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Im Winter 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, erleben deutsche Soldaten in den Schützengräben bei Douai einen ungewöhnlichen Winter. Fernab von Zuhause, umgeben von Schnee und Kohlenhalden, begegnen sie Germaine, einer mutigen jungen Frau, die ihnen nicht nur durch ihren Charme, sondern auch durch ihre unerschütterliche Stärke den Alltag erträglicher macht. Als ein französischer Soldat auftaucht und um die Rückkehr seiner Verlobten Germaine bittet, entsteht ein unerwartetes Bündnis. Dieses Buch erzählt die bewegende Geschichte von Hoffnung, Menschlichkeit und unerwarteten Freundschaften im Angesicht des Krieges. „Lichter überm Graben“ ist eine Erzählung über die kleinen Momente des Friedens und der Menschlichkeit inmitten des Schreckens.
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Seitenzahl: 7
Friedrich Wolf
Lichter überm Graben
ISBN 978-3-68912-140-2(E–Book)
Die Erzählung ist 1948 entstanden.
Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.
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Keiner von uns Pionieren, die in jenem Winter 1916 in den Dörfern und Schützengräben vor Douai lagen, wagte sich an Germaine heran. Dieses zwanzigjährige kräftige Mädchen in den blauen Männerhosen und der kurzen Jacke der ehemaligen Bergarbeiterin war mit ihrer alten Mutter inmitten der Kohlenhalden zurückgeblieben; sie hielt sich die nicht sehr schüchternen Landser mit einer unmissverständlichen Gradheit vom Leibe. Dabei hatte sie einen Charme, wenn sie uns den Gulasch mit Dörrgemüse aufwärmte, dass uns jedes Mal allein von ihrem Anblick gefährlich heiß ums Herz wurde. Natürlich schauten auch unsere Offiziere auf Germaine. Doch wir betrachteten das Mädel als eine der Unsern, das heißt unsrer Landsergruppe, und wenn der Leutnant unseres Zuges sich zu einem Tete-à-tete anpürschte, stets war einer von uns da, der eine dringliche Meldung zu überbringen oder ein Urlaubsgesuch wegen Todesfalles vorzulegen hatte. Wir hatten damals solche Papiere auf jede Gefahr hin in Reserve.
In der Schutzgarde Germaines stand Schorsch Wirtgen, ein baumlanger, jungenhafter Bursche, an erster Stelle. Er sprach im Allgemeinen soviel wie ein Kabeljau. Aber wenn Germaine die „trois jolis tambours“ sang, geriet er in Ekstase und schrie wie verwundet auf: „O mademoiselle, je vous adore!“ (was wir ihm beigebracht hatten), während er selbst unentwegt der Angebeteten Lieblingslied: „Bin von den Bergen gestiegen, wo die Lawine rollt“ zum Besten gab.
So lebten wir in jenem Winter zwischen den riesigen, mit leichtem Schnee bedeckten Kohlenhalden vor Douai und der Lorettohöhe, eine Woche in Ruhestellung im Dorf, eine andere vorn als Infanterie im Graben. Eines Nachts nun kam der lange Schorsch dampfend vor Erregung in den Unterstand. Er war draußen in der vordersten Sappe auf Horchposten gewesen, kaum dreißig Meter entfernt von dem Posten des französischen Stichgrabens. Und nun habe dieser Franzmann dauernd „Germaine Duvettre“ gerufen. Wir foppten Schorsch, dass er zweifellos von einem Sonnenstich getroffen sei, weil das Weib seiner Wünsche ihn bis in die vorderste Sappe verfolge.
Doch dann gingen zwei von uns mit.
Tatsächlich, da rief ein Franzose: „Gamarade allemand, est-ce que se trouve là-bas Mademoiselle Germaine Duvettre au village …“ Ich fragte den Rufer in seiner Sprache, wer er denn sei?