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»Es gibt ein Leben nach der Flucht, doch die Flucht wirkt fort, ein Leben lang.« Ilija Trojanow ist als Kind zusammen mit seiner Familie aus Bulgarien geflohen, eine Erfahrung, die ihn bis heute nicht mehr los lässt. Virtuos, poetisch und klug reflektierend erzählt Ilija Trojanow von seinen eigenen Prägungen als lebenslang Geflüchteter. Von der Einsamkeit, die das Anderssein für den Flüchtling tagtäglich bedeutet. Davon, wie wenig die Vergangenheit des Geflüchteten am Ort seines neuen Daseins zählt. Was das Existieren zwischen zwei Sprachen mit ihm macht. Welche Lügengeschichten man als Geflüchteter den Daheimgebliebenen auftischt. Und dass man vor der Flucht wenigstens wusste, warum man unglücklich war. Ilija Trojanow erzählt von sich selbst, zugleich ist er eine exemplarische Figur. So gelingt ihm eine behutsame und genaue Topographie des Lebens nach der Flucht, das existentielle Porträt eines Menschenschicksals, das unser 21. Jahrhundert bestimmt.
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Seitenzahl: 73
Ilija Trojanow
»Es gibt ein Leben nach der Flucht, doch die Flucht wirkt fort, ein Leben lang.« Ilija Trojanow ist als Kind zusammen mit seiner Familie aus Bulgarien geflohen, eine Erfahrung, die ihn bis heute nicht mehr los lässt.
Virtuos, poetisch und klug reflektierend erzählt Ilija Trojanow von seinen eigenen Prägungen als lebenslang Geflüchteter. Von der Einsamkeit, die das Anderssein für den Flüchtling tagtäglich bedeutet. Davon, wie wenig die Vergangenheit des Geflüchteten am Ort seines neuen Daseins zählt. Was das Existieren zwischen zwei Sprachen mit ihm macht. Welche Lügengeschichten man als Geflüchteter den Daheimgebliebenen auftischt. Und dass man vor der Flucht wenigstens wusste, warum man unglücklich war.
Ilija Trojanow erzählt von sich selbst, zugleich ist er eine exemplarische Figur. So gelingt ihm eine behutsame und genaue Topographie des Lebens nach der Flucht, das existentielle Porträt eines Menschenschicksals, das unser 21. Jahrhundert bestimmt.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Ilija Trojanow, geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielt. 1972 zog die Familie weiter nach Kenia. Unterbrochen von einem vierjährigen Deutschlandaufenthalt lebte Ilija Trojanow bis 1984 in Nairobi. Danach folgte ein Aufenthalt in Paris. Von 1984 bis 1989 studierte Trojanow Rechtswissenschaften und Ethnologie in München. Dort gründete er den Kyrill & Method Verlag und den Marino Verlag. 1998 zog Trojanow nach Bombay, 2003 nach Kapstadt, heute lebt er, wenn er nicht reist, in Wien. Seine bekannten Romane wie z.B. ›Die Welt ist groß und Rettung lauert überall‹, ›Der Weltensammler‹ und ›Eistau‹ sowie seine Reisereportagen wie ›An den inneren Ufern Indiens‹ sind gefeierte Bestseller und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei S. Fischer sein großer Roman ›Macht und Widerstand‹ und sein Sachbuch-Bestseller ›Meine Olympiade: Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen‹.
Notiz
Vorab
Erster Teil (Von den Verstörungen)
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
XVIII.
XIX.
Dramolett
XX.
XXI.
XXII.
XXIII.
XXIV.
XXV.
XXVI.
XXVII.
XXVIII.
XXIX.
XXX.
XXXI.
XXXII.
XXXIII.
Dramolett
XXXIV.
XXXV.
XXXVI.
XXXVII.
XXXVIII.
XXXIX.
XL.
XLI.
XLII.
Dramolett
XLIII.
XLIV.
XLV.
XLVI.
XLVII.
XLVIII.
XLIX.
L.
LI.
LII.
LIII.
LIV.
LV.
LVI.
LVII.
LVIII.
LIX.
LX.
LXI.
LXII.
LXIII.
LXIV.
LXV.
LXVI.
LXVII.
Dramolett
LXVIII.
LXIX.
LXX.
LXXI.
Dramolett
LXXII.
LXXIII.
LXXIV.
LXXV.
LXXVI.
LXXVII.
LXXVIII.
LXXIX.
LXXX.
LXXXI.
LXXXII.
LXXXIII.
LXXXIV.
LXXXV.
LXXXVI.
LXXXVII.
LXXXVIII.
LXXXIX.
XC.
XCI.
XCII.
XCIII.
XCIV.
XCV.
XCVI.
XCVII.
XCVIII.
XCIX.
[Kapitel]
Zweiter Teil (Von den Errettungen)
99. Kapitel
98. Kapitel
97. Kapitel
96. Kapitel
95. Kapitel
94. Kapitel
93. Kapitel
92. Kapitel
91. Kapitel
90. Kapitel
89. Kapitel
88. Kapitel
87. Kapitel
86. Kapitel
85. Kapitel
84. Kapitel
83. Kapitel
82. Kapitel
81. Kapitel
80. Kapitel
79. Kapitel
78. Kapitel
77. Kapitel
Dramolett
76. Kapitel
75. Kapitel
74. Kapitel
73. Kapitel
72. Kapitel
71. Kapitel
70. Kapitel
69. Kapitel
68. Kapitel
67. Kapitel
Dramolett
66. Kapitel
65. Kapitel
64. Kapitel
63. Kapitel
62. Kapitel
61. Kapitel
60. Kapitel
59. Kapitel
58. Kapitel
57. Kapitel
56. Kapitel
55. Kapitel
54. Kapitel
53. Kapitel
Dramolett
52. Kapitel
51. Kapitel
50. Kapitel
49. Kapitel
48. Kapitel
47. Kapitel
46. Kapitel
45. Kapitel
44. Kapitel
43. Kapitel
42. Kapitel
41. Kapitel
40. Kapitel
39. Kapitel
38. Kapitel
37. Kapitel
36. Kapitel
35. Kapitel
34. Kapitel
33. Kapitel
32. Kapitel
31. Kapitel
Dramolett
30. Kapitel
29. Kapitel
28. Kapitel
27. Kapitel
26. Kapitel
25. Kapitel
24. Kapitel
23. Kapitel
22. Kapitel
Dramolett
21. Kapitel
20. Kapitel
19. Kapitel
18. Kapitel
17. Kapitel
16. Kapitel
15. Kapitel
14. Kapitel
13. Kapitel
12. Kapitel
11. Kapitel
10. Kapitel
9. Kapitel
8. Kapitel
7. Kapitel
6. Kapitel
5. Kapitel
4. Kapitel
3. Kapitel
2. Kapitel
1. Kapitel
Nachtrag
Meinen Eltern, die mich mit der Flucht beschenkten
Dieser Text wurde inspiriert durch den Zyklus
»The Migration Series«
des Künstlers Jacob Lawrence.
Der Flüchtling ist meist Objekt.
Ein Problem, das gelöst werden muss. Eine Zahl. Ein Kostenpunkt. Ein Punkt. Nie ein Komma. Weil er nicht mehr wegzudenken ist, muss er Ding bleiben.
Es gibt ein Leben nach der Flucht. Doch die Flucht wirkt fort, ein Leben lang. Unabhängig von den jeweiligen individuellen Prägungen, von Schuld, Bewusstsein, Absicht, Sehnsucht.
Der Geflüchtete ist eine eigene Kategorie Mensch.
Die Flucht rechtfertigt sich selbst, das Leben danach stellt immer wieder neue Fragen.
Nichts an der Flucht ist flüchtig. Sie stülpt sich über das Leben und gibt es nie wieder frei.
Stets wird der Geflüchtete vorgestellt als einer, der einst von woanders kam. Der spät in einer Winternacht in den Gasthof trat. Der nicht eingeladen war. Ein Mündel, dem ein Teller Suppe vorgesetzt wurde, weil es sich so ziemt. Egal, wie viele Jahre seit seiner Flucht vergangen sind, die Einheimischen kennzeichnen ihn als jemanden, der etwas Essentielles nicht mit ihnen teilt. Selbst die kürzeste Biographie hat Platz für seine Bindestrich-Identität. Ob es daran liegt, fragt er sich, dass er immer noch in seiner Muttersprache zählt?
Im Auffanglager erhalten achtzig Minderjährige in einem Raum Wortsamen. Ein »A« wird ihnen hingeworfen. Seid dankbar, denn dies ist der edelste, ursprünglichste aller laute, aus brust und kehle voll erschallend, den das kind zuerst und am leichtesten hervor bringen lernt.
Einschulung. Er kann einige Wortbrocken, seine Mutter kann einige Wortbrocken. Gemeinsam stehen sie am ersten Schultag vor der Tür der Rektorin. Sie haben sich verspätet. Klasse 1b, sagt die Rektorin, im zweiten Stock. Sie deutet nach oben. Eine breite Treppe. Als sie in den Gang biegen, wird eine Tür zugeschlagen. Die Mutter klopft an die Tür. Herein! Ein Raum voller Kinder in seinem Alter. Er beginnt sich zu schämen. Die Rede seiner Mutter ein Radebrech. Er kann es nicht besser. Nein, nein, nein, wehrt die Lehrerin mit beiden Händen ab, ich habe schon vier Türken in meiner Klasse. Und scheucht Mutter und Sohn davon. Die Treppe hat beim Hinabsteigen mehr Stufen. Er weiß, was passieren wird. Sie werden wieder zur Rektorin gehen müssen. Er schämt sich noch mehr. Die Rektorin erhebt sich. Sie marschiert durch den Gang, die Treppe hinauf, den oberen Gang entlang, zur Klassenzimmertür. Sie reißt die Tür auf und spricht ein kurzes Wort. Er setzt sich in die letzte Reihe. Weil er wenig versteht, schaut er sich verstohlen um. Wer wohl die vier türkischen Kinder sind?
Als er ein Wort so ausspricht, dass es lustig klingt, ziehen die anderen Schüler Grimassen. Die Wörter sind in ihrem Mund Murmeln, denkt er. Nachträglich kommt es ihm vor, als habe er an diesem Tag beschlossen, die fremde Sprache so zu lernen, dass er sich nie wieder schämen muss. Er ahnt noch nicht, was seine Eltern von Anfang an wissen: Sprache ist Ermächtigung. Wer das Alphabet beherrscht, kann sich selbst verteidigen.
How can you allow a foreigner to be better than you? Diesen Vorwurf richtet der Lehrer aus England an das Gros der Klasse, an Kinder unterschiedlichster Herkunft. Fremd ist in diesem Klassenzimmer jener, der die Sprache erst vor kurzem gelernt hat. Die allererste Frage, die im Internat an ihn gerichtet wurde, verstand er nicht. Die Mitschüler lachten. Er wusste nicht, wie er fragen sollte: Worüber lacht ihr?