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Er ist der mächtigste Mann der Welt. Doch sie zwingt ihn in die Knie.
Charlotte Wells weiß, dass ihre Liebe zu Matthew Hamilton hoffnungslos ist. Er ist der Präsident der
Vereinigten Staaten von Amerika. Sie hingegen eine gewöhnliche junge Frau, die sich nichts sehnlicher wünscht als ein normales Leben - fernab von Politik, Medien und Rampenlicht. Doch gerade jetzt braucht Matt Charlotte mehr als je zuvor. Und er macht ihr ein Angebot, das sie nicht abschlagen kann - auch wenn dadurch die Zukunft einer ganzen Nation ins Wanken geraten könnte ...
"Skandale, Leidenschaft und eine wunderschöne Liebesgeschichte. Dieser Roman lässt einen nicht mehr los!" Audrey Carlan, Spiegel-Bestseller-Autorin
Band 1 der White-House-Reihe von New-York-Times-Bestseller-Autorin Katy Evans
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Seitenzahl: 401
KATYEVANS
Mr. President
Macht ist sexy
Roman
Ins Deutsche übertragen von Nina Restemeier
Noch nie war Macht so sexy!
Als Tochter eines Senators verbrachte Charlotte Wells ihre Kindheit am Tisch mit den mächtigsten Männern der USA. Damals hatte sie sich geschworen, niemals selbst in die Politik zu gehen. Doch als sie nach ihrem Studium das Angebot erhält, im Wahlkampfteam von Matthew Hamilton zu arbeiten, gerät ihr Entschluss ins Wanken. Charlotte kennt Matthew, seit sie Kinder waren, und sie weiß, dass er nicht nur fokussiert und skrupellos ist, sondern als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika auch tatsächlich etwas bewegen könnte. Sie hat allerdings nicht damit gerechnet, wie schwer es sein würde, rund um die Uhr in Matthews Nähe zu sein. Und obwohl sie weiß, dass es seine Karriere zerstören könnte, wenn sie der Anziehungskraft zwischen ihnen nachgeben, fällt es ihr mit jedem Tag schwerer, sich von ihm fernzuhalten ...
Band 1 der White-House-Reihe von New-York-Times-Bestseller-Autorin Katy Evans
Auch wenn ich mich bemüht habe, die amerikanische Politik und den Wahlkampf so wahrheitsgetreu wie möglich zu beschreiben, ist dies in erster Linie eine Liebesgeschichte. Diese Geschichte ist frei erfunden, deswegen habe ich mir bezogen auf die Politik einige Freiheiten erlaubt, um sie euch erzählen zu können. Das hier ist kein politisches Buch, sondern eine Liebesgeschichte in der Welt der Politik. Ich hoffe, ihr seid von Matt und Charlotte genauso hingerissen wie ich.
Also kommt herein, zieht die Schuhe aus und macht es euch gemütlich …
Hall of Fame von The Script
Close von Nick Jonas
Make Me Like You von Gwen Stefani
Talk Me Down von Troye Sivan
If I Had You von Adam Lambert
Something in the Way You Move von Ellie Goulding
Tear in My Heart von Twenty One Pilots
Come Down to Me von Saving Jane
Secret Love Song von Little Mix (featuring Jason Derulo)
Forbidden Love von The Darkness
Perfect Ruin von Kwabs
You’re Beautiful von James Blunt
The Reason von Hoobastank
Für die Zukunft
Charlotte
Wir sitzen in einer Suite im Jefferson Hotel und Benton Carlisle, der Wahlkampfchef, raucht am offenen Fenster sein zweites Päckchen Camel. Das Weiße Haus ist nicht einmal eine Meile entfernt und erstrahlt zur Feier des Tages in voller Festbeleuchtung.
Die Fernseher der Suite zeigen unterschiedliche Nachrichtensendungen, in denen die Reporter von der Stimmauszählung der diesjährigen Präsidentschaftswahl berichten. Die Namen der Kandidaten werden spekulativ in die Runde geworfen. Drei Namen, um genau zu sein. Der Kandidat der Republikaner, der der Demokraten und der erste wirklich aussichtsreiche unabhängige Kandidat in der Geschichte der USA. Der Sohn eines ehemaligen Präsidenten und mit knapp fünfunddreißig Jahren der jüngste Bewerber aller Zeiten.
Mir tun die Füße weh. Seit ich heute Morgen meine Wohnung verlassen habe, zum Wahllokal gefahren bin und meine Stimme abgegeben habe, trage ich dieselben Sachen. Heute Mittag hat sich das gesamte Wahlkampfteam hier in der Suite getroffen.
Seit zwölf Stunden sind wir hier.
Anspannung liegt in der Luft, besonders, als er zurück ins Wohnzimmer kommt. Er hat eine kurze Pause gemacht und in einem der angrenzenden Schlafzimmer mit seinem Großvater telefoniert, der aus New York angerufen hat.
Seine große, breitschultrige Gestalt taucht in der Tür auf.
Die Männer im Raum erheben sich, die Frauen setzen sich aufrechter hin.
Er hat etwas an sich, das alle Blicke auf sich zieht. Seine Größe, sein entschlossener und zugleich irritierend herzlicher Blick, die geschliffene Rauheit, die ihn in seinem Anzug noch männlicher wirken lässt, und sein ansteckendes Lächeln, so echt und verbindlich, dass einem nichts anderes übrig bleibt, als zurückzulächeln.
Er lässt seinen Blick auf mir ruhen, schätzt sichtlich die Entfernung zwischen uns ab. Ich war kurz draußen, um etwas zu besorgen, und natürlich bemerkt er sofort, dass ich wieder zurück bin.
Ich versuche, mich zusammenzureißen. »Ich habe dir etwas mitgebracht, um die Wartezeit zu überbrücken«, sage ich so ruhig ich kann und gehe mit einer sorgfältig verschlossenen braunen Papiertüte, die so aussehen soll, als wäre Essen darin, in eines der Schlafzimmer. Er folgt mir.
Mir fällt auf, dass er die Tür nicht schließt. Aber er lehnt sie an, sodass sie nur noch einen winzigen Spalt breit offen steht, das gibt uns so viel Privatsphäre wie nur irgend möglich.
Ich hole ein zerknittertes schwarzes Jackett aus der Tüte und reiche es ihm. »Das hast du vergessen.«
Er betrachtet es, dann sieht er mich aus seinen schönen kaffeebraunen Augen an.
Ein Blick. Eine zarte Berührung. Eine Sekunde Anerkennung.
Seine Stimme ist leise, beinahe intim. »Das hätte ein paar unangenehme Fragen aufgeworfen.«
Wir sehen einander an.
Ich kann das Jackett kaum loslassen, er zögert, es entgegenzunehmen.
Doch dann greift er danach, sein Lächeln ist sanft und reumütig, sein Blick aufmerksam. Ich weiß genau, warum sein Lächeln so reumütig und sanft und zärtlich ist. Weil ich den heutigen Abend nur unter Aufbringung all meiner Kraft überstehen kann und weil ihm – diesem Mann, der einfach alles weiß – das natürlich nicht entgeht.
Matthew Hamilton.
Möglicherweise der nächste Präsident der Vereinigten Staaten.
Er legt das Jackett beiseite, macht jedoch keine Anstalten, den Raum zu verlassen, während ich aus dem Fenster blicke und versuche, nicht jede seiner Bewegungen zu verfolgen.
Durch das offene Fenster weht der Duft von frisch gefallenem Regen und Carlisles Zigarettenrauch herein. Washington wirkt heute Nacht viel stiller als sonst, als hielte die Stadt den Atem an, wie das ganze Land – wie auch ich.
Schweigend kehren wir ins Wohnzimmer zurück. Ich achte darauf, einen Platz möglichst weit weg von ihm einzunehmen. Instinkt. Oder vielleicht Selbsterhaltungstrieb.
»Es heißt, du hast Ohio gewonnen«, berichtet Carlisle.
»Ja?«, fragt Matt und zieht eine Augenbraue hoch. Er sieht sich im Zimmer um und pfeift nach Jack, seinem schwarz glänzenden Schäferhund-Labrador-Mischling. Der Hund flitzt durch den Raum, springt auf die Couch und legt sich auf Matts Schoß, um sich am Kopf kraulen zu lassen.
»… ganz genau, Roger«, sagt der Reporter im Fernsehen. »Das Wahlkampfteam von Matt Hamilton hat in diesem Jahr eine beachtliche Leistung vollbracht, bis, nun ja, zu diesem Vorfall …« Matt greift nach der Fernbedienung und schaltet den Fernseher aus. Er sieht mich flüchtig an.
Ein stiller Blick, eine heimliche Verbindung.
Im Raum wird es still.
Meiner Erfahrung nach reden Männer gern über sich selbst und ihre Errungenschaften. Matt hingegen vermeidet es. Als wäre er es leid, seine tragische Lebensgeschichte wieder und wieder aufzuwärmen. All das, worauf sich die Medien seit Beginn des Wahlkampfes gestürzt haben.
An den Stimmen der Menschen kann man erkennen, wie viel Respekt sie für einen ihrer Präsidenten haben. Manche Präsidenten genießen praktisch gar keinen, dann ist der Tonfall verächtlich. Anderen jedoch haftet etwas Magisches und Inspirierendes an, das einen mit den gleichen Gefühlen erfüllt wie das Betrachten der amerikanischen Flagge: Hoffnung und Stolz. So ein Präsident war Lawrence Hamilton, Matts Vater, der einige Legislaturperioden zuvor ins Amt gewählt wurde.
Mein eigener Vater, bis dahin ein Unterstützer der gegnerischen Partei, wurde durch den charismatischen Präsidenten Hamilton schon bald zu einem überzeugten Anhänger der Demokraten. Hamiltons unglaubliche Gabe, auf die Menschen zuzugehen, machte ihn sowohl zu Hause als auch im Ausland beliebt, wodurch sich die diplomatischen Beziehungen der USA enorm verbesserten. Als ich elf Jahre alt war, begegnete ich Hamiltons legendärem Charme zum ersten Mal.
Matt Hamilton war ein Teenager, als sein Vater seine erste Amtszeit antrat. Er hatte alles, vor ihm lag eine aussichtsreiche Zukunft. Ich dagegen war noch ein Kind und hatte keine Ahnung, wer ich war oder was ich werden wollte.
Auch heute noch, Jahre später, kämpfe ich mit dem Gefühl, versagt zu haben, weil ich den Ansprüchen an mich nicht gerecht werde. Einen sinnvollen Beruf und einen Mann, den ich liebe – das war alles, was ich mir immer gewünscht habe. Doch meine Eltern erwarteten mehr von mir, sie wollten, dass ich in der Politik Karriere machte. Stattdessen entschied ich mich für einen sozialen Beruf. Doch egal, wie vielen Menschen ich auch helfe, wie sehr ich mir einrede, dass Erwachsenwerden nichts anderes bedeutet, als im besten Alter zu sein, um etwas zu verändern – ich kann das Gefühl einfach nicht loswerden, dass ich die Erwartungen meiner Eltern enttäuscht habe. Und auch meine eigenen.
Denn genau in diesem Augenblick, in dem wir darauf warten, dass der nächste Präsident der Vereinigten Staaten verkündet wird, stehen meine beiden Träume auf dem Spiel. Und ich fürchte, dass die Ergebnisse sie in Luft auflösen werden.
Ich warte schweigend, während die Männer sich unterhalten. Hin und wieder dringt Matts Stimme zu mir durch.
Ihn zu ignorieren ist geradezu unmöglich, und doch ist es heute das Einzige, was ich hinbekomme.
Die Suite ist riesig und nach dem Geschmack von Leuten eingerichtet, die sich ein Zimmer für tausend Dollar die Nacht leisten können. Es ist eines dieser Hotels, in dem sie einem Minzbonbons aufs Kopfkissen legen. Und uns gegenüber waren sie besonders zuvorkommend, weil Matt ein Promi ist. Sie haben uns sogar Joghurtbrezeln aufs Zimmer gebracht, weil die Presse keinen Zweifel daran gelassen hat, wie gern er die mag.
Auch eine gekühlte Flasche Champagner stand bereit. Matt hat einen seiner Wahlkampfhelfer gebeten, sie wegzustellen. Alle waren überrascht, weil sie glaubten, Matt hielte die Wahl für verloren.
Aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Er möchte bloß nicht, dass der gekühlte Champagner ihn an seine Niederlage erinnert, falls die Ergebnisse nicht in seinem Sinne ausfallen.
Matt lässt Jack auf dem Sofa sitzen, durchquert unruhig den Raum und setzt sich zu seinem Wahlkampfchef ans Fenster. Auch er zündet sich eine Zigarette an. Bilder steigen in meinem Kopf auf. Meine Lippen, die an derselben Zigarette ziehen, die eben noch seinen Mund berührt hat.
Ich sehe Jack an, die treuen Hundeaugen und den wedelnden Schwanz, damit ich ihn nicht ansehen muss. Der Hund hebt wachsam den Kopf, als Mark atemlos und mit weit aufgerissenen Augen ins Zimmer stürzt, als könne er nicht glauben, was gerade passiert ist – oder passiert. Er berichtet der Runde, dass die Auszählung beendet ist. Und in dem Moment, in dem er den Namen des neuen Präsidenten der USA verkündet, sehen Matt und ich einander an.
Ein Blick.
Eine Sekunde.
Ein Name.
Ich schließe die Augen und senke den Kopf, als ich die Neuigkeiten höre, und das Gefühl des Verlusts überwältigt mich.
Charlotte
Zehn Monate früher
Seit ich in Vollzeit arbeite, kommt es mir vor, als würden die Tage immer länger und die Abende kürzer. Je älter ich werde, umso mehr verlieren ausschweifende Partys ihren Reiz. Stattdessen gehe ich lieber in einer kleinen Gruppe von Freunden aus. Heute habe ich Geburtstag, und in unserer Nische sitzen meine beste Freundin Kayla, ihr Freund Sam, ich und Alan, mein guter Freund beziehungsweise Verehrer, der darauf bestanden hat, heute Abend wenigstens ein bisschen zu feiern.
»Du bist jetzt zweiundzwanzig, Süße«, sagt Kayla und prostet mir mit ihrem Cocktailglas zu. »Hoffentlich kriegst du bei der nächsten Präsidentschaftswahl deinen Arsch hoch und gehst wählen.«
Ich seufze. Bis jetzt finde ich keine der Optionen besonders aufregend. Weder den amtierenden unbeliebten und strauchelnden Präsidenten, der zu seiner zweiten Amtszeit antritt. Noch die Kandidaten der gegnerischen Partei, die man wegen ihrer radikalen Ideologien kaum ernst nehmen kann. Manchmal hat man den Eindruck, sie sagen einfach das, was ihnen gerade so Verrücktes durch den Kopf schießt, nur um ein wenig mediale Aufmerksamkeit zu bekommen.
»Es wäre spannend, wenn Matt Hamilton antreten würde«, fügt Sam hinzu.
Als sein Name fällt, schütte ich mir meinen Drink über den Pullover.
»Meine Stimme hätte er«, fährt Sam fort.
»Echt?« Kayla zieht keck eine Augenbraue hoch und stürzt ihren Tequila hinunter. »Charlotte kennt Hammy.«
Ich lache verlegen und wische hektisch über den nassen Fleck auf meinem Pullover. »Tu ich nicht. Wirklich nicht«, versichere ich den anderen und werfe Kayla einen warnenden Blick zu. »Ich weiß nicht, wie du darauf kommst.«
»Hast du mir selbst erzählt.«
»Ich … Wir …« Ich schüttele den Kopf und funkele sie wütend an. »Wir sind uns mal begegnet, aber deshalb kenne ich ihn noch lange nicht. Ich weiß überhaupt nichts über ihn. Nicht mehr als jeder andere von euch auch, und man sollte nicht alles glauben, was in der Presse steht.«
Oh Gott. Ich weiß wirklich nicht, warum ich Kayla von Matt Hamilton erzählt habe. Was ich getan habe … damals, als ich noch sehr jung und offensichtlich leicht zu beeindrucken war. Ich habe den Fehler gemacht, meiner besten Freundin zu gestehen, dass ich den Typen heiraten will. Doch wenigstens war ich schon damals so geistesgegenwärtig, ihr das Versprechen abzunehmen, es keiner Menschenseele zu verraten. Solche Versprechen wirken später immer kindisch, und Kayla macht es überhaupt nichts aus, jetzt darauf anzuspielen.
»Na, klar kennst du ihn. Du warst jahrelang in ihn verknallt«, lacht sie.
Ihr Freund sieht mich entschuldigend an. »Ich glaube, Kay muss dringend nach Hause.«
»Ich bin doch noch gar nicht betrunken genug«, protestiert sie, als er sie aus der Ecke manövriert.
Sie stöhnt, lässt aber zu, dass er sie auf die Füße zieht. Dann dreht sie sich zu Alan um.
»Und, wie fühlt es sich an, wenn der heißeste Kerl aller Zeiten deine Konkurrenz ist?«
»Wie bitte?«, fragt Alan.
»Der Sexiest Man Alive, du weißt schon …«, erklärt Kayla. »Wie fühlt es sich an, den als Konkurrenten zu haben?«
Alan wirft Sam einen eindeutigen Blick zu, der besagt: Ja, sie muss echt nach Hause, Mann.
»Sie ist völlig fertig«, entschuldige ich mich bei Alan. »Komm her, Kay.« Ich lege ihr den Arm um die Taille, während sie sich an Sams Schulter lehnt. Zusammen helfen wir ihr nach draußen und in ein Taxi, das Alan für sie angehalten hat. Die beiden fahren ab.
Alan und ich nehmen das nächste Taxi. Er sagt dem Fahrer meine Adresse, dann dreht er sich zu mir um. »Was hat Kay damit gemeint?«
»Nichts.« Ich schaue aus dem Fenster und spüre, wie mein Magen sich verkrampft. Ich versuche, die Frage mit einem Lachen abzutun, aber bei dem Gedanken daran, dass jemand erfährt, wie verliebt ich in Matt Hamilton war, wird mir übel. »Ich bin zweiundzwanzig. Das ist zehn, elf Jahre her. Eine Kleinmädchenschwärmerei.«
»Und ich nehme an, es hat sich ausgeschwärmt?«
Ich lächle. »Natürlich«, beruhige ich ihn, dann blicke ich wieder hinaus auf die funkelnden Lichter der Großstadt, während wir quer durch die Stadt zu mir nach Hause fahren.
Natürlich hat es sich ausgeschwärmt. Man kann nicht ernsthaft in jemanden verliebt sein, den man höchstens – wie oft? – zweimal gesehen hat. Das zweite Mal war nur flüchtig, und da standen gerade wichtigere Dinge im Mittelpunkt des Geschehens, und das erste Mal … nun ja.
Es ist elf Jahre her, aber seltsamerweise erinnere ich mich noch an alle Einzelheiten. Es ist bis heute der spannendste Tag meines Lebens, auch wenn mir nicht gefällt, welche Auswirkungen die Begegnung mit Präsident Hamiltons Sohn auf meine Jugendjahre hatte.
Ich war elf Jahre alt. Wir wohnten in einem zweistöckigen Stadthaus östlich von Capitol Hill in Washington, D. C. Mein Vater, meine Mutter, ein getigerter Kater namens Percy und ich. Wir hatten alle unsere tägliche Routine: Ich ging zur Schule, meine Mutter ging in ihr Büro bei der Organisation Women of the World, Dad ging in den Senat, und Percy strafte uns bei unserer Rückkehr mit Verachtung.
Wir wichen selten von dieser Routine ab, meinen Eltern gefiel es so. Doch an jenem Tag geschah etwas Aufregendes.
Percy wurde in mein Zimmer gesperrt, weil meine Mutter verhindern wollte, dass er Unheil anrichtete. Er rollte sich am Fußende meines Bettes zusammen, leckte sich die Pfoten und ließ sich von dem Lärm im Untergeschoss nicht beeindrucken. Hin und wieder hob er den Kopf und sah mich an, während ich durch einen schmalen Türspalt hinausblinzelte. Seit mindestens zehn Minuten saß ich dort und beobachtete, wie Mitarbeiter des Secret Service in meinem Zuhause ein- und ausgingen.
Mit gedämpften Stimmen sprachen sie in ihre Headsets.
Über den Korridor drang die Stimme meiner Mutter zu mir. »Robert? Ein letztes Mal. Dieses? Oder dieses hier?«
»Das da.« Mein Vater klang abgelenkt. Vermutlich zog er sich gerade um.
Eine vielsagende Pause entstand, und ich konnte die Enttäuschung meiner Mutter förmlich spüren.
»Ich glaube, ich ziehe dieses an«, sagte sie.
Bei besonderen Anlässen fragte sie meinen Vater immer, was sie anziehen sollte. Wenn ihr jedoch seine Wahl nicht gefiel, zog sie einfach das Kleid an, von dem sie gehofft hatte, dass er es aussuchen würde.
Ich stellte mir vor, wie meine Mutter das schwarze Kleid zurück in den Schrank hängte und das rote vorsichtig auf dem Bett ausbreitete.
Mein Vater konnte es noch nie leiden, wenn meine Mutter zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, ihr hingegen gefällt es sehr. Und warum auch nicht? Sie hat umwerfende grüne Augen und dichte, blonde Haare.
Mein Vater ist zwanzig Jahre älter als sie, und das sieht man ihm auch an. Meine Mutter hingegen wirkt mit jedem Tag jünger. Ich habe immer davon geträumt, einmal so schön und selbstsicher zu werden wie sie.
Ich fragte mich, wie spät es war. Mein Magen knurrte, als mir der Duft von Gewürzen in die Nase stieg. Rosmarin? Basilikum? Ich verwechselte sie einfach jedes Mal, egal wie oft unsere Haushälterin Jessa mir erklärte, was welches war.
Unten stand der Chefkoch eines Nobelrestaurants in unserer Küche und kochte.
Der Secret Service hatte unser Haus stundenlang vorbereitet. Jemand hatte mir erklärt, dass das Essen des Präsidenten vorgekostet werden würde, bevor man es ihm servierte.
Das Essen sah so köstlich aus, dass ich freiwillig jeden Bissen probiert hätte. Aber Vater hatte Jessa aufgetragen, mich wieder nach oben zu bringen. Er wollte mich beim Dinner nicht dabeihaben, ich sei noch »zu jung«.
Na und?, dachte ich. Früher waren Leute in meinem Alter schon verheiratet. Ich war alt genug, um allein zu Hause zu bleiben. Immer wollten sie, dass ich mich erwachsen verhielt, wie eine Dame. Aber wozu, wenn ich dann doch nie die Gelegenheit bekam, die Rolle zu spielen, auf die sie mich vorbereitet hatten?
»Es ist ein Geschäftsessen, keine Party, und es ist weiß Gott wichtig für uns, dass es gut läuft«, hatte mein Vater geknurrt, als ich ihn anflehte.
»Dad«, nörgelte ich. »Ich kann mich benehmen.«
»Kannst du dir vorstellen, dass Charlotte sich angemessen benimmt?« Dad hatte Mom einen Blick zugeworfen, woraufhin sie mich anlächelte. »Du wirst erst nächste Woche elf. Du bist noch zu klein für solche Veranstaltungen. Wir werden die ganze Zeit über Politik reden. Bleib einfach in deinem Zimmer.«
»Aber es ist doch der Präsident!«, insistierte ich, und meine Stimme zitterte vor Inbrunst.
Jetzt trat meine Mutter in ihrem prachtvollen roten Kleid, das ihre Figur umschmeichelte, aus dem Schlafzimmer und sah, wie ich am Treppenabsatz hockte und neugierig auf den Trubel im Erdgeschoss hinunterspähte.
»Ach, Charlotte«, seufzte sie.
Ich richtete mich auf.
Sie seufzte noch einmal, dann ging sie ins Schlafzimmer und nahm das Telefon vom Nachttisch. Sie wählte eine Durchwahl und sagte: »Jessa, können Sie Charlotte beim Anziehen helfen?«
Ich konnte es kaum glauben, doch im nächsten Augenblick rauschte wie durch ein Wunder Jessa in mein Zimmer, lächelte fröhlich und schüttelte den Kopf. »Kind! Du würdest sogar einem König seine Krone abschwatzen!«
»Ich habe doch gar nichts gemacht, ehrlich. Mutter hat mich hinunterlinsen sehen, und da ist ihr wahrscheinlich klar geworden, dass das eine einmalige Gelegenheit für mich ist.«
»Na schön. Dann flechten wir dir mal einen hübschen langen Zopf.« Jessa zog die Schubladen meines Frisiertisches auf. »Welches Kleid ziehst du an?«
»Ich habe keine große Auswahl.« Ich zeigte ihr das einzige Kleid, das mir noch nicht zu klein geworden war, und sie half mir beim Anziehen.
»Du wächst einfach zu schnell«, bemerkte sie liebevoll, führte mich zum Spiegel und stellte sich hinter mich, um mir die Haare zu kämmen.
Ich betrachtete mein Spiegelbild und bewunderte das Kleid. Der leuchtend blaue Satinstoff gefiel mir. Ich stellte mir vor, wie ich neben meiner Mutter in ihrem roten Kleid und meinem Vater in seinem maßgeschneiderten Anzug stand. Es war aufregend, die verbotene, mysteriöse Welt meiner Eltern zu betreten – aber noch aufregender war es, den Präsidenten kennenzulernen.
Als der Präsident eintraf, begleitete ihn eine Gruppe von Männern in Anzügen. Sie waren groß und gut aussehend, aber ich hatte nur Augen für den jungen Mann direkt neben ihm.
Er sah umwerfend aus. Seine schwarzen Haare wirkten widerspenstig, obwohl sie zurückgekämmt waren, und kringelten sich im Nacken.
Er war ein paar Zentimeter größer als der Präsident, und sein Anzug saß noch besser, wie auf den Leib geschneidert.
Er sah mich an, und auch wenn er keine Miene verzog, hätte ich schwören können, dass seine Augen mich anlächelten.
Präsident Hamilton gab meiner Mutter die Hand, dann begrüßte er meinen Vater. Ich riss meinen Blick von dem jungen Mann los und sah, wie die Mundwinkel des Präsidenten kaum merklich zuckten, als er zu mir hinabblickte. Dann war ich an der Reihe, ihm die Hand zu geben.
»Meine Tochter Charlotte …«
»Charlie«, berichtigte ich.
Mutter lächelte. »Sie wollte sich den Spaß auf keinen Fall entgehen lassen.«
»Kluges Kind.« Der Präsident lächelte mich an und deutete mit unverhohlenem Stolz auf den jungen Mann an seiner Seite. »Mein Sohn Matthew. Er wird eines Tages Präsident sein«, raunte er verschwörerisch.
Der junge Mann, von dem ich den Blick nicht abwenden konnte, lachte ein leises, tiefes Lachen, das mich erröten ließ. Plötzlich wollte ich ihm nicht mehr die Hand schütteln. Doch wie sollte ich es vermeiden?
Er gab mir die Hand – sie war warm, trocken und kräftig. Meine war zart und zitterte. »Ganz sicher nicht«, sagte er und zwinkerte mir zu.
Ich lächelte ihn schüchtern an und bemerkte, dass unsere Eltern uns aufmerksam beobachteten. »Sie sehen gar nicht aus wie ein Präsident«, platzte ich heraus.
»Wie sieht ein Präsident denn aus?«
»Alt.«
Präsident Hamilton lachte. »Gib mir noch ein wenig Zeit.« Er deutete auf seine glänzenden weißen Haare und gab Matthew einen Klaps auf den Rücken. Dann führten ihn meine Eltern ins Esszimmer.
Die Erwachsenen sprachen über Politik und Gesetze, während ich mich auf das köstliche Essen konzentrierte. Als ich meinen Teller leer gegessen hatte, winkte ich den Kellner heran und fragte höflich nach einem Nachschlag.
»Charlotte!«, tadelte mich mein Vater.
Der Kellner blickte Dad mit großen Augen an, dann mich, und ich versuchte, meine Frage besonders höflich zu wiederholen.
Der Präsident sah mich interessiert an.
Besorgt fragte ich mich, ob es unhöflich sei, um einen Nachschlag zu bitten, wenn die anderen noch nicht aufgegessen hatten.
Matthew sah ernst aus, aber seine Augen funkelten belustigt. Er wandte den Blick nicht von mir ab und sagte zum Kellner: »Ich hätte auch gern noch etwas.«
Dankbar lächelte ich ihn an, dann wurde ich wieder nervös. Sein Lächeln war so überwältigend. Es drang mir bis ins Herz.
Ich blickte auf meine Hände, die ich auf dem Schoß gefaltet hatte, und bewunderte mein Kleid. Ob Matthew mich wohl hübsch fand? Die Jungen in der Schule fanden mich hübsch. Zumindest behaupteten sie das.
Während meine Eltern mit dem Präsidenten und Matthew sprachen, fummelte ich an meinem Zopf herum, legte ihn mir zuerst über die Schulter, dann ließ ich ihn am Rücken herunterhängen. Matthew wandte sich wieder mir zu, und als in seinen Augen erneut das stille Lachen aufblitzte, kehrte das seltsame Gefühl im Bauch zurück.
Der Kellner brachte uns eine weitere Portion gefüllte Wachteln und Quinoa. Meine Eltern sahen mich immer noch so an, als sei es unverschämt, in Gegenwart des Präsidenten einen Nachschlag zu verlangen.
Matthew beugte sich über den Tisch und sagte: »Lass dir bloß nicht einreden, du wärst zu jung, um nach etwas zu fragen, das du gerne möchtest.«
»Ach, keine Sorge, manchmal frage ich erst gar nicht.«
Das brachte mir ein besonders freundliches Lachen von Matthew ein. Der Präsident blickte ihn tadelnd an, dann zwinkerte er mir zu. Als Matthew seine Aufmerksamkeit wieder der Gruppe zuwandte, fiel mir die Farbe seiner Augen auf, ein bisschen heller als schwarz, fast wie Schokolade.
Ich versuchte, alles in mich aufzunehmen, denn ich ahnte, dass dieser Augenblick, dieser Abend der aufregendste meines Lebens sein würde.
Doch wie alles im Leben dauerte er nicht ewig.
Enttäuscht sah ich zu, wie sich der Präsident von seinem Platz erhob und meinen Eltern für das Abendessen dankte.
Auch ich stand auf und konnte den Blick nicht von Matthew abwenden. Wie er dastand, wie er sich bewegte, wie er aussah. Ich fragte mich sogar, wie er wohl roch. Schweigend folgte ich der Gruppe ins Foyer. Der Präsident wandte sich zu mir um und zeigte auf seine Präsidentenwange. »Ein Küsschen, junge Dame?«
Lächelnd stellte ich mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Als ich wieder fest auf dem Boden stand, kreuzten sich Matthews und meine Blicke.
Wie ferngesteuert stellte ich mich erneut auf die Zehenspitzen. Es erschien mir selbstverständlich, auch ihm einen Abschiedskuss zu geben. Seine Wange fühlte sich fest an, seine Bartstoppeln kitzelten mich ein wenig an den Lippen. So musste es sich anfühlen, einen Filmstar zu küssen. Matthew neigte den Kopf und gab mir ebenfalls einen Kuss, und als ich seine Lippen auf meiner Wange spürte, hätte ich vor Überraschung beinahe laut geseufzt.
Noch ehe ich mich wieder sammeln konnte, verließen der Präsident und er das Haus, und nach all dem geschäftigen Treiben des Tages war es auf einmal totenstill. Ich rannte die Treppe hinauf und sah ihnen aus meinem Zimmerfenster nach. Der Chauffeur hielt dem Präsidenten die Tür der glänzenden schwarzen Limousine auf.
Bevor der Präsident einstieg, klopfte er seinem Sohn auf die Schulter und legte ihm freundlich eine Hand in den Nacken.
Als sie im Wagen verschwanden, spürte ich, wie sich mein Bauch in einem ganz merkwürdigen Gefühl zusammenzog.
Das Auto fuhr langsam die Straße hinunter. Auf der Motorhaube flatterten kleine amerikanische Flaggen. Eine Autokolonne folgte der Limousine.
Ich schloss das Fenster und zog die Vorhänge zu. Dann zog ich mein Kleid aus und hängte es vorsichtig in den Schrank.
Gerade als ich mich mit meinem Flanellpyjama ins Bett gelegt hatte, kam meine Mutter ins Zimmer.
»Das war ein schöner Abend«, sagte sie. »Hat er dir gefallen?«
Sie lächelte, als ginge ihr etwas Amüsantes durch den Kopf. Ich nickte aufrichtig. »Es hat mir Spaß gemacht, den Gesprächen zuzuhören. Ich fand alle sehr nett.«
Sie lächelte immer noch. »Matthew ist ein hübscher junger Mann. Das war ja nicht zu übersehen. Aber er ist auch ein schlauer Kerl.«
Ich nickte schweigend.
»Dein Vater und ich werden dem Präsidenten einen Brief schicken, um uns für den Abend zu bedanken. Möchtest du ihm auch schreiben?«
»Nein, danke«, antwortete ich verlegen.
Sie zog eine Augenbraue hoch und lachte. »In Ordnung. Bist du sicher? Falls du es dir noch anders überlegst, kannst du deinen Brief morgen ins Foyer legen.«
Mutter verließ das Zimmer, und ich lag im Bett, dachte an den Besuch und daran, was der Präsident über Matthew gesagt hatte.
Dann beschloss ich, Matthew einen Brief zu schreiben, weil mich der Besuch so sehr beeindruckt hatte. Was, wenn ich heute Abend nicht einen, sondern zwei Präsidenten kennengelernt hatte? Dann hätte ich wirklich den Vogel abgeschossen.
Ich benutzte die erste Seite des Briefpapiers, das mir meine Großmutter zum Geburtstag geschenkt hatte, und schrieb in meiner schönsten Handschrift: »Ich danke Ihnen und dem Präsidenten für Ihren Besuch. Falls Sie sich entscheiden, zu kandidieren, haben Sie meine Stimme. Ich würde auch in Ihrem Wahlkampfteam mitarbeiten.«
Ich leckte den Umschlag an, verschloss ihn sorgfältig und legte den Brief auf meinen Nachttisch. Dann schaltete ich das Licht aus und schlüpfte unter die Bettdecke.
Im Dunkeln lag ich in meinem Bett. Matthew war überall. An der Zimmerdecke, in den Schatten und auf dem Federbett.
Ich fragte mich, ob ich ihn jemals wiedersehen würde, und beim Gedanken daran, dass er mich niemals als Erwachsene sehen würde, tat mir das Herz weh.
Ich bin so in Gedanken, dass mir gar nicht aufgefallen ist, wie Alan mich ansieht.
»Es hat sich ausgeschwärmt, richtig?«, fragt er noch einmal.
Ich drehe mich zu ihm um und stelle überrascht fest, dass wir längst vor meinem Haus angehalten haben. Ich lache und steige aus dem Taxi, dann werfe ich einen letzten Blick hinein. »Absolut.« Diesmal nicke ich entschiedener. »Ich konzentriere mich jetzt auf meine Karriere.« Ich schlage die Tür zu und winke ihm nach.
Matt
Ich war nie ein Sohn, der unbedingt in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Seine Schuhe erschienen mir zu sauber. Zu klassisch. Zu groß.
Doch seltsamerweise sind es seine Schuhe, an die ich mich am besten erinnere – wie er bei einem schwierigen Telefonat in einem perfekten Kreis um seinen Schreibtisch herumläuft, während ich zu seinen Füßen sitze und ein Puzzle zusammensetze.
Mein Vater strebte immer nach Perfektion, auch in seiner Erscheinung. Von seinen makellosen maßgeschneiderten Anzügen über sein glatt rasiertes Gesicht bis hin zu seinem akkuraten Haarschnitt.
Während ich, jung und ahnungslos, davon träumte, frei zu sein. Frei von dem privilegierten Leben, das Vaters Erfolg meiner Mutter und mir ermöglichte.
Tausendmal hat mein Vater gesagt, ich würde eines Tages Präsident werden. Er erzählte es seinen Freunden, den Freunden seiner Freunde, und oft erzählte er es mir. Ich habe immer nur darüber gelacht.
Die sieben Jahre, die ich im Weißen Haus lebte, waren sieben Jahre, in denen ich dem Weißen Haus nur entkommen wollte.
Politik interessierte mich, das schon.
Aber ich wusste, dass mein Vater kaum schlief. Jede seiner Entscheidungen war für einen bestimmten Teil der Bevölkerung falsch – selbst wenn die Mehrheit damit einverstanden war. Meine Mutter verlor ihren Mann, als er ins Weiße Haus einzog.
Ich verlor meinen Vater, als das Präsidentenamt zu seiner Lebensaufgabe wurde.
Er versuchte, alles unter einen Hut zu bekommen. Aber kein Mann der Welt kann gleichzeitig ein Land regieren und die Energie für seine Frau und seinen Sohn aufbringen.
Ich konzentrierte mich auf die Schule und hatte gute Noten, doch es war nicht leicht für mich, Freundschaften zu schließen. Ich konnte schließlich nicht einfach Freunde ins Weiße Haus einladen.
Wenn ich an ein Leben nach dem Weißen Haus dachte, stellte ich mir vor, wie ich mich auf die Arbeit konzentrierte. Vielleicht an der Wall Street. Ich hätte endlich die Freiheit, all das zu tun, was ich unter den aufmerksamen Blicken Amerikas niemals tun konnte.
Vater kandidierte erneut und wurde wiedergewählt.
Doch dann, drei Jahre nach seiner Wiederwahl, feuerte ein unzufriedener Bürger zwei Schüsse auf ihn ab. Einen in die Brust, einen in den Bauch.
Seitdem sind Tausende von Tagen vergangen. Ich habe zu viele Jahre in der Vergangenheit gelebt.
Jetzt, da ich meine Manschettenknöpfe schließe und die Krawatte glatt streiche, denke ich an diese Schuhe, und mir fällt auf, dass ich nun tatsächlich dabei bin, in Vaters Fußstapfen zu treten.
»Sind Sie bereit, Sir?«
Ich nicke, und der Vorhang öffnet sich.
Die Welt sieht zu. Die Menschen haben gerätselt, gehofft, spekuliert.
Werden Sie? Werden Sie nicht? … Bitte. Bitte nicht.
Wenn er kandidiert, wird er gewinnen …
Er hat keine Chance …
Ich warte, bis das Stimmengewirr abebbt, beuge mich zum Mikrofon und sage: »Meine Damen und Herren, mit Freude verkünde ich Ihnen heute, dass ich offiziell für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika kandidiere.«
Charlotte
Als ich am Morgen nach meinem Geburtstag aufwache, blinkt das Lämpchen an meinem Anrufbeantworter. Ich drücke auf die Abspieltaste und höre nur mit einem halben Ohr zu, während ich mich wieder hinlege und versuche, meinen Kater abzuschütteln.
»Charlotte, hier ist deine Mutter. Ruf mich zurück.«
»Charlotte, geh bitte ans Handy.«
Nach einer dritten, ganz ähnlichen Nachricht stehe ich auf, schalte die Kaffeemaschine an und rufe meine Mutter zurück. »Hast du es auch gehört?«, fragt sie statt einer Begrüßung.
»Ich habe die letzten … sieben Stunden geschlafen.« Ich blinzle. »Was soll ich gehört haben?«
»Es ist überall im Fernsehen. Und wir sind zur feierlichen Eröffnung des Wahlkampfes eingeladen. Charlie, du musst unbedingt kommen. Das ist die Gelegenheit für dich, um in der Politik Fuß zu fassen.«
Mein erster Gedanke ist der gleiche wie in den letzten paar Jahren: Ich will nicht in die Politik.
Als Tochter eines Senators habe ich schon viel zu viel gesehen und gehört. Ich habe eine Menge durchgemacht.
»Es wird Zeit, dass du endlich deine Laufbahn einschlägst, dir deiner Möglichkeiten bewusst wirst …«, fährt meine Mutter fort, und während sie weiterschwafelt, schalte ich den Fernseher an. Auf dem Bildschirm flimmert Matts Gesicht.
Sein sonnengebräuntes, leicht stoppeliges, perfekt symmetrisches, verdammt attraktives Gesicht.
Er steht hinter einem Rednerpult, ein Ort, an dem er noch nie fotografiert worden ist. Die Paparazzi haben ihn schon unbemerkt bei Dates abgelichtet, am Strand, überall, aber soweit ich weiß noch nie hinter einem Rednerpult.
Schwarzer Anzug und rote Krawatte zieren einen Körper, der sich auch auf dem Cover der GQ gut machen würde. Der Anzug ist so tiefschwarz, dass die Anzüge der Männer um ihn herum dagegen beinahe grau wirken.
Er liebt Sport, ist bekanntermaßen gern an der frischen Luft und hält sich fit mit allem, was die Natur zu bieten hat. Schwimmen, Tennis, Wandern, Reiten. Daran lässt sein schlanker, durchtrainierter Körper, der sich unter dem maßgeschneiderten Anzug abzeichnet, keinen Zweifel. Sein voller, unglaublich verführerischer Mund verzieht sich zu einem Lächeln, als er ins Mikrofon spricht.
Ein schwarzes Textband läuft am unteren Rand über den Bildschirm:
EILMELDUNG: MATTHEWHAMILTONVERKÜNDETSEINEPRÄSIDENTSCHAFTSKANDIDATUR
Ich lese die Zeile noch einmal, höre von Weitem seine Stimme aus dem Fernseher. Er hat eine angenehme Stimme und ich bekomme eine Gänsehaut auf den Armen.
»… dass ich offiziell für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika kandidiere.«
In mir schlägt irgendetwas einen Purzelbaum. Die unterschiedlichsten Gefühle überfallen mich – Schock, Aufregung, Ungläubigkeit. Ich lasse mich rückwärts auf die Couch sinken und presse mir die Hand auf den Bauch, um dem tobenden Strudel in mir Einhalt zu gebieten. Meine Mutter redet auf mich ein, wie sehr mein Vater und sie sich über meine Gesellschaft freuen würden, aber ich höre kaum zu.
Wie auch, wenn Matthew Hamilton im Fernsehen ist?
Er ist so umwerfend, ich wette, jede Frau, die ihn jetzt sieht, wünscht sich ein Kind von ihm, möchte, dass er mit diesen Lippen nur sie küsst und mit diesen Augen niemanden sonst ansieht.
Dieser Gott.
Der Prinz von Amerika.
Kandidiert für das Amt des Präsidenten?
Aus seiner Stimme spricht Selbstbewusstsein und Kraft.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Politik nichts für Feiglinge ist. Ich weiß, was mein Vater durchgemacht hat, um seinen Sitz im Senat zu bekommen und zu behalten. Ich weiß, welche Opfer, wie viel Geduld und Disziplin es erfordert, dem Volk zu dienen. Ich weiß, dass er nachts öfter wach gelegen hat, als er es zugeben möchte. Die Kritik hat ihn wach gehalten, obwohl er stets sein Bestes gegeben hat. Ich weiß, dass es bestimmt nicht einfacher ist, Präsident zu sein als Senator. Und ich weiß, dass Matthew das eigentlich nicht gewollt hat.
Nachdem sein Vater ermordet wurde, ging es mit der Wirtschaft den Bach runter. Wir sind an einem Punkt, an dem wir uns an lebensrettende Strohhalme klammern, aber die Lage ist so ernst, dass es möglicherweise gar nicht genug davon gibt.
Also macht er es?
Tritt er an?
»Du hast wirklich keinen Grund, nicht hinzugehen«, fährt meine Mutter fort.
»Na gut.«
»Hast du gerade Ja gesagt, Charlotte?« Meine Mutter klingt so ungläubig, dass ich lachen muss, weil es mir gelungen ist, sie zu überraschen.
Ich staune selbst darüber, dass ich nicht wieder die gleiche alte Leier anstimme. Vielleicht liegt es an meinem Geburtstag und daran, dass schon wieder ein Jahr vergangen ist, in dem kein bunt blinkender Leuchtpfeil mir den idealen Lebensweg aufgezeigt hat.
Ein weiteres Jahr, in dem ich auf diesen »Das bist du und das ist dein Weg«-Augenblick gewartet habe. Damals, als die Hamiltons zum Dinner kamen, hatte ich das Gefühl, von etwas Aufregendem, Historischem und Bedeutsamem berührt worden zu sein. Dieser Abend hat mich in so mancher Hinsicht geprägt. Die Ehrfurcht und das Erstaunen angesichts der Begegnung mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten lassen sich nicht in Worte fassen. Sie wecken in einem den Wunsch, selbst Großes zu vollbringen.
Vielleicht bringt es mir Klarheit, wenn ich Matt wiedersehe. Oder zumindest könnte ich ihn richtig kennenlernen und sehen, wie er wirklich ist. Ob er den Namen Hamilton zu Recht trägt.
Ich bin neugierig.
Ich bin fasziniert.
Vielleicht muss ich mich auch ein kleines bisschen selbst davon überzeugen, dass meine Jugendschwärmerei tatsächlich verflogen ist.
Vielleicht bin ich auch einfach gespannt, so wie der Rest der Welt. Weil endlich ein Mann auf der Bildfläche erscheint, der sich den Respekt beider Parteien verdienen, die Dinge in die Hand nehmen und wirklich etwas verändern kann.
»Ich komme mit«, stimme ich zu, sehr zur Freude meiner Mutter. »Wann findet die Feier statt?«
Charlotte
Ich bin vor Kurzem in meine eigene Wohnung in der Nähe des Hauptsitzes von Women of the World gezogen. Ein Schlafzimmer und ein beachtlicher Kleiderschrank. In meiner Garderobe befinden sich hauptsächlich Hosenanzüge. Die sind ein Muss, wenn man Sponsoren gewinnen und Jobangebote für Frauen finden will. Neue Möglichkeiten, die sie auf ihrem Lebensweg inspirieren.
Doch in meinem Schrank befindet sich auch eine Stange mit Kleidern. Es sind zwar nicht Hunderte, doch für die Wahlkampferöffnungsparty habe ich immerhin mehr zur Auswahl als damals mit elf, als ich nur ein passendes Kleid besaß.
Kayla ist grün vor Neid, und sowohl Alan als auch Sam haben angedeutet, dass sie an dem Abend gern meine Begleitung sein würden – falls ich eine Begleitung brauchen sollte. Ich habe abgelehnt, da ich ja mit meiner Mutter hingehe. Mein Vater, derzeit Demokrat, ist nicht gerade geneigt, einen unabhängigen Kandidaten zu unterstützen. Aber meine Mutter hat ihren eigenen Kopf – und wenn es um Hamilton geht, habe ich den offenbar auch.
Ich frage mich, was für eine Art Mann Matt Hamilton geworden ist. Ist er wirklich der Frauenheld, als den ihn die Klatschpresse seit Jahren darstellt?
Ich entscheide mich für das gelbe Kleid mit dem tiefen Rückenausschnitt.
Ich kämme mir die roten Haare nach hinten und befestige sie mit einer glitzernden Kristallspange, damit sie mir nicht ins Gesicht fallen. Dann eile ich nach unten, wo meine Mutter mich schon im Wagen erwartet.
Das letzte Mal habe ich Matt zwei Jahre und acht Monate nach dem Dinner bei meinen Eltern gesehen. Damals war ich schon größer, fast schon eine Frau, und wie meine Mutter trug ich ein schwarzes Kleid. Auch er war schwarz gekleidet. Er stand neben seiner Mutter, die winzig und niedergeschlagen wirkte, und legte einen Arm um sie.
Er war älter geworden, ein wenig kräftiger, viel männlicher, und seine Augen funkelten nicht mehr, als ich meinen Eltern folgte und ihm mein Beileid aussprach. Dann saß ich in der hintersten Reihe und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, während ich dabei zusah, wie Matts Vater beerdigt wurde.
Seine Mutter weinte leise, zurückhaltend, und das ganze Land weinte mit; er stand da, stark und stolz, der Junge, den sein Vater dazu erzogen hatte, Katastrophen zu überstehen und weiterzumachen.
Weiße Dekoration durchsetzt mit Silber und Blau umgibt uns.
Ich fühle mich ein wenig unwohl, als ich meiner Mutter in den Ballsaal folge. Durch die Türen zu schreiten ist ungefähr so, als schlüge man ein lebendes Lexikon voller wichtiger Namen auf: Politiker, Wohltäter, Erbinnen und Erben zusammen mit den Direktoren der Eliteuniversitäten des Landes, Duke, Princeton, Harvard.
Und jede Menge Künstler, Schriftsteller und Dichter …
Pulitzerpreis- und Nobelpreisträger und Gesichter, die man sonst nur aus Blockbusterfilmen kennt …
Doch sie alle verblassen irgendwie, wenn sie sich mit Matt Hamilton im selben Raum befinden.
Er steht am anderen Ende, groß und breitschultrig, seine schwarzen Haare glänzen im Licht. Er trägt einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug und eine platinfarbene Krawatte. Sein Hemd strahlt weiß und steht in starkem Kontrast zum zartgoldenen Farbton seiner Haut.
Mein Mund wird ganz trocken, und mein Herz fängt an, das Blut schneller durch meine Adern zu pumpen.
Es ist nicht einfach, Hamilton aus den Augen zu verlieren. Die Medien lieben ihn.
Vom rebellischen Teenager über den Privatuni-Studenten bis hin zu dem Mann, der er jetzt ist.
Meine Mutter sagt, der jüngste Kandidat aller Zeiten (der bei seiner Amtseinführung erst fünfunddreißig wäre) stehe für die goldenen Zeiten, die sein Vater uns hinterlassen hat: Wachstum, Arbeitsplätze, Frieden. Das wünsche ich mir. Jeder der unzähligen Unterstützer, die heute Abend hier sind, wünscht sich das.
Als wir uns unseren Weg durch die glitzernde Menge und die nach teurem Parfüm riechende Luft bahnen, grüße ich einige Bekannte meiner Mutter. Alle sind herausgeputzt. Berühmte Persönlichkeiten haben sich schon immer zu den Hamiltons hingezogen gefühlt, ihre Anwesenheit als stille Unterstützung verstanden. Es ist mehr oder weniger neun Jahre her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe. (Eigentlich weiß ich es ganz genau, aber ich rede mir lieber ein, dass ich nicht so genau gezählt habe.)
Er ist größer, als er im Fernsehen immer wirkt, überragt die anderen um einige Zentimeter.
Und, oh Gott.
Was für ein Mann.
Schwarze Haare. Kaffeebraune Augen. Und der Körper eines griechischen Gottes.
Selbstvertrauen strömt ihm aus allen Poren.
Sogar sein schwarzer Anzug ist perfekt.
Wenn jemals ein Mann Privilegien und Erfolg ausstrahlte, dann Matthew Hamilton.
Die Hamiltons sind immer schon einflussreich gewesen. Ihr Stammbaum reicht zurück bis zu irgendwelchen englischen Lords und Ladies. Als sein Vater noch lebte, nannten sie Matt den Kronprinzen. Und nun schickt er sich an, den Thron zu besteigen.
Als ihn das PeopleMagazine zum »Sexiest Man Alive« wählte, kürte Forbes ihn zum erfolgreichsten Geschäftsmann. Nach dem Jurastudium verschwand er für einige Jahre von der Bildfläche und baute in dieser Zeit das Immobilienimperium seiner Familie aus. Nach der Menge von Übertragungswagen vor dem Ballsaal zu urteilen, hat er die Welt mit seiner Rückkehr im Sturm erobert.
Alle Zeitungen hatten heute den Namen »Hamilton« auf dem Titelblatt.
In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viele wichtige Persönlichkeiten auf einmal gesehen.
Ich kann nicht glauben, dass sie alle hier sind, um Matt zu unterstützen.
Seine unglaubliche Reichweite beeindruckt mich, und auf einmal kann ich es kaum glauben, dass ich überhaupt eine Eintrittskarte zu dieser Feier ergattert habe.
Bei Women of the World helfen wir Frauen durch schwierige Phasen ihres Lebens – Scheidungen, gesundheitliche Probleme, Traumata. Die Organisation verfolgt bescheidene und wohltätige Ziele. Auch heute geht es in eine ähnliche Richtung, alle sind aus einem bestimmten Grund hier – doch in der Luft liegt eine außerordentliche Macht.
Hier sind die Leute versammelt, die die Welt bewegen. Und ihre Welt dreht sich heute Abend nur um Matt Hamilton.
Plötzlich wird Matt von einer Schauspielerin in Beschlag genommen, die ganz eindeutig auf ihn steht. Sie trägt ein äußerst knappes Kleid, das ihre durchtrainierten Beine und ihren kecken Busen und Hintern zur Schau stellt. Mein Magen verkrampft sich, teils aus Neid, teils aus Bewunderung. Ich habe keine Ahnung, worüber ich mit dieser Frau reden sollte, trotzdem fasziniert sie mich.
»Wie gut er aussieht«, flüstert meine Mutter, als wir auf ihn zugehen.
Meine Nervosität wächst. Viel zu viele Leute stehen um ihn herum, die darauf warten, ihm vorgestellt zu werden. Ich sehe, wie er Hände schüttelt, wie fest sein Händedruck ist, wie er Blickkontakt aufnimmt. So … direkt.
Der Stein in meinem Bauch wird immer schwerer.
»Ich glaube, ich setze mich einfach da drüben hin«, flüstere ich meiner Mutter zu und deute auf die Lounge, wo die wenigsten Leute herumwuseln.
»Ach, Charlotte«, sagt sie.
»Ich habe ihn schon mal getroffen, jetzt sollen andere die Chance bekommen.«
Ich lasse sie nicht weiter zu Wort kommen und ziehe mich an diesen abgelegenen Ort zurück. Von hier aus kann ich die Menge problemlos überblicken.
Bei der Arbeit fällt es mir leicht, ein Gespräch anzufangen. Aber diese Menschenmenge hier würde jeden einschüchtern. In einer Ecke entdecke ich J. Lo in einem weißen Designerkleid. Ich blicke an meinem goldgelben Kleid hinab und frage mich, warum ich so eine auffällige Farbe gewählt habe, wenn ich doch viel lieber in der Menge untertauchen würde. Wahrscheinlich habe ich tatsächlich geglaubt, ich müsse nur so tun als ob, um wirklich dazuzugehören. Dass ich genauso elegant aussehen würde wie alle hier und mich dann auch so fühlen würde.
Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Ursache des heutigen Trubels.
Alle möchten den Hamilton-Kronprinzen begrüßen, und ich merke, dass es noch eine Weile dauern wird, bis meine Mutter zu ihm durchdringt, vor allem weil seine Sicherheitsmänner die ganze Zeit versuchen, ihn von der Menschentraube wegzuführen.
Ich sehe mich nach den Toiletten um und entdecke sie am anderen Ende des Ballsaals. Vorsichtig stehe ich auf und gehe mit starr geradeaus gerichtetem Blick an der Menschenmenge vorbei, vorbei an dem umwerfenden Matt, der inmitten einer Gruppe von Politikern steht, zu den Damentoiletten, wo ich mein Make-up überprüfe und mich ein wenig frisch mache.
Vor den Spiegeln putzen sich drei Frauen heraus und schwärmen von Matt.
»Ich würde ihn am liebsten zum Frühstück vernaschen«, schnurrt eine Dame in den besten Jahren.
Innerlich muss ich lachen, aber ich lasse mir nichts anmerken – sie könnte fast seine Mutter sein.
Ich verlasse die Toiletten und eile über den Flur zurück zu meinem Platz. Doch als ich in den mit Teppich ausgelegten Ballsaal komme, trete ich auf den Saum meines Kleides. Ich blicke auf meine Füße und hebe das Kleid ein wenig an, ohne mein Tempo zu verlangsamen. In diesem Augenblick stoße ich mit einer großen Gestalt zusammen.
Ein Arm schnellt vor und umfasst meine Taille.
Ich bleibe wie angewurzelt stehen, und mir stockt der Atem. Eine Hand liegt auf meiner Hüfte, meine Brust drückt gegen einen kräftigen Unterarm. Ich blicke auf, sehe eine flache, muskulöse Brust, eine platinfarbene Krawatte, einen sonnengebräunten Hals … und schaue Matt Hamilton direkt in die dunklen Augen.
Ich schnappe nach Luft. »Mr Hamilton! Es tut mir leid. Ich habe Sie nicht gesehen, ich war …«
Seine Berührung ist warm, doch als er bemerkt, dass ich mein Gleichgewicht wiedergefunden habe, lässt er mich langsam los. »Ich hatte Probleme mit meinem Kleid«, platze ich heraus. »Ich hätte ein anderes anziehen sollen.«
Seine Gegenwart überwältigt mich vollkommen. Er ist schlank und durchtrainiert. Überlebensgroß. Sein Gesicht ist kantig und wunderschön. Er ist so attraktiv, dass es fast in den Augen schmerzt.
Es gefällt mir ganz und gar nicht, dass sein Blick mir eine Gänsehaut verursacht. »Ich habe Sie wirklich nicht gesehen. Um eins klarzustellen, ich bin kein irrer Fan. Das ist kein Versuch, Ihre Aufmerksamkeit zu erregen, wirklich nicht.«
»Und doch ist es Ihnen gelungen.« Seine Stimme klingt voll und tief, aber sein Tonfall ist scherzhaft, und seine Augen funkeln.
Auf einmal fällt mir das Schlucken schwer.
Er verzieht die vollen Lippen zu einem hinreißenden Lächeln.
Lippen zum Küssen.
Zum Schwachwerden, zum Träumen.
Oh Gott, was für ein bezauberndes Lächeln.
Auch wenn es nur eine Sekunde dauert.
»Also, Entschuldigung noch einmal.« Ich schüttele den Kopf und atme nervös aus. »Ich bin Charl…«
»Ich weiß, wer du bist.«
Seine Lippen lächeln zwar nicht mehr, doch seine Augen funkeln jetzt noch heller – wenn das überhaupt möglich ist. Ich kann diese Begegnung kaum ertragen. Dieser Typ ist so etwas wie ein Gott.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich deinen Brief noch irgendwo habe«, sagt er leise.
Matt Hamilton weiß, wer ich bin.
Matt Hamilton hat meinen Brief noch.
Damals war er auf dem College. Der Mann, der jetzt vor mir steht, ist erwachsen, zur Perfektion gereift. Meine Güte, ich kann nicht glauben, dass ich ihm einen Brief geschrieben habe.
»Das ist mir jetzt doppelt peinlich«, flüstere ich und senke den Kopf.
Als ich wieder aufblicke, sieht Matt mich immer noch unverwandt an. Ich wette, dieser Blick lässt niemanden unberührt. »Du hast geschrieben, falls ich jemals kandidiere, würdest du mir helfen.«
Ich schüttele bestürzt den Kopf und muss bei dem Gedanken leise lachen. »Da war ich elf. Noch ein Kind.«
»Und bist du das immer noch?«
»Matt.« Ein Typ berührt Matt an der Schulter und ruft ihn zu sich.
Er nickt dem Mann zu, dann sieht er mich weiter an, wie ich da stehe, ganz verwirrt von seiner Frage.