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Über 60 bedeutende Persönlichkeiten:Sigmund Freud, Ingeborg Bachmann, Herbert von Karajan, Romy Schneider, Falco …: Das 19. und 20. Jahrhundert hat in Österreich viele bekannte Persönlichkeiten herrvorgebracht, deren Bedeutung weit über die Grenzen des Landes hinausreicht. Ihr Talent war eine Bereicherung für die Kunst, ihr wissenschaftlicher Forschungsdrang half der Allgemeinheit in vielen Disziplinen, so etwa der psychologischen.Wer waren die Persönlichkeiten, denen wir bedeutende künstlerische und naturwissenschaftliche Beiträge verdanken? Der vorliegende Band stellt dem Leser diese herausragenden Menschen vor, vermittelt ihmDetails zu ihrer Herkunft und ihren genauen Lebensumständen.
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Seitenzahl: 290
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Dr. Isabella Ackerl, geboren 1940 in Wien, Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, Promotion zum Dr. phil.; seit 1971 wissenschaftliche Sekretärin der »Wissenschaftlichen Kommission des Theodor-Körner-Stiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur Erforschung der Geschichte der Ersten Republik«. Seit Dezember 1981 Bundespressedienst in Wien. Zahlreiche Lexikonartikel und Publikationen, u.a. bei marixwissen: Die bedeutendsten Staatsmänner; Die Staaten der Erde: Europa und Asien; Die Staaten der Erde: Afrika, Amerika und Australien; Geschichte Österreichs in Daten. Von der Urzeit bis 1804; Geschichte Österreichs in Daten. Von 1804 bis heute.
Sigmund Freud, Ingeborg Bachmann, Herbert von Karajan, Romy Schneider, Falco …: Das 19. und 20. Jahrhundert hat in Österreich viele bekannte Persönlichkeiten hervorgebracht, deren Bedeutung weit über die Grenzen des Landes hinausreicht. Ihr Talent war eine Bereicherung für die Kunst, ihr wissenschaftlicher Forschungsdrang half der Allgemeinheit in vielen Disziplinen, so etwa der psychologischen. Ihre Namen sind in aller Munde, ein komprimiertes Wissen über ihr Leben und Wirken fehlt jedoch zumeist. Wer waren und wie lebten die Persönlichkeiten, denen wir bedeutende künstlerische und naturwissenschaftliche Beiträge verdanken?
Der vorliegende Band stellt dem Leser diese herausragenden Menschen vor, vermittelt ihm Details zu ihrer Herkunft und ihren genauen Lebensumständen.
Editorische Notiz: Die Reihung der Biographien erfolgte chronologisch nach dem Geburtsjahrgang
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
dnb.d-nb.de
abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2011 Projektbetreuung: Verlagsagentur Mag. Michael Hlatky, A–8071 Vasoldsberg Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH nach der Gestaltung von Thomas Jarzina, Köln Bildnachweis: akg-images GmbH, Berlin / Erich Lessing Lektorat: Stefanie Evita Schaefer, marixverlag GmbH und Dr. Bruno Kern, Mainz eBook-Bearbeitung: Medienservice Feiß, Burgwitz Gesetzt in der Palatino Ind Uni –
untersteht der GPL v2
ISBN: 978-3-8438-0251-2
www.marixverlag.de
* 17. Dezember 1770 (getauft) Bonn (Kurköln), † 26. März 1827 Wien
Klaviervirtuose und Komponist
Der »titanische« Musiker unter den drei Heroen der Wiener Klassik wurde zwar in der Kleinstadt Bonn am Rhein geboren, doch seine musikalische Heimat fand der Rheinländer in Wien und seiner Umgebung. Das Donautal bei Wien und die Landschaft der Voralpen wurden ihm für sein musikalisches Schaffen Inspirationsquelle. In Wien fand er die nötige Anerkennung und Unterstützung, die es ihm ermöglichte, mit seinen Kompositionen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Beethovens Vorfahren waren flämischer Abkunft, die sich seit 1733 in Bonn niedergelassen hatten. Beethovens Großvater war Hofkapellmeister, sein Vater Tenor im kurfürstlichen Chor. Schon als Kind zum Wunderkind am Klavier gedrillt, bekleidete er bereits mit 14 Jahren die Stelle eines Hoforganisten. Beethovens Vater, selbst nur mittelmäßig begabt, erzog seine Kinder in unerbittlicher Strenge, die Mutter – kaum verwunderlich an der Seite des trunksüchtigen Vaters – neigte zur Schwermut. Diese familiäre Situation zwang den Heranwachsenden zu einem unbeugsamen Pflichtbewusstsein. Er erlernte neben dem Klavier noch Violine und Bratsche, mit elf Jahren begann er die Orgel zu spielen. Ein Jahr später entstanden seine ersten Klaviersonaten. Mit 14 Jahren spielte er brillant Bachs »Wohltemperiertes Klavier« und schrieb selbst meisterliche Klavierquartette.
Kaum 17-jährig kam Beethoven für fünf Wochen das erste Mal nach Wien, wo er mit seinem brillanten Klavierspiel Mozart so begeisterte, dass dieser ausrief: »Auf den gebt Acht, der wird einmal in der Welt von sich reden machen!«
Der Tod der Mutter an Schwindsucht und die Entlassung des stets betrunkenen Vaters aus dem Chor zwangen Beethoven zur eiligen Rückkehr nach Bonn. Er musste nun allein den Vater und seine beiden Brüder mit seinen Einkünften über Wasser halten.
Die familiäre Geborgenheit und Harmonie, die ihm daheim fehlte, fand Beethoven bei der Familie Breuning, die ihn unauffällig jenen gesellschaftlichen Schliff lehrte, der für eine künftige Karriere erforderlich war. Schon damals gab es romantische Jugendlieben, die aber kaum über ein gesellschaftlich gestattetes Schwärmen hinausgingen. Bei den Breunings lernte er, wie er am besten in seiner Profession zu einem anständigen Unterhalt kommen könnte.
1792 war er ein bereits anerkannter Klaviervirtuose, hatte eine Reihe von Werken komponiert und wusste inzwischen auch seine beiden Brüder versorgt. Daher entschloss er sich, Bonn zu verlassen, um nach Wien zu gehen und dort bei großen Meistern, wie Joseph Haydn, zu studieren. Er lernte bei dem damals sehr erfolgreichen Singspielkomponisten Johann Schenk, beim Meister des Kontrapunkts Johann Georg Albrechtsberger und beim Opernkomponisten und Liebling der Wiener Antonio Salieri. Sein virtuoses Klavierspiel öffnete ihm die Salons der vornehmen Häuser, seine Improvisationskunst wurde bestaunt. Ein zeitgenössischer Klaviervirtuose meinte zu ihm: »Ach, das ist kein Mensch, das ist ein Teufel: Der spielt mich und uns alle todt!«
Finanziell ging es ihm besser als manch anderem Kollegen; sein unglaublicher Fleiß füllte seinen Tag völlig mit Stundengeben, Proben, Komponieren, eifrigem Korrespondieren mit Musikverlegern und dem Bei-Laune-Halten seiner Gönner.
Beethoven fand schnell eine Reihe adeliger Gönner, u.a. Erzherzog Rudolf, den jüngsten Sohn von Kaiser Leopold II. und Kardinal-Erzbischof von Olmütz, sowie Karl Fürst Lichnowsky, Franz Joseph Max Fürst Lobkowitz und Ferdinand Fürst Kinsky. Gemeinsam konnten diese 1808 verhindern, dass Beethoven ein Angebot des Königs Jerome von Westfalen annahm; damit blieb er Wien erhalten. Sie garantierten dem Komponisten eine Pension, die ihm die finanzielle Unabhängigkeit sicherte. Er war damit der erste »freischaffende« Komponist.
Im Laufe der Jahre wurde der Komponist ein »echter Wiener«, sagte selten etwas Freundliches über die Stadt, äußerte sich eher spitz und kritisch, »grantelte« und war selten zufrieden, wofür auch seine zahlreichen Übersiedlungen Zeugnis ablegen. Trotz seiner zahlreichen Grobheiten über die Wiener Aristokraten schätzte man ihn wegen seines musikalischen Genies.
Am Beginn seiner Wiener Zeit wurde er hauptsächlich als Klaviervirtuose gefeiert. Als etwa um 1800 sein Gehör immer schlechter wurde, gab er kaum mehr Solokonzerte. Auch seine Dirigate eigener Werke gerieten mit zunehmender Taubheit zu seltsamen und nicht koordinierten wilden Bewegungsstürmen seiner Arme und Hände.
Sein schlechtes Hörvermögen veranlasste ihn 1802 im Alter von 32 Jahren (!) zur Abfassung des »Heiligenstädter Testaments« – möglicherweise war es an seine beiden Brüder gerichtet, wurde aber niemals abgeschickt –, in dem er Selbstmordgedanken niederschrieb. Es war die Musik, die ihn daran hinderte, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Er schrieb: »Ach, es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen, bis ich alles das hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte, und so fristete ich dieses elende Leben, wahrhaft elend, …« Um 1814 konnte Beethoven nicht mehr unterscheiden, ob er laut oder leise spielte; damit ging seine Pianistenlaufbahn zu Ende. Auch das Dirigieren bereitete ihm zunehmend Schwierigkeiten. Ab etwa 1818 mussten sich seine Freunde mit ihm schriftlich verständigen. Wenn er gelegentlich einen Einfall oder eine Tonfolge zu singen versuchte, artete dies oft in Gebrüll aus; angeblich hatte er damit sogar ein Ochsengespann scheuen lassen, das daraufhin wie in Panik eine Straße hinabjagte.
Als sich 1814/1815 die Mächtigen Europas beim Friedenskongress zur Neuordnung des Kontinents trafen, gehörte Beethoven zu jenen Berühmtheiten, deren Begegnung gesucht wurde. Im November 1814 dirigierte er eine Akademie im Redoutensaal, bei der die 7. Symphonie, die Schlachtenmusik »Wellingtons Sieg« und die Kantate »Der glorreiche Augenblick« zur Aufführung gelangten. Zu diesem Zeitpunkt war Beethoven, ein zutiefst überzeugter Demokrat, ja längst in das Lager der restaurativen Kräfte gewechselt. Noch um 1800 hatte er Napoleon Bonaparte bewundert und ihm seine 3. Symphonie »Eroica« gewidmet; nach der Kaiserkrönung des Korsen löschte er eigenhändig die Widmung auf der Titelseite der originalen Notenhandschrift.
Bereits im Mai 1814 hatte Beethovens Oper »Fidelio« die dritte und nunmehr erfolgreiche Aufführung im Kärntnertortheater erlebt. Sie wurde von den Zeitgenossen als »Manifest der Hoffnung auf Liebe und Freiheit« interpretiert. Weitere Opernpläne konnte der Komponist nicht realisieren.
Im Mai 1824 erlebte Beethovens 9. Symphonie ihre Uraufführung. Vorerst lehnten die Zeitgenossen das Finale, in dem er Schillers Ode an die Freude vertonte, als »geschmacklos« und »monströs« ab. Inzwischen gehört dieser letzte Satz zu den weltweit bekanntesten Musikstücken mit hochgradigen emotionalen Konnotationen. Schon früher war Beethovens Klangsprache von den Zeitgenossen nicht immer verstanden worden, was den Komponisten aber überhaupt nicht kümmerte. Er machte Musik »für eine spätere Zeit«:
Je älter und schwerhöriger er wurde, desto mehr zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück, er wurde unordentlich, ja verwahrloste. Seine jeweiligen Wohnungen glichen einem Chaos. Misstrauisch und gewalttätig strapazierte er die Geduld seiner Freunde bis aufs Äußerste. Seine Brüder und deren Ehefrauen drangsalierte er und zog sie in jahrelange Rechtstreitereien. Seinen Neffen Karl, einen netten, aber trägen Jungen, trieb er fast in den Selbstmord.
Rätselhaft bleiben seine Beziehungen zu den Frauen. Viele verehrte er schwärmerisch, manche wollte er heiraten, wurde aber stets zurückgewiesen. Seine »unsterbliche Geliebte« konnte die Beethoven-Forschung bis heute nicht mit absoluter Sicherheit entschlüsseln.
Seine letzten beiden Lebensjahre wohnte Beethoven im Schwarzspanierhof im 9. Bezirk, der 1903 abgerissen wurde. Seine letzten Stunden verbrachte er im Kreise seiner engsten Freunde. An seiner Beisetzung nahm die gesamte kulturelle Prominenz Wiens teil, mehr als 15.000 Menschen gaben ihm das letzte Geleit auf den Währinger Ortsfriedhof. Der Schauspieler Heinrich Anschütz hielt eine von Franz Grillparzer verfasste Trauerrede. Wenige Tage später erklang zum Gedenken an den großen Tondichter Mozarts Requiem in der Augustinerkirche.
Schon bald wurde Beethoven zum Sinnbild romantischer Künstlerverehrung, zum Prototyp des einsamen Genies, dessen Leben von Leid geprägt und von dessen Überwindung überhöht wurde. Höhepunkt dieser Mythisierung ist Max Klingers Beethovenstatue, die Gustav Klimts Beethovenfries zu einem Gesamtkunstwerk umrahmen sollte.
Beethovens gewaltiges Oeuvre leitete die Wende von der Wiener Klassik zur Romantik ein. In seinen neun Symphonien führte er den klassischen Aufbau dieses Genres zu einer ersten Vollendung. Er setzte Poesie in Töne um; mit ihm, dem Bewunderer von Gottes Walten in der Natur, begann die Tondichtung.
108 Werke mit Opuszahlen, weitere 205 ohne Opuszahlen; darunter 9 Symphonien, Solokonzerte, Kammermusik, Klaviersonaten, eine Oper, zwei Messen und ein Oratorium.
* 2. Juli 1796 Boppard am Rhein, † 3. März 1871 Wien
Möbeldesigner
Michael Thonet wurde als Sohn eines Gerbers im Rheinland geboren; bereits 1819 machte er sich als Kunsttischler selbstständig. Um 1830 stellte er erste Versuche an, Möbelteile aus miteinander verleimten Furnieren herzustellen. Dabei wurde das Holz in siedendem Wasser gekocht, mit Biegeformen zur gewünschten Gestalt gebogen und anschließend getrocknet. Später verwendete er zu Bündeln verleimte Stäbe, die sich in sich verwinden ließen, wodurch er dreidimensionale Schweifungen erzielte.
Im Jahre 1841 stellte der bislang unbekannte Tischlermeister dem österreichischen Staatskanzler Clemens Fürst Metternich auf dessen Stammschloss Johannisberg bei Koblenz seine Erzeugnisse aus gebogenem Holz vor. Es handelte sich in erster Linie um Stühle und Bänke, die aus verleimten und danach durch Feuchtigkeit und Hitzeeinwirkung gebogenem Schichtholz hergestellt waren. Der als durchaus konservativ bekannte Staatskanzler erkannte den zukunftsweisenden Wert dieser Technik und lud den nicht mehr so jungen Michael Thonet ein, sich in Wien niederzulassen.
Eine Übersiedlung nach Wien wollte sich Thonet reiflich überlegen, aber er nahm Metternichs Angebot, den »Cabinettscourier« zur Gratisreise von Frankfurt nach Wien zu nutzen, gerne an. In Wien liefen allerdings die Genehmigungsverfahren für eine Niederlassung gewohnt langsam. Fast hätte ihn dieses Abenteuer schon zu Beginn seiner Karriere in den Ruin getrieben, denn seine Gläubiger ließen die in Frankfurt zwischengelagerten Möbel, die als Schaustücke für den Wiener Hof bestimmt waren, vorsorglich beschlagnahmen. Am 16. Juli 1842 erhielt Thonet schließlich ein Privilegium der k. k. Hofkammer in Wien für die industrielle Fertigung von Bugholzmöbeln. Eine Genehmigung für einen Handwerksbetrieb strebte Thonet bewusst nicht an, da er sich den für Ausländer besonders engen Zunftregeln nicht unterwerfen wollte. Seitens der Regierung wiederum bestand damals großes Interesse, ausländische Unternehmer nach Österreich zu holen, einerseits, um zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, anderseits, um der Nachfrage der Bevölkerung nach billigeren Industrieprodukten zu entsprechen. So ließ Thonet seine ganze Familie nach Wien nachkommen – er hatte immerhin fünf Söhne –, konnte aber zunächst noch keine eigene Werkstatt eröffnen, sondern verdingte sich in der sehr renommierten Werkstatt von Carl Leistler, wo er von 1843 bis 1846 an der Erneuerung der Innenausstattung des Stadtpalais Liechtenstein in der Bankgasse mitarbeitete. Dieser Auftrag, der von dem englischen Architekten Peter Hubert Devigny geleitet wurde, stellte Thonets künstlerische Meisterschaft im Umgang mit Holz unter Beweis. Er zeichnete bei diesem Projekt für die erlesenen Parkettböden in Einlegearbeit und für fünf Stuhlmodelle verantwortlich.
1849 eröffnete Thonet eine eigene Werkstatt in der Mollardgasse in der Wiener Vorstadt Gumpendorf. Der erste große Auftrag kam vom beliebten Café Daum am Kohlmarkt, Ecke Wallnerstraße. Für Daum entwarf Thonet den Sessel Nr. 4. Schon damals zeigten sich seine unternehmerischen Qualitäten. Jeder Entwurf, der in Produktion ging, wurde archiviert, mit einer Nummer versehen und auch entsprechend beworben. Einen triumphalen Erfolg erntete Thonet auf der Londoner Weltausstellung von 1851, wo er Luxusmöbel aus Palisanderholz präsentierte.
Zwei Jahre später übergab Thonet die von ihm aufgebaute Firma an seine Söhne; »Gebrüder Thonet« wurde als Industriebetrieb protokolliert, das Grundkapital betrug 10.000 Gulden. Sein Sohn Franz übernahm den Außenhandel, Michael leitete später die mährischen Fabriken, August – dem Vater an Erfindungsreichtum am ähnlichsten – übernahm den Bereich Konstruktion und Technik, Josef leitete den Verkauf in Wien, der jüngste Sohn Jakob übernahm schließlich in späteren Jahren die gesamte Unternehmensleitung. Natürlich stellte Michael Thonet sein Wissen und seine Fähigkeiten weiter in den Dienst des Unternehmens.
1855 kamen erste Aufträge aus Südamerika, 1856 eröffnete Thonet die erste Fabrik. Bewusst wählte man eine Region, in der das hauptsächlich verwendete Holz, nämlich die Rotbuche, vorhanden war. In Koritschan in Mähren gab es nicht nur Holz in Unmengen, sondern auch handwerklich geschickte Arbeitskräfte.
Thonet und seine Söhne entwickelten nicht nur immer feinere und subtilere Formen des Holzbiegens, sondern sie konstruierten auch die entsprechenden Maschinen für die industrielle Fertigung von Massenartikeln. Im Zeitalter der Dampfmaschine bedienten sie sich dieses Hilfsmittels, um schneller und mehr produzieren zu können. Ein Kritiker meinte dazu: »He made it dirt-cheap, he made it by the million.« Im Jahr 1859 wurde der berühmte Sessel Nr. 14 kreiert – von ihm wurden bis zum Jahr 1930 etwa 50 Millionen Stück produziert. Dieser Sessel bestand aus sechs Holzteilen, zehn Schrauben und zwei Schraubenmuttern. Für den Transport konnten 36 Stück Sessel in eine Holzkiste von einem Kubikmeter verpackt werden.
Worin lag das Besondere von Thonets Entwürfen? Es war nicht nur die künstlerische Meisterschaft, das Auge für Formen und Proportionen, sondern dazu kamen zusätzlich viele praktische Erwägungen. Thonets Sessel waren leicht und wurden aus wenigen Einzelteilen verschraubt. Der Transport erfolgte in zerlegtem Zustand in eigens dafür konstruierten Behältern. Da die Sessel industriell gefertigt waren, blieben sie auch für bescheidenere Geldbörsen erschwinglich. Trotzdem waren Thonets Sessel sehr widerstandsfähig. Generationen von Kaffeehausbesuchern konnten sie nicht ruinieren. Sie waren billige Konsumware und doch von hervorragender Qualität. Ihr spezifisches Design machte sie spontan wiedererkennbar.
1861 wurde eine weitere Fabrik in Bistritz/Mähren eröffnet, vier Jahre später ein Betrieb in Groß-Ugrócz in Ungarn. Im Laufe der Jahre erwarb die Familie auch die Wälder, aus denen sie das Buchenholz bezog, und die Sägewerke zur Verarbeitung des Holzes. Die wirtschaftliche Kraft der Betriebe verlieh den Eignern auch politisches Gewicht: August Thonet war Bürgermeister von Bistritz, wenige Jahre später löste ihn sein jüngerer Bruder Jakob ab. Als Großunternehmer der Region wirkten sie auch beispielgebend mit sozialen Einrichtungen für die Arbeiterschaft. Sie errichteten Wohnhäuser und Fabrikschulen, gründeten Spar- und Konsumvereine und riefen Krankenkassen für ihre Beschäftigten ins Leben.
In den späten 1860er Jahren lief das seinerzeit gewährte Patent für das Biegen von Holz ab, die Konkurrenz drängte auf den Markt. Um Absatzmärkte vor Zollschranken zu schützen, errichteten die Thonets in der Folge Produktionsstätten in Deutschland und Russland. Der Firmengründer Michael Thonet starb am 3. März 1871 in Wien.
Der Einfallsreichtum der Gebrüder Thonet blieb noch immer unerreicht. 1898 registrierte ein Katalog den Sessel Nr. 221! Es war vor allem die Form der Vermarktung, die die Gebrüder Thonet zu den erklärten Marktführern machte. Sie eröffneten nicht nur weltweit Niederlassungen, sondern sie publizierten auch Firmenkataloge, die in einer Reihe von Fremdsprachen über die lieferbare Kollektion informierten. Um die Jahrhundertwende beschäftigte das Haus Thonet 6000 Mitarbeiter, die täglich 4000 Möbelstücke produzierten; davon gingen zwei Drittel in den Export. »Gebrüder Thonet« war damit von einer kleinen Werkstatt zu einer Weltfirma aufgestiegen.
Die Firma Thonet ging mit den künstlerischen Tendenzen der Zeit mit. Sie bot nicht nur »Selbstentworfenes«, sondern beauftragte große Designer wie Otto Wagner oder Adolf Loos mit Entwürfen. Prestigebauten wie der Hofpavillon Otto Wagners und das Café Museum von Adolf Loos wären ohne von Thonet produzierte Möbel nicht denkbar, Thonet’sche Sitzmöbel zierten das Sanatorium Purkersdorf von Josef Hoffmann und die Postsparkasse von Otto Wagner.
Die Jahre des Ersten Weltkrieges brachten den Verlust der Auslandsmärkte. 1921 wurde die Firma zwecks Kapitalaufstockung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Mit der Konzernbildung von 1923 entstand ein Bugholzimperium mit zwanzig Fabriken und 10.000 Arbeitern. Bauhausarchitekten, der Schweizer Le Corbusier und die Designer des Werkbundes entwarfen für das Unternehmen, und 1929 begann man mit der Stahlrohrmöbelproduktion. Erwähnt sei der dynamische Entwurf eines Sessels von Marcel Breuer.
Bugholzmöbel aus der Produktion der Firma Thonet sind heute weltweit gesuchte Antiquitäten. Der Hollywood-Regisseur Billy Wilder (→ siehe dort) soll sich mit sieben Jahren in einen Schaukelstuhl verliebt haben; er brachte es zu einer Sammlung von mehr als 120 echten »Thonets«. Kaum ein Industrieprodukt des 19. Jahrhunderts hat eine derartig weite Verbreitung gefunden wie die in Millionen Stücken hergestellten Sessel des Michael Thonet.
* 31. Januar 1797 Wien, † 19. November 1828 Wien
Komponist
Schubert wurde im Haus »Zum roten Krebsen« als zwölftes Kind eines aus Mähren stammenden Schulgehilfen und späteren Schulleiters geboren. Nur fünf seiner Geschwister überlebten das Kleinkindalter. Seine Kindheit war, wie üblich im Hause eines Schulmeisters, von Musik geprägt. Mit acht Jahren begann er Geige zu spielen und konnte bald kleine Duette ausführen. Der ältere Bruder Ignaz (* 1785), der bereits den Lehrerberuf ausübte, unterwies den kleinen Franz im Klavierspiel. Michael Holzer, der Chordirigent der Lichtentaler Pfarrkirche, erteilte ihm Unterricht in Gesang, Orgelspiel und Generalbass. Sonntags sang er bei der Messe die Solosopranpartien. Außerdem wurden im Hause Schubert regelmäßig Streichquartette aufgeführt. Der Vater von Franz Schubert spielte bei diesen Aufführungen Cello, sein Sohn Franz Bratsche und die beiden Brüder Ferdinand und Ignaz die erste und zweite Geige.
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