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Die Erzählung nimmt den Leser mit auf eine bewegende Reise zurück in den Zweiten Weltkrieg. Im bitterkalten Februar 1943, mitten in der eisigen Wintersteppe Russlands, begegnet ein Arzt der Roten Armee deutschen Soldaten, die nach Tagen des Umherirrens erschöpft und verzweifelt sind. Während er einen schwer verwundeten jungen Soldaten versorgt, entfaltet sich eine Geschichte von Mitgefühl und Menschlichkeit inmitten des Krieges. Diese tief berührende Erzählung zeigt, dass selbst im größten Leid und in den schrecklichsten Momenten des Krieges eine einfache menschliche Geste von unschätzbarem Wert sein kann. Friedrich Wolf gelingt es, die Leser in den Bann zu ziehen und die Zeit des Krieges auf eindrucksvolle Weise lebendig werden zu lassen.
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Seitenzahl: 8
Friedrich Wolf
Mutter – ein Akt der Barmherzigkeit
ISBN 978-3-68912-166-2(E–Book)
Die Erzählung ist von 1947.
Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.
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Es war im Februar 1943, an einem klirrendkalten Tag bei vierzig Grad unter Null, in einem winzigen Dörfchen bei Starobelz in der eisigen Wintersteppe westlich des Dons, als die Rotarmisten der Division, mit der ich auf kleinen Schlitten fuhr, mir wieder einmal zuriefen: „Doktor, geh da in die Hütte, da ist Arbeit für dich!“
Ich ließ den Schlitten halten und ging mit zwei Kameraden der sibirischen Schützendivision über den glitzernden knirschenden Morgenschnee in eine der wenigen nicht verbrannten Bauernhütten. Dort standen neben einer alten Bäuerin zwei junge deutsche Soldaten; ihre Augen schauten ängstlich aus den Schneehauben hervor. Auf der breiten Ofenbank lag ein dritter sehr junger Landser, der leise stöhnte. Die deutschen Soldaten, die an der Wand standen und an Brocken dunklen russischen Brotes kauten, waren recht erstaunt, wie ich sie in ihrer Heimatsprache anredete. Sie erklärten mir, dass man sie als vorgeschobene Horchposten beim fluchtartigen Rückzug glatt vergessen habe. Nun seien sie fünf Tage lang in der Wintersteppe umhergeirrt. Nachts hätten sie sich Schneelöcher gegraben, so gut es ging.
„Und weshalb habt ihr euch nicht gefangengegeben?“ Schweigen. Sie schauten einander an.
„Nun, ich weiß schon.“
„Ja, Herr …, man sagte, der Russe legt jeden Gefangenen um.“
„Wer sagt das?“
„Der Divisionsbefehl. Alle.“
„Und was sagt ihr dazu?“
Wieder Schweigen. Die beiden jungen Hitlersoldaten stecken verlegen das russische Brot in die Manteltasche. Ich selbst habe jetzt weder Lust noch Zeit, mich mit diesem Goebbels-Schwindel, der so vielen deutschen Soldaten das Leben kostete, länger zu befassen. Draußen zieht die Division weiter. Die Glöckchen der Schlittenpferde klingeln auf der Straße in allen Tonlagen. Dazu das Schnaufen der trabenden Pferde.
Kommandorufe.
Aber da liegt der deutsche Soldat, zu dem man mich holte.
„Was ist mit ihm?“
„Der Fuß!“
„Erfroren?“
„Ja. Er konnte nicht mehr mit, hatte schreckliche Schmerzen. Deshalb sind wir ja auch ins Dorf gegangen. Wir wollten ihn nicht erfrieren lassen.“
„Nun gut, helft mal!“
Wir ziehen dem jungen Landser den Mantel aus. Bei jedem leisen Ruck macht er Abwehrbewegungen nach dem Fuß. „Langsam, Kameraden, langsam!“ Er stöhnt hemmungslos. Sein blasses Knabengesicht wechselt plötzlich die Farbe – er schaut mich flehentlich an, sucht meine Hände von seinem rechten Stiefel fernzuhalten. „Bitte nicht …"
„Ich bin Arzt, sei vernünftig!“