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Die Anschläge des 11.9.2001 dürften als das Jahrhundertverbrechen in die Geschichte eingehen. Wie aber kann es sein, dass auch nach zwanzig Jahren noch immer an der "offiziellen Wahrheit" festgehalten wird, obwohl bis heute die objektiven Unstimmigkeiten an dieser Version erdrückend sind? Die Kommission zur Klärung der Ereignisse legte einen Abschlussbericht vor, der einer staatsanwaltlichen Prüfung nicht standhält und von dem sich selbst die Kommissionsmitglieder distanziert haben. Bestsellerautor Mathias Bröckers zieht zum 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 eine ernüchternde Bilanz über unterdrückte Beweise und die Folgen, die der "War on Terror" bis heute weltweit nach sich zieht.
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Seitenzahl: 163
Ebook Edition
Mathias Bröckers
Mythos 9/11
Die Bilanz des Jahrhundertverbrechens – 20 Jahre danach
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ISBN 978-3-86489-795-5
© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2021
Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin
Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich
»Rovin’ gambler, he was very boredTryin’ to create a next world warHe found a promoter who nearly fell off the floorI never engaged in this kind of thing beforeBut yes, I think it can be very easily doneWe’ll just put some bleachers out in the sunAnd have it on Highway 61«
Bob Dylan, »Highway 61 revisited« (1965)
Die Terroranschläge des 11. September 2001 sind das »crime of the century«, das schrecklichste Verbrechen des Jahrhunderts. Nicht nur wegen der 3 000 Menschen, die in den Flugzeugen und durch den Einsturz des World Trade Center ums Leben kamen, nicht nur wegen der hunderttausenden Opfer, die in der Folge im sogenannten War on Terror getötet und den Millionen, die in die Flucht getrieben wurden, und auch nicht nur wegen der Einschränkung bürgerlicher Freiheiten durch eine Flut »Anti-Terror-« und »Sicherheits«gesetzen. Sondern vor allem weil diese Verbrechen bis heute nicht aufgeklärt ist und seine Hintermänner auf freiem Fuß sind.
Dass der arabische Agent mit dem CIA-Namen Tim Osman, der 1986 in den USA Stinger-Raketen eingekauft, Schulungen erhalten hatte und später als »Osama Bin Laden« bekannt wurde, als Haupttäter die Angriffe aus einer Höhle in Afghanistan organisiert und gesteuert hat – diese schrecklich-schaurige Geschichte entspricht zwar der offiziellen Legende und dem Abschlussbericht der Untersuchungskommission (dem 9/11 Report), hat aber mit den Tatsachen wenig zu tun. Kein Gericht der Welt hätte die zentrale Aussage zur Täterschaft Osama Bin Ladens und der 19 »Hijacker«, die von dem in Guantanamo einsitzenden Kronzeugen Khalid Scheich Mohamed (KSM) in 182 Foltersitzungen durch Waterboarding gewonnen wurde, als beweiskräftig akzeptiert. Die von Präsident George W. Bush erst nach über einem Jahr und massiven Protesten von Opferangehörigen eingesetzte Untersuchungskommission durfte den Kronzeugen nicht persönlich befragen, auch seine Verhörer, denen gegenüber er seine Aussagen gemacht haben soll, durften nicht aussagen. Den Ermittlern wurden die Aussagen des Zeugen nur schriftlich zur Verfügung gestellt und auf Basis dieser Folterprotokolle, aus denen dann dutzendfach zitiert wird, erstellten sie den abschließenden 9/11 Report. Dass sich der Vorsitzende des Ausschusses, Thomas Kean, danach bitter beklagte, dass ihnen zentrale Beweisstücke aus Gründen der »nationalen Sicherheit« vorenthalten worden sind und ihre Ermittlung »zum Scheitern verurteilt« war, nahm dann kaum noch jemand zur Kenntnis. Mit dem Erscheinen des 9/11-Reports, der 2004 in Massenauflage und in dutzende Sprachen übersetzt in die Buchläden der Welt und in die Wiederholungsschleifen der Medien gedrückt wurde, war das Narrativ von Osama und den 19 Teppichmessern – die Erzählung, dass 9/11 die Tat von 19 Einzeltätern war, die von Bin Laden aus einer afghanischen Höhle gesteuert wurden – als wahre, realitätsgerechte Beschreibung der Ereignisse zementiert. So wurde die offizielle Legende zum Fanal einer Serie von Kriegen, dem »Great War on Terror«, der nach Aussage des damaligen Vizepräsidenten Dick Cheney »länger als eine Generation« dauern wird und der von langer Hand geplant war. Dem gerade pensionierten Vier-Sterne-General Wesley Clark, der bis 2000 die NATO-Streitkräfte in Europa befehligt hatte, blieb die Spucke weg, als er kurz nach den Anschlägen das Pentagon besuchte und ein alter Kollege aus dem »Joint Chiefs Of Staff« ihn in sein Zimmer zog: »Ich habe gerade diesen Merkzettel aus dem Büro des Verteidigungsministers bekommen, und hier steht, wir werden sieben Länder angreifen und deren Regierungen innerhalb von fünf Jahren stürzen. Wir werden mit dem Irak beginnen und dann nehmen wir uns Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, den Sudan und den Iran, sieben Länder in fünf Jahren.«
Als er sechs Jahre später eine Rede dazu hielt, sagte General Clark: »Ich habe diese Information für lange Zeit für mich behalten. Ich habe darüber etwa sechs oder acht Monate mit niemandem gesprochen. Ich war wie gelähmt darüber, ich konnte darüber mit niemandem sprechen. Und ich konnte nicht glauben, dass das die Wahrheit sein kann, aber es ist Wirklichkeit. (…) Dieses Land wurde von einer Gruppe von Leuten durch einen politischen Staatsstreich übernommen! Das waren Wolfowitz und Cheney und Rumsfeld und man kann ein halbes Dutzend anderer Kollaborateure nennen von dem ›Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert‹ (PNAC -US-Denkfabrik in Washington). Sie wollten den Nahen Osten destabilisieren, ihn auf den Kopf stellen, ihn unter unsere Kontrolle bringen.«1
Dass sich diese Erkenntnis schon in den ersten Tagen und Wochen nach den Anschlägen gewinnen ließ und die verschleppten und verhinderten Ermittlungen in den Monaten und Jahren darauf die Hinweise auf einen »Staatsstreich« noch erhärteten, all das kann in meinen Büchern aus den Jahren 2002, 2003 und 2011 bis ins Detail nachgelesen werden. Sie erscheinen im Sommer 2021 in einem Sammelband (11.9. – 20 Jahre danach – Einsturz einer Legende, Westend Verlag) noch einmal. Ungekürzt, unkommentiert und genau so, wie sie im Original erschienen sind und in viele Sprachen übersetzt wurden. Mit allen Fehlern und Falscheinschätzungen, aber auch mit all den Fakten und Informationen, die in der offiziellen Darstellung unterdrückt und ausgeblendet wurden. Die aber gleichwohl jedem ordentlichen Kriminalisten oder auch Journalisten, der die Täter und Hintermänner dieses Massenmords wirklich finden will, hätten auffallen und zu denken geben müssen.
Die drei grundlegenden Kategorien zur Überführung eines Täters – Motiv, Mittel und Möglichkeit – scheinen bei Osama Bin Laden auf den ersten Blick vorzuliegen. Als terroristischer Warlord und fanatischer Anhänger des »Heiligen Kriegs« (Jihad) hatte er fraglos ein Motiv, die »gottlose« Moderne und ihr Symbol, das World Trade Center in New York, anzugreifen. Als Sohn eines milliardenschweren Bauunternehmers und erfolgreicher Spendensammler für den »Jihad« verfügte er wohl auch über die notwendigen Finanzmittel, die Anschläge durchzuführen – die 9/11-Kommission, die die Finanzierung der Attacken merkwürdigerweise gar nicht untersucht hat, schätzte den Bedarf auf 500 000 Dollar.
Die Möglichkeit, dass 19 »Hijacker« mit Teppichmessern in vier Flugzeuge einsteigen, war wegen mangelnder Sicherheitschecks an Flughäfen ebenfalls gegeben. Da es aber sehr viele Verdächtige geben kann, die über diese drei großen »M« verfügen, reichen diese Kategorien nicht aus. Zur Überführung des Täters müssen Beweise hinzukommen. Die wurden dann gleich nach den Anschlägen am Flughafen gefunden: Im hängengebliebenen Koffer des vermeintlichen Rädelsführers Mohamed Atta entdeckte man ein Koran-Gebetbuch und sein Testament und in einem der Mietwagen, mit dem seine Komplizen gekommen waren, einen Zettel mit der Handynummer von Osama Bin Laden. Also eindeutige Spuren auf »islamistische« Täter. Bingo!
»Alles klar, Herr Kommissar!« konnte da freilich nur sagen, wer als Kriminalassistent nicht genauer hinschaute und auf gar keinen Fall fragte, wie es kommt, dass die supersmarten Täter einer derart komplexen Attacke derart trottelhafte Elefantenspuren am Tatort hinterlassen. Und ob derlei Vergesslichkeit damit zu tun hat, dass auch dem »Rädelsführer« Mohamed Atta offenbar erst am Vorabend der präzise geplanten Operation einfiel, dass er noch gar keine Tatwaffe hatte. »Ist das nicht merkwürdig, Chef?«, fragt der Assistent, »ein gigantischer, mit militärischer Strategie geplanter Terroranschlag und der Anführer lässt sich quasi fünf Minuten vorher beim Kauf des Teppichmessers im Supermarkt fotografieren. Und gibt sein Testament als Gepäck für den Flug auf, mit dem er sich eine Stunde später selbst in die Luft jagen will. Zwei Wochen vorher hat er ja noch ein Miles-und-More-Konto eröffnet, um mit dem Flug Meilen zu sammeln. Und die anderen ›Hijacker‹ haben ein paar Tage vor der Tat noch ihre Tickets wegen Falschparkens überwiesen und Miete im Voraus bezahlt – das passt doch nicht zu todesmutigen Selbstmordattentätern. Das müssen wir noch genauer ermitteln.« Worauf der Kommissar nur sagt: »Hör auf damit, Harry. Generalstaatsanwalt und Regierung haben schon gratuliert, dass wir die Täter so schnell identifizieren konnten. Da werden wir den Teufel tun und weiter ermitteln. Hol schon mal den Wagen.«
* * *
Dass ich selbst schon in der Nacht nach den Anschlägen skeptisch geworden war, lag eigentlich nur an einem unglücklichen Zufall. Zwei Jahre zuvor hatte ich mit Robert Anton Wilson die deutsche Ausgabe seines Lexikon der Verschwörungstheorien2 herausgegeben, der Verlag wünschte sich ein weiteres Buch zu diesem Thema, doch Robert war schwer erkrankt und konnte nicht schreiben. So hatte ich mich allein ans Werk gemacht, mit dem Plan einer Art »Meta-Theorie« der Verschwörungstheorien – also anhand des historischen Materials ihre allgemeinen Merkmale, Strukturen, Muster und Verwendungsweisen herauszufinden und aufzuzeigen.
Weil Verschwörungen – A und B verabreden sich hinter dem Rücken von C, um sich einen Vorteil zu verschaffen – dauernd und überall vorkommen, sind Spekulationen, Hypothesen, Vermutungen über mögliche Verschwörungen – also Verschwörungstheorien – eine ganz selbstverständliche und vollkommen rationale Angelegenheit. Irrational und verrückt – oder im klinischen Sinne paranoid – werden solche Hypothesenbildungen und Theorien erst, wenn dort Zusammenhänge, Indizien oder Beweise gesehen werden, wo gar keine sind.
Als nach dem Mord an Präsident John F. Kennedy im November 1963 immer mehr Zweifel an der Einzeltäter-These der offiziellen Untersuchung auftauchten und 1966 ein Staatsanwalt in New Orleans, Jim Garrison, mit Ermittlungen über CIA-Mitarbeiter aus dem Umfeld des angeblichen Einzelschützen Lee Harvey Oswald begann, schickte die Abteilung für »Psychological Warfare« der Central Intelligence Agency (CIA) im Januar 1967 ein Memo an alle Dienststellen und verdeckten Mitarbeiter in den großen Medien. Mit konkreten Anweisungen und Tipps, wie mit den wachsenden Zweifeln an der Einzeltäter-These des Warren-Reports umzugehen und »Verschwörungstheorien« zu kontern seien. Mit diesem erst sehr viel später öffentlich bekannt gewordenen Memo der CIA wird der neutrale Ausdruck »Verschwörungstheorie« erstmals zu einem Kampfbegriff der psychologischen Kriegsführung und des Managements der öffentlichen Wahrnehmung gemünzt – und werden Kritiker der offiziellen Version als »Verschwörungstheoretiker« und grundsätzlich als unseriös, staatsfeindlich und nur kommerziellen Interessen folgend stigmatisiert. Um »den Behauptungen von Verschwörungstheoretikern entgegenzutreten und sie zu diskreditieren« und ihre Verbreitung zu verhindern, empfahlen die CIA-Strategen ihren Agenten, »freundliche Kontakte in der Elite (vor allem zu Politikern und Redakteuren)« zu pflegen und sie an die »Integrität der Warren-Kommission« zu erinnern. »Die Vorwürfe der Kritiker sind ohne seriöse Begründung«, heißt es in dem Papier, und: »weitere spekulative Diskussionen spielen nur in die Hände der (kommunistischen) Opposition«.
Um jede Kritik zurückzuweisen, empfiehlt das Hauptquartier seinen Stationen, »Propagandamitarbeiter zu beschäftigen«, und setzt hinzu, dass zu diesem Zweck »Buchbesprechungen und Hintergrundartikel besonders hilfreich seien«. Es erläutert im Folgenden, welche Punkte dort zu setzen sind: dass es keine neuen Beweise gäbe, die die Kommission nicht berücksichtigt hätte, dass die Kritiker nur bestimmte Punkte überbewerteten und andere außer Acht ließen, dass große Verschwörungen nie geheim zu halten seien und dass Kritiker oft zu »intellektueller Überheblichkeit« neigten und dazu, sich in ihre eigenen Theorien zu verlieben.3
Seit über 50 Jahren nunmehr wird dieses unschuldige Wort – es bedeutet im Kern nichts anderes als die vernünftige Hypothese, die jeder Kriminalist aufstellt, wenn er an die Aufklärung eines Verbrechens geht, an dem mehr als eine Person beteiligt gewesen sein könnte – als Kampfbegriff in der psychologischen Kriegsführung verwendet. Das war mir zwar bekannt, als ich im Frühjahr 2001 mit der Arbeit an meinem Buch begann – die Dimensionen und die Inflation aber, die der Begriff dann nach den 9/11–Attacken erfahren sollte, seine Evolution zur Diffamierungsvokabel und Diskurskeule schlechthin, war so nicht abzusehen.
Am Morgen des 11. September 2001 hatte ich mir auf einem Notizzettel eine These notiert: »Verschwörungstheorien haben eine besondere Eigenschaft: Sie reduzieren Komplexität. Komplexe Ursachen von Ereignissen werden auf einen einfachen Sündenbock reduziert. Das macht sie zu einem idealen Werkzeug der Agitation und Propaganda.« Ich hatte gerade begonnen, über diese Zusammenhänge zu schreiben, als mein Telefon klingelte: »Mach mal den Fernseher an. Da ist in New York etwas passiert«, sagte ein Freund und wie der Rest der Welt sah ich, welches Drama sich da vor aller Augen abspielte: DAS Verbrechen des 21. Jahrhunderts live im TV. Nach etwa einer Stunde vor dem Fernseher – die beiden großen Türme standen noch – hörte ich zum ersten Mal, dass ein gewisser Osama Bin Laden der Tat verdächtigt wurde. Da diesem auch schon Anschläge auf US-Botschaften in Afrika zur Last gelegt wurden, galt er als islamistischer Terrorist und schien als Verdächtiger insofern infrage zu kommen. Beim Verfolgen verschiedener Nachrichtenkanäle im TV und im Internet im Laufe des Nachmittags und der Nacht wunderte ich mich zunehmend, dass dieser Verdächtige immer öfter und als Einziger genannt wurde. Irgendwann schlug meine am Vormittag auf diese These eingestellte Optik Alarm: Einerseits ein völlig überraschender, nie dagewesener, gigantischer Terroranschlag – aber andererseits steht der einzige Täter schon nach wenigen Stunden mehr oder weniger fest. Wird hier gerade ein hochkomplexes Ereignis auf einen simplen Sündenbock reduziert? Haben wir es nicht nur mit einem live übertragenen Verbrechen, sondern auch mit dem medialen »Making-of« einer Verschwörungstheorie zu tun? Schon nach einem Tag schien mir eine Antwort auf diese Fragen deutlich zu werden und ich schrieb einige »Verschwörungstheoretische Anmerkungen«, die am 13. September 2001 in der taz und auf dem Online-Magazin Telepolis erschienen.
Dass daraus dann in den folgenden Monaten eine 60-teilige Serie werden sollte4, war nicht geplant. Ich hatte ja einen Abgabetermin für das Buchmanuskript. Der damalige Verlag bekam allerdings schon bei der Konzeptänderung, die ich jetzt aus aktuellem Anlass vorschlug – nämlich im zweiten Teil des Buches die Live-Entstehung einer offiziellen Verschwörungstheorie zu dokumentieren – kalte Füße. Ich aber wollte jetzt kein Buch mit historischen Beispielen aus dem Archiv schreiben, über Illuminaten, Tempelritter oder die »Weisen von Zion«, wo doch mein Forschungsgegenstand – Verschwörungen und Verschwörungstheorien – als welterschütterndes Ereignis gerade live und gleichsam auf freier Wildbahn zu beobachten war. Zum Glück fand ich mit Lutz Kroth von Zweitausendeins schnell einen mutigeren Verleger, sodass das Buch im Sommer 2002 erscheinen konnte und in kürzester Zeit eine Auflage von mehr als 100 000 Exemplaren erreichte. Wobei der Grund für diesen Erfolg weniger in irgendeiner außergewöhnlichen Beobachtungsgabe meinerseits zu suchen ist, sondern schlicht darin, dass die gesamte journalistische Branche nach 9/11 einfach gar nicht hin- oder sogar wegschaute. Denn sonst hätte jedem zweiten Kollegen auffallen müssen, dass hier eine lupenreine, vor haarsträubenden Ungereimtheiten, unbewiesenen Behauptungen und irrsinnigen Zufällen nur so strotzende Verschwörungstheorie als offizielle Wahrheit entfaltet wurde. Schon die Elefantenspuren, die die »Hijacker« am Flughafen hinterlassen hatten – die zufällig entdeckte Handynummer Osama Bin Ladens in einem ihrer Mietwagen, der zufällig hängen geblieben Koffer des Anführers Mohamed Atta inklusive Koran, Boeing-747-Handbuch und seinem Testament –, wären einem Drehbuchautor von jedem »Tatort«-Praktikanten als platt und plump um die Ohren gehauen worden. Im Reality-TV nach 9/11 aber kam man mit diesen »islamistischen« Elefantenspuren durch, die Argusaugen des investigativen, kritischen Journalismus waren über Nacht erblindet, nachdem George W. Bush verkündet hatte, dass man sich jetzt positionieren muss: »Mit uns oder mit den Terroristen!« und vor der UN-Vollversammlung gefordert hatte: »Wir müssen die Wahrheit über den Terror aussprechen. Lasst uns niemals frevelhafte Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit dem 11. September tolerieren, boshafte Lügen, die bezwecken, die Schuld von den Terroristen abzulenken, weg von den Schuldigen.«
Die »Wahrheit über den Terror« war zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt, nicht einmal die Identitäten der 19 »Hijacker« waren eindeutig geklärt (und sind es bis heute nicht!), geschweige denn die Frage, wie sie mit zwei Flugzeugen drei Wolkenkratzer pulverisieren konnten, denn die Bush-Regierung hatte die Einsetzung einer staatlichen Untersuchungskommission standhaft verweigert, weil dies »die Bekämpfung weiterer Terroranschläge« behindern würde. Und stattdessen den »War on Terror« ausgerufen. Wer noch Fragen stellte, war auf der Seite der »Terroristen«, wo niemand gerne steht, der noch einen Job und gewisse Karriereaussichten in der Medienbranche hatte. Die Reporterlegende Dan Rather, Nachrichtenchef des Senders CBS, brachte es auf den Punkt: »George Bush ist der Präsident. Er trifft die Entscheidungen. Und wie es sich für einen Amerikaner gehört: Wo immer man mich haben will, ich reihe mich ein.«