Morgan Cooper - Rouven Larsson - E-Book

Morgan Cooper E-Book

Rouven Larsson

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Beschreibung

Nun, was passiert, wenn etwas passiert, dass niemand in dem Umfang für möglich gehalten hätte? Wie verändert sich das Leben eines Mannes, der einen erfolgreichen Beruf hat, mit seinem Leben soweit zufrieden ist und dann doch vom Schicksal einen herben Rippenschlag bekommt?
Wir begleiten ihn einfach ein wenig durch sein Leben, früher, heute, und auch ein Stück weit in die Zukunft.
Wir erfahren etwas über seine Kindheit, seine Ausbildung, seinen Beruf, sein Liebesleben und... tja, nun auch etwas darüber, wie das Schicksal einem das Leben ordentlich auf den Kopf stellen kann.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Rouven Larsson

Morgan Cooper

Smartes Lächeln, heiße Reifen

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Vorwort

Kurioserweise schreibe ich dieses Mal das Vorwort nach dem Beenden des letzten Kapitels und muss deswegen auch ein wenig auf meine Wortwahl achten, um nicht zu viel vorweg zu nehmen. Ich durfte Morgan nun gut ein-dreiviertel Jahre begleiten, wenn ich die Recherchezeit mit einrechne sogar noch um einiges länger. In den Wochen und Monaten ist er anhand meines Bleistiftes gewachsen und hat sich teilweise in Richtungen entwickelt, die ich vorher so nicht vermutet hätte. Deswegen finde ich genau das immer sehr spannend, den Char einfach nur selbständig reagieren zu lassen und mir seine Entwicklung dabei anzuschauen, ohne vorher für jedes Kapitel ein grobes Raster zu entwerfen. Natürlich gab es so zwei bis drei Punkte, die ich in der Geschichte unterbringen wollte, weil sie wichtig für die Handlung waren, aber ansonsten durfte er einfach nur 'leben'. Und um ehrlich zu sein, ich bin mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Und ich wünsche ihnen viel Vergnügen beim Lesen. Auf eine gute Reise...

Bereits erschienen:

 

ZEITLOS – Nathan Nilsen

Paperback: ISBN: 978-3-7481-5161-6

E-Book: ISBN: 978-3-7438-8699-5

 

WOLF (Sandra Kopta und Rouven Larsson)

Paperback: ISBN 978-3-7481-3861-7

E-Book: ISBN 978-3-7438-9946-9

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

© 2021 Rouven Larsson

Prolog

Ein Meter neunzig groß, ansonsten eine durchtrainierte und schlanke Figur. Dunkelbraune Haare, ein längliches Gesicht mit vorwitzig dreinblickenden grün-braunen Augen. So sieht mir der Mann im Spiegel entgegen. Ein zufriedenes Grinsen ist zu sehen, heute ist ein guter Tag.

Mir ist durchaus bewusst, dass ich optisch ein Frauenmagnet bin, dennoch nutze ich das nicht böswillig aus. Und doch ist es eindeutig eine kleine Schwäche von mir, schönen Frauen nicht widerstehen zu können. Im Gegensatz zu einigen anderen Männern, gehe ich damit aber recht offen um. Keine falschen Versprechungen. Denn das gibt nur Ärger. Oh ja, das hatte ich auch schon erleben dürfen. Ja, es gibt durchaus Frauen, die mir das übel nehmen und noch übler darauf reagieren. Wie ich das meine, genauso wie ich es sage!

Während ich meinen Gedanken noch etwas nachgebe, werden nebenher die Hände gewaschen und noch einmal durch die luftig frisierten Haare gestrichen, ehe ich mit dem Koffertrolley den Toilettenbereich des Flughafen Heathrow verlasse.

Mein anderes Gepäck ist schon aufgegeben und bis zu meinem Flug noch massig Zeit, das ruft gerade zu danach einen gemütlichen Kaffee zu genießen.

Eine aufregende Zeit liegt hinter mir, und ich bin gespannt was mich an meinem Reiseziel noch erwartet. Also suche ich mir einen freien Sitzplatz, stelle den kleinen Businesstrolley so beiseite dass er nicht im Weg steht und es dauert nicht lange, bis eine freundliche Bedienung an meinem Tisch auftaucht und nach meinen Wünschen fragt.

Beim Anblick der gertenschlanken Rothaarigen tauchen allerlei Wünsche in meinem Kopf auf. Doch die Vernunft lässt nur ein „Einen großen Kaffee, bitte“ über meine Lippen kommen.

„Sehr gerne“, entgegnet sie mit freundlichem Lächeln und verschwindet flinken Fußes Richtung Thekenbereich.

Mein Blick schweift ruhig über die geschäftig daher eilenden Reisenden im Abflugbereich des Flughafens. Groß und klein tummeln sich dort mit Taschen und Koffern, die noch aufgegeben werden möchten. Mürrische Kinder, die es kaum abwarten können in das große Flugzeug zu steigen. Oder das Gegenteil, lautstarker Unmut darüber fliegen zu müssen.

Andererseits sind auch viele Geschäftsleute zu sehen, Männer und Frauen, in Anzügen und Kostümen, Businesstrolleys wie ich bei sich, Mappen oder Handtaschen am Arm, flinken Schrittes zielstrebig den Raum durchquerend.

Das kenne ich noch gut!

Hier sitze ich gerade in bequemer Jeans, Shirt, Lederhalbschuhe; ganz das Gegenteil von noch vor einigen Jahren, als ich ab und an genauso wie besagte Geschäftsmenschen unterwegs war. Zumindest vom Kleidungsstil, nicht in Bezug auf die gesammelten Meilen. Das glauben sie mir nicht?

Meine Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf die herbei strebende Bedienung, die mir mit gewohnt freundlichem Lächeln den Kaffee hinstellt. „Danke sehr“, lächle ich sie ebenso an und warte ab, bis sie sich wieder entfernt hat, ehe ich ihr einen meiner typisch verschmitzten Hasen-Schmunzler folgen lasse.

 

Oh, entschuldigen sie bitte, wo waren wir stehen geblieben? Genau, ich wollte ihnen etwas erzählen. Nun, bis zum Abflug habe ich noch Zeit, wie sieht es bei ihnen aus?

Oh, sie ebenfalls?

Das trifft sich gut! Nun, lassen sie mich beginnen …

John Cooper Work

Der Wecker meines Handys klingelt ohne Erbarmen und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, ehe ich mich im Bett rühre. Verschlafen und völlig zerknautscht drehe ich mich um, taste mit der Hand nach dem Gerät und als ich endlich die Pause-Taste finde, gibt der Quälgeist Ruhe. Erleichtertes Aufseufzen, ich drehe mich mehr im Bettzeug ein.

Fünf Minuten später geht der Terror wieder los! Mir ist klar, dass ich langsam aufstehen sollte. Die Vernunft siegt und dieses Mal verstummt der Alarm endgültig. Die Bettdecke wird weg geschoben und ich setze mich auf die Kante. Bekleidet mit der üblichen Schlafshorts bietet sich ein recht angenehmer Anblick.

Ein gut definierter Oberkörper, kräftige Rückenpartie, vorne sichtlich geformte Bauchmuskeln. Es ist nicht zu übersehen, dass ich sportlicher Natur bin, soweit es Zeit und Wetter zulassen. Bei üblem Wetter weiche ich auf Fitnesscenter oder Hallenbad aus.

Ein wenig wach werden, ehe die Schlafmütze sich erhebt und den Weg ins Bad findet. Immerhin schafft es die kalte Dusche die Augen mehr zu öffnen und den morgendlichen Blindflug so zu beenden. Abtrocknen, das Handtuch um die Hüften geschlungen, und ab zum Zähne putzen, rasieren, das übliche Morgenprogramm, was wohl viele kennen dürften.

Schon wacher führt mich mein Weg ins Schlafzimmer. Am Stillen Diener hängt bereits ein frisches Hemd, ebenso eine schwarze Stoffhose und die Krawatte. Davor stehen Halbschuhe in der gleichen Farbe. Noch eben Unterwäsche und Strümpfe aus dem Schrank gefischt und dann verwandelt sich die zerknautschte Schlafmütze langsam aber sicher in den schicken Bürohengst, den man auf der Arbeit erwartet. Vor dem großen Spiegel des Kleiderschrankes wird noch eben die Krawatte umgelegt und sorgfältig gebunden, ehe ich in die Halbschuhe schlüpfe, sie auf dem Bett sitzend binde und im aufstehen die Hand schon gezielt nach der Anzugjacke greift.

In der Küche folgt ein schnelles vitaminreiches Frühstück, ganz das Gegenteil von der uns sonst so eigenen englischen Mahlzeit. Schnell noch einen Thermobecher Kaffee vorbereitet, zusammen mit ein paar Sandwichs in die Aktentasche verstaut und los geht es. Von meiner Wohnung aus ist es nicht all zu weit bis zur Arbeit und so gehe ich bei entsprechendem Wetter auch gerne zu Fuß.

Fünfzehn Minuten später erreiche ich den Firmenkomplex. Das Logo mit den beiden kleinen Flügeln ist nicht zu übersehen. Auf dem Weg zur Tür ziehe ich schon die Magnetkarte hervor, die bald darauf an der Zeituhr mit einem kurzen Ton meine Ankunft bestätigt. Ein freundliches Nicken zum Mitarbeiter am Empfang, ehe ich durch eine andere Tür Richtung Bürobereich verschwinde.

Hier und da eine freundliche Begrüßung, kurz ein paar Worte gewechselt, dann habe ich auch schon meinen Schreibtisch erreicht. Die Aktentasche ist bald verstaut, die Anzugjacke findet ihren Platz auf einen Bügel an der kleine Garderobe und mein Augenmerk fällt auf das Skizzen-Bord. „Okay, Baby, heute ist es soweit, heute bekomme ich dich fertig.“ Sanft fährt mein Blick über die geschwungenen Linien. Ich greife zum Stift, korrigiere hier und da noch eine Kleinigkeit, ehe ich ihn zufrieden beiseite lege.

Bis zur Mittagspause bastle ich im Büro weiter und die Skizzen nehmen dreidimensionale Formen an! Kurz noch einige telefonische Absprachen mit dem Materialbereich, ob es so machbar ist wie ich es gerade denke. Grünes Licht in allen Punkten! Zufrieden lege ich auf, setze entsprechende Produktnummern ein und speicher alles ab.

Fürs erste ist meine Arbeit hier beendet, wird in den nächsten Bereich geschickt. Jetzt heißt es vorerst, sich mit anderen Aufträgen beschäftigen.

 

„Hallo Morgan, was macht dein Baby?“ Ein Mitarbeiter der Produktion grüßt mich schon von weitem, als ich in der Pause über das Gelände streife und ich geselle mich für einen Moment zu ihm: „Bald ist der Kleine bei euch auf dem Band.“ Das Grinsen auf meinem Gesicht zeigt deutlich, wie zufrieden ich mit dem Ergebnis bin. „Darfst du schon was verraten?“ Sein Blick wird neugierig und entlockt mir ein schmunzelndes Kopfschütteln: „Nur dass es ein JWC in Pepper White wird. Alles andere musst du leider abwarten.“ - „Pepper White, da halte ich glatt die Augen auf. Hab einen schönen Tag“, er hebt grüßend leicht die Hand und unsere Wege trennen sich.

 

Wir liegen gut in der Zeit! Heute endlich ist es soweit! Aufgeregt stehe ich in einem Büro der Fertigung und schaue durch das große Glasfenster. Unten ist ein dezent cremefarbener Mini Cooper zu sehen, Pepper White, um genau zu sein. Das schwarze Faltdach ist offen, genauso wie auch die Motorhaube mit den beiden schwarzen Zierstreifen. Gerade ist Hochzeit! Der Moment, wo der Motor ins Chassis eingebaut wird.

170 KW, die das Gewicht von knapp 1,4 Tonnen spielend bewegen können und dabei noch richtig Spaß machen. Der Blick von oben in das Innere zeigt eine durchgehend dunkle Einrichtung. Runde Elemente, die auf der Mittelkonsole den Bordcomputer und hinter dem Lenkrand Tacho und ähnliches beherbergen. Von der Innenpolsterung der Türen glänzen polierte breite Zierleisten in schwarz hervor, die es noch deutlich sportlicher erscheinen lassen. Als eine Tür geöffnet wird, kommt unten eine schwarz-grau-rote Fußleiste zum Vorschein, mit der Aufschrift 'John Cooper Works'. Der Automatikhebel wird von zwei Becherhaltern und einem runden I-Drive-Drehknopf umringt, den wiederum noch einige kleine Bedienknöpfe umzingeln, alles in allem zur Steuerung des Bordcomputers gedacht. Eindeutig, er macht richtig etwas her und ich bin froh, ihn so realisiert zu haben.

Teils wohlwollendes Schulterklopfen, teils bestätigende Blicke, die mich und mein Team hier oben begleiten und es scheint endlos zu dauern, ehe ein Mitarbeiter unten ein Zeichen gibt, der Motor sitzt! Nun würden sie ihn weiter verarbeiten, bis er dann zum ersten Mal zum Leben erweckt wird!

Für mich bedeutet das erneut, mich erst einmal anderen Dingen zuzuwenden.

 

Und ja, ich spüre innerlich die Aufregung hoch wallen, als der Anruf mich erreicht! Er ist fertig! Zusammen gehen wir hinunter.

Unter einem Tuch verbirgt sich meine Arbeit von Wochen, nein Monaten. Denn es sollte doch genau der Mini werden, den sich jeder in seiner eigenen Garage wünscht. Wenigstens war dies mein Ansporn, während ich die Skizzen fertigte. Ich greife nach dem edlen schwarzen Tuch, das nur durch das große silberne Flügel-Emblem verziert wird und ziehe es dann von dem auf Hochglanz polierten 'John Cooper Works-Mini ala Morgan Sheldon'!

Die ersten offiziellen Fotos werden gemacht, dann folgt der Moment! Ich setze mich hinter das Lenkrad und darf 'meinem Baby' das erste Mal Leben einhauchen! Okay, natürlich lief der Motor schon zu Testzwecken in den entsprechenden Arbeitsschritten. Aber hier und jetzt ist es der Goldflitter meiner Arbeit! In meinem Magen spüre ich die Schmetterlinge Purzelbäume schlagen, ich bin verliebt! Mit einem kurzen Zittern bewegt sich meine Hand an die Mittelkonsole, drückt auf den Start-/Stopp-Hebel und der kräftige Motor springt an! Selbst im Leerlauf hört man es genau, es klingt nach Spaß und Kraft! In Deutschland würde man nun sagen: „Das ist unser kleinster BMW, aber er ist nicht zu unterschätzen!“ Nein, unterschätzen sollte man den kleinen Rennwagen wirklich nicht!

Den Beifall drum herum nehme ich erst richtig wahr, als ich meine Augen wieder öffne, die ich genießend geschlossen habe und in die strahlenden Gesichter sehe. Die nächsten Fotos werden gemacht, wobei die öffentliche Präsentation ja erst noch erfolgt.

„Der Kleine ist echt ein Glanzstück geworden. Die Kontraste zwischen dem Schwarz und Perlmutt sind einmalig. Sorry, Pepper White, ich weiß.“ Die Stimme gehört zu einem Mitarbeiter, mit dem ich auch privat öfter ausgehe. Paul ist zwar schon ein älteres Modell, aber wen stört das? Ja, er kennt das Werk schon zwanzig Jahre länger, hat auch nicht so gute Zeiten dort erlebt. Mini hat hier in Oxford schließlich schon eine lange und sehr bewegte Geschichte. Aber hier ist vermutlich nicht der beste Zeitpunkt darauf einzugehen. Denn nun wird tatsächlich erst einmal mit einem Glas Sekt angestoßen. Also umringen wir den kleinen Wagen und genießen das kühle prickelnde Luxuswasser.

„Muss ich extra erwähnen, dass der Wagen auf meiner persönlichen Wunschliste steht?“ grinse ich frech in die Runde. Natürlich nicht, damit haben wohl schon einige gerechnet. „Viel Spaß beim putzen“, grinst Paul und nippt höflich an seinem Glas, kein Getränk nach seinem Geschmack, ihm wäre ein Bier oder Cider lieber. Doch er hält tapfer durch, bis sich jeder wieder der eigenen Arbeit zuwendet.

Fast schon schweren Herzens schließe ich die Fahrertür des Wagen wieder, eine Hand streichelt beinahe sanft über die rundliche Wölbung auf dem Frontscheinwerfer, dessen LED-Leuchte einem Auge ähnlich sieht, meiner Meinung nach, denn sie hat oberhalb eine Abdeckung, die einem Augenlid gleich kommt, nur unbeweglich, auch wenn es natürlich eine ganz andere Aufgabe hat. Und es zaubert ihm einen frechen Blick! „Ruh dich von dem Trubel aus, Kleiner, die nächste Zeit wird noch stressiger.“ Ich murmle es fast nur vor mich hin, damit es niemand hört. Sie würden mich wohl sonst noch für verrückt erklären. Paul kennt diesen kleinen Spleen von mir, er macht es doch auch.

Für mich ist mein großes Projekt beendet und es heißt nun wieder, mit im großen Team schwimmen.

Bücherwürmer und Nähkästchenplaudereien

Nachdem der kleine Mini fertig gestellt ist, verläuft auch mein Leben wieder in geordneten Bahnen, mal ganz überspitzt dargestellt. Zu oft habe ich die letzten Monate die Arbeit mit heim genommen, hat es sich auch Zuhause weiter in meinem Kopf um Windkanalwerte, Farbnuancen und Zierleisten gedreht, um nur einen winzigen Teil des großen Gedanken-Chaos zu nennen. Doch jetzt darf ich auch gedanklich einen Schlussstrich ziehen und mich auf die Präsentation freuen, bis zu der es aber noch etwas dauert, die Vorbereitungen laufen jedoch schon auf Hochtouren!

Doch ich selbst darf endlich meine Freizeit genießen und mache mich auf den Weg in die Bibliothek. Das alte Gebäude strahlt einen eigenen Charme aus und ich spüre die Ruhe, die mich immer mehr einfängt, sich aus den hohen und weitläufigen Räumen förmlich überträgt. Leger in Jeans, Shirt und einer leichten Jacke bekleidet, durchstreife ich mit gemächlichen Schritten die Gänge, halte mich absichtlich von fachbezogenen Büchern fern. Meine Suche ist heute auf leichten Lesestoff für zwischendurch fokussiert. Ganz gemütlich abends, mit einem Glas Cider. Mein Blick huscht über die verschiedenen Buchrücken, erhascht mehr oder weniger komplett die Titel und tatsächlich greife ich zwischendurch zu und ziehe mir ein Buch heraus, werfe einen Blick hinein, um es dann wieder zurück ins Regal zu schieben.

Aus den Augenwinkeln sehe ich eine Bewegung, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Eine junge Frau gerät in meinen Fokus, ein Stück kleiner, braune Haare, die offen und in dicken fülligen Wellen ihren Rücken hinunter wallen, eine schlanke Statur, die von einer eng sitzenden Jeans und einem die Figur betonenden Pulli geschmeichelt wird. Auf ihrer Nase sitzt eine rundliche Brille mit einer auffälligen Fassung, perfekt dazu gemacht ihre braunen Augen zu betonen. Ja, ich bin mir sicher, dass sie braune Augen hat, als sie meinen Blick wohl spürt und ihren hebt, um mich erstaunlich schüchtern anzusehen, die Lippen dabei etwas zu schürzen.

Ich lächle sie an, höflich, nicht zu aufdringlich, und sie wendet errötend den Blick wieder gen Regal, doch bin ich mir sicher ein leichtes Lächeln zu erkennen. Dezent lasse ich immer wieder meine Augen zu ihr hinüber schweifen, allerdings würde ich selbst so wohl kaum Lesefutter finden, aber das ist für den Moment nebensächlich. Irgendetwas an ihr fasziniert mich und das obwohl sie so ein scheues Reh ist, und nicht unbedingt in mein Beuteschema passt.

Sie ist recht klein und schlank, ihre Hand wandert immer wieder langsam die Buchrücken entlang, streift fast schon mit sanfter Fingerspitze über die Titel und ich bekomme bei dem Anblick eine wohlige Gänsehaut. Wie würden sich diese Fingerspitzen wohl auf meinem Gesicht anfühlen, auf meinen Lippen... auf selbige beiße ich mir kurz bei dem Gedanken und erst der leichte Schmerz lässt mich in die Realität zurück kehren. Wobei mein Blick genau in ihre Reh braunen Augen fällt!

Ich habe es nicht einmal registriert, wie sie hinüber gekommen ist und mir gerade mit hoch gerichteten kugelrunden Seelenspiegeln ein Buch hin hält: „Entschuldigen sie bitte, ich wollte sie nicht aus ihren Gedanken reißen, sie sahen so verträumt aus.“ Nervös huscht ihr Augenmerk kurz umher, während ich mich nach ihren leisen Worten endlich wieder soweit im Griff habe, dass meine Hand das angebotene Buch annimmt, ich kurz über den Titel schweife und sie dann wieder anschaue: „Kein Problem, machen sie sich keine Gedanken. Oh, das ist aufmerksam, danke. Ich bin immer neugierig auf gute Buchempfehlungen.“ Meine Stimme klingt dabei leise und sanft und nur kurz berühre ich ihre Hand unter dem Buch, ehe sie dieses los lässt. Ein kurzes Räuspern ihrerseits, dann folgt ein fast schon verschwörerischer Blick: „Dann sollten sie sich Seite 20 anschauen und entscheiden wie es ihnen gefällt.“ Und während ihr gerade das Herz vor Aufregung bis zum Hals klopft, dreht sich die junge Frau auch schon um und verschwindet mit flinken Schritten.

So schnell kann ich gar nicht mehr reagieren und bleibe einige Sekunden ziemlich verdattert stehen, ehe mein Blick wieder auf das Buch in meiner Hand fällt. Seite 20? Schmunzelnd und neugierig schlage ich den Anfang auf, blättere dann einige Seiten weiter, bis ich ihn entdecke. Auf Seite 20 liegt ein Ausleihe-Bon! Darauf ein Smiley mit Brille, der Name 'Bonnie' und eine Handynummer! Damit habe ich jetzt eindeutig nicht gerechnet und mein Schmunzeln wird zu einem frechen Grinsen. So nehme ich mir das Buch 'Der Zeitreisende' und gehe mit wippenden Schritten los, um es mir glatt als Lesefutter auszuleihen. Damit habe ich dann auch schon für eine spätere Unterhaltung einen Aufhänger. Natürlich rufe ich sie an, aber nicht sofort, denn das macht den Eindruck als hätte ich es furchtbar nötig. Ich würde ein paar Tage warten, so schwer es mir auch fällt.

Tja, ich bin wohl halt ein kleiner Casanova, und doch auch genug 'englischer Gentleman' um ehrlich zu der Frauenwelt zu sein. Ich mache für gewöhnlich keine Versprechungen die ich nicht einhalten kann oder möchte und eine feste Bindung steht nicht zur Debatte. Was soll ich einer Schönheit etwas festes versprechen, wenn die Gefahr besteht, dass sie mich mal mit einer Anderen sehen könnte? So bin ich nicht. So halte ich mir auch die meisten Schwierigkeiten vom Hals.

Und ja, es gibt so einige schöne Käfer die mich umwerben. Für ein paar gemeinsame Stunden, eine erotische Nacht, ehe sich die Wege dann vorerst wieder trennen. Sie stellen keine Fragen wegen den Anderen und ich vorher nur die eine, die grundlegend wichtig ist: Ob sie gebunden sind. Meistens hat nach der Frage das Treffen ein ziemlich schnelles Ende. Doch ich habe keine Ambitionen mich da in bestehende Beziehungen jeglicher Art zu drängen und nachher den gehörnten Partner, Verlobten, Ehemann vor der heimischen Haustüre vorzufinden! Den Stress muss ich mir tatsächlich nicht machen. Das überlasse ich den Anderen, die ihre Finger nicht von verbandelten Frauen lassen können.

 

Meine Mutter meint immer, ich war schon als Kind ein richtiger Charmebolzen, dem keiner widerstehen konnte. Keine Ahnung was da im einzelnen war, daran kann ich nicht mehr gut erinnern.

Nein, ich bin nicht eines dieser Muttersöhnchen, jeden Sonntag brav die Füße unter dem Esstisch gestellt, das ist nicht meine Welt. Ich liebe meine Eltern, wie man es von einem 25jährigen jungen Mann wohl erwarten kann.

Zwar fällt es meiner Mutter immer noch schwer zu verstehen, dass ich einen eigenen Haushalt habe, um den sie sich nicht kümmern muss. Und doch weiß sie genau, spätestens mit ihrem Plumpudding verzaubert sie mich jedes Jahr aufs neue. Ich selber schwinge auch gerne den Kochlöffel und manchmal artet es fast in einen kleinen Wettbewerb aus, wenn wir zusammen in ihrer Küche stehen. Mein alter Herr ergreift dann regelmäßig die Flucht und verschanzt sich bestenfalls in der Wohnstube hinter einer Zeitung oder vor den Fernseher. Schlimmstenfalls flüchtet er zu einem Nachbarn, bis wir alles fertig haben und Entwarnung geben.

Früher saß ich lieber auf der Küchenbank und träumte vor mich hin. Doch in Wahrheit beobachtete ich genau wie meine Mutter alles machte, wollte es nur nicht zugeben, denn welcher Junge interessierte sich schon fürs Kochen? Aus meiner Klasse kannte ich niemanden, vermutlich gaben sie es ansonsten ebenso wenig zu wie ich. Dafür interessierte ich mich aber für Autos!

Geboren wurde ich 1980 hier in Oxford, als Einzelkind, doch mitnichten verwöhnt. Soweit ich denken kann, liebte ich diesen Mini-Wagen, wie ich ihn als Kind immer nannte. Das lag wohl auch daran, dass mein Vater ihn mitbaute. Und so oft es ging, nahm er mich zu den Firmenveranstaltungen mit, oder erklärte mir unterwegs etwas, wenn ein Mini an uns vorbei fuhr, oder am Straßenrand stand. Ich saugte es auf wie ein Schwamm und sagte ihm, dass ich auch dort arbeiten und Autos bauen werde.

Meistens belächelte er es und meinte, ich solle mir besser keinen Beruf suchen wo ich den ganzen Tag am Band stehen müsste. Nein, trotz aller Widrigkeiten, die es im Hintergrund gab, machte er seinen Beruf in meiner Anwesenheit nicht schlecht, es gab auch bestimmt noch schlimmeres, und er verdiente immerhin damit sein Geld, auf legale Weise, wenn auch körperlich und zum Ende hin psychisch sehr fordernd und kräftezehrend. Doch all das konnte ich aus meinem kindlichen Blickwinkel nicht sehen.

Die Jahre brachten Veränderungen, doch noch hatte mein Vater Glück, baute nachher statt den Mini den Rover. Im Jahre 1994, ich war 14 Jahre jung, schlossen zwei Werke von Rover, die auch zu dem Zusammenschluss gehörten, nachdem 1992 in East Oxford der größte Teil der Autowerke aufgab. Mit meinen 14 Jahren, nahm ich wohl zum ersten Mal wahr was das bedeutete. Denn diese Firmen waren quasi Standbeine Oxfords und oft hörte ich in der Schule von anderen Mitschülern, dass ihre Väter oder Mütter keine Arbeit mehr hätten!

Es machte mir Angst, furchtbare Angst! Doch wie sollte ich, ein gerade heran wachsender Teenager, damit umgehen? Jahre lang hegte ich diesen Traum, diesen Wunsch, dort zu arbeiten. Nicht bei Rover, aber bei Mini. Bei der British Motor Company, British Leyland, Rover Group, oder wie auch immer sie sich nennen würde!

Zuhause wurde ich teils unausstehlich, in der Schule hing ich durch! Doch Mr. Perkins, mein Klassenlehrer, erinnerte mich immer wieder daran was ich ihm erzählt hatte. Er kannte meinen großen Traum und anscheinend schätzte er die Chancen immer noch gut genug ein, dass er mich ermutigte daran fest zu halten, auch wenn bei meinen Eltern alsbald die Predigten einsetzten, dass ich mir genau dieses Vorhaben aus dem Kopf schlagen sollte!

Nein! Auf keinen Fall! Ich bekam tatsächlich die Kurve, lernte, ließ mich nicht davon abbringen und schaffte trotz jeglichem Gegenwind einen guten Abschluss! Für meine Eltern zählte eh nur das Ergebnis, nicht die Motivation wofür. Mir war es Recht!

War es unbewusstes Wissen, oder nur mein persönlicher Dickkopf, ich ließ meinen Traum nicht los! Meine Noten erlaubten ein Studium! Unser Geldbeutel eher nicht... Ich vergrub mich in meinem Zimmer, verbrauchte Bleistifte und Papier ohne Ende, was ich von meinem Taschengeld finanzierte und irgendwann hatte ich einfach nur Glück! Eine meiner Skizzen wurden in einem Wettbewerb, bei dem ich mich heimlich anmeldete, angenommen. Ein sportlicher Mini aus verschiedenen Blickwinkeln, mit allerlei Accessoires, wie ich ihn mir in der Zukunft vorstellte.

Mein Vater arbeitete immer noch dort, sah für mich allerdings keine Zukunft in dem Bereich und versuchte bei allerlei Gelegenheiten es mir auszureden. Meine Mutter stand zwischen den Stühlen, wollte mir meinen so lange gehegten Traum nicht nehmen und dennoch keine Probleme mit meinem Vater bekommen. Sie sagte immer wieder: „Geh deinen eigenen Weg und der Herr wird dir dabei helfen, egal wo dich dein Ziel auch hinführt.“

 

Und ich ging meinen Weg! Die Zeichnung ermöglichte mir ein Stipendium! Bis heute weiß ich nicht genau, wie das alles möglich wurde, doch ergatterte ich einen der begehrten Plätze! Autodesign, von vielen belächelt, auch wenn es ein ernst zu nehmender Bereich in der Autoindustrie darstellt. Aber wie sollte ich bitte gegen den Rest der klugen Köpfe unserer Zeit ankommen??

Also fing ich im Oktober als Frischling, was auch sonst?! Manchmal war es am Anfang noch schwer, die verschiedenen Kurse zu finden. Ich bereitete mich dort durch technische, mathematische und künstlerische Studiengänge vor. Zugleich war es auch ein Ausgleich innerhalb der Fächer, nicht immer nur mit Zahlen und Maßen zu jonglieren, sondern auch zwischendurch Stifte und Zeichenpapier zur Hand zu nehmen, und damit der eigenen Kreativität den freien Lauf lassen zu können.

Nun, ich konnte mich über mein Leben dort nicht beklagen. Die Zimmer reichten vollkommen aus, mit zwei oder vier Betten. Wenn wir in den Vorlesungen waren, je nachdem wann sie stattfanden, wurden die Zimmer gereinigt, gesaugt, die Mülleimer geleert, soweit es die eigene Ordnung dort zuließ. Unordentliche Mitstudenten hatten da eindeutig Probleme, mit unseren normal sehr emsigen Putzfrauen, die aber keinesfalls auch noch ein gewisses Chaos aufräumten, was ihren Weg mit Staubsauger und Putzlappen störte. Dann wurde das Zimmer halt so gelassen. Und glaubt es mir, viele lernten Ordnung halten.

Ich selbst sorgte meist dafür, dass bei mir soweit alles frei zugänglich war und ersparte mir damit eindeutig das selbst putzen. Ich war in dem Punkt sicherlich nicht faul, wählte nur den angenehmeren Weg!

Dafür gab es genug andere Regeln, an die wir uns zu halten hatten, um dann im Großen und Ganzen ein angenehmes Studentenleben zu haben.

Wie das ablaufen konnte, wurde mir beim 'Freshers Blind' gezeigt, eine Feier zur Ankunft der Frischlinge. Wir bekamen von den zweiten und dritten Jahrgängen die Drinks spendiert und wurden darüber aufgeklärt, wie wir uns das Leben hier am angenehmsten gestalten und trotzdem unsere Leistungen erreichen könnten. Priorität lag da in einer klugen Auswahl an Vorlesungen und Freizeitaktivitäten, damit die Zeit nicht nur zum lernen drauf ging und das Leben auswärts genießen werden konnte.

Und solange wir uns pünktlich und aufmerksam zu den entsprechenden Zeiten in den Lesungen einfanden und nicht durch Trunkenheit oder asozialen Verhaltensweise auffielen, war soweit alles im grünen Bereich. Selbst Besuch war erlaubt, allerdings fiel auch von ihm das Fehlverhalten direkt auf den einladenden Student zurück, also war Vorsicht angesagt.

 

„Lass dich nicht mir der Flasche erwischen“, hörte ich eine fremde Stimme aus meinem Zimmer, ehe ich es betrat. Mein Zimmernachbar und ich waren zwar beide schon volljährig, trotzdem galt die Hausordnung auch für uns, ohne sie beugen zu können. „Hi“, grüßte ich kurz die Hand hebend das unbekannte Gesicht und ließ mich auf mein Bett sinken. „Hey, möchtest du auch? Brad hat den guten selbst gebrannten von seinem alten Herren mitgebracht.“ George, mein Zimmernachbar, hielt die Flasche kurz hoch und ich schaute etwas skeptisch aus der Wäsche. „Na ja, lass mich mal probieren“, ich nahm ein Glas aus meinem Schrank und ging zu ihnen rüber, wo es mir viertel voll gefüllt wurde. „Aufs lange Wochenende“, George hob sein Glas in die Mitte, wir stießen leise an, ehe er mit der anderen Hand an der Anlage einen kleinen Knopf drückte und Musik zu dudeln begann, irgendein Radiosender, klang nicht schlecht und reichte als Untermalung unserer Runde aus. Immerhin war hier von 13 bis 17 und 19 bis 23 Uhr Musik laute Musik gestattet.

Mit kleinen Schlucken genossen wir dass doch recht kräftige und scharfe Getränk, das eine leichte Anis-Note hatte. Und es blieb nicht bei dem einen Glas, die Flasche wanderte noch weitere Male herum. „Der is' echt gut“, grinste ich frech mit hoch roten Wangen.

Allerdings musste ich dann am nächsten Morgen feststellen, dass ich weder wusste wie viele Gläser es bei mir waren, noch wie ich mein letztes leerte, der Besuch das Zimmer verließ oder ich in mein Bett kam! Dort wurde ich nämlich erst am nächsten Morgen auf dem Bauch liegen und angekleidet wach! Mein Kopf fühlte sich fast noch schlimmer an wie nach unserem Freshers Blind!

Ein Glück war mein Zimmernachbar eindeutig fitter und weckte mich beharrlich, bis ich aus meiner Schlaf-Starre auftauchte. „Los, wach auf Morgan, ab unter die Dusche und los, das Frühstück wartet in einer halben Stunde auf uns.“ George zog mir das Kopfkissen unter dem Brummschädel weg, so dass dieser meiner einer auf die Matratze plumpste. Mein dunkelbraunen Haare standen kreuz und quer ab und ich brauchte eindeutig zuerst einmal eine Dusche, um halbwegs wieder Mensch zu werden.

Also mühsam aus dem Bett gekrochen, aus den Sachen raus und mit frischen Sachen los getigert. Kaltes Wasser, die Augen geschlossen und eine Weile einfach nur abgewartet. Irgendwann ließ das Pochen in meinem Kopf langsam nach und ich beendete die Dusche, so schnell es ging noch abgetrocknet und rein in die Klamotten.

George grinste, als ich das Zimmer betrat: „Hey, du lebst ja wieder, dann schwinge die Hufe, ich habe Hunger!“ Es war mir schlichtweg schleierhaft, wie er nach dem Abend gerade so wach und dazu noch hungrig sein konnte! Doch man sollte es nicht meinen, wenig später waren wir dann auf dem Weg!

Nein, so verlief natürlich nicht jeder Tag, aber einige, wenn ich ehrlich bin.

Freiheit und Schmetterlinge

Ich habe das Studentenleben echt gemocht, und auch meine Ziele soweit erreicht. Bei manchen musste ich mich zum Ende hin noch etwas auf den Hosenboden setzen, doch auch das hat funktioniert.

Meine erste Bewerbung ging natürlich Richtung BMW Gruppe, zum Leidwesen meines Vaters, der immer hoffte ich würde eine kaufmännische Ausbildung machen und entsprechend einen Beruf wählen. Doch hatte ich das bekanntermaßen ja nie vor, ebenso wenig wollte ich so wie er am Förderband landen, ich hatte ein anderes Ziel. Nur behielt ich das die ganze Zeit für mich. Erst als ich den Abschluss in der Hand hielt, registrierten sie es!

 

Ich feierte diesen Meilenstein meines Lebens mit meinen Freunden im 'Goose', einem gemütlichen Pub in der Nähe vom Bahnhof. Halbrund angelegt, eine verwinkelte Inneneinrichtung, günstig und mit guten Portionen. Immer Sommer ist der Biergarten rappel voll. Als wir dort waren, fanden wir drinnen noch ein paar gemütliche Plätze in einer Ecke. Dann ging es los, wir sortierten unsere Wünsche, zwei zogen dann zur Theke los um zu bestellen. Da wir alle volljährig waren, gab es dabei keinerlei Probleme. An der Theke wurde eine Nummer ausgehändigt und dann hieß es warten.

Es dauerte etwas, bis diese aufgerufen und uns die Getränke ausgehändigt wurden, die dann mit Hilfe eines ausgeliehenen Tabletts bei uns am Tisch landeten. Zur Feier des Tages gab es einen guten Whiskey, ehe dann wohl einige Runden Bier folgten. Oh ja, wir feierten unsere Abschlüsse feucht fröhlich und in bester Stimmung!

Zwischendurch half uns eine gute Portion Cornish Pasty, den Pegel im Zaum zu halten. Eine Mischung aus Kartoffeln, Zwiebeln und Fleisch, in Blätterteig. Eine gute Entscheidung, ehe es dann munter weiter ging.

Wir philosophierten über unsere Zukunft, wo es uns hin treiben würde, welche Pläne wir hatten. Und als ich erzählte, wo ich mich beworben hatte, erntete ich nur doofe Blicke.

„Möchtest du etwa wie dein alter Herr am Fließband versauern, nach deinem guten Studium?“ Wieder war es George, von dem die Frage kam. „Nein, natürlich nicht, ich habe mich für den kreativen Bereich beworben! Autodesign, die Vorarbeiten, ehe der Wagen in die Produktion gehen kann“, erklärte ich und erntete als Antwort dann eher erstaunte Blicke.

Nicht dass jetzt jemand auf unsere Worte hin auf die Idee kam, dass die Firma hier einen schlechten Ruf hätte. Nein, denn sie resultiert aus einer langen Geschichte, die ich eventuell an anderer Stelle zusammen tüfteln könnte, hier und jetzt eindeutig zu viel.

Für den Moment feierten wir, genossen den Abend und unterhielten uns, schauten uns die restlichen Anwesenden neugierig an, zumindest wenn sie eindeutig weiblicher Natur waren.

Ich trug mittlerweile einen sauber gestutzten Drei Tage-Vollbart, der mein längliches Gesicht etwas weicher erscheinen ließ. Mit meinen 22 Jahren schien ich glatt vernünftig geworden zu sein. Wie weit der Schein nun trug, das war dahin gestellt, die Wahrheit kannte wohl nur ich.

Allerdings flogen die Mädchen immer noch auf mich, oder schon wieder, nachdem die stressige Teenager-Zeit geschafft war. Mancher unserer Lehrkräfte fragte sich allen Ernstes, wie ich so einen guten Abschluss geschafft hatte, da ich ja anscheinend nur müde daher schaute. Aber da irrten sie sich, es gab genügend mündliche Beteiligung und ansonsten holte ich mir meine Noten über den schriftlichen Weg, der mir noch am einfachsten fiel.

Deswegen durfte ich auch echt mit ruhigem Gewissen hier meinen Abschluss bei einigen Pints und zur Abwechslung zwischendurch einen kleinen Whiskey und ganz viel guter Laune feiern. Immer mal wanderten Blicke der anderen Besucher zu unserem Tisch hinüber, aber nicht weil wir aufdringlich laut waren, es lag wohl eher an unserer gelösten Stimmung.

Nun, die meisten Engländer kamen eher etwas 'steifer' oder verkniffener daher, doch denke ich unsere Generation war da schon viel offener. Meine Eltern zeigten da noch andere Verhaltensweisen. Deswegen klammerten wir uns wohl die Zeit im Pub auch nicht nur an einem oder zwei Gläsern fest. Allerdings würde niemand von uns hier sturzbetrunken raus getragen werden müssen. Deswegen bestellt ich auch immer wieder mal eine Runde 'Shandy', eine Mischung aus Bier und Zitronenlimonade.

Als der Pub dann um 23 Uhr schloss, machten wir uns fröhlich auf den Weg Richtung Uni-Wohnheim. Dort hieß es nur leise über die Flure, rein in die Zimmer und kurz danach lagen wir selig schlummernd in den Betten.

 

Nach dem kleinen Ausflug in meine Studienzeit, kehren wir zurück, zu dem kleinen Bücherwurm. Tatsächlich rufe ich sie zwei Tage später an, nachdem sie mir das Buch mit der sehr interessanten Seite 20 zukommen lassen hat. Bin ich nervös, nein, das bin ich Frauen gegenüber selten.

Deswegen sitze ich auch ganz gemütlich nach dem Frühstück, es ist Samstag, mit meinem Kaffee auf dem Sofa und tippe ihre Nimmer in mein Handy, ehe ich die Wahltaste drücke und aufmerksam auf die Töne lausche...

Es dauert einige Male, ehe sie abnimmt! „Hallo?“ Ihre Stimme klingt fragend und zögerlich. „Hallo Bonnie, ich bin es, Morgan. Du hast mir letztens ein sehr interessantes Buch empfohlen.“ Ich schmunzle vor mich hin, warte ab ob es bei ihr klickt. „Ah, jetzt weiß ich, die besondere Seite 20, stimmt. Ich freue mich“, ihre Stimme wechselt von zögerlich auf erfreut und etwas nervös. „Ja, genau so war es. Magst du dich mal bei einem Kaffee mit mir über das Buch austauschen?“ Vielleicht falle ich gerade etwas ungestüm mit der Türe ins Haus. Nun es wird sich ja zeigen, wie sie damit umgehen kann. Schlimmstenfalls macht der Bücherwurm einen strategischen Rückzug. Aber nein, zwar stockt sie kurz, doch dann höre ich ihr leises Kichern, ehe sie antwortet: „Das können wir gerne machen. Wie wäre es im G+D's?“

Ich grinse frech, ist sie eine kleine Schleckerschnute? „Klingt gut. Wann hättest du denn Zeit?“ hake ich nach. „Unter der Woche ist es bei mir immer etwas kompliziert. Wäre dir heute Nachmittag zu kurzfristig?“ Ihre Worte überraschen mich doch etwas und wir verabreden uns spontan dafür.

Immerhin ein recht gängiges und nicht zu altmodisches Ambiente. Da es mehrere G+D's gibt, wählen wir das naheliegendste, nicht dass wir noch Gefahr laufen an verschiedenen Örtlichkeiten zu warten.

Bis dahin ist noch einiges an Zeit und ich trinke in Ruhe meinen Kaffee weiter, während ich mir das Buch wieder schnappe und mich gemütlich auf die Couch setze, die Beine lang gestreckt hoch lege und zu lesen beginne. Es dauert nur ein paar Minuten, ehe ich komplett in die Geschichte eintauche. Für die nächsten Stunden wird dieser Zustand nur von zwei Tatsachen unterbrochen, wenn meine Tasse leer ist oder die Natur ihr Recht verlangt. Alles andere wird komplett ausgeblendet, ist unwichtig, für den Moment.

So fliegt die Zeit dahin und ehe ich es glaube habe ich die letzte Seite erreicht! Nun, es ist auch kein dicker Schmöker, dafür locker weg zu lesen, eine abwechslungsreiche und doch abenteuerliche Geschichte. Langsam klappe ich das Buch zu, hänge noch eine Weile meinen Gedanken nach, ehe das dezente Piepsen meines Handys diese unterbricht. Ich habe es mir vorsichtshalber zwischendurch gestellt, um die Zeit nicht komplett zu vergessen. Aber es hat ja auch so gut funktioniert. So drückt mein Zeigefinger mit der Spitze sanft den roten Knopf, um den Alarm zu beenden, ehe ich das Buch auf den Wohnzimmertisch lege und mich kurz aber genüsslich strecke.

„Na, dann werfen wir uns doch mal in Schale, Mr. Sheldon.“ Ich grinse, über die Leserei habe ich natürlich nicht vergessen, dass es da noch eine Verabredung gibt. So schlendere ich los, in den Flur und die Treppen hoch, um mir im Schlafzimmer eine frische schwarze Jeans und ein braunes Hemd aus dem Schrank zu holen, Unterwäsche und Socken dürfen auch nicht fehlen und schon sammelt sich alles auf meinem Bett.

Pfeifend stromere ich ins Bad hinüber, die getragenen Sachen landen dort im Wäschekorb und ich unter der Dusche. Schrubbdidubdidu, eine frische Duftwolke hüllt mich ein, ich genieße es eine Weile, ehe das Wasser den Schaum an meinem Körper hinunter spült. Einerseits bin ich groß und schlank, eine schmale Taille und lange Beine. Und doch sieht man es selbst an den Oberschenkeln und auch am Oberkörper und den Armen, dass die Muskulatur gut definiert und ausgebaut erscheint. Nicht zu übertrieben, doch sichtlich trainiert. Doch wenn jetzt jemand meint, dass ich mir darauf etwas einbilde, ist das eindeutig eine Fehleinschätzung. Natürlich achte ich auf mein Äußeres, doch gehöre ich nicht zur Gattung 'Eitler Pfau'.

Ich mag Sport, als gelungenen Ausgleich zu meiner Arbeit, wo ich oft stehe oder sitze, was sich irgendwann in Rückenproblemen zeigen würde. Da kann dann mit etwas Krafttraining, schwimmen und gesunder Ernährung entgegen gewirkt werden und schadet sicherlich nicht. Gleichzeitig oute ich mich nun auch, durch die darauf resultierende bessere Verbrennung gerne auch mal etwas zu schlemmen und es dabei auch zu genießen. Es hat also alles seine Vorteile.

Und nun, raus aus der Dusche, ehe ich noch Schwimmhäute bekomme. Ich stelle das Wasser ab, angle nach dem bereit gelegten Handtuch, um mich dann von oben bis unten flink abzutrocknen. Mit strubbeligen Haaren und das Badetuch um die Hüfte gebunden, tauche ich aus der Dusche auf, gehe zum Waschbecken. Die Haare werden frisiert und auch der Bart sieht kurz einen Kamm. Dann über alles drüber geföhnt, wieder mit dem Kamm sortiert und ich bin zufrieden mit dem Ergebnis.

Wieder pfeife ich leise vor mich hin, während mein Weg ins Schlafzimmer zurück führt und ich dort nacheinander in die bereit gelegten Sachen schlüpfe. Ich wähle noch die dunkelbraunen Lederschuhe, die ich mir bei Duckers&Son anfertigen ließ. Klar, maßgeschneiderte Schuhe sind nicht gerade günstig, dafür passen sie optimal und sind handgefertigt und guter Qualität. Immerhin gibt es dieses Geschäft ja schon seit 1898. Wobei ich 10 Wochen Geduld brauchte, doch das Warten hat sich mehr als gelohnt! Der Meinung bin ich übrigens wohl jedes Mal, wenn ich in die Schuhe hinein schlüpfe.

Noch ein prüfender Blick in den Schlafzimmerspiegel und ich bin zufrieden. Die Krawatte bleibt zuhause, der oberste Knopf leger offen, nicht zu Business mäßig, ist schließlich eine private Verabredung. Ein Blick auf die Uhr, ich liege gut in der Zeit. Der Bus fährt jede 10 Minuten Richtung Oxford Stadt. Ich selbst wohne in einem schicken kleinen Haus in Cowley, nahe an der Arbeit und gut drei Meilen vom Stadtzentrum entfernt. Mir dem Rad bin ich bei nettem Wetter in knapp 20 Minuten da. Mit dem Wagen fahre ich heute nicht, erspare mir so die Parkplatzsuche und komme meiner Meinung nach auch entspannter an.

Eben eine leichte Jacke über gezogen, Handy, Brieftasche und Schlüssel eingesteckt und schon mache ich mich auf den Weg. Während ich das kurze Stück bis zur Haltestelle 'Horsepath Road Shops' gehe, grinse ich immer wieder vor mich hin, denke an das erste Treffen mit Bonnie. Tja, auf so eine Idee mit Seite 20 muss man auch erst einmal kommen, ohne mit der Tür ins Haus zu fallen. Die Kleine könnte durchaus als stilles Wasser bezeichnet werden, sagt mir wenigstens mein Instinkt. Mal sehen wie das Treffen heute so wird.