Nachschlag Berlin - Johannes J. Arens - E-Book

Nachschlag Berlin E-Book

Johannes J. Arens

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Beschreibung

Wer Berlin kulinarisch nur mit Eisbein und Sauerkohl gleichsetzt, vergisst, dass auch die deutsche Hauptstadt seit Jahrhunderten ein Schmelztiegel der Kulturen ist, deren Rezepte und Traditionen ihre Spuren in den Ernährungsgewohnheiten der Metropole hinterlassen haben. Berliner Gerichte zeugen von Kriegen und fetten Jahren, von Hunger und Dekadenz. Die Epochen der Geschichte spiegeln sich im Essen der Menschen. Dieses reich bebilderte Sachbuch untersucht, wieso die Berliner und Berlinerinnen essen, was sie essen. Die Geschichte des Geschmacks einer Stadt- und ein Buch darüber, wie die Hauptstädter über das dachten und denken, was täglich auf ihren Tisch kommt.

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Nachschlag Berlin

JOHANNES J. ARENS

Nachschlag Berlin

Von der Kultur des Essens und Trinkens in der Hauptstadt

Impressum

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN (eBook, epub): 978-3-940621-56-6

Lektorat: Martina Lehnigk / Steffi Kühnel

Grafisches Gesamtkonzept, Titelgestaltung, Satz und Layout:

Stefan Berndt — www.fototypo.de

© Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin/2010

www.vergangenheitsverlag.de

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Inhalt

Vorwort

Masse oder Klasse?

Die Kritik an der Berliner Ernährung

Interview: Arme Ritter und Spiegelei

Eisbein mit Sauerkraut und Erbspüree

Die Erfindung der Berliner Küche

Interview: Mehr als eine Bäckerei

Die proletarische Inszenierung

Kulinarische Rückgriffe auf die Arbeiterkultur

Interview: Blutwurstritter

Die Politik der Mahlzeit

Ernährung in Ost- und Westberlin

Interview: Schulspeisung

Bittere und süße Gedanken

Essen und Trinken als Heimat

Interview: Zubrot und Zukunft

Die gute alte Zeit

Die Versorgung aus dem Umland und die Inszenierung der Landwirtschaft

Interview: Mutter der Currywurst

Das größte Schnitzel Berlins

Notstand und Überfluss

Anmerkungen

Bildnachweis

Werbung für Schaumzuckerwaren auf der Grünen Woche

Vorwort

In einer globalisierten Gesellschaft ist ein Supermarkt ein Supermarkt, dachte ich, als ich im Sommer 2008 von Köln nach Berlin-Neukölln zog. Ich ging davon aus, dass sich Essen und Trinken in der Hauptstadt unwesentlich von dem unterscheiden würden, was ich bislang gewohnt war. Aber schon bald schlichen sich die ersten kleinen Mangelerscheinungen im Alltag ein, die mir die Macht der Gewohnheit auch über unsere Ernährung noch einmal eindrucksvoll vor Augen führten. Plötzlich wurde an heimwehgetönten Sommerabenden das Kölsch im Biersortiment des Spätkaufs unter meiner Wohnung zum unbedingten Faktor des Wohlergehens und CARE-Pakete bekamen im Rahmen der Versorgung mit rheinischem Schwarzbrot eine ganz neue Bedeutung. Doch gerade bei dieser Suche nach dem Bekannten entdeckte ich nach und nach das Unbekannte - lokale Besonderheiten abseits von Currywurst und Pfannkuchen sowie Einflüsse aus dem ostdeutschen Umland. Allem voran aber entdeckte ich eine ganz besondere Perspektive der Menschen auf das, was sie tagtäglich zu sich nehmen. Aus den Hamstertouren wurde schnell ein Buchprojekt: Ich befragte Freunde und Bekannte und ließ mir die Orte zeigen, an denen sie einkaufen, kochen und essen. Und auch wenn das Projekt mitunter erst einmal belächelt wurde, nach wenigen Minuten war der Ofen an, um im Küchenjargon zu sprechen, denn Ernährung ist ein gesellschaftliches Totalphänomen, dem sich keiner dauerhaft zu entziehen vermag. Herausgekommen ist kein Kochbuch, kein Restaurantführer und auch kein Spezialitätenlexikon. ,Nachschlag Berlin‘ ist eine Bestandsaufnahme der Esskultur der deutschen Hauptstadt rund 20 Jahre nach der Wiedervereinigung. In insgesamt neun Kapiteln habe ich schlaglichtartig untersucht, was das Ernährungssystem dieser Stadt ausmacht, wie viel davon in der Vergangenheit zu suchen ist und wie die Zukunft aussehen könnte. Diese Analysen anhand konkreter Beispiele und Beobachtungen werden ergänzt durch Interviews mit Personen, die mir als Produzenten, Verbraucher oder Beobachter ihre Sicht aufs Berliner Essen erläutert haben.

Denn das Verhältnis der Berliner und Berlinerinnen zu ihrer Ernährung ist, ganz vorsichtig formuliert, nicht immer unproblematisch. Auch wenn Berlin seit den 1980ern eine der Hochburgen der Ökobewegung ist – die Qualität ihrer Lebensmittel ist für viele Menschen nach wie vor zweitrangig. Auch das Nörgeln über die Berliner Küche hat Tradition – von den gesetzlichen Beschränkungen des Prunks bei Hochzeitsfeiern im 14. Jahrhundert über die scharfzüngigen Beobachtungen der Essgewohnheiten der Berliner Elite durch Theodor Fontane bis hin zur gegenwärtigen Restaurantkritik in den Stadtmagazinen.

Das 19. Jahrhundert spielt dabei eine besondere Rolle in der Ausdifferenzierung eines Berliner Küchensystems, wurden doch hier die Gerichte erfunden, die wir heute noch als ,gutbürgerlich‘ bezeichnen. Hier wurden die Weichen für eine repräsentative, bürgerliche Esskultur der Hauptstadt gestellt, wie sie immer noch auf den Speisekarten der ,Alt-Berliner‘ Restaurants zu finden ist.

Für die Berliner und Berlinerinnen selbst spielt eine andere Form der Inszenierung eine wichtige Rolle: die der Metropole als Hauptstadt des Proletariats. Diejenigen Imbissbuden, die als ,kultig‘ gelten, sind vielfach ziemlich ungemütliche Orte, die aber eines gemeinsam haben: Sie heben nicht nur die Wurst, sondern auch ihre Konsumenten auf den Präsentierteller. Der Verzehr einer Currywurst ist fester Bestandteil der Selbstinszenierung als Berliner.

Aber nicht alle untersuchten Phänomene sind so offensichtlich wie ,Curry ohne Darm‘. So ist die Teilung der Stadt in Ost und West im Ernährungssystem nur noch bei sehr genauer Betrachtung zu erkennen. Denn Esskultur reagiert nur träge auf Veränderungen, auch wenn manche von ihnen in geballter Form eintreten. So haben Migrationswellen seit dem 17. Jahrhundert immer wieder die Identität der Stadt geprägt. Neben den türkischen Einwanderern des 20. Jahrhunderts waren das vor allem die Hugenotten, die der Legende nach die Bulette, das Weißbier und das Hühnerragout nach Berlin gebracht haben sollen.

Aber wie sehen die Migranten die deutsche Küche? Von ihren Versuchen, zwischen zwei Kulturen zu kochen und zu essen, von der Heimat im Topf, erzählen die Mitarbeiterinnen des Stadtteilmütterprojekts in Gropiusstadt. Ihre Erfahrungen sind dabei fast deckungsgleich mit denen der Damengruppe der Berliner Landsmannschaft Ostpreußen, die vor mehr als 60 Jahren ihre Heimat verlassen mussten und einmal im Monat in Kreuzberg bei Kaffee und Kuchen gemeinsam ihre Erinnerungen wach halten.

Doch Berlin hat nicht nur durch die Einflüsse seiner neuen Bewohner eine lange Geschichte des kulturellen Imports, die Stadt ist darüber hinaus immer schon in hohem Maße von den landwirtschaftlichen Kapazitäten ihres Umlands abhängig gewesen. Beelitzer Spargel oder Obst von der Havelinsel Werder sind feste Größen im Jahreslauf der Stadt und die Ernte ist im Rahmen einer Inszenierung bäuerlicher Agrarwirtschaft als Event zur volksfestartigen Massenveranstaltung geworden.

Dass in einer Millionenstadt die Gegensätze auch in der Ernährung groß sind, versteht sich von selbst. Berlin ist eine Stadt der Extreme mit Polen wie einerseits den hochpreisigen Restaurants um den Gendarmenmarkt und andererseits der Berliner Tafel, die neben zahlreichen Sozialhilfeeinrichtungen auch rund 45 eigene Ausgabestellen mit Lebensmittelspenden für Bedürftige versorgt.

Die kontinuierliche, existenzielle Bedrohung Berlins als Hauptstadt des ,Kalten Kriegs‘ hat der örtlichen Esskultur stets den Platz verwehrt, der ihr in einer Metropole eigentlich zusteht. Ein entspannter Umgang mit Essen und Trinken, über eine reine Versorgung hinaus, musste all zu oft hinter tagespolitischer Aufregung anstehen. Kulinarisches Erbe mit großem Potential ging dabei vielfach unter. Ein Beispiel ist die Berliner Weiße, jenes doppelt vergorene Weißbier – in seiner belgischen Variante ein Getränk von nationaler Bedeutung – die in Berlin zu einer Touristenlimonade verkommen ist.

Zwei Jahrzehnte nach der Wende ist die Stadt trotz aller Widrigkeiten längst wieder zu einer internationalen Größe geworden. In Bezug auf die Berliner Küche steht diese Entwicklung jedoch noch aus. Das Buch kommt daher nicht umhin, gelegentlich zu provozieren und mitunter zugespitzte Thesen zu formulieren, deren gründliche Untersuchung noch aussteht. Die Verpackung jedoch ist – um im kulinarischen Jargon zu bleiben – vor dem Verzehr geöffnet und die Stadt kann ihr eigenes, typisches Aroma entfalten.

Johannes J. Arens

Berlin, im Sommer 2010

Kellner in einem Museumsrestaurant in Moabit

Werbung eines Supermarktes auf der Blücherstraße in Kreuzberg

Masse oder Klasse?

Die Kritik an der Berliner Ernährung

Tagesgericht eines Restaurants in Mitte

Die Berliner Küche hat einen schlechten Ruf. Für diese Erkenntnis muss man kein neues Buch schreiben. Eisbein, Currywurst und Bulette, die am häufigsten genannten Berliner Spezialitäten, können mit den kulinarischen Raffinessen anderer europäischer Metropolen nur schwer mithalten. Darüber hinaus sind sie nicht auf Berlin beschränkt. Eisbein isst man, gekocht oder gegrillt auch in vielen anderen Regionen Deutschlands, die Currywurst ist dem Oberhausener ebenso wichtig wie dem Berliner und ein Hackfleischkloß, zu Hochdeutsch Frikadelle, ist gar ein internationales Phänomen. In den 20 Jahren nach der Wende hat sich Berlin wieder zu der Boomtown entwickelt, die die Stadt vor rund 100 Jahren schon einmal gewesen ist. Die desolate Haushaltslage, die hohe Arbeitslosigkeit und die damit teils einhergehende Verwahrlosung des öffentlichen Raums halten vor allem junge, kreative Menschen nicht davon ab, sich in Berlin an die Verwirklichung ihres eigenen Lebensentwurfs zu machen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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