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Prickelnde Anziehung vom ersten Augenblick!
Becka Stones größter Traum ist es, Schriftstellerin zu werden. Doch irgendwie geht gerade einfach alles schief: Die Reise nach New York, auf der Becka nach Inspiration suchen wollte, blieb ernüchternd. Und jetzt hat sie - zu allem Überfluss - auch noch ihren Rückflug verpasst. Becka steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch, als ihr plötzlich ein Fremder zu Hilfe eilt. Noah Steele, seines Zeichens berühmter Schauspieler und verflucht sexy, schafft es Becka zu beruhigen. Auch er hat seinen Flug verpasst, doch das alles scheint egal, denn: Zwischen beiden herrscht vom ersten Augenblick an ein solch atemberaubendes Knistern, dass es schon beinahe unwirklich erscheint. Um sich die Wartezeit zu vertreiben machen sie den Flughafen zu einem großen Abenteuerspielplatz. Und auf einmal ist alles anders: Becka findet ihre Muse in Noah, und Noah weiß, dass er die warmherzige Frau, die er gerade erst getroffen hat, nie wieder gehen lassen will ... Doch kann eine flüchtige Begegnung wirklich die ganze Zukunft ändern?
"Konnte. Es. Nicht. Weglegen. MUSE hatte alles, was ich an Katy Evans‘ Büchern liebe!" HARLEQUINJUNKIE
Band 3 der knisternden TYCOON-Reihe von Katy Evans
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Seitenzahl: 291
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
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Playlist
Liebe Leser:innen
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Katy Evans bei LYX
Impressum
KATY EVANS
Muse
VOM ERSTEN AUGENBLICK
Roman
Ins Deutsche übertragen von Michaela Link
Prickelnde Anziehung vom ersten Augenblick!
Becka Stones größter Traum ist es, Schriftstellerin zu werden. Doch irgendwie geht gerade einfach alles schief: Die Reise nach New York, auf der Becka nach Inspiration suchen wollte, blieb ernüchternd. Und jetzt hat sie – zu allem Überfluss – auch noch ihren Rückflug verpasst. Becka steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch, als ihr plötzlich ein Fremder zu Hilfe eilt. Noah Steele, seines Zeichens berühmter Schauspieler und verflucht sexy, schafft es Becka zu beruhigen. Auch er hat seinen Flug verpasst, doch das alles scheint egal, denn: Zwischen beiden herrscht vom ersten Augenblick an ein solch atemberaubendes Knistern, dass es schon beinahe unwirklich erscheint. Um sich die Wartezeit zu vertreiben machen sie den Flughafen zu einem großen Abenteuerspielplatz. Und auf einmal ist alles anders: Becka findet ihre Muse in Noah, und Noah weiß, dass er die warmherzige Frau, die er gerade erst getroffen hat, nie wieder gehen lassen will … Doch kann eine flüchtige Begegnung wirklich die ganze Zukunft ändern?
Für die Muse
New York kann eine sehr grausame Stadt sein.
Jedenfalls für mich.
Ich bin hierhergekommen, um Bryn aufzumuntern, meine beste Freundin, die eine schlimme Trennung durchgemacht hat.
Aber jetzt ist sie wieder mit ihrem Typen zusammen. Mission erfüllt. Ja!
Ich wollte außerdem Recherchen anstellen und meinen Liebesroman beenden.
Ich hab’s bloß nicht getan.
Warum nicht? Weil ich es nicht draufhabe. Ich habe so gut wie nichts gemacht. Außer mich zu fragen, warum meine Muse nicht mitzieht.
Das habe ich mich allerdings oft gefragt.
Jetzt bin ich auf dem Heimweg und hoffe, dass meine zickige Muse endlich zurückkommt und loslegt.
Sprich weiter so mit mir, und ich verschwinde für immer, kann ich meine Muse, diese Zicke, beinahe sagen hören.
Mit einem Seufzen werfe ich den letzten Blick auf die Stadt, von der ich nicht viel hatte. Dann sehe ich, wie mein Uber vorfährt und schleppe meinen Koffer an den Straßenrand.
Der Fahrer steigt aus und verfrachtet mein Gepäck in den Kofferraum.
Ich steige hinten ein, und schon sind wir auf dem Weg zum JFK. Während wir aus der Stadt fahren, nehme ich so viele Eindrücke wie möglich von den belebten Straßen auf, die mich zerkaut und ausgespuckt haben. Manhattan. Big Apple. New Fucking York.
Ich hatte die Stadt wirklich erkunden wollen. Wollte mir die Sehenswürdigkeiten anschauen, Inspiration finden. Ich bin mitten in meinem Buch – der besten Liebesgeschichte aller Zeiten –, und stecke fest, seit die Figuren miteinander in Streit geraten sind. Es war der große, schwarze Augenblick, und ich habe ihn herbeigeführt. Ich weiß, ich bin so stolz auf mich. In meiner eigenen kleinen Welt bin ich Gott, und das liebe ich.
Aber jetzt habe ich keine Ahnung, wie ich es in Ordnung bringen, wie ich sie aus der großen, schwarzen Grube der Verzweiflung herausholen soll. Ben, mein Held, führt sich wie ein Arschloch auf. Leia, meine Heldin, macht mir noch mehr zu schaffen. Ich war mir sicher, dass ich alles loswerden könnte, wenn ich losziehe und eine Stadt wie New York in mich aufsauge. Vor allem meine Schreibblockade.
Aber Bryn war zu beschäftigt mit dem Start ihres Unternehmens, des House of Sass. Sara, ihre Mitbewohnerin, vögelt irgendeinen reichen Mogul und ist kaum nach Hause gekommen. Ich war mir sicher, dass ein großes Mädchen wie ich, unabhängig, patent und praktisch, kein Problem damit haben würde, allein loszuziehen und Manhattan zu erkunden.
Na ja, das habe ich getan. Ich habe mir für zwei Wochen ein Hotelzimmer genommen und bin losgezogen und habe erkundet.
Und als ich nach Chelsea kam, habe ich mich in den Meatpacking District verirrt.
Ich bin von Taxifahrern, Passanten und sogar von einer blöden Barista in einem Café angebrüllt worden, als ich mich nicht binnen einer Sekunde entscheiden konnte, was ich wollte.
Wie sich herausstellt, geht in dieser Stadt wirklich alles sehr schnell. Ich habe mich gedemütigt und verwirrt gefühlt, und am Ende habe ich mich gefragt, ob ich noch dasselbe patente Mädchen war, das Austin verlassen hatte.
Diese Stadt glaubt wohl nicht, dass an mir irgendetwas patent ist.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich New York überhaupt mag. Es war nicht das, was ich erwartet habe. Es hat mir nicht gegeben, was ich gebraucht hätte … und ich bin mir ziemlich sicher, dass New York mich auch nicht mag.
Ich schaue nach, ob mir irgendjemand eine Nachricht auf dem Handy hinterlassen hat (ich habe genau null) und nehme an, dass es gut sein wird, wieder zu Hause zu sein. Vielleicht wird mir die Auszeit von der Tretmühle helfen, diese mehr zu schätzen.
Ich vermisse Tibby, meine Katze, und ich vermisse auch die Stille. Hier ist es laut, so laut, dass man kaum seine eigenen Gedanken hört. Es ist kälter, als mir lieb ist, definitiv kälter als in Austin. Ich vermisse mein gewohntes Starbucks-Café, wo die Barista mich mit einem Lächeln begrüßt und immer weiß, was ich will, und mein Getränk fertig hat, noch bevor ich ganz da bin und es mit in meine Schreibecke nehme. Nur dass meine Schreibecke in letzter Zeit wenig inspirierend war – und meine zickige Muse ist nicht mehr aufgetaucht, seit ich diesen ganzen dramatischen, schwarzen Moment zwischen dem dummen Ben und der dummen Leia eingefädelt habe. Uh.
Auf dem Weg nach Hause schicke ich meiner Schwester Lily eine Nachricht.
Lily: Was macht das Buch? Alles unter Dach und Fach?
Ich: HA! Es ist eher drauf und dran, auf der nächsten stinkigen Müllkippe von New York zu landen.
Lily: Haha. Du schaffst das schon. Du warst so aufgeregt wegen dieser Reise.
Ich: War ist das Schlüsselwort. Die Stadt ist verrückt, und ich scheine unfähiger zu sein, als ich gern glauben mag. Ich konnte kaum allein aus dem Haus gehen, ohne niedergetrampelt oder beinahe überfahren zu werden. Es ist ein Dschungel, das kann ich dir sagen.
Lily: Aah. Nun, bald wirst du wieder zu Hause sein. An dem Ort, von dem du so unbedingt FLIEHEN wolltest! Den du dein Gefängnis genannt hast!
Ich: Was auch immer. Ich habe es überdramatisiert. Das ist es, was Schriftsteller tun, wenn sie mit ihren Büchern nicht weiterkommen. Sie erschaffen in ihrem eigenen Leben Dramen aus dem Nichts. Was ist mit dir?
Lily: Ich arbeite morgen in der Bar. Igitt. Oh! Ich habe Trevor an diesem Wochenende auf der Dirty Sixth gesehen.
Uh. Das T-Wort hätte ich lieber nicht gehört.
Ich überlege, ob ich Lily fragen soll, wie er ausgesehen hat. Mit wem er zusammen war. Ob er nach mir gefragt hat.
Aber ich kenne die Antworten bereits. A) heiß B) mit einem Haufen seiner Verbindungsbrüder vom College C) nein.
Seufz. Er war der Junge, der in mir den Wunsch geweckt hat, Poesie zu versprühen, der Junge, der mich dazu gebracht hat, die erste Hälfe meines Romans so schnell wie der Wind zu schreiben. Wir sind drei Wochen lang zusammen gewesen, und ich war noch nie so inspiriert.
Dann hat er mich betrogen. Blöder Trevor.
Es ist vier Monate her. Ich hätte inzwischen meine Magie zurückhaben sollen. Oder wenigstens in der Dating-Szene wieder aktiv sein sollen. Aber nein.
Also lautet meine Schlussnachricht einfach:
Viel Glück, nicht dass du es brauchen wirst. Du wirst das Kind schon schaukeln.
Meine kleine Schwester ist nicht auf Glück angewiesen. Sie ist brillant, die Beste an der juristischen Fakultät der University of Texas. Von ihr heißt es in meiner Familie immer: »Dieses Mädchen wird es mal weit bringen!«
Ich bin die andere.
Ich gehe zum Gate, setze mich, hole meinen Laptop aus der Reisetasche und lese noch einmal den letzten Absatz, den ich geschrieben habe. Kapitel neunzehn, in dem ich feststecke seit … oh, vier Monaten.
Dann lösche ich, lösche, lösche.
Blöd. Jämmerlich. Ein Haufen Affen, alleingelassen in einem Raum mit meinem Laptop, hätte wahrscheinlich mehr zustande gebracht.
Ich habe das Gefühl, dass über mich gelacht wird. Ich schaue mich um, dann spähe ich auf den Bildschirm am Gate. St. Louis, Abflug 20 Uhr.
Hä? Was ist aus Dallas Fort Worth geworden, der ersten Etappe meines Fluges nach Austin?
Ich stelle meinen Laptop auf den Stuhl neben mir ab und gehe zum Schalter. »Ma’am …«
»Einen Augenblick.« Sie bremst mich und tippt etwas auf ihrer Tastatur.
Ich atme tief durch und zähle bis zehn.
Sie schaut auf.
»Ja?«
»Auf dem Bildschirm kann was nicht stimmen. Dies ist doch der Flug nach Dallas?«
»Der Flug nach Dallas?« Sie blickt mich an, als seien mir Hörner gewachsen. »Oh nein. Das Gate ist geändert worden.«
Scheiße. »Geändert in was?«
Sie tippt einige Dinge ein und nennt mir das neue Gate.
»Und wo ist das?«, frage ich, während ich beinahe hyperventiliere.
»Der Flug ist schon aufgerufen worden, Sie werden also ganz schön rennen müssen. Sie müssen zu Terminal C. Hier ist Terminal B.«
Ich höre nur noch halb zu, als sie Wegbeschreibungen aufsagt. Ich weiß nicht, wie, aber binnen zwei Sekunden bin ich zu meinem Platz zurückgerannt, habe mir meine Sachen geschnappt und sprinte in einem Tempo los, das mir im Stadion eine Medaille eingetragen hätte.
Ich erreiche das Gate mit letzter Kraft und sehe mein Flugzeug immer noch draußen stehen. Erleichtert hole ich erst einmal Luft, aber dann bemerke ich, dass die Türen geschlossen sind.
Wie eine Vollidiotin versuche ich, die nächste Tür gewaltsam zu öffnen, obwohl sie nicht einmal einen Griff hat.
»Miss … da können Sie nicht mehr rein. Sie sind zu spät.«
»Nein, ich bin …«
Die Frau am Gate zeigt nach draußen. Das Flugzeug rollt bereits.
»Oh nein, nein!«, stöhne ich. »Niemand hat mir gesagt, dass das Gate geändert wurde!«
Die Dame sieht mich an, als wolle sie sagen: Haben Sie nicht auf die Anzeigetafel geschaut, Sie Kamel? »Wir haben es vor einer Stunde geändert. Wir haben eine Durchsage gemacht.«
Ich stapfe zornig im Kreis umher und schüttle den Kopf, weil ich jetzt weder weiß, wie viele Stunden lang ich hier werde warten und außerdem vielleicht für ein weiteres Ticket werde zahlen müssen. Ich bin momentan nicht besonders wohlhabend, wenn man bedenkt, dass auf meinem Laptop die nutzlose beste Liebesgeschichte aller Zeiten ruht. Ich gehe auf und ab und denke an mein gähnend leeres Bankkonto.
»Bitte, sagen Sie denen, sie sollen aaaaanhalten«, flehe ich.
»Das können wir nicht. Tut mir leid.«
Ich drehe mich um und betrachte hilflos mein Gepäck, als eine Stimme brüllt: »Halten Sie das Flugzeug auf!«
Ein Mann kommt auf die Türen zugerannt. Ich begreife erst, dass ich ihm im Weg bin, als wir im Gang übereinander stolpern wie in einem misslungenen Twister-Spiel.
»Tut mir leid«, entschuldigt er sich und hebt die Hand, um mich zu packen. Ich schaudere und weiß nicht, ob das etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist, und meine Haut fühlt sich seltsam gebrandmarkt an, wo er mich berührt hat, bevor er auf die Dame am Gate zutritt.
»Hey! Halten Sie das Flugzeug auf?«, stößt er seinen Befehl als Frage aus, als wolle er sagen: Haben Sie mich beim ersten Mal nicht gehört?
»Tut mir leid …« Sie zeigt auf das rollende Flugzeug.
»So eine Scheiße.« Der Mann tritt zurück, so erregt, wie ich es vor einer Sekunde war, und fährt sich mit einer Hand durch sein zerwühltes, sandfarbenes Haar. Er schüttelt heftig den Kopf, und sein Kiefer bewegt sich unbarmherzig. »Ich bin im Arsch.«
»Scheiße, im Arsch?« Genau meine Gefühlslage.
Er lässt seine Tasche fallen, versetzt ihr einen Tritt und wirft dann eine zerschundene Lederjacke darüber. Anschließend fährt er sich mit einer Hand übers Kinn, geht schnurstracks zum Fenster und sieht dem Flieger nach. Er krallt eine Faust in sein Haar, seine Knöchel weiß, während er abermals den Kopf schüttelt, zurückkommt, sich seine Reisetasche und seine Jacke schnappt und sie dann auf einen der leeren Stühle wirft.
Er lässt sich auf den Stuhl neben mir fallen, verschränkt die Arme vor der Brust und seufzt.
Er tut mir ein wenig leid. Ich fühle mich versucht, ihm zu sagen, dass ich genau weiß, was er empfindet, aber er wirkt ungewöhnlich zornig, und ich beschließe, dass ich ohnehin schon schlecht gelaunt genug bin, auch ohne mir noch den Zorn einer anderen Person aufzuladen.
Doch ich nehme mir ein Beispiel an ihm. Ich setze mich hin, wende ihm den Rücken zu und schicke meiner Schwester eine Nachricht.
Ich habe meinen Flieger verpasst!
Der Mann führt ein Telefongespräch.
»Hey … ich weiß, es wird dir nicht gefallen, aber … es sieht nicht gut aus für morgen früh. Ja. Ich habe meinen Flug vom JFK verpasst.«
Er klingt zutiefst entnervt. Ich frage mich, mit wem er redet. Wenn es seine Freundin ist, klingt er so, als würde er sie hassen.
In dem Bemühen, nicht zu lauschen, spähe ich in meine Tasche, und … habe ich da nicht meinen Laptop reingesteckt? Ich gerate in Panik, während ich sie von oben bis unten durchsuche.
Er ist nicht da.
Mein Laptop
Ist
Nicht
Da.
Ich springe auf und laufe zu der Stelle, an der ich nur wenige Sekunden zuvor gestanden habe, gehe mit wachsender Furcht die Strecke ab, die ich zuvor gegangen bin. Er ist nirgendwo zu sehen. Scheiße, wo ist mein Laptop?
Ich beginne zu hyperventilieren – und das ist nicht gut. Ich leide unter Angstzuständen, die mich erwiesenermaßen manchmal lähmen können. Ich nehme an, das liegt daran, dass ich selten aus dem Haus komme. Schriftstellerin, einsamer Job, yadda, yadda, yadda. Wenn ich mich dann mal hinauswage und irgendetwas nicht nach Plan verläuft, funktionieren meine Lungen plötzlich nicht mehr richtig, mein Herz rast, meine Handflächen werden schweißnass.
So wie … jetzt.
Ich spüre das vertraute Erstickungsgefühl, mit dem meine Luftröhre sich zuschnürt, und meine Augen brennen vor Frustration. Gott. Nein, nicht hier, nicht jetzt, bitte!
Der Mann legt auf und sein Blick fällt auf mich. Alle sehen mich an, weil ich jetzt atme wie ein Tier in den Wehen, bis ich zu Boden gehe und dort in Fötushaltung liegen bleibe.
Seine Lippen bewegen sich in Zeitlupe. Ich höre nichts, weil mein Herzschlag mir in den Ohren dröhnt wie eine Trommel. Aber ich denke, er sagt: »Was ist mit Ihnen los?«
»Ich …« Ich ringe um Worte. »Ich habe meinen Laptop verloren. Haben Sie ihn gesehen?«
Ich betrachte seine Taschen und halte verzweifelt Ausschau nach irgendeiner Spur von meinem Laptop.
Mein Laptop ist mein Leben.
Meine Arbeit, meine Geschichten, mein Leben.
Ich schließe die Augen, und das hilft. Ich beruhige mich. Mein Herzschlag verlangsamt sich.
»Ich habe Ihren Laptop nicht gestohlen.«
Ich öffne die Augen und funkle ihn an.
»Das habe ich auch nicht behauptet!«, rufe ich verärgert. »Ich frage nur …« Ich halte mir den Bauch. Oh Gott. Ich mag die Geschichte binnen einiger Wochen geschrieben haben, als ich mit Trevor zusammen war, aber ich habe vier Monate damit verbracht, sie zurechtzustutzen – und jetzt ist alles weg. Ich war nie gut darin, Backups von meinen Sachen zu machen. Und auf diesem Laptop sind auch all die Anfänge anderer Bücher, mein ganzes Leben. Puff. Weg.
Die schlafende Muse, die dumme Zicke, hat sich aus dem Staub gemacht.
Der Mann hat die Arme vor der Brust verschränkt und streicht sich übers Kinn, als versuche er, mich zu verstehen, obwohl ich nur dumm daherfasele. »Also, was wollen Sie damit sagen?«
»Sie verstehen nicht.« Ich klopfe hektisch auf den Schalter, bis die beschäftigte Angestellte aufschaut. »Bitte, können Sie fragen, ob ich drüben bei Gate zwei einen Laptop habe stehen lassen? Ich werde eine Ewigkeit brauchen, um dorthin zu gelangen, und ich will sicherstellen, dass ihn niemand stiehlt, bis ich …«
»Sie denken, wer immer ihn gefunden hat, wird ihn Ihnen zurückgeben?«
Ich stutze bei dem sardonischen Gelächter in der Stimme hinter mir. Ich wirbele herum und funkle den Mann an. »Ich … ja.«
»Donnerwetter. Sie kommen nicht von hier, nicht wahr?«
Ich mustere ihn von Kopf bis Fuß. Obwohl er darauf aus ist, meine Hoffnungen zunichtezumachen, ist der Mann verdammt attraktiv. Sieht ein wenig zerzaust aus. Das Haar steht ihm in allen Himmelsrichtungen vom Kopf ab. Sein graues T-Shirt schmiegt sich um Muskeln, bei denen jede Frau weiche Knie bekommen würde.
Aber Attraktivität ist nicht gleichbedeutend mit Allwissenheit. Es gibt jede Menge gute Samariter auf der Welt. Und ich werde es beweisen, genau jetzt.
»Nein. Ich bin nicht von hier. Daher der Flughafen«, blaffe ich und reiße den Blick von seinen wunderschönen Muskeln los. Ich konzentriere mich auf die Flughafenangestellte. »Bitte.«
Sie hebt einen Finger und greift nach dem Telefon. Dann spricht sie kurz mit jemandem am anderen Ende der Leitung und legt schließlich wieder auf. »Tut mir leid. Kein Laptop bei Gate zwei.«
Es kostet mich meine ganze Zurückhaltung, nicht über das Podium zu springen und sie beim Kragen zu packen. »Bitte. Können Sie eine Durchsage machen oder irgendetwas? Ich werde eine Belohnung anbieten. Ich brauche diesen Laptop zurück!«
Plötzlich wird aus dem Herzrasen ein Schmerz, der mir den Brustkorb zusammenpresst. Ich ringe um Luft, während meine Atemzüge flach und schnell werden. Meine Luftröhre ist wie zugeschnürt. Meine Sicht trübt sich.
Oh nein.
Der Boden unter meinen Füßen schwankt und wirft mich auf die Knie, und meine Hände tasten umher und bekommen eine ganze Menge von gar nichts zu fassen. Eine Welle der Übelkeit schlägt über mir zusammen, und als ich den Kopf hebe, blinken mir Lichter entgegen, verschwommen, während die Dunkelheit kommt.
Das ist es. Ich sterbe. Ich sterbe, und jetzt werden Leia und Ben niemals ihr Happy End bekommen. Ich schätze, es geschieht ihnen recht, weil sie Arschlöcher sind, aber dennoch. Ich keuche »Hilfe«, als ich die Hand einer Frau auf den Schultern spüre und ihr Rosenparfüm rieche.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Dieses Mädchen braucht Hilfe!«
»Sie gehört zu mir«, erklingt eine vertraute Stimme. Irgendjemand reicht mir eine Papiertüte, und die Stimme befiehlt: »Atmen Sie.«
Ich atme in die Tüte, und meine Kehle öffnet sich wieder. Mein Pulsschlag verlangsamt sich.
Ich versuche aufzustehen, meine Gedanken in einem wilden Durcheinander, während ich nach dem Ersten greife, das ich zu fassen bekomme. Es ist ein solider, harter Arm, und sobald ich mir sicher bin, dass ich aus eigener Kraft stehe, lasse ich los, schwanke dann aber. Die Hand kommt zurück. Ich keuche abermals auf, weil mein Körper selbst in der Verfassung, in der ich mich befinde, stark auf diese Berührung anspricht.
Ich schaue zu dem Mann auf – demselben Mann, der seinen Flug verpasst hat und dessen Lippen sich jetzt zu einem teuflischen Grinsen verziehen.
»Sind Sie okay?«
Wie kann ein Fremder eine solche Wirkung haben und mir mit einem Mal das Gefühl geben, in Sicherheit zu sein?
Ich versuche einen Schritt zurückzutreten, aber er greift fester zu, während ich nervös nicke.
»Sind Sie sich sicher?«
Ich nicke immer schneller, und sein Blick wandert forschend über mein Gesicht, während er mir mit der Hand über den Rücken streicht, als wolle er sich davon überzeugen, dass es mir gut geht. Es geht mir definitiv gut, aber irgendetwas geschieht mit mir. Es geht von diesem Kerl aus und es verwirrt mich.
»Sie können mich jetzt loslassen.«
Er zieht eine Braue hoch und sieht mich an. »Ihr Körper will nicht, dass ich Sie loslasse.« Er schaut vielsagend auf meine Finger, die sich in seinen Bizeps bohren.
»Ich … ah …« Ich versuche, die Hände von ihm zu lösen, und als ich ein leises Kichern höre, reiße ich den Kopf hoch.
»Was ist so komisch?«
Ich hebe das Kinn, während der Mann mich betrachtet. Er ist mir lächerlich nah, und ich kann ihn riechen. Er riecht lecker und aufregend, tröstlich und gleichzeitig gefährlich.
»Sie können nicht anders, hm?«, fragt er, streicht mir über den Arm und beobachtet, wie ich eine Gänsehaut bekomme.
Ich ziehe den Arm weg. »Sie sind ein Mistkerl.«
»Ein Mistkerl, der Sie gerade davor bewahrt hat, Flughafenfliesen zu küssen.« Als ich ihn nur anstarre, fügt er hinzu: »Gern geschehen.«
Totaler Mistkerl, aber mit einer Kirsche obendrauf.
Ich blinzle und schaue mich um. Immer noch kein Laptop.
Ich hatte gehofft, dass das nur ein schlimmer Albtraum war.
Der Mann sieht mich immer noch an, ein erheitertes Grinsen auf dem Gesicht. Mistkerl mit Kirsche und Schlagsahne.
Oh Gott, ich kann das Bild, das meine Gedanken erzeugen, gerade gar nicht gebrauchen. Als sei der Mann nicht ohnehin schon zum Ablecken. »Und übrigens, ich gehöre nicht zu Ihnen.«
Er zuckt die Achseln. »Okay, na schön.«
Ich mache einen Schritt auf den Schalter zu, und er macht das Gleiche zur selben Zeit. Am Ende verheddern wir uns wieder ineinander, und meine Schulter prallt gegen seine breite Brust. Er hebt die Hände, die Handflächen nach außen gedreht, und lässt mich vorangehen.
Wie zum Teufel ist es möglich, dass wir auf einem der größten Flughäfen der Welt immer wieder mit den Köpfen zusammenstoßen?
Ich meine, er hat einen sehr hübschen Kopf, aber dennoch …
Die Dame am Schalter ist langsam ziemlich sauer auf mich. Ich erkenne es am Gesichtsausdruck. »Ich weiß, ich weiß. Kein Laptop. Aber … wann geht der nächste Flug nach Austin?«
Sie tippt einige Dinge ein und schüttelt den Kopf. »Ohne Zwischenstopp? Nicht vor morgen Abend.«
Morgen Abend? Scheiße. »Aber …«
»Und der ist voll ausgebucht, daher kann ich Sie nur auf die Warteliste setzen. Wegen einiger Stürme unten im Süden sind eine Menge Flüge ausgefallen. Sie könnten morgen früh auch einen indirekten Flug über Raleigh Durham oder Dallas nehmen. Dann würden Sie etwas früher in Austin sein.«
Ich stöhne und reiche ihr meinen Ausweis. »Na schön. Dann … buchen Sie mir einen Flug über Dallas.«
»Das Ticket kostet zweihundert Dollar.«
Natürlich kostet es das. Ich reiche der Frau meine leidende, zu oft missbrauchte Kreditkarte.
Ich bekomme mein neues Ticket und trete zur Seite. Dann schaue ich auf die Uhr auf meinem Handy.
Nur … sechzehn Stunden totzuschlagen. Fantastisch.
Zuerst denke ich, dass das gut sein könnte. Vielleicht kann ich mich in irgendein stilles Eckchen setzen und mich zwingen zu schreiben.
Aber dann begreife ich.
Mein Laptop ist immer noch verschwunden.
Verdammt, verdammt, verdammt. Ich schreibe Lily, die noch immer nicht auf meine letzte Schimpftirade geantwortet hat, eine Textnachricht:
Und mein Laptop ist weg. Ich werde möglicherweise hier auf dem JFK sterben.
Ich beobachte, wie der heiße, nervige Typ sich über die Theke des Schalters beugt und mit der Frau redet. Er kommt mir bekannt vor, aber mir will nicht einfallen, woher ich ihn kenne.
Als er fertig ist, richten sich zwei kühle, aschgraue Augen auf mich.
Ich schaue wieder auf mein Handy und ignoriere ihn.
»Hey«, sagt er. »Wir werden im selben Flugzeug sitzen. Lassen Sie es uns diesmal nicht vermasseln, ja?«
Ich stoße ein unverständliches Brummen aus. »Das habe ich nicht vor.«
»Wollen Sie rausgehen und sich die Stadt ansehen?«
Ich mustere ihn stirnrunzelnd. »Es ist anmaßend von Ihnen zu denken, ich würde mit Ihnen irgendwohin gehen, nur weil …«
»Weil Sie auf meine Berührung auf eine Weise reagieren, die mir das Innerste nach außen kehrt?«, fragt er mit durchdringendem Blick und ohne zu lächeln. »Ich denke, dass wir gleich ins Bett steigen und das ein wenig näher erforschen sollten. Sie nicht?«
Ich mühe mich, meine Fassung wiederzufinden. Dieser Mann verströmt Dreistigkeit, etwas Teuflisches und eine Tonne Selbstbewusstsein zugleich.
»Ich gehe mit Ihnen nirgendwohin.«
Er lacht über mich, als sei das absurder, als das Bett mit ihm, einem Fremden, zu teilen. »Sie bleiben die ganze Nacht über hier? Und wollen was tun?«
Ich habe jede Menge zu tun. Erstens, meinen Laptop finden. Zweitens, MEINEN LAPTOP FINDEN. Drittens, verdammt sicherstellen, dass ich morgen die Erste beim Gate bin. Beim richtigen Gate. Ich kann mir nicht noch eine Panikattacke erlauben.
Aber das Letzte, was ich gerade gebrauchen kann, ist, das diesem Schwanz von Schwanzhausen erklären zu müssen. »Irgendetwas.«
Er sieht mich mit diesem schiefen Lächeln an, das gleichzeitig mein Herz einen Schlag aussetzen lässt und mich wütend macht. »Mysteriös. Das gefällt mir. Was denn zum Beispiel?«
»Ich weiß nur, dass Sex mit Ihnen nicht dazu gehört.«
Ich atme aus und zittere immer noch von meiner Panikattacke – oder vielleicht wegen der Art, wie dieser Mann mich aus dem Gleichgewicht bringt.
»Also … was soll es sein? Lieben Sie den Flughafen wirklich so sehr, oder hassen Sie Manhattan wirklich so sehr?«
»Weder noch, ich will einfach …«
»Denn es klingt nicht besonders spaßig, auf diesen Stühlen zu schlafen. Ein Hotelzimmer …«
»Ich brauche kein Zimmer. Ich habe Freunde in New York«, schnaube ich und halte Ausschau nach einem bequemen, abgelegenen Platz, auf dem ich in mich zusammensinken und die nächsten sechzehn Stunden verbringen kann.
»Schön für Sie. Aber wissen Sie, was Ihre Freunde nicht haben? Mich.«
Moment mal. Vorhin dachte ich, er hätte nur gescherzt, weil er eben ein unverschämtes Arschloch ist. Deutet er ernsthaft an, dass ich mir ein Zimmer mit ihm nehmen sollte? Wirklich? Seine Augen funkeln, und jepp, das ist genau das, was er sagt.
Und bei ihm funktioniert es wahrscheinlich auch. Ich bemerke, dass alle Frauen um ihn herum ihm ständig Blicke zuwerfen. Er setzt eine Baseballkappe auf, und ich kann nur seine Lippen sehen. Was für hübsche rosafarbene Lippen, für einen Mann.
Gott, ich will diese Lippen auf mir spüren.
Was denkst du dir dabei, Becka? Ist dir die Panikattacke zu Kopf gestiegen?
»Lassen Sie uns eine Sache klarstellen«, sage ich ihm. »Sie können hingehen, wohin auch immer Sie wollen. Aber ich bleibe hier. Ich gehe nicht ohne meinen Laptop. Und ich werde mir definitiv kein Zimmer – kein Bett – kein irgendetwas – mit Ihnen teilen.«
Sein kühner Blick hält mich gefangen. »Weshalb sind Sie so sauer?«
»Mein Laptop. Ich bin Schriftstellerin. Mein ganzes Leben ist da drin.«
»Das kann nicht sein. Wenn es so wäre, würden Sie nicht hier neben mir sitzen, so zauberhaft und erregt. Für mich sehen Sie aus, als würde es Ihnen bestens gehen.«
Ich werfe ihm einen düsteren Blick zu. »Haben Sie mit solchen Sprüchen tatsächlich Erfolg?«
»Kommen Sie schon. Oder erst, wenn wir im Hotel sind.« Er grinst. »Sie können sich entspannen. Was immer Sie verloren haben, lässt sich wiederbeschaffen.«
»Nein, es lässt sich nicht wiederbeschaffen. Es ist alles auf meiner Festplatte.«
»Dann werden Sie es durch etwas Besseres ersetzen.«
Durch Erinnerungen an ihn und eine heiße Nacht mit ihm, da bin ich mir sicher. Er hält gewiss große Stücke auf sich.
Mit gutem Grund.
Ich beiße die Zähne zusammen. Ich hasse mich für diese Gedanken, weil er sie deutlich lesen kann, genauso mühelos, wie er sieht, dass ich von Kopf bis Fuß erröte. Genauso mühelos, wie er spürt, dass seine Berührung meinen Schalter auf »An« stellt.
»Hallo? NIEMALS.«
Er zuckt selbstbewusst mit den Achseln und sagt: »Sie wollen es genauso sehr wie ich«, während er die Arme über den Kopf streckt und einen Streifen straffen, braunen Bauchs zeigt.
Lieber Gott.
Dieser Augenschmaus kann einfach nicht echt sein.
In meinen Büchern hat Leia immer eine schlagfertige Antwort parat. Aber ich brauche einen Moment, um mich zu erholen. Mehr als einen Moment. Ich muss praktisch meine Zunge vom Boden aufsammeln.
»Sie machen sich etwas vor. Sie sind wahrscheinlich daran gewöhnt, dass Frauen sich Ihnen an den Hals werfen, und sind noch nie einer begegnet, die das nicht tut.«
»Tja, ich weiß aber noch ganz genau, wie ich Sie gerade eben auf die Füße gezogen habe … und ich habe noch nie erlebt, dass jemand so auf mich reagiert hat, wie Sie es gerade getan haben.«
Ich schnappe nach Luft und funkle ihn an. »Ich gebe zu, ich habe Ihretwegen kurz den Kopf verloren, aber das bedeutet nicht, dass ich mich nicht davon erholen kann. Sehen Sie? Schon viel besser. Jetzt gehen Sie in Ihr Hotelzimmer und lassen Sie mich allein.«
»Ach, Rebecca. Nachdem wir so eine schöne Zeit zusammen hatten?«
Ich starre ihn an. »Woher wissen Sie …«
»Ich habe möglicherweise Ihren Ausweis gesehen, als Sie Ihr Ticket gebucht haben.«
»Oh, okay. Widerling. Machen Sie auf diese Weise Frauen an?«
»Oft, ja.«
Um ehrlich zu sein, niemand nennt mich Rebecca. Es klingt ernst und seriös, so reif. Aber ich will nicht, dass er mich Becka nennt. Ich will, dass er mich für reif hält, dass er mich respektiert. Alles, was er von sich gibt, ist ein Versuch, mich ins Bett zu locken. Also … warum will ich noch gleich, dass er mich respektiert?
Weil er höllisch heiß ist und Dinge mit meinem Körper macht, die mich dazu bringen, mich selbst nicht zu respektieren?
»Danke, dass Sie mir vorhin geholfen haben. Das war … überraschend …«
»Sie werden feststellen, dass ich voller Überraschungen bin, Rebecca.« Er nickt und lächelt mich auf eine intime Weise an. »Es sind so viele, dass ich hoffe, Sie werden Sie nicht alle entdecken.«
Er streckt die Hand aus und berührt meine Lippen, und ich keuche auf und reagiere erneut mit meinem ganzen Körper auf ihn.
Gütiger Himmel, dieser Mann wird noch mein Tod sein.
Die Dame, wie mich dünkt, gelobt zu viel.
Was für ein Tag.
Ein beschissener Tag.
Ich wollte in den Big Apple beißen, meinen Abdruck auf dem Broadway hinterlassen und meine Fähigkeiten als Schauspieler zeigen.
Stattdessen habe ich das Gefühl, als hätte Big Apple in meinem Hintern gebissen.
Du bist etwas zu schön und durchtrainiert für unseren Hamlet.
Scheiße, was sollte das? Zu schön? Gab es dafür nicht Make-up? Und durchtrainiert und muskulös? Hatte sie dabei meinen durch Computeranimation aufgemöbelten Körper im Sinn? Außerdem: Würde ihr Hamlet nicht bekleidet auftreten?
Aber das katastrophale Vorsprechen ist jetzt kein Thema mehr. Ich habe Anne, meine Agentin, an der Strippe; sie soll mir den ersten Flug nach Hause buchen, damit ich rechtzeitig zum Schminken für den nächsten Schwung von Werbeaufnahmen wieder in L. A. bin.
»Ich weiß, es nervt«, sage ich, während ich bei Starbucks in der Schlange warte. »Aber wir werden einfach einen neuen Termin festlegen müssen.«
Ich kann nicht behaupten, dass ich unglücklich darüber bin, morgen keine vier Stunden dasitzen und mich blau anmalen lassen zu müssen. Aber irgendwann muss es sein.
Es steht in meinem Vertrag.
Genau wie drei weitere Jahre von diesem Bullshit, wie es scheint. Nicht dass ich Megalith nicht zu schätzen wüsste. Megalith sorgt dafür, dass ich Butter auf dem Brot habe. Megalith ist der Grund, warum ich jeden Monat meine Miete zahlen kann und noch einiges mehr.
Der große, blaue Bursche mag ein Superheld sein, aber er ist auch ein kleines Arschloch, weil er mein Leben übernommen hat.
Anne seufzt hörbar. »Ich habe gerade bei Expedia nachgesehen. Es gibt einen direkten Flug, der heute Nacht vom JFK abgeht. JetBlue. Was ist mit dem?«
»Nein. Du weißt, ich fliege nicht mit Blue.«
»Mach. Eine. Ausnahme.« Sie klingt wirklich verärgert. Aber ich bin die Butter auf ihrem Brot, daher muss sie sich mit mir abfinden. »Oh. Hier ist einer mit Delta.«
»Anne. Nein. Ich komme mit dem elf-fünfundzwanzig von American. Ich werde vor Mitternacht da sein.«
»Warum willst du einen Flug mit Zwischenstopp nehmen? Es gibt Nonstop-Flüge …«
»Anne.« Mein Blick wandert zu Rebecca hinüber, die mit einem Mitarbeiter des Flughafens spricht. Ihrer Gestik nach zu schließen – als stünde der Einsturz des Himmels unmittelbar bevor –, erläutert sie ihm ihre Laptop-Kümmernisse.
»Na schön. Na schön. War das Vorsprechen so schlimm?«
Ich runzle die Stirn. »Ja.«
Vor zehn Jahren war ich nach einem Auftritt als halbwüchsiger, drogensüchtiger Baseballspieler in dem inzwischen vergessenen Indie-Film »Going Home«, der sogar auf die Short List für einen Oscar war, das Gesprächsthema Nummer eins in Hollywood. Danach kamen zwei weitere Rollen, die mir eine Menge Lob einbrachten. Kein Geld, aber eine Menge Lob. Die Zeitschrift People hat mich als die Nummer drei auf ihrer Liste von Personen gebracht, die es im Auge zu behalten galt.
Und dann hat meine Agentin mir das Angebot von Galaxy Titans auf den Schreibtisch geknallt.
Eine Staffel von sechs Filmen.
Ich sollte das Alter Ego des unterwürfigen, pummeligen Andrew Steuben spielen, einen Superhelden namens Megalith, der Bauchmuskeln zum Sterben hat und Berge zerquetschen kann, einfach indem er daran denkt.
Für eine Million Dollar pro Film.
Zur Hölle, ja.
Es bedeutete eine Menge Make-up und den Einsatz von CGI, um meine Figur zu überzeichnen. Aber das war mir egal. Ich brauchte das Geld. Also habe ich unterschrieben.
Die Galaxy-Titans-Franchise ist jetzt eines der größten Filmfranchises aller Zeiten.
Noah Steele ist beinahe ein Markenname. Aber ich werde auf der Straße nie erkannt. Werde nie gebeten, Autogramme zu geben, es sei denn, ich bin bei einem offiziellen Presseevent.
Was dem Leben als Filmstar verdammt noch mal den Spaß nimmt.
Wie oft werde ich wohl heutzutage wegen meiner früheren Arbeit erkannt, der Arbeit, die mich mit dem größten Stolz erfüllt? Nie.
Außerdem: Niemand hat mir verraten, dass die Sahnerollen – diejenigen, die mir Anerkennung als ernsthaften Schauspieler verschaffen könnten, die mich für eine Hauptrolle qualifizieren – einfach verschwinden würden, sobald ich einen Superhelden spielte.
Jetzt brauche ich nur noch aufzutauchen, laut zu werden und mein Sixpack aufblitzen zu lassen.
Also ist das alles, was ich bin. Ein heißer, blauer Augenschmaus. Und das meiste davon habe ich CGI zu verdanken.
Also bin ich in Wirklichkeit gar nichts.
Als sich vor zwei Jahren das Ende der Sechs-Filme-Serie näherte, habe ich meine Agentin gebeten, nach ernsteren Rollen Ausschau zu halten und mich zu meinen Wurzeln zurückzuführen. Sie hat die Nachricht verbreitet, dass ich für neue Rollen offen sei.
Niemand hat angebissen. Kein einziges Vorsprechen.
Nicht eins.
Anne hat vorgeschlagen, dass ich eine Pause von Hollywood machen soll. Nach zwei Jahren des Suchens hat es sich herumgesprochen, dass ich verzweifelt bin. Sie hat vorgeschlagen, es am Broadway zu versuchen, da ich auf der Highschool und am College mit Theaterspielen angefangen hatte.
Als Nächstes eröffnete sie mir, dass Galaxy Titans mich für weitere drei Filme verpflichten wolle.
Ich musste in die Hand beißen, die mich füttert. Aber … nach King of the Galaxy, der in diesem Dezember rauskommt … bin ich damit durch.
Ich will nicht für immer auf dieses blaue Arschloch festgelegt bleiben.
Kann nicht. Will nicht.
»Ah«, sagt Anne. »Es war nur ein einziges Vorsprechen. Es wird weitere geben. Ich habe gehört, sie suchen einen Roger für eine neue Fassung von Rent.«
Ich reibe mir über das Gesicht und trete an den ersten Platz der Schlange. Mit den Lippen forme ich meine Bestellung: zwei Kaffee Venti. »Wann?«
»Das Vorsprechen beginnt nächste Woche.«
Ich habe den Roger auf dem College gespielt. Ich kenne diese Rolle in- und auswendig. Es ist eine große, emotionale Rolle. »Ja, warum nicht. Klar. Melde mich an.«
»Mache ich. Und, Noah?« Schweigen. »Komm schnell hierher zurück. Ich weiß, du hasst diese Filme und ich musste dich praktisch zwingen, sie etwas besser zu vermarkten. Bitte.«
»Gut.« Ich beende das Gespräch, stecke das Telefon ein und gehe zu Rebecca hinüber, die in sich zusammengesunken auf einem Stuhl hockt. »Niemand hat meinen Laptop gesehen«, stöhnt sie.
Ich stelle ihr einen Kaffee in den Becherhalter. »Hier.«