegenheit gegeben, mich zu erklären. Hoffentlich ist sein Besuch ein gutes Zeichen und ich bekomme jetzt die Chance dazu.

»Darf ich kurz reinkommen?«

Ich halte ihm die Tür auf und schließe sie hinter ihm, da ja nicht das ganze Haus mitbekommen muss, worüber wir sprechen, bevor ich ihn erwartungsvoll ansehe. »Geht es Ihrem Partner denn wieder gut?«

Er räuspert sich. »Der Schreck war größer, als die Beule wird. Aber ich bin nicht wegen Rory hier, wie Sie sich sicher denken können.« Als ich nicke, seufzt er. »Ihre Aktion war absolut dämlich.«

»Ich weiß. Es tut mir leid, dass ich Sie in eine missliche Lage gebracht habe. Und wenn ich jemandem Angst gemacht haben sollte, dann war das wirklich nicht meine Absicht. Ganz im Gegenteil.«

»Was war Ihre Absicht?«

»Korbi kennenzulernen. Ich weiß, dass das genauso unglaublich klingt, weil ich ja weder ihn noch Sie wirklich kenne, aber ich höre die Jungs öfter toben und na ja...« Unsicher, wie ich es formulieren soll, zucke ich mit den Schultern. »Das klingt jetzt bestimmt kitschig, aber die beiden lachen und herumrennen zu hören, lässt halt mein Daddy-Herz höherschlagen.«

»Woher wussten Sie, dass die beiden Littles sind? Nur anhand der Geräusche konnten Sie sich nicht sicher sein.«

»Das war ich mir auch nicht. Ich habe es gehofft, aber nie so richtig eine Möglichkeit gesehen, wie ich Sie darauf ansprechen könnte. Heute Mittag habe ich Korbi dann ins Haus gehen gesehen und war mir sicher, dass er ein Little-T-Shirt anhat, weil ich genau das Oberteil erst kürzlich in einem entsprechenden Onlineshop gesehen habe.«

»Und da haben Sie gedacht, dass Sie einfach einen Notfall vortäuschen, um Zutritt zu unserer Wohnung zu bekommen?«

Wenn er es so formuliert, klingt es tatsächlich gruselig. »Im Prinzip ja, aber auf keinen Fall in böser Absicht, das müssen Sie mir glauben. Ich hab einfach keine andere Chance gesehen und so oft kommt er ja nicht zu Besuch.«

Herr Eichner mustert mich einen Moment stumm, dann atmet er tief durch. »Sie sind also ein Daddy?«

»Ja«, antworte ich, irritiert, dass er das offenbar immer noch infrage stellt.

»Was erhoffen Sie sich von einem Little?«

»Ich bin mir nicht sicher, worauf Sie hinauswollen, aber ich würde mich gern wieder um einen kleinen Sonnenschein kümmern. Ihm einen sicheren Platz zum Spielen geben, aufpassen, dass er im Littlespace vernünftig isst und trinkt, ihn trösten, mit ihm kuscheln, ihm vorlesen oder was er eben sonst braucht und von mir annehmen möchte.«

Mein Nachbar nickt. »Ich muss zugeben, dass mir immer noch nicht wohl bei der ganzen Sache ist, aber Korbi möchte Sie gern kennenlernen.«

»Das freut mich riesig«, antworte ich und selbst wenn ich es wollte, könnte ich mein Lächeln nicht zurückhalten. »Kann ich Ihnen meine Handynummer geben und Sie reichen sie an ihn weiter?«

»Mit diesem Vorschlag haben Sie sich gerade Pluspunkte verdient.« Herr Eichner schmunzelt. »Wie wäre es stattdessen mit einem zweiten Kaffee? Wenn Korbi Ihre Handynummer später immer noch haben will, können Sie das ja untereinander ausmachen.«

»Oh. Na klar, gern.« Ich gehe ins Wohnzimmer, um den Fernseher auszuschalten, und greife anschließend nach meinem Handy und dem Schlüssel.

»Haben Sie sich wirklich ausgeschlossen?« Als ich nicke, runzelt er die Stirn. »Versehentlich?«

Seufzend schüttle ich den Kopf, auch wenn das meine Pluspunkte vermutlich gleich wieder zunichtemacht. »Hat mich sämtliches Bargeld gekostet. Falls es Sie erleichtert: Offenbar sind unsere Wohnungstüren nicht leicht zu knacken.«

Er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Warum haben Sie den Schlüssel nicht in der Hosentasche oder im Socken versteckt? Dann hätten Sie zumindest nur die Anfahrt bezahlen müssen.«

Verdutzt halte ich mit der Hand auf der Türklinke inne. »Oh verdammt, darauf bin ich nicht gekommen.«

Herr Eichner lacht. »Ich würde ja sagen, merken Sie sich das fürs nächste Mal, aber... lieber nicht. Jetzt lassen Sie uns nachsehen, was die beiden da oben allein treiben. Rory ist zwar nicht mehr im Littlespace und sie haben auch schon aufgeräumt, aber ich weiß nicht, was die beiden für heute Nachmittag noch geplant haben.«

Schnellen Schrittes folge ich meinem Nachbarn in seine Wohnung. Da ich davon ausgehe, den erwachsenen Korbinian kennenzulernen, bin ich überrascht, ihn wieder als Little anzutreffen, aber vermutlich ist es eine Schutzfunktion, denn er steht an Herrn Bittmanns Brust gepresst und blickt mich schüchtern an.

»Hallo noch mal«, grüße ich lächelnd, woraufhin Korbi grinst und winkt, sich aber wohl noch nicht sicher genug fühlt, um sich von seinem Kumpel zu lösen.

Herr Bittmann streicht über Korbis Rücken und nickt mir zu. »Hallo. Können wir Ihnen einen Kaffee anbieten?« Er trägt zwar noch sein Zootier-Shirt, ist aber definitiv nicht mehr Little, was völlig in Ordnung ist.

»Gern.«

»Cake-Pops auch«, wispert Korbi nicht ganz so leise, wie er es vielleicht vorhatte.

Es ist absolut süß, wie schüchtern er ist, denn als ich grinse, senkt er verlegen lächelnd den Kopf. »Isst du auch so gern Kuchen, Korbi?«, frage ich und reibe mir demonstrativ über den Bauch.

Er nickt eilig und blickt mich mit großen Augen an. »Kannst du backen?«

Unentschlossen wiege ich den Kopf, denn ich will nichts versprechen, was ich vielleicht nicht halten kann. »Mir gelingt nicht alles, aber Muffins mit Schokostückchen kriege ich ganz gut hin.«

Seine Augen fangen an zu strahlen. »Ich liebe Schokolade.«

»Da sind wir schon zwei«, sage ich zwinkernd, woraufhin er kichert.

Herr Bittmann streicht ihm noch einmal über den Rücken, dann schiebt er ihn ein Stück von sich. »Was möchtest du trinken?«

»Cappu–«

»Nichts mit Koffein«, fällt Herr Eichner ihm kopfschüttelnd und in absoluter Daddymanier ins Wort. »Du hast heute Mittag gesagt, dass du dann heute Nacht nicht schlafen kannst.«

»Das geht schon«, winkt Korbi ab, wobei sein Blick kurz zu mir huscht und meine Nachbarn sich skeptisch ansehen.

»Lieber nicht. Wie wäre es mit einem Kakao?«, schlägt Herr Eichner schließlich vor und ich sehe Korbi an, dass er kurz davor ist zu protestieren.

»Davon würde ich auch einen nehmen«, sage ich daher schnell, womit ich Korbi sichtlich den Wind aus den Segeln nehme, denn er hält mit offenem Mund inne.

Ein Schmunzeln huscht über das Gesicht meines Nachbarn, als er nickt, bevor er die Kühlschranktür öffnet und Milch rausholt. Offenbar kann man mit ihrer Kaffeemaschine so ziemlich jedes Heißgetränk zubereiten, denn nur ein paar Minuten später sind wir alle versorgt und sitzen am Küchentisch.

»Greift zu.« Herr Eichner deutet auf die Küchlein am Stiel, die mit Schokolade und bunten Streuseln verziert sind und in einem Styroporwürfel stecken.

»Egal, welchen?«, fragt Korbi, der neben mir sitzt und sich gedankenverloren über die Lippen leckt.

Herr Eichner grinst. »Ganz egal. Nimm den, der für dich am leckersten aussieht.«

Nachdem er sich einen ausgesucht hat, beäugt er die anderen. »Kann Lilo auch einen haben?«

Herr Bittmann schnaubt. »Netter Versuch.«

»Wer ist denn Lilo?«, frage ich neugierig, nur leider etwas zu spät, denn Korbi hat sich bereits das ganze Kuchenbällchen in den Mund gesteckt und kaut nun eilig. »Entschuldige. Iss in Ruhe und verschluck dich bitte nicht.«

Seine Augen werden riesig und für einen Moment zögert er, bevor er aufspringt und immer noch kauend in das kleine Spielzimmer rennt. Kurz darauf kommt er mit einer Plüschgiraffe zurück.

»Das ist Lilo.«

Er hat Schokolade im Mundwinkel und es juckt mir in den Fingern, einen Lappen zu holen und sie ihm wegzuwischen, aber erstens habe ich keinen Lappen und zweitens ist er sicher noch nicht fertig mit Essen. Zudem sind wir noch lange nicht so weit. Ich weiß nicht mal, in welches Alter er im Littlespace zurückfällt, freue mich aber riesig, dass er mir sein Plüschtier zeigt.

»Hallo, Lilo. Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen«, begrüße ich die niedliche gelbe Giraffe, woraufhin Korbi lacht, sich wieder auf seinen Stuhl setzt und einen zweiten Cake-Pop nimmt. »Ich bin mir nicht so sicher, ob Giraffen Schokolade essen sollten. Nicht, dass sie Bauchweh bekommt«, werfe ich ein und sehe aus dem Augenwinkel, wie meine Nachbarn vergeblich versuchen, sich das Grinsen zu verkneifen.

Korbi schürzt die Lippen, eindeutig nicht erfreut über die Aussicht, kein zweites Schokobällchen zu ergattern. »Vielleicht nur ein kleines Stück? Ich teile mit Lilo.«

»Das könnte gehen«, sage ich, was ihn wieder strahlen lässt. »Pass aber gut auf, dass sie sich nicht vollschmiert. Schokolade kriegt man ganz schlecht aus dem Fell.«

»Woher weißt du das? Hast du einen Hund?« Korbis ängstlicher Blick sagt mir, dass wir bei einem Ja ein großes Problem hätten, daher bin ich froh, den Kopf schütteln zu können.

»Ich habe keine Haustiere.«

Seine Angst weicht einem Stirnrunzeln. »Warum nicht? Magst du keine Tiere?«

»Doch, schon. Als Kinder hatten meine Schwester und ich immer Katzen.«

»Was ist dann das Problem?«, mischt sich Herr Bittmann ein, sodass ich ihn ansehe. »Zu wenig Zeit?«

»Auch«, gebe ich zu. »Ich bin Single und berufstätig. Es wäre für so ziemlich kein Tier schön, die meiste Zeit des Tages allein zu Hause zu sein. Davon abgesehen sind mein Schwager und mein Neffe stark allergisch auf Tierhaare.«

»Das ist blöd«, nuschelt Korbi mit vollem Mund. Da ihm dabei auch ein paar bunte Streusel entweichen, sehe ich ihn tadelnd an, woraufhin er innehält und dann langsam kauend den Blick senkt.

Ich warte, bis er aufgegessen hat. »Hast du dein Bild denn noch fertig gemalt? Darf ich es vielleicht sehen?«

»Oh, nein, das ist noch nicht fertig«, sagt er traurig, doch gleich darauf erhellt sich seine Miene wieder. »Wir haben Stau gespielt. Ich hab meine Autos mitgebracht, obwohl Rory echt viele hat. Viel mehr als ich.«

Bei dieser Offenbarung färben sich die Wangen meines Nachbarn feuerrot und er wirft Korbi einen grimmigen Blick zu, dabei ist es doch völlig in Ordnung, ein Autofan zu sein.

»Was habt ihr für heute noch geplant?«, will Herr Eichner von seinem Partner wissen.

Korbi kommt ihm jedoch mit einer Antwort zuvor. »Wir wollen Arrietty gucken.« Seine Augen beginnen zu leuchten und er springt wieder vom Stuhl. »Ich hab extra die DVD mitgebracht. Wartet.«

»Wasch dir die Hände, bevor du an deinen Rucksack gehst!«, ruft Herr Eichner ihm nach. »Korbi?«

Als keine Reaktion kommt, steht Herr Bittmann auf. »Ich gehe mal nachsehen.«

Eigentlich wurde ich zum Kaffee eingeladen, daher weiß ich nicht, inwiefern ich noch zum Filmschauen bleiben kann. Falls nicht, möchte ich Korbi wirklich gern meine Telefonnummer geben, ihn dafür aber auf keinen Fall aus dem Littlespace reißen.

»Korbi ist ein Riesenfan von Anime-Filmen«, erzählt Herr Eichner, als ihm die angespannte Stille zwischen uns offenbar auch auffällt, und erhebt sich, um die übrig gebliebenen Cake-Pops abzudecken.

Ich sammle die Holzspieße ein und wische anschließend Korbis Krümel zusammen. »Und der, den er gucken möchte, ist ein Anime?«, frage ich nach, kenne mich damit aber leider überhaupt nicht aus.

Mein Nachbar grinst. »Davon gehe ich stark aus, ja.« Er zögert kurz, dann deutet er mit dem Kopf Richtung Wohnzimmer. »Ich frage Korbi gleich noch mal, aber wenn es ihm recht ist, können Sie gern noch bleiben.«

»Oh, sehr gern. Danke.«

Er nickt, dann wendet er sich zur Spülmaschine um. Ich helfe, indem ich ihm das Geschirr rübergebe.

Noch während mein Nachbar den Tisch abwischt, kommt Korbi ins Zimmer gestürmt. »Kommt, es geht gleich los. Rory hat die DVD schon eingelegt.«