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Bereits lange vor der Erstarkung des weiblichen Geschlechts im vergangenen und im gegenwärtigen Jahrhundert haben sich Frauen ihren Platz unter den Großen der Welt erkämpft und den Weg in männerdominierte Lebensbereiche freigemacht. Auf allen gesellschaftlichen Ebenen wird die Geschichte der Menschheit mitgetragen von Frauen, die bis in die heutige Zeit als generationsübergreifende Vorbilder dienen. Der vorliegende Band stellt eine Auswahl dieser unzähligen Heldinnen vor, wobei einige - meist verschuldet von den sozialen Umständen ihrer jeweiligen Zeit - weitgehend im Verborgenen wirkten, andere wiederum in aller Öffentlichkeit ihre Kräfte mit dem männlichen Geschlecht erfolgreich maßen.
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Seitenzahl: 287
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Dr. Isabella Ackerl,
geboren 1940 in Wien, Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, Promotion zum Dr. phil.; zahlreiche Lexikonartikel und Publikationen, u. a. bei marixwissen: Die 100 bedeutendsten Staatsmänner; Die Staaten der Erde: Europa und Asien; Die Staaten der Erde: Afrika, Amerika und Australien; Geschichte Österreichs in Daten (2 Bände).
»Wir sind die Heldinnen unserer eigenen Geschichte.«MARY MCCARTHY
Bereits lange vor der Erstarkung des weiblichen Geschlechts im vergangenen und im gegenwärtigen Jahrhundert haben sich Frauen ihren Platz unter den Großen der Welt erkämpft und den Weg in männerdominierte Lebensbereiche freigemacht. Auf allen gesellschaftlichen Ebenen wird die Geschichte der Menschheit mitgetragen von Frauen, die bis in die heutige Zeit als generationsübergreifende Vorbilder dienen. Der vorliegende Band stellt eine Auswahl dieser unzähligen Heldinnen vor, wobei einige – meist verschuldet von den sozialen Umständen ihrer jeweiligen Zeit – weitgehend im Verborgenen wirkten, andere wiederum in aller Öffentlichkeit ihre Kräfte mit dem männlichen Geschlecht erfolgreich maßen.
Mit Kurzporträts zu u. a. Hatschepsut, Hildegard von Bingen, Marie Curie, Gerty Cori, Alva Myrdal, Marie Jahoda, Mutter Teresa, Jane Goodall, Aung San Suu Kyi, Shirin Ebadi, Jody Williams und Malala Yousafzai.
Isabella AckerlMutige Frauen
Isabella Ackerl
46 Porträts
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2014 Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014 Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH Hamburg BerlinBildnachweis: © akg-images GmbH, Berlin / Album eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0451-6
www.verlagshaus-roemerweg.de/marixverlag
»Ich bin doch nur ein Mädchen.«
Elena Lucrezia Cornaro Piscopia
»Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe, Sir!Wir sind hier, nicht weil wir Gesetzesbrecherinnen sind;wir sind hier, weil wir uns darum bemühen,Gesetzgeberinnen zu werden.«
Emmeline Pankhurst
VORWORT
HATSCHEPSUT
LYSISTRATA
HILDEGARD VON BINGEN
TAMAR
HL. ELISABETH VON THÜRINGEN
CASSANDRA FEDELE
ELENA LUCREZIA CORNARO PISCOPIA
MARIA SIBYLLA MERIAN
LAURA MARIA CATERINA BASSI
DOROTHEA CHRISTIANE ERXLEBEN
SARAH GRIMKÉ,ANGELINA GRIMKÉ
IDA PFEIFFER
FLORENCE NIGHTINGALE
BERTHA VON SUTTNER
SOFJA WASSILJEWNA KOWALEWSKAJA
EMMELINE PANKHURST
ELISE RICHTER
MARIE CURIE
MARIA MONTESSORI
LISE MEITNER
HILDEGARD BURJAN
GABRIELLE »COCO« CHANEL
MATHILDE VAERTING
GERTY CORI
MAGARETE SCHÜTTE-LIHOTZKY
IRÈNE JOLIOT-CURIE
CLÄRENORE STINNES
ALVA MYRDAL
MELITTA SCHENK GRÄFIN STAUFFENBERG
MARIE JAHODA
SIMONE DE BEAUVOIR
MUTTER TERESA
ETTA BECKER-DONNER
SIRIMAVO BANDARANAIKE
GERDA LERNER
MARIA SCHAUMAYER
JANE GOODALL
MAIREAD CORRIGAN,BETTY WILLIAMS
AUNG SAN SUU KYI
SHIRIN EBADI
JODY WILLIAMS
BENAZIR BHUTTO
RIGOBERTA MENCHÚ
LEYMAH GBOWEE,ELLEN JOHNSON SIRLEAF
TAWAKKOL KARMAN
MALALA YOUSAFZAI
LITERATURLISTE
Die nachfolgend dargestellten »mutigen« Frauen warfen sich nie ins Kampfgetümmel, sondern haben die ihnen durch Gesellschaft oder Zeitgeist auferlegten Schranken überwunden. Sie sind Mutmacherinnen für jene, die ihnen folgten und folgen werden. Sie sind beispielgebend, weil sie für ihre Zeit Ungewöhnliches wollten und auch erreichten, zielstrebig und unbekümmert. Die Auswahl der Dargestellten ist subjektiv und auch durch die Fülle oder das Fehlen von Überlieferung bestimmt. Zweifellos gab es viel mehr »mutige« Frauen, als wir heute wissen.
Zu allen Zeiten setzten sich mutige Frauen für den Frieden ein, beginnend mit der mythisch-literarischen Gestalt der Lysistrata bis zu den Friedensnobelpreisträgerinnen unserer Tage. Sie gingen unverdrossen und trotz teilweiser Erfolglosigkeit und Vergeblichkeit ihren Weg, sie setzten ihre Anstrengungen fort, auch wenn man sie wie Lysistrata zu einer Figur der Komödie machte, über die sich die Menschen im Amphitheater vor Lachen den Bauch hielten oder eine hämische Presse sie mit Beinamen wie die »Friedensbertha« für Bertha von Suttner verhöhnten. An ihre Erfolge glaubten nur wenige, erst im 21. Jahrhundert lassen Tendenzen gewaltlosen Widerstands und die damit einhergehenden Erfolge Hoffnung schöpfen.
Frieden bedeutet nicht nur das Verhindern von kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern auch Gleichberechtigung der Völker, religiöser Gruppen oder Ethnien. Mutige Frauen veränderten durch ihren Einsatz unsere Weltsicht und konnten bisweilen nachhaltige Erfolge erzielen, etwa wie Jodie Williams durch ihre weltweite Kampagne gegen Landminen oder Jane Goodall, die durch ihre Forschungen zu Primaten nicht ungehört ihre mahnende Stimme zum Schutz unserer genetischen Verwandten erhebt.
Über die Jahrhunderte hinweg traten Frauen für mehr Bildung und damit für ihren Anteil am sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaften ein. Die Emanzipationsgeschichte der Frauen ist vor allem eine Geschichte der Eroberung von Bildungschancen in patriarchalen Strukturen. In den westlichen Gesellschaften stehen den Frauen heute alle Bildungsmöglichkeiten offen. Doch mussten diese gegen erhebliche Widerstände im 19. Jahrhundert in jedem einzelnen Bereich erobert werden. Man bezichtigte Frauen der mangelnden Intelligenz, ja der Dummheit, man sprach ihnen schöpferische Phantasie ab, hochbegabte Frauen wurden in ihrem Streben schwer gehindert oder lächerlich gemacht, weiblicher Forschergeist zum Schaden der Menschheitsgeschichte an der Entfaltung gehindert. Jede einzelne, die sich über die ihr auferlegten Schranken hinwegsetzte, veränderte die Welt. Diese Frauen bewiesen, dass nicht nur Männer Forscher und Entdecker sein können, und machten späteren Generationen Mut, die »gläserne Decke« zu durchbrechen. Sie machten bis dahin Undenkbares möglich. Manche blieben solitäre Erscheinungen, gerieten vorübergehend in Vergessenheit und doch wurden sie von anderen Frauen wiederentdeckt und als Vorbilder angesehen. So berief sich etwa Laura Bassi, Universitätsprofessorin des 18. Jahrhunderts auf Bettisia Gozzadini, die schon im 13. Jahrhundert an der Universität von Bologna, der ältesten des Kontinents, juristische Vorlesungen gehalten haben soll.
Diesen mutigen Pionierinnen des Geistes und der Tat sei dieser Band gewidmet.
* etwa 1495 v. Chr.
† 1458 v. Chr. (14. Januar 1457?)
Hatschepsut, ägyptischer Pharao weiblichen Geschlechts, regierte während der 18. Dynastie. Der Beginn ihrer Regierungszeit wird auf 1479 v. Chr. datiert, d. h. sie erreichte schon im Alter von 16 Jahren eine machtvolle Position, die mit dem ehrenden Titel »die erste der vornehmen Frauen, die Amun umarmt« umschrieben wird. Hatschepsut ist eine Tochter des Pharaos Thutmosis I. und seiner Gattin Ahmose. Ihr Halbbruder Thutmosis II. war gleichzeitig ihr Ehemann, mit dem sie zwei Töchter hatte. Ein Sohn aus einer Verbindung von Thutmosis II. mit der Nebenfrau Isis folgte als Thutmosis III. dem Vater nach. Als Thutmosis III. die Herrschaft antreten sollte, war er allerdings erst vier Jahre alt und noch nicht in der Lage, sein Amt auszuüben.
In dieser vermutlich riskanten Phase übernahm Hatschepsut die Regentschaft für ihren Stiefsohn. Die tatsächliche Übernahme der Herrschaft durch eine Frau ist ungewöhnlich, da ein Pharao zugleich auch der höchste geistliche Würdenträger des Reiches war, ein Amt, das keinesfalls von einer Frau ausgeübt werden durfte. Daher wurde diese Herrscherin einerseits als Mann dargestellt, um den Gepflogenheiten Genüge zu tun, andererseits wurde eine Legende über ihre göttliche Geburt, d. h. ihre direkte Abstammung von Amun, geschaffen, um den Tabubruch abzuwehren, indem die Herrschaft einer Frau als göttlicher Wille dargestellt und sie somit außerhalb der Normen positioniert wird. In Hatschepsuts angeblicher Geburtsgeschichte, die im Tempel von Deir-el-Bahari in 15 Szenen dargestellt ist, heißt es: »Der Name meiner Tochter, die ich Dir in den Leib gelegt habe, soll deshalb auch Hatschepsut lauten … Hatschepsut wird das treffliche Amt des Königs ausüben im ganzen Land.« Dieser Mythos von der göttlichen Geburt steht so durchaus in der altägyptischen Tradition und reicht bis in die vierte Dynastie des Alten Reichs zurück. Diesen Mythos zu schaffen und zu verbreiten, war auch deshalb wichtig, weil ihr Vater Thutmosis I., ein Armeegeneral, unbekannter Herkunft war; jedenfalls stammte er nicht aus einer Zweiglinie von Pharaonen. Ihre Mutter Ahmose hingegen stammte von Amenhotep I. ab.
Zwei Jahre nach Übernahme der Regentschaft wurde Hatschepsut formell durch den Hohepriester mit der Krone Ober- und Unterägyptens gekrönt. Eine Schilderung dieser Zeremonie findet sich in der Roten Kapelle des Tempels von Karnak. Zwei weitere Inschriften aus späteren Jahren bestätigen ihre Herrschaft.
In ihrem neunten Regierungsjahr veranlasst Hatschepsut die Expedition in das Land Punt, eine äußerst wichtige und gut dokumentierte Unternehmung. Dieses sagenumwobene Land lag möglicherweise an der Westküste des Roten Meeres im heutigen Somalia oder Eritrea. Dieses Unternehmen ist in Hatschepsuts Totentempel ausführlich dargestellt, legendär sind die Bilder der Herrscherin des Landes Punt, die im Gegensatz zum üblichen ägyptischen Schönheitsideal als besonders beleibt dargestellt wurde. Ägypten bezog aus dem Lande Punt Weihrauch und Edelhölzer, Gold, Elfenbein und Harze, aber auch Tiere, die vom Künstler des Tempels der Hatschepsut für die Ewigkeit festgehalten wurden.
Hatschepsut kam auch den für einen Pharao üblichen militärischen Aufgaben nach. Sie führte vor allem Strafexpeditionen nach Nubien und Palästina durch. Eine weitere Strafexpedition führte sie gegen kriegerische Nomaden auf der Halbinsel Sinai. Zweck war die Wiedereröffnung der dortigen Türkisminen. Vermutlich hat Hatschepsut schon ihren Vater auf Kriegszügen begleitet und sich dabei Wissen angeeignet und Reputation gewonnen.
Der Baumeister Senenmut errichtete vermutlich in ihrem Auftrag den Totentempel in Deir-el-Bahari und führte Bauarbeiten am Amuntempel von Karnak durch. Es sind dies die Rote Kapelle, ein Barkensanktuar und Obelisken. Dieser Architekt spielte im Leben der Hatschepsut eine bedeutende Rolle, denn er wird auch als Erzieher ihrer Tochter Neferure genannt und als oberster Vermögensverwalter bezeichnet. Möglicherweise stand Senenmut der Herrscherin näher, zumindest lässt eine Statue, die ihn mit Hatschepsut und ihrer Tochter zeigt, dies vermuten. Der Tempel der Hatschepsut ist in seiner architektonischen Gestaltung einzigartig, vor allem die Terrassen und Rampen zu beiden Seiten sind ohne Beispiel. Außerdem ließ Hatschepsut zu Ehren Amuns in den gewaltigen Tempelanlagen von Karnak zwei Obelisken errichten, von denen einer noch aufrecht stehend erhalten blieb. Der zweite, zerbrochen in mehrere Teile, lagert in verschiedenen Museen der Welt.
Hatschepsut wurde vermutlich kaum älter als 35 Jahre. Nach der Identifizierung ihrer Mumie, die fast zweifelsfrei 2007 erfolgte, gehen die Forscher davon aus, dass sie an Krebs oder Diabetes starb. Gefunden hatte man Hatschepsuts Mumie schon 1903; sie konnte aber damals keinem Herrscher eindeutig zugeordnet werden. Mittels DNA-Analysen und CT-Untersuchung wurde mehr Klarheit gewonnen, allerdings bestehen noch immer gewisse Zweifel, vor allem wegen eines nicht exakt passenden Zahnes.
Zu ihren Lebzeiten stand Hatschepsut als Pharao wohl nicht in Frage, nach ihrem Tod wurden aber Inschriften, Reliefs und Statuen der Hatschepsut zerstört. Zunächst vermutete man ihren Halbbruder Thutmosis III. als Täter, inzwischen meint man, dass diese Vernichtungen der Erinnerung, diese »Damnatio memoriae«, einer jüngeren Zeit zuzuordnen sind. Offenbar sollte nie wieder die Tradition gebrochen werden, nie wieder eine Frau das Regierungsamt übernehmen.
Die Geschichtsschreibung beurteilt heute die Zeit der Hatschepsut als eine wichtige und innovative Übergangsphase zum Neuen Reich. Ihre Herrschaft wurde als segensreich für das Land gesehen, die es ihrem Stiefsohn Thutmosis III. ermöglichte, Eroberungszüge bis an den Euphrat zu führen. Generell war ihre 20-jährige Regierungszeit eine Epoche des inneren Friedens. Ganz im Gegensatz zu Hatschepsut ist über die wahrscheinlich kurze Regierungsphase ihres Halbbruders und Ehemannes Thutmosis II. fast nichts bekannt, er stand sichtlich im Schatten seiner wesentlich tatkräftigeren Gattin und Halbschwester.
Ohne Zweifel war Hatschepsut eine sendungsbewusste, analytische und selbstsichere Frau. Ob sie die Übernahme der Herrschaft aus lauteren Beweggründen und nur im Interesse des Reiches vollzog, oder im Gegenteil aus Machthunger und Geltungsbewusstsein, werden wir wohl nie sicher wissen. In den Augen der Nachwelt, die sie verfemte, war ihre Herrschaft ein Tabubruch, denn eine Frau als Teil der religiösen Hierarchie war bis dahin unerhört und sollte sich auch nicht wiederholen. Für die Zeitgenossen war die Periode ihrer Herrschaft vermutlich gut. So können wir in einer Inschrift für den zur gleichen Zeit lebenden Bürgermeister von Theben lesen: »… sie, eine Herrin des Befehlens, deren Pläne vortrefflich waren; die die beiden Länder [gemeint sind Ober- und Unterägypten] beruhigte, wenn sie redete.«
Die Geschichtswissenschaft begegnete dieser außergewöhnlichen Frau zum ersten Mal nach Entschlüsselung der Hieroglyphen durch Jean-François Champollion, als man wenige Jahre später in Theben die Kartusche eines bis dahin unbekannten Herrschers entdeckte, der in keiner der klassischen Königslisten auftauchte. Eine Beischrift deutete daraufhin, dass es sich um eine Frau handeln könnte, doch blieb das Rätsel um diese Herrscherin noch lange bestehen und bleibt bis heute geheimnisvoll.
Lysistrata ist eine Kunstfigur, eine literarisch-fiktionale Gestalt. Sie ist die Kopfgeburt des griechischen Dramatikers und Komödienautors Aristophanes, der seine Komödie »Lysistrata« im zwanzigsten Jahr des Peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta schrieb, um die kriegsmüden und erschöpften Menschen mit den Mitteln der Komödie auf Frieden einzustimmen. Das Stück des Aristophanes, aus Anlass der Lenäen, den Festspielen zu Ehren des Gottes Dionysos, aufgeführt, ist ein im Mantel der Komödie verpacktes Politstück pazifistischen Inhalts und bereits die dritte Komödie, die Aristophanes zu diesem Thema verfasste.
Die Geschichte Lysistratas lässt sich schnell erzählen: Die Frauen Athens sind des sinnlosen Tötens leid und wollen endlich Frieden. Da die Männer keinerlei Anstalten machen, Friedensverhandlungen einzuleiten, besetzen sie auf Anraten der schlauen und tatkräftigen Lysistrata die Akropolis, den Burgberg der Stadt. Mit einem Schlag haben sie den strategisch wichtigsten Platz der Stadt in ihre Gewalt gebracht und damit auch die Kriegskasse, die sich im Jupitertempel befand. Den überraschten und völlig übertölpelten Männern, deren Autorität durch diese Tat gründlich untergraben wurde, haben sie noch eine zusätzliche Bedingung auferlegt: Erst wenn Frieden herrsche, würden die Frauen wieder in die ehelichen Schlafgemächer zurückkehren. Diese sexuelle Verweigerung wurde noch durch eine Allianz mit den Spartanerinnen, personifiziert durch Lampito, die Gleiches im Namen der spartanischen Frauen ihren Ehemännern droht, verschärft. Nach verschiedenen Verstrickungen – liebestolle Männer versuchen vergeblich die Burg zu stürmen, nicht ganz standhafte Frauen wollen die Akropolis verlassen, um zu ihren Männern heimzukehren – lenken die athenischen und spartanischen Männer ein. Der Liebesentzug führt letztlich ein glückliches Ende und den lang ersehnten Frieden herbei.
Aristophanes, ein genialer Komödiendichter, der mit Vorliebe Frauen zu den zentralen Figuren seiner Stücke machte, hatte die Hand am Puls der Zeit. Er stellte komödienhaft dar, was sich keiner ernsthaft zu formulieren getraute. Seit zwanzig Jahren herrschte Krieg, eine Generation junger Männer kannte nichts anderes als den Kampf. Sicherlich waren auch sie erschöpft und müde, doch ihr Stolz ließ nicht zu, dem unsinnigen Treiben ein Ende zu setzen. Aristophanes wählte keineswegs eine feine rhetorische Klinge, seine Dialoge sind derb und direkt. Jeder athenische Mann sollte verstehen, worum es in diesem Stück ging. Vordergründig ist es ein Kampf friedliebender Frauen gegen kriegstreibende Männer. Dahinter steckte eine grundsätzlich pazifistische Haltung eines Mannes, der sich der Frauen als Sprachrohr für seine Gesinnung bediente. Er wählte das Genre der Komödie vor allem deswegen, weil es das Publikum äußerst witzig fand, wenn Frauen politisch denken und handeln, einen Plan schmieden und durchführen. In der historischen Realität waren Frauen üblicherweise ans Haus gefesselt, ungebildet und standen dem politischen Geschehen fern. Wir können vermuten, dass es nicht viele Männer in Athen gab, die die Meinung des Dichters teilten, aber alle Männer waren von der Friedensstrategie der fiktiven Heldin beeindruckt, zumindest insofern, als dass sie zufrieden ihre eigene Situation mit der der Protagonisten im Stück verglichen und sich glücklicher schätzten als die vermeintlich Unbelehrbaren. Auf die Wirklichkeit bezogen sah die Lage in Athen trotzdem alles andere als gut aus, denn es sollte immerhin noch sieben Jahre dauern, bis endlich Frieden herrschte. Athen musste eine schwere Niederlage hinnehmen.
Gab es ein historisches Vorbild der Lysistrata? Kannte Aristophanes vielleicht eine Athenerin, die ihrem Mann die ehelichen Freuden verweigerte, damit er endlich seine Stimme für den Frieden erhöbe? Wir wissen es nicht; jedenfalls war zunächst nur die Komödie des Dichters ein Erfolg.
Die Thematik des Bühnenstücks des Athener Dichters, aus dem Augenblick einer konkreten politischen Situation geboren, wird immer wieder in der Literatur aufgegriffen. Die Ideen und Taten der »Heeresauflöserin« sind ein konstantes Menschheitsthema. Die Figur der Lysistrata lebt weiter in Musicals oder Hörspielen, im Film und Fernsehen. Im 20. Jahrhundert hätten Gesinnungsgenossen der »L.« sie wahrscheinlich für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Viele Friedenskämpferinnen unserer Tage streiten nach wie vor gegen die sprichwörtlichen Windmühlen. Daher ist Lysistrata ein leuchtendes Vorbild für die Umsetzung eines edlen Gedankens.
* zwischen Mai und September 1098 Bermersheim (Rheinland-Pfalz)
† 17. September 1179 Kloster Rupertsberg bei Bingen
Schon zu ihren Lebzeiten wurde Hildegard von Bingen als Heilige verehrt. Ihr wichtigster Übersetzer und Biograph Bernard Gorceix nannte sie das »geistliche und moralische Gewissen ihrer Zeit«. Erst im 20. Jahrhundert wurden ihre Schriften zur Heilkunde wiederentdeckt und als »Hildegardismedizin« zu Quellen für alternative medizinische Anwendungen, vor allem im Bereich der sich auf Kräuterkunde stützenden »sanften« Naturmedizin.
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