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Ein zeitloses Drama über Widerstand, Pflicht und Menschlichkeit Mittelfrankreich, 1940–1942: Der deutsche Vormarsch hat das Land gespalten, und das Haus des Eisenbahndepotchefs Dubois wird zum Schauplatz moralischer Konflikte, politischer Entscheidungen und unermüdlichen Widerstands. Während Francois, ein entschlossener Ingenieur, und seine Familie alles für die Freiheit Frankreichs riskieren, stehen sie zugleich vor tiefgreifenden Fragen nach Loyalität, persönlichen Opfern und der Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft. Friedrich Wolf zeichnet ein packendes Bild des alltäglichen Heldentums und der inneren Zerrissenheit in einer von Krieg und Besatzung geprägten Welt. Mit intensiven Dialogen und tiefgründigen Charakteren schildert er den Mut und die Zerbrechlichkeit derer, die gegen die Nazi-Okkupation kämpfen. Wird ihr Widerstand Hoffnung und Freiheit bringen, oder werden sie an der Übermacht zerbrechen? Ein Drama, das durch seine universelle Botschaft von Mut, moralischem Handeln und Menschlichkeit erschüttert und inspiriert – damals wie heute.
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Seitenzahl: 106
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Friedrich Wolf
Patrioten
Drama
ISBN 978-3-68912-401-4(E–Book)
Geschrieben 1942 in Moskau.
Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.
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DUBOIS: Chef eines Eisenbahndepots
FRANCOIS: sein Sohn, Ingenieur, Sappeuroffizier d. R.
HENRI: sein jüngerer Sohn, Beamter im Depot
GENEVIÈVE: Francois' Frau
CORINNE DESTREY: Geneviève’s Freundin
TANT' ÉMELIE: Haushälterin bei Dubois
PIERRE: ihr Vetter, Eisenbahnarbeiter
RAUCH: Hauptmann der Okkupationsarmee
KARL: sein Bursche
KLUNKE: Feldwebel
Ort: Dubois' Haus in einer Stadt Mittelfrankreichs
Zeit: 1940–1942
Wohnzimmer in Dubois’ Haus. Türen rechts und links. Im Hintergrund ein breites, offenstehendes Fenster, durch das der blaue, strahlende Junihimmel scheint. Um das Fenster Weinranken, die über das Spalier um den Fensterrahmen fast bis ins Zimmer hängen. Lärm von Motorrad- und Autokolonnen; immer wieder ferne Schüsse.
VATER DUBOIS zieht GENEVIÈVE, die ein leichtes Sommerkleid trägt, vom Fenster weg.
DUBOIS: Hier, Geneviève, hilft nichts mehr.
GENEVIÈVE (geht schnell wieder zum Fenster): Sie sollen halten, halten, nicht mehr zurückgehen! Soldaten, Franzosen! Wenn Francois unter ihnen wäre … (sie will rechts hinaus)
DUBOIS (hält sie): Sei vernünftig, Geneviève! Wenn Francois unter den Kolonnen ist, so wird er dich hier oben suchen, nur hier.
CORINNE DESTREY stürmt herein, in elegantem Reisekostüm, hellem Staubmantel, Suitecase …
CORINNE: Sie sind schon am Fluss, hört ihr nicht, wie sie schießen … ihre Tanks, ihre Motorradschützen, die ganze deutsche Avantgarde … o Éve! (fällt Geneviève um den Hals)
GENEVIÈVE: Ruhig, Corinne, ruhig!
CORINNE: Ruhig? Ich gebe mich nicht gefangen! Und ihr?
DUBOIS: Wir bleiben. – Sie wissen, Madame, unsre Regierung hat vor Tagen um einen Waffenstillstand bei dem Gegner nachgesucht. Die Antwort kann jede Stunde eintreffen.
CORINNE: Und in einer halben Stunde sind die Deutschen hier! (will hinaus)
Von links schnell TANT' ÉMELIE, eine mächtige, korpulente, energiegeladene Person, eine Kanone von einer Frau, sie trägt im Haar das „Häubchen“ der alten Haushälterin, hat eine weiße Schürze umgebunden und hält in den Händen einen Karabiner
TANT' ÉMELIE: Zum Speien ist das Mannsvolk, ein feiges Pack, Hunde, Hyänen, zu nichts zu gebrauchen, nicht mal zum Schießen!
DUBOIS: Was soll der Karabiner, Émelie?
TANT' ÉMELIE: Lag draußen auf der Treppe! Sollen ihn die Deutschen nehmen? Keine Angst, Monsieur Dubois, ich weiß mit dem Ding umzugehn!
CORINNE: Mein Gott, tun Sie das Gewehr weg, Sie Wahnsinnige!
TANT' ÉMELIE (am Fenster): Hallo, Jungens, hierher, hier hinauf! Alles was noch Waffen hat, hierher!
DUBOIS: Weg vom Fenster, Émelie! (zieht sie weg)
CORINNE: Komm mit mir, Eve, ich kann nicht allein fahren, o komm doch, Éve! Die Deutschen werden euch wie die Hasen abknallen! Schnell, Éve, schnell … mein Gott, ihr seid ja alle besessen! (nach rechts ab)
TANT' ÉMELIE: Feige wie ein Mannsbild!
DUBOIS: Émelie, ich habe um deines guten Herzens willen dreißig Jahre lang deine Launen ertragen; aber jetzt ist keine Zeit dafür. Vielleicht haben wir noch heute den Waffenstillstand, und das ist so gut wie der Friede! Also bring den Karabiner dorthin, wo er lag!
TANT’ ÉMELIE: Um keinen Preis der Welt, Monsieur Dubois! Sie können verlangen, dass ich Rattenschwänze esse; aber wenn die drüben schießen, schieße ich wieder, und dies Haus werde ich verteidigen, als ob es Paris selber wäre!
Von rechts kommt eiligst ein FRANZÖSISCHER SAPPEUROFFIZIER in Stahlhelm, völlig verstaubt, die linke Hand im verschmutzten, durchbluteten Verband
GENEVIÈVE (springt auf ihn zu): Francois! Liebster … (umarmt ihn)
FRANCOIS (sie streichelnd): Geneviève, ma chérie … Vater … Tant' Émelie … ach, alles steht noch auf seinem Platz … (schaut sich um, stampft auf den Boden) Das Haus steht noch … (zum Fenster) Nom de dieu! (ruft hinunter) Jungens, ich komme sofort! Da, an der Mauer hebt die Schützenlöcher aus! Die Mitrailleuse an die Ecke zur Straße! Gebt ihnen Pfeffer, lasst keinen über die Brücke!
DUBOIS (vor ihm): Francois, du weißt, der Waffenstillstand …
FRANCOIS: Ist noch nicht da; und wenn er kommt, so ist er Verrat! Wir haben noch Waffen, Vater, wir haben noch Männer!
TANT’ ÉMELIE (mit Karabiner): Verlass dich nicht auf die Männer, Francois! Verfüge über Tant’ Émelie! Wo soll ich hin, Goldjunge?
FRANCOIS (fasst sie, Geneviève, Dubois): Ja, ihr alle werdet gebraucht! Es wird kein Waffenstillstand sein mit den Deutschen, glaubt mir … seht, drüben stehn sie wie die gierigen Wölfe, aber dazwischen ist der Fluss, und sie wissen, dass hier unsre Mitrailleusen sind, und dass unsre Brigade gekämpft hat und kämpfen wird! Vater, unsre Jungens sind keine Feiglinge, sie sind Helden, wenn sie bloß den rechten Befehl bekommen! Wir werden die Stadt verteidigen, Vater! (will hinaus)
DUBOIS (vertritt ihm den Weg): Keine nutzlosen Opfer mehr …
FRANCOIS: Lass mich hinaus, Vater!
DUBOIS: In diesem Haus, Francois, wird keine Mitrailleuse mehr auf gestellt!
FRANCOIS: In diesem Haus, das die Brücke verteidigt und die Stadt und den Bahnhof und das Lokomotivendepot, für das wir beide – du als Chef und ich als früherer Ingenieur des Depots – verantwortlich sind! (leidenschaftlich) Vater, in deinem Depot, am Polygon, stehen jetzt Lokomotiven über Lokomotiven! Hast du Befehl gegeben, sie für Frankreich zu retten, – sie abzufahren nach dem Süden? Warte nicht auf Befehle von oben, Vater, ich beschwöre dich! Rette unsre Lokomotiven und Wagen! Warte nicht! Ich werde die Deutschen solange hier festnageln … (will nach rechts)
GENEVIÈVE (bei ihm): Was ist mit deiner Hand, Francois?
FRANCOIS: Nichts, Liebe, nichts …
GENEVIÈVE: Lass mich mit dir, Francois!
FRANCOIS: Bring uns nach unten zu trinken, viel und schnell!
TANT' ÉMELIE: Sofort, mein Junge! Eimerweis sollt ihr haben, Wein, Kaffee, vorwärts, Madame! (mit Geneviève nach links; wieder zurück, umarmt und küsst ihn) Ach, mein Herzensjunge, mein kleiner Dreckspatz, du wirst sie in Stücke schlagen, mein Löwe. Ich komme gleich, (mit Karabiner) auch Tant' Émelies Kugeln werden ihnen in die Rippen beißen! (will ab)
DUBOIS: Still! Still! Die Glocken …
Alle lauschen. Draußen beginnen die Glocken der Kirchen zu läuten, immer mächtiger, die ganze Luft ist voll von dem Klang; alle sehen einander an …
GENEVIÈVE: Die Glocken läuten, als sei es Neujahr …
DUBOIS: Der Waffenstillstand, der Friede …
FRANCOIS: Unmöglich, ganz unmöglich! (rennt rechts hinaus)
TANT' ÉMELIE: Francois, mein Junge … (ihm nach)
GENEVIÈVE: Der Friede! (will hinaus)
DUBOIS (hält sie): Still, Geneviève! (am Fenster) Ja, sie rufen dort unten den Soldaten zu, dass sie die Mitrailleuse von der Straßenecke wegnehmen – Waffenstillstand, heda, mein Freund! Wahrhaftig, das Schießen hat auch drüben aufgehört … (umarmt und küsst Geneviève) endlich, endlich, Geneviève!
GENEVIÈVE: Ach, Vater, Frieden … man kann wieder atmen, man wird wieder leben können! (presst ihren Kopf an seine Brust)
FRANCOIS von rechts
FRANCOIS (heftig): Kapitulation!
DUBOIS (mit Nachdruck): Du weißt, Francois, der Marschall Pe- tain, der Sieger von Verdun, hat den Waffenstillstand akzeptiert. /
FRANCOIS: Wenn das stimmt, so hat er Verdun widerrufen!
DUBOIS: Schweig, Francois, ich verbiete dir weiterzureden!
FRANCOIS: Frankreich befiehlt mir, weiterzukämpfen!
DUBOIS: Welche Anmaßung, Francois! Bist du allein Frankreich? Willst du behaupten, ich liebe Frankreich nicht?
FRANCOIS: Und du gibst das Land dem Räuber preis?
GENEVIÈVE: Francois, höre auf mich, du siehst nur das eine; aber Frankreich besteht nicht bloß aus Soldaten; da sind auch noch Frauen, die Soldatenfrauen, die kein Heldentum darin sehen, wenn ihre Männer von einer Übermacht sinnlos getötet werden!
FRANCOIS: Sinnlos, sinnlos? Habt ihr meine Jungens an der Aisne und Oise gegen die Übermacht der Deutschen kämpfen sehen? War das sinnlos? Was wisst ihr, was sinnlos ist? Ein unausgekämpfter Kampf wird ewig weitergehen! Und wussten die todmüden, elend bewaffneten Bürgerhaufen vor Valmy, ob sie gegen die gewaltige Übermacht standhalten könnten; sie wussten, dass sie standhalten mussten, nur das wussten sie, und das genügte, um Frankreich zu retten!
DUBOIS: Damals!
FRANCOIS: Und heute!
DUBOIS: Heute steht der Deutsche schon in Paris und an der Loire; heute gilt es, von Frankreich zu retten, was noch zu retten ist.
TANT’ ÉMELIE mit HENRI und CORINNE von links
TANT' ÉMELIE: Sie sind schon in der Stadt!
CORINNE: Mit Tanks und Motorradschützen!
FRANCOIS: Meine Jungens … (will hinaus)
HENRI (hält ihn): Moment, Francois! An der Mairie ist ein Anschlag: Die Stadt gehört zur okkupierten Zone! – Ein Capitain der Chasseurs alpines gab deinen Leuten den Befehl, schleunigst abzurücken.
FRANCOIS (zum Fenster): Nom du chien, niemand mehr unten!
GENEVIÈVE: Da sind schon Deutsche! (zieht Francois zurück)
TANT' ÉMELIE: Francois, Liebling, drunten stehn noch die Kästen deiner Sappeure, schwarze Kästchen … wir geben das Haus nicht her, Francois, komm, Francois, schnell, ich habe mit dir zu reden.
GENEVIÈVE: Sie ist toll, Francois, bleib, sie will das Haus in die Luft sprengen!
DUBOIS: Den Karabiner her, Émelie, (nimmt ihn) und kein Wort mehr! – Siehst du, Francois, wohin das führt? Zum Chaos, zur Selbstvernichtung! Willst du das? Nein! Niemand, der Frankreich liebt, will das!
HENRI (vom Fenster her): Du musst weg von hier, Francois!
GENEVIÈVE: Sie werden dich gefangen nehmen, Francois!
DUBOIS (beherrscht): Es ist zu spät zu fliehen, Francois, sie sind schon im Garten und vor dem Haus. Geh auf dein Zimmer, Francois, und kleide dich um!
FRANCOIS (steht angespannt da)
GENEVIÈVE (umarmt ihn heftig): Schnell, Francois, schnell, mir zuliebe, zieh die Uniform aus, Francois! Sollen sie dich gefangen nehmen und nach Deutschland verschleppen?
FRANCOTS: Wer sagt euch, dass sie mich gefangen nehmen? (geht nach rechts, zieht einen Revolver)
DUBOIS (vor ihm, zeigt nach der linken Tür): Dort geht es nach deinem Zimmer, Francois!
FRANCOIS (rührt sich nicht, sieht ihn an)
TANT' ÉMELIE (schnell); Tu' es, Francois, man wird dich noch brauchen, mein Goldjunge, tu' es!
FRANCOIS: Pfui Teufel, Émelie!
TANT’ ÉMELIE: Richtig, richtig: Pfui Teufel, Émelie! Aber höre mich, mein kleiner Dreckspatz, – Tant' Émelie nimmt die Teufelei auf ihre schwarze Seele und zieht dir eine neue Haut über: und diese Verwundung an deiner Hand ist natürlich keine Verwundung, sondern ein Unfall im Betrieb; aber das versteht mein kleiner Dummkopf nicht so schnell … (schiebt ihn nach links zur Tür)
GENEVIÈVE: Francois, ich gehe mit!
TANT’ ÉMELIE: Still, Madame! Francois ist nicht mehr Francois, sondern mein Neffe Lucien Brassard, dass ihr's wisst, und Madame haben vorerst nichts mit ihm zu tun!
DRAUßEN deutsche KOMMANDOS, STIMMEN im Haus
HENRI: Sie kommen!
TANT’ ÉMELIE: Los, mein Junge, kehrt marsch! (sie nimmt den Karabiner und drängt Francois schnell nach links hinaus)
DUBOIS: Kinder, ihr werdet euch wie Franzosen benehmen und jede ungesetzliche Handlung vermeiden! Unsre Regierung hat den Waffenstillstand angenommen, das heißt: Der Feind von gestern ist heute nicht mehr unser Feind!
Stimmen sehr nah. – HENRI und CORINNE schnell nach links hinaus. – STIMMEN. – Von rechts treten ein: HAUPTMANN RAUCH, ein schlanker, sportlicher Typ, und FELDWEBEI, KLUNKE, ein dicker Kompaniebulle, beide in Stahlhelm, feldmarschmäßig, verstaubt, erhitzt, etwas außer Atem …
KLUNKE (mit vorgehaltenem Parabellum): Sind hier noch Waffen?
DUBOIS (ruhig): Nein, mein Herr. Mein Name ist Dubois, Georges Dubois.
RAUCH (grüßt): Hauptmann Rauch. – Wir möchten das Haus besichtigen.
DUBOIS: Bitte, mein Herr!
RAUCH (am Fenster): Klunke, mir scheint das Haus recht annehmbar.
KLUNKE: Geradezu wie geboren für ein Stabsquartier, Herr Hauptmann!
RAUCH: Ein fabelhafter Blick über die Stadt, den Fluss, die Brücke, den Bahnhof.
KLUNKE: Der Punkt beherrscht das ganze Gelände! (reißt vom Fenster die Weinrebe weg) Zwei schwere MGs hier herauf und eine Flakbatterie in den Garten, wunderbar. Herr Hauptmann, da könnte man die Gegend zudecken, dass kein Auge trockenbleibt!
DUBOIS: Gestatten Sie, mein Herr, wenn die Weinranken Sie stören, ich werde sie selbst umbinden; es ist ein alter, wertvoller Weinstock; schon mein Großvater …
RAUCH: Das ist Ihr Wohnraum, Herr Dubois?
DUBOIS: Bitte, mein Herr!
RAUCH: Klunke, die beiden untern Zimmer sofort für mich und meinen Burschen belegen! Sie nehmen mit dem Stab und den Schreibern dort das kleine Gartenhaus! Ein Doppelposten vor das Haus und an die Straßenkreuzung!
KLUNKE: Ein Doppelposten vor das Haus und an die Straßenkreuzung! (ab)
RAUCH (mit Blick auf Geneviève): Herr Dubois, Sie sind mit Madame die einzigen Bewohner des Hauses?
DUBOIS: Wie meinen Sie, mein Herr?
RAUCH: Befindet sich kein französisches Militär in Ihrem Haus?
DUBOIS (beherrscht): Nein, mein Herr; bloß meine Schwiegertochter, Madame Geneviève Dubois, ihre Freundin, mein Sohn und die Haushälterin.
RAUCH (sich vor Geneviève leicht verneigend): Ich hoffe, wir werden miteinander auskommen!
DUBOIS: Meine Regierung hat hierzu klar ihren Willen bekundet. Was wir alle jetzt brauchen, das ist Friede.
RAUCH (betont): Ich denke auch, Frankreich hat nach dieser Lehre ein für alle Mal genug vom Kriege! (am Fenster) Übrigens, ein wirklich schönes Land, dies Frankreich hier um die Loire … (immer auf Geneviève blickend) Madame sind Französin?
GENEVIÈVE: Gewiss, mein Herr.
RAUCH: Und darf man wissen, woher?
GENEVIÈVE: Aus dem Pas de Calais, zwischen Dunkerque und der Grenze.
RAUCH (lebhaft): Ah, sehen Sie, von der flandrischen Grenze, eine Flämin?
DUBOIS: Madame ist Nordfranzösin, mein Herr.
RAUCH: Ich bin überzeugt, Madame spricht das reinste Französisch der Welt; aber gestatten Sie schon, Herr Dubois, wenn ich als Deutscher sofort frappiert war von – ich muss schon sagen – dem rein nordischen Typus von Madame, hier an den Ufern der Loire, hier mitten in Frankreich.
GENEVIÈVE: Verzeihung, mein Herr, ich weiß nur, dass ich in Frankreich geboren und erzogen wurde, dass Frankreich meine Heimat ist, dass schon meine Eltern und Großeltern so empfanden.
RAUCH: Und ich bin gewiss, was Ihre Vorfahren betrifft, so waren diese getreue Untertanen unsres Kaisers Karl V. in einem flämischen Flandern!
GENEVIÈVE: Ich hatte bisher nicht die Ehre, mit jenem Kaiser Karl Bekanntschaft zu machen, und ich wünsche auch jetzt nicht, ihm näherzutreten.
RAUCH: Das, Madame, wird allerdings nicht von Ihren Wünschen abhängen.
HENRI von links, er bleibt an der Türe stehen
DUBOIS: Mein Sohn Henri!
RAUCH (zu Geneviève): Ihr Gatte?
GENEVIÈVE: Nein.
DUBOIS (schnell): Mein jüngerer Sohn; Madames Gatte … er war im Felde, der Krieg … was kann man wissen …
RAUCH: Sie haben keine Nachricht von Ihrem Gatten, Madame?
GENEVIÈVE (sich abwendend): Nein.
CORINNE, sehr elegant, von links …
CORINNE: Verzeihung, ich störe?
GENEVIÈVE: Madame Corinne Destrey, meine Freundin.
RAUCH (sich leicht verneigend): Rauch. – Zwei Freundinnen und so grundverschieden! Madame ist Urfranzösin?
CORINNE: Ist das ein großer Mangel?
RAUCH: Keineswegs; bloß eine Feststellung.